Sie tanzte wie ein Schmetterling - Marietta Brem - E-Book

Sie tanzte wie ein Schmetterling E-Book

Marietta Brem

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Beschreibung

Wir lernen die Geschichte kennen, die einmal dazu führen wird, dass es, viele Jahre später, zur Gründung von 'Sophienlust' kommen wird. Der Weg dahin schildert eine ergreifende, spannende Familiengeschichte, die sich immer wieder, wenn keiner damit rechnet, dramatisch zuspitzt und dann wieder die schönste Harmonie der Welt ausstrahlt. Das Elternhaus Montand ist markant – hier liegen die Wurzeln für das spätere Kinderheim, aber das kann zu diesem frühen Zeitpunkt noch keiner ahnen. Eine wundervolle Vorgeschichte, die die Herzen aller Sophienlust-Fans höherschlagen lässt. Denise, die spätere Verwalterin des Kinderheims Sophienlust und Mutter des Erben Dominik, wird in dieser völlig neuen Serie in ihren jungen Jahren vorgestellt. Ihr aufregendes Leben während ihrer Ausbildung zur Balletttänzerin verleiht diesen Romanen ihre eigene Note. Die Kinderliebe der jungen Denise wird schon in der Zeit deutlich, in der sie noch bei ihren Eltern wohnt und ihren Vater als berühmten Arzt agieren sieht. Die Kavaliere stehen bei ihr Schlange, aber Denise ist sehr wählerisch und will sich nicht festlegen. Das junge Mädchen ist noch etwas scheu in Liebeshändeln, aber ihr Herz sitzt am rechten Fleck. Denise möchte am liebsten die ganze Welt umarmen und besser machen. Niemand weiß, dass die wunderschöne Wiese vor ihrem Elternhaus später einmal der Ort sein wird, auf dem das Kinderheim errichtet werden wird. Mit liebevoller Hand hatte Eva Montand die prächtigen, üppig blühenden Hibiskusbüsche auf der großen Wiese hinter dem Haus mit unzähligen Lampions geschmückt. Sie sollten bei Einbruch der Dämmerung in einem warmen Licht die Umgebung erhellen. Fünf weiße runde Tischchen, passend für jeweils vier Personen, standen in der Nähe der langen Tafel, auf der ein überaus reichliches Angebot an den verschiedensten Leckereien aufgebaut war. Aus mehreren Lautsprechern erklang leise klassische Musik, und in den Apfelbäumen, die etwas weiter weg standen, zwitscherten Amseln und Stare. »Wo bleibt denn unser Schneewittchen? Ich hab sie heute noch gar nicht gesehen.« Ein gut aussehender, hoch gewachsener Mann um die dreißig hatte die Hände in die Hüften gestützt und schaute sich suchend um. »In einer halben Stunde werden die ersten Gäste eintrudeln. Denise muss die Begrüßung übernehmen. Immerhin ist es ihre Geburtstagsfeier.« Eva, eine gut aussehende Frau Ende vierzig, legte ihre rechte Hand auf den Arm des Mannes. »Mach dir da mal keine Sorgen, Raoul, du weißt doch, dass deine Schwester die Pünktlichkeit in Person ist. Würdest du dich bitte um die Getränke kümmern?«

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Sophienlust, wie alles begann – 1 –

Sie tanzte wie ein Schmetterling

Ein schöner Tag mit schlimmem Ende

Marietta Brem

Denise, die spätere Verwalterin des Kinderheims Sophienlust und Mutter des Erben Dominik, wird in dieser völlig neuen Serie in ihren jungen Jahren vorgestellt. Ihr aufregendes Leben während ihrer Ausbildung zur Balletttänzerin verleiht diesen Romanen ihre eigene Note.

Die Kinderliebe der jungen Denise wird schon in der Zeit deutlich, in der sie noch bei ihren Eltern wohnt und ihren Vater als berühmten Arzt agieren sieht. Die Kavaliere stehen bei ihr Schlange, aber Denise ist sehr wählerisch und will sich nicht festlegen. Das junge Mädchen ist noch etwas scheu in Liebeshändeln, aber ihr Herz sitzt am rechten Fleck.

