Sindbad der Seefahrer -  - E-Book

Sindbad der Seefahrer E-Book

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Beschreibung

Sindbad der Seefahrer hat Unglaubliches erlebt, in Persien vor über 1000 Jahren. Aber er ist ein moderner Mensch: mobil, risikofreudig, profit­orientiert. Nur für sich selbst tritt er ein. Nur sich selbst ist er verantwortlich. Dabei ist er klug, ja, vorsichtig, anpassungsfähig, manchmal, wenn es die Lage erfordert, sogar kühn. Tollkühn niemals. Die spannenden Abenteuer, die er auf seinen Reisen erlebt und besteht, dann auch später erzählt sind unerwartet und fabelhaft, aber auch hart und grausam. Und wie es sich gehört, übernimmt dieser Fahrer durch die Stürme des Lebens zuletzt auch Verantwortung für seinen Namensvetter, Sindbad den Lastträger. Alexander Gruber erzählt märchen­haft und klar: zum Mit-Erleben.

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Seitenzahl: 81

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Alexander Gruber · Sindbad der Seefahrer

Sindbad der Seefahrer

Neu erzählt von Alexander Gruber

PENDRAGON

Lieferbar:

Alexander Gruber (Hg.)

Tiermärchen vieler Völker

Band 1: Tiermärchen der Brüder Grimm

Band 2: Tiermärchen aus der Türkei

Band 3: Tiermärchen aus dem Vorderen Orient

Weitere Bände werden folgen.

Pendragon Verlag

gegründet 1981

www.pendragon.de

Originalausgabe

Veröffentlicht im Pendragon Verlag

Günther Butkus, Bielefeld 2016

© Copyright by Pendragon Verlag 2016

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag und Herstellung: Uta Zeißler

Coverbild: PantherMedia / CPDLab

Gesetzt aus der Adobe Garamond

ISBN: 978-3-86532-573-0

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Sindbad. Eine Begegnung

Nein, es war nicht in Basra, es war in Bagdad, der Stadt des Kalifen Harun al Raschid, der Stadt des Friedens. Die zwei Träger des Namens Sindbad begegneten einander da eines Tages, und das wurde zum Anlass für Sindbad den Seefahrer, von seinen weiten, erstaunlichen, wunderbaren und spannenden Reisen zu erzählen, die schließlich in aller Welt bekannt geworden sind.

Sindbad war Kaufherr, hatte sich aber endlich, nachdem er Reichtümer auf Reichtümer erworben, elend verloren und größere wiedergewonnen hatte, vom Handel zurückgezogen. Er lebte in einem von ihm erbauten weitläufigen Palast. Die hohen Räume waren ohne Prunk, doch erlesen geschmückt, wurden täglich mit Rosenwasser besprengt, und der Duft des kostbaren Räucherwerks darin vermengte sich mit dem Duft der Blumen und Blüten, der aus den wunderbaren Gärten, worin der Palast lag, hereinwehte. Achtsam und nachdenklich erging sich Sindbad täglich in ihnen und ließ ihnen sorgfältige Pflege angedeihen, indem er den Gärtnern täglich Anweisungen erteilte. – Wie gut, dass der Kalif auf seinen häufigen Streifzügen durch die Stadt nie hierher gefunden hatte: seine Begehrlichkeit wäre womöglich geweckt worden. Wer weiß, was geschehen wäre …

Doch heute hielt Sindbad inne. Er hörte – war es ein Lied, ein Gebet? Gesungen, gesprochen, geseufzt, geklagt? Er hörte eine raue heisere Stimme und vernahm das Folgende:

»O Allah, Allbarmherziger! Allerhalter! / Du bist der Herr des Lebens, / der Herr der Welt. / Du siehst die Menschen an wie sie gehen und stehen! / Du bestimmst ihre Schicksale / so, wie du für gut hältst. / Du lässt uns leiden oder jubeln, / frohlocken oder weinen. / Aber, Herr Gott, bist du gerecht? / Gerecht in deiner Willkür? / Gerecht in deiner Allmacht? / Nein! Das bist du nicht! / Das bist du nicht, Herr der Welt! / Was hab ich getan? – Je gefrevelt? / Nein! / Jemals wissentlich deine Gebote, / die der Prophet verkündet hat, übertreten? / Nein, hab ich nicht! / Bin ich jemals willentlich böser Lust, verbotener Gier, / schmählicher Niedertracht gefolgt? / Nein, bin ich nicht! Bin ich nicht! / Und arbeite, plage mich tagtäglich hart, / sehr hart – Du weißt es – ‚ / um für mehr nicht als ein Nasenwasser, / für ein paar blecherne Münzen / die Packen und Ballen und, pah, was du willst, / von hier nach da zu schleppen, / von hier zum Hafen, / vom Hafen hierher. / Davon soll mein Weib, / davon sollen die Kinder satt werden, / nicht nackt gehen, groß werden!? / Von mehr für mich und mein Weib schweig ich! / Ich verlange nicht mehr, / ob ich hungrig bin oder satt. / Du aber lässt dich den Hort der Gerechtigkeit nennen, / den Hort der Armen, / und breitest vor mir, zum Hohn! / dies da aus, diesen Palast mit seinen Gärten, / seinen schattigen Bäumen, Brunnen und Wasserläufen! / Ja, da genießen Andre das Glück! / Die tragen keine Lasten! / Denen, wahrhaftig, fehlt es an nichts! / An Essen nicht noch zu trinken, / an Vergnügungen nicht, / erst recht nicht an Reichtum und Ehre! / Die kennen Leiden und Leid, Last und Entbehrung nicht! / Und doch gleichen sie mir! / Doch bin ich wie sie aus einem Tropfen entstanden, / bin dein Geschöpf! / – Herr! Herr! Du bist ungerecht! / Lass mich hier nicht verzweifeln! / Lass mich nur einen Augenblick ausruhen! / Denn eins ist wahr: / Du spendest den Schatten auch mir …«

Die Stimme war im Gemurmel verstummt, aber Sindbad war ihr leise, leise entgegen gegangen und fand jetzt, halb an einen Baumstamm im Schatten gelehnt, einen schweren Ballen neben sich, einen Lastträger sitzen, wettergegerbt wie bei einem Seemann das Gesicht, doch ausgemergelt und hager die Gestalt unter dem groben Leinengewand. Sindbad ging ein paar Schritte dem Tor zu, winkte einem Diener, gab ihm Weisung und zog sich in den nah gelegenen Gartenpavillon zurück. Der Diener ging zur Vorhalle und kehrte bald mit einem Krug Wasser und einem Becher zurück, wartete auch bis der Mann im Schatten erwachte, bot ihm zu trinken an und sagte, als er getrunken und sich erfrischt hatte: »Mein Herr, dem dies Haus gehört, schickt mich zu dir; er will dich sprechen.« – »Nein, nein, ich verschwinde! Ich wollte nur ein wenig im Schatten ausruhen …«, sagte der Lastträger und mühte sich, den schweren Ballen wieder auf die Schultern zu heben. – »Lass nur, ich gebe Acht!«, sagte der junge Diener. »Geh dort hinüber zu dem Pavillon. Siehst du ihn? Und tritt ein. Mein Herr erwartet dich. Dir wird nichts geschehen.«