Denise möchte am liebsten die ganze Welt umarmen und besser machen.

Niemand weiß, dass die wunderschöne Wiese vor ihrem Elternhaus später einmal der Ort sein wird, auf dem das Kinderheim errichtet werden wird. Der erste Spatenstich dafür wird noch lange auf sich warten lassen …

Mit liebevoller Hand hatte Eva Montand die prächtigen, üppig blühenden Hibiskusbüsche auf der großen Wiese hinter dem Haus mit unzähligen Lampions geschmückt. Sie sollten bei Einbruch der Dämmerung in einem warmen Licht die Umgebung erhellen. Fünf weiße runde Tischchen, passend für jeweils vier Personen, standen in der Nähe der langen Tafel, auf der ein überaus reichliches Angebot an den verschiedensten Leckereien aufgebaut war. Aus mehreren Lautsprechern erklang leise klassische Musik, und in den Apfelbäumen, die etwas weiter weg standen, zwitscherten Amseln und Stare.

»Wo bleibt denn unser Schneewittchen? Ich hab sie heute noch gar nicht gesehen.« Ein gut aussehender, hoch gewachsener Mann um die dreißig hatte die Hände in die Hüften gestützt und schaute sich suchend um. »In einer halben Stunde werden die ersten Gäste eintrudeln. Denise muss die Begrüßung übernehmen. Immerhin ist es ihre Geburtstagsfeier.«

Eva, eine gut aussehende Frau Ende vierzig, legte ihre rechte Hand auf den Arm des Mannes. »Mach dir da mal keine Sorgen, Raoul, du weißt doch, dass deine Schwester die Pünktlichkeit in Person ist. Würdest du dich bitte um die Getränke kümmern?« Sie lächelte ihn liebevoll an. Raoul war ihr Stiefsohn, der ihr ans Herz gewachsen war fast wie ein eigener Sohn, obwohl er kaum fünfzehn Jahre älter war als sie selbst. Pierre, ihr geliebter Mann, hatte ihn als Zwölfjährigen mit in die Beziehung gebracht. Die erste Zeit mit ihm war nicht einfach gewesen, denn das gestörte Verhältnis zu seiner leiblichen Mutter hatte seine Spuren hinterlassen. Doch als sie und Pierre einige Jahre später heirateten, war keiner über diese Entscheidung glücklicher als Raoul. Noch heute ließ er Eva fühlen, wie dankbar er ihr war, dass sie stets Verständnis aufgebracht hatte für seine Probleme.

»Das hast du fantastisch hingekriegt, Liebes. Denise wird Luftsprünge machen vor Begeisterung. Wann überreichen wir den Gutschein für den Führerschein?« Liebevolle Arme umschlangen Eva von hinten, weiche Lippen küssten zärtlich ihren Nacken.

Eva machte für einen kurzen Moment die Augen zu. Wenn Pierre sie berührte, vergaß sie alles um sich herum.

Im Spätsommer waren sie zwanzig Jahre verheiratet, und dennoch fühlte sich ihre Liebe an wie am ersten Tag. Sie ahnte, dass Pierre für dieses besondere Ereignis bereits einige Pläne machte, doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Ihre gemeinsame Tochter Denise war an diesem Tag die Hauptperson, denn sie feierte ihren 18. Geburtstag. Gemeinsam hatten sie alles geplant und die anfallenden Arbeiten aufgeteilt. Lediglich Catherine hatte sich aus allem herausgehalten, denn ihre vierte Schwangerschaft machte ihr sehr zu schaffen.

Nervös schaute Pierre auf seine Armbanduhr. »Soll ich nach ihr sehen?«

Eva brach in helles Lachen aus. »Mir scheint, du kennst unsere Tochter noch immer nicht. Was Pünktlichkeit anbelangt, stellt sie sogar dich in den Schatten.« Sie schaute zur Tür und atmete erleichtert auf. »Da kommt sie ja.«

Aus dem hübschen Haus im Bungalowstil trat jetzt ein junges Mädchen, das langsam die Treppe zum Garten hinunterstieg. Denise Montand wirkte auf den ersten Blick fast wie ein kleines Mädchen. Ihre Gestalt war zierlich und überaus schlank, was die hellblaue Jeans und die weiße, locker fallende Bluse noch unterstrichen. Ihre schwarzen, fast hüftlangen Haare hatte sie im Nacken zu einem dicken Zopf geflochten.

»Mir ist, als würde ich träumen«, flüsterte sie vor sich hin. Hilfe suchend blickte sie zu ihren Eltern, die jetzt mit raschen Schritten auf sie zukamen. »Deshalb also durfte ich seit gestern Abend nicht mehr aus dem Fenster sehen«, stellte sie lächelnd fest. Dann fiel sie beiden jubelnd um den Hals. »Ihr verwöhnt mich so sehr, das hab ich doch gar nicht verdient. Aber ich hab euch so lieb, dass ich es gar nicht mit Worten ausdrücken kann.« Denise war den Tränen nahe. Manchmal hatte sie das Gefühl, sie müsste sich in den Arm zwicken, damit sie feststellen konnte, dass sie nicht träumte. Ihr bisheriges Leben war, bis auf kleine Ausnahmen, einfach und glücklich verlaufen. Manchmal hatte sie Angst, dass irgendwann irgendetwas passierte, was ihre kleine heile Welt zerstörte.

Gerührt machte sich Pierre von seinen beiden Frauen los. Auch ihm waren Tränen in die Augen gestiegen, doch er wollte nicht, dass es jemand bemerkte. Das gehörte sich nicht für einen Mann, noch dazu den einzigen Allgemeinarzt im Ort, der stets breite Schultern zum Anlehnen und offene Ohren für all die Probleme seiner Familie und seiner Patienten haben musste. Das Wort Schwäche kam nicht in seinem Vokabular vor, zumindest nicht für ihn selbst. »Ich glaube, ich höre die ersten Autos vorfahren. Mach dich bereit, kleine Prinzessin.« Er drehte sich um und marschierte mit kräftigen, weit ausgreifenden Schritten davon.

»Ich bin so stolz auf dich, mein Kind. Manchmal nachts, wenn ich nicht schlafen kann, sehe ich dich auf einer großen Bühne, wie du vor hunderten Zuschauern dein geliebtes Schwanensee tanzt. Ein Jahr noch, dann hast du es geschafft.« Sie nahm Denise bei der Hand und zog sie mit sich. »Kontrolliere bitte noch einmal, ob alles in Ordnung ist. Raoul findest du in der Küche. Er hat dich auch schon gesucht. Ich werde mich rasch umziehen, damit wir alle gemeinsam die Gäste begrüßen.« Eva küsste ihre einzige Tochter zärtlich auf die Stirn, dann lief auch sie davon.

Ehe sie das Haus betrat, drehte sie sich noch einmal um. Einen letzten Blick wollte sie auf ihr wunderschönes Kind werfen, das heute volljährig geworden war. Noch gut erinnerte sie sich daran, als sie Pierre gestand, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Seine Freude war unbeschreiblich groß gewesen, denn er hatte sich immer viele Kinder gewünscht. Aus seiner ersten Ehe hatte er Raoul mit in die Familie gebracht, was sich für alle Beteiligten als großes Glück herausstellte.

Anfangs hatte der damals mitten in der Pubertät steckende Junge etwas Bedenken gehabt, ob nach Ankunft eines Geschwisterchens für ihn noch genügend Liebe übrig bleiben würde, doch als Denise geboren war, waren diese Zweifel sofort weggewischt. Liebevoll kümmerte sich der Junge um sein kleines Schwesterchen und war vom ersten Tag an ihr aufmerksamer Beschützer.