Unsicher, als fehle die Last ihm, ging der Mann zum Eingang des Gartenhauses und blieb dort stehen. In der Mitte sprang eine Fontäne in ein gläsernes duftendes Becken und verbreitete Kühle. Dahinter saß auf seidenem Polster Sindbad, lächelte und winkte den Mann heran. Der Lastträger grüßte, indem er sich tief verbeugte, und sagte: »Mein Herr und Gebieter, es lag mir fern, Euch zu stören, oder gar einen Schaden anzurichten. Nur ausruhen im Schatten wollt ich mich.« – »Das weiß ich«, sagte Sindbad, »sei mir willkommen und sag mir, wie du heißt, wo du her bist, was dein Geschäft ist?« – »Ich heiße Sindbad, Herr, bin hier aus Bagdad und bin ein Lastträger, der um geringen Lohn den Leuten ihre Lasten dahin trägt, wo sie wollen. Das ist mein Geschäft, und es muss mich und meine Familie ernähren. Ich bin ein armer Mann und habe Mühe, den Hunger von mir und den Meinen fernzuhalten. Doch klage ich nicht. Allah hat uns bislang am Leben erhalten.« – »Aber nicht immer findest du seine Wege gerecht.« – Der Lastträger schwieg und blickte zu Boden, in dessen Marmor schöne Bilder bunter Vögel und Fische eingelassen waren. – »Sei unbesorgt, Sindbad, ich tadle dich nicht. Nein, ich freue mich, dass wir uns begegnen. Wisse, auch mein Name ist Sindbad. Sindbad der Seefahrer heiße ich und war Kaufmann, habe mich aber zur Ruhe gesetzt. Mir scheint, wir sind wie Brüder, du Sindbad der Lastträger, ich Sindbad der Seefahrer. Jetzt haben wir uns gefunden. Und ich, Bruder, will dir alles erzählen, was mir begegnet und widerfahren ist, bevor ich dieses Haus und seine Gärten als mein Werk habe errichten können. Erst nach nicht enden wollenden Gefahren und nur durch die Gnade Allahs bin ich hier. Geh, Bruder Sindbad, führ deinen Auftrag zu Ende, dann komm gegen Abend wieder her. Meine Diener werden dich erwarten, dich ins Bad führen, dich einkleiden und zu uns bringen, denn meine Freunde und vertrauten Gäste werden dich kennenlernen wollen. Und ich, Bruder Sindbad, werde mein Leben darlegen, wie schwer oder leicht es gewesen ist auf meinen Reisen, und du wirst, denke ich, Neid und Hader beiseite tun. Verbleiben wir so?« – »Ja. Äh, ja, mein Herr …« – »Nein, nicht dein Herr!«, rief Sindbad der Seefahrer lebhaft, sprang auf von seinem Sitz und nahm Sindbad den Lastträger bewegt in seine Arme: »Dein Freund und Bruder! Jetzt geh und komm am Nachmittag wieder.«

Wie benommen verließ Sindbad der Lastträger den Pavillon, ging zurück zum Tor und dem Baum, worunter sein schwerer Packen lag, den der junge Diener bewachte. Er lud ihn sich auf und ging gebückt, langsamen Schrittes davon. Sindbad der Seefahrer aber stand noch im Gartenpavillon und warf versonnen einen Blick auf das von einer Fontäne bewegte Wasser des Brunnens, der, wie in einem runden Rahmen, ein kleines anmutiges Bild des Meeres bot. Dann ging er durch den Garten in den Palast.

Sindbad der Lastträger, nachdem er seinen Packen im Hafen abgeliefert und den Lohn kassiert hatte, kehrte langsam, fast zögernd zu dem Palast zurück. Schon unter dem Tor begrüßte ihn ein fröhlicher Klang von Flöten, Zimbeln und Lauten. Der junge Diener lud ihn ins Haus und führte ihn vorbei am mürrischen Pförtner der Vorhalle, in einen Raum mit duftendem Bassin, half ihm aus seinen Lumpen, die er wegschaffte, wusch ihn, schnitt ihm den Bart und kleidete ihn neu. Dann führte er ihn in einen Saal. Dort saß, auf einer Erhöhung, der Hausherr, und um ihn im Geviert auf kostbar bezogenen Polstern saßen die ehrwürdigen Gäste.

Sindbad