Eva traten Tränen in die Augen. Sie liebte ihre kleine Familie so sehr, dass es wehtat im Herzen. Wenn sie nachts nicht schlafen konnte, kamen manchmal so dumme Gedanken wie ein Unfall, Streit oder die Angst, Pierre könnte sich in eine andere Frau, vielleicht eine attraktive Patientin, verlieben. Angebote gab es genügend, doch wenn sie ihre Bedenken mitteilte, nahm er sie nur lachend in die Arme und versicherte ihr glaubhaft, dass sie, Eva, die einzige Frau auf dieser Welt war, die sein Herz berühren konnte.

Rasch lief Eva die Treppen hinauf in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Das Kleid, das sie sich für diesen Anlass heute gekauft hatte, gefiel ihr besonders gut. Der feine Stoff schimmerte wie Porzellan und betonte ihre noch immer schlanke Figur. Dann öffnete sie den Haarknoten, und ihre langen dunkelbraunen Haare fielen in weichen Wellen über ihre schmalen Schultern. Ein Blick in den Badezimmerspiegel versicherte ihr, dass sie sich noch immer sehen lassen konnte. Sie hatte ein schmales Gesicht, große, veilchenblaue Augen, und ihre Haut war glatt und rosig, ohne eine Falte. Zur Feier des Tages steckte sie sich noch eine Seidenblüte ins Haar, passend zu ihrer Augenfarbe. Jetzt war sie zufrieden.

Pierre erwartete sie bereits in der Diele. Seine Augen leuchteten, als er ihre bezaubernde Erscheinung erblickte. »Mit jedem Tag, der vergeht, wirst du schöner, Liebes«, stellte er bewundernd fest und nahm sie in die Arme. »Dann lass uns jetzt zu unseren Gästen gehen. Wir wollen unserer Tochter einen unvergesslichen Geburtstag bereiten.« Er bot Eva seinen Arm, und gemeinsam verließen sie das Haus.

»Da seid ihr ja endlich.« Raoul kam mit einem Tablett voller Sektgläser aus der Küche. Er strahlte über das ganze Gesicht. Die Ähnlichkeit mit seiner Halbschwester Denise war unübersehbar. Auch er hatte diesen sehnsuchtsvollen Blick, dunkle Haare und eine leicht getönte broncefarbene Gesichtshaut, genau wie Pierre. Er lief an den Eltern vorbei und platzierte das Tablett auf eines der kleinen Tischchen, das extra für Getränke bereitstand. Dann entdeckte er Denise, die ein wenig verloren das umfangreiche Buffet betrachtete.

»Wo hast du denn den ganzen Morgen gesteckt, Schneewittchen?«, fragte er und grinste schelmisch. »Sag bloß, du fürchtest dich vor deinem Ehrentag. Musst du nicht, achtzehn ist kein Unglück. Freu dich lieber, dass du von allen so sehr gemocht wirst, dass sie unbedingt mit dir feiern möchten.« Spontan nahm er Denise in die Arme. Das war nicht ganz einfach, denn sie reichte ihm gerade mal bis zur Brust.

»Ich habe nicht Angst vor der Feier. Ich habe Angst davor, erwachsen zu werden. Kannst du das verstehen?« Denise war in diesem Moment froh, dass noch keine Gäste gekommen waren. Sosehr sie sich auf ihr Fest freute, der Gedanke, dass sie ab jetzt alles selbst unterschreiben durfte, bereitete ihr Unbehagen. Sie war gern Kind, vor allem das Kind ihrer Eltern. Nur manchmal dachte sie an all die anderen Kinder in der Welt, die es nicht so gut getroffen hatten wie sie selbst. Wie gern würde sie etwas von ihrem Glück abgeben, denn dann könnte sie sich mit Sicherheit besser fühlen.

»Ein Königreich für deine Gedanken, Schneewittchen. Du siehst gerade nicht so aus wie ein glückliches Geburtstagskind, dem gleich eine Menge Besucher huldigen werden. Mach doch nicht so ein finsteres Gesicht. Damit änderst du auch nichts.« Wie immer war Raoul derjenige, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand und meist auch die richtigen Worte fand, um eine Situation zu entschärfen. Für Denise war der große starke Bruder der Freund, auf den man sich immer und in jeder Lebenslage verlassen konnte. »Was ist denn los?«, fragte er lächelnd und schubste sie verschwörerisch an. »Mir kannst du alles anvertrauen, das weißt du doch.«

»Manchmal habe ich Angst, dass ganz plötzlich ein Blitz in meine kleine heile Welt einschlägt und alles in sich zusammenfällt. Kannst du das verstehen? Geburtstag bedeutet für mich nicht nur Beginn eines neuen Lebensjahres, sondern auch Abschied vom alten.« Plötzlich schimmerten Tränen in ihren schönen Augen.

Behutsam legte Raoul einen Arm um ihre schmalen Schultern. »Ach, Kind, das musst du nicht denken«, ahmte er den Tonfall seines Vaters nach. So redete Pierre manchmal mit Eva, wenn sie ihm ähnliche Fragen stellte.

»Das war ganz bestimmt nicht die Antwort, die ich mir von dir erhofft habe, Raoul«, knurrte Denise verärgert. Sie wusste ganz genau, dass der Bruder ihr mit diesen flapsigen Worten einfach nur die Angst nehmen wollte. Dennoch hatte sie eine etwas andere Reaktion erwartet.

»Was wolltest du dann hören, Schwesterchen? Ich bin kein Hellseher und kann dir auch nicht versprechen, dass unser kleines Paradies auf ewig erhalten bleibt. Natürlich hoffe ich ebenfalls, dass uns in Zukunft nichts Schlimmeres trifft als ein Schnupfen oder eine Magenverstimmung. Der einzige Wermutstropfen ist im Augenblick Catherine. Ich werde froh sein, wenn Kind Nummer vier vor mir auf dem Tisch liegt und ich es wickeln darf. Ich finde es schade, dass sie jetzt nicht bei uns sein kann, aber es ging ihr heute Morgen gar nicht gut.« Das Lachen in seinem Gesicht hatte plötzlich seine Fröhlichkeit etwas verloren.

»Wenn die Gäste alle versorgt sind, werde ich rasch rüberlaufen und nach ihr sehen. Es tut mir von Herzen Leid, dass sie nicht dabei sein kann. Vielleicht freut sie sich ja, wenn ich ihr etwas von dem Salat bringe und ein Stück Torte.« Sofort hatte Denise ihren eigenen Kummer vergessen. Sie liebte die Schwägerin von Herzen, und auch ihr bereitete es Sorge, dass diese Schwangerschaft so voller Probleme war. Eine Zeit lang hatte der Arzt sogar gemeint, dass diese Schwangerschaft lebensgefährlich werden könnte. Zum Glück hatten sich diese Befürchtungen bis jetzt jedoch nicht bewahrheitet.

Raoul strich seiner Schwester liebevoll über das schwarze Haar, das sich an ihren Schläfen leicht kringelte. »Da wirst du ihr ganz sicher eine große Freude machen. Aber jetzt kümmere dich um die Gäste.« Er grinste sie verschwörerisch an. »Du machst das schon, Schneewittchen. Ich vertraue dir.« Er schob sie liebevoll vor sich her, flüsterte ihr noch etwas ins Ohr und blieb dann am Buffettisch stehen, während sie ein wenig zögerlich auf die ersten Besucher zuging.

Eine halbe Stunde später war auch der letzte Gast bereits an seinem Platz. Denise hatte mit Bravour die Zeremonie geschafft. Auf dem Tisch, der extra für Geschenke aufgestellt worden war, türmten sich die bunten Schachteln und Blumen. Zwei junge Frauen, die der Gasthof, der auch einen Großteil der Speisen lieferte, gestellt hatte, kümmerten sich darum, dass alle sich wohlfühlten.

Eva und Pierre, die ihren Platz nicht an Denises Tisch hatten, sondern gleich daneben, warteten aufgeregt auf ihren Einsatz. Endlich waren alle Gratulationen beendet, und jeder hielt ein Sektglas in der Hand. Pierre erhob sich und zeigte damit an, dass er eine kurze Rede halten wollte. Eva schaute liebevoll zu ihm auf und ergriff seine Hand.

Denise liefen Tränen über das Gesicht, während ihr Vater im Zeitraffer die letzten achtzehn Jahre Revue passieren ließ. Aus jedem seiner Worte konnte man die Liebe und den Stolz hören, die er für seine Tochter empfand. »Danke, geliebtes Töchterchen, dass du bei uns bist. Und, bitte, versteh unser Geschenk nicht falsch. Am liebsten würden wir dich für immer bei uns behalten, doch so ganz wird sich das auf Dauer nicht machen lassen. Du hast deinen eigenen Weg vor dir, den du gehen musst. Und damit du den nicht nur zu Fuß machen musst, schenken deine Mutter, dein Bruder und ich dir deinen Führerschein. Machen musst du ihn natürlich selbst«, fügte er lachend hinzu, weil er von der Traurigkeit ablenken wollte, die plötzlich in der Luft lag.

Denise konnte erst mal nicht antworten. Sprachlos starrte sie ihren Vater an. Plötzlich sprang sie auf und fiel ihm um den Hals. Danach kam die Mutter dran und am Schluss der Bruder, der sie liebevoll in den Armen hielt. »Versprich mir, dass du immer schön langsam fährst, Schwesterchen.« In seiner Stimme lag Besorgnis.

»Das kann ich dir versprechen, Brüderchen. Schließlich will ich noch sehr, sehr lange mit meiner Familie zusammen sein.« Sie wischte ihr von Tränen nasses Gesicht an seinem Ärmel ab. Dann schaute sie ihn an und lächelte. »Danke, Brüderchen.«

»Gerne, Schneewittchen«, flüsterte er und streichelte über ihre Wange. »Jetzt lass uns aber diese Rührseligkeiten beenden und zu Taten schreiten, was heißt, lass uns endlich anfangen zu essen.« Er lachte und brachte Denise zu ihrem Stuhl zurück.

Mehrmals während des Essens verschwand Raoul im Haus, um Catherine anzurufen. Jedes Mal nickte er erleichtert seiner Familie zu, um zu signalisieren, dass sich am Zustand der Schwangeren nichts verändert hatte. Am späten Nachmittag brachte Denise, wie sie versprochen hatte, der Schwägerin einige Leckereien in der Hoffnung, ihr damit eine Freude zu machen.

Catherine freute sich wirklich, weniger über die Torte als über Denises Besuch. Sie unterhielten sich eine Weile, und Catherine beteuerte, dass sie sich sehr auf die Rückkehr ihrer drei Kinder freute, die mit den Großeltern an die Nordsee gefahren waren.

Zum Abschied umarmte Denise die Schwägerin und versprach, sie sehr bald wieder zu besuchen. An der Tür warf sie ihr noch eine Kusshand zu, dann verließ sie eilig das Haus. Es war nicht weit zu ihrem Elternhaus. Die Gäste begrüßten sie mit Hallo, und inzwischen wurde eifrig gesungen. Spät in der Nacht ging ein wunderschöner Tag zu Ende, den Denise niemals mehr vergessen würde.

*

Endlich Freitag!

Fröhlich verabschiedete sich Denise von ihren Freundinnen. Es war der letzte Schultag der Woche, der bereits nach dem gemeinsamen Mittagessen beendet wurde. Stefanie, ihre beste Freundin, verabschiedete sich wie immer mit Küsschen von ihr. Allen anderen winkte sie fröhlich zu und machte sich dann auf den Weg zu ihrer Pension, wo sie von Montag bis Freitag wohnte. Wenn sie sich beeilte, konnte sie noch den Zug um fünfzehn Uhr erwischen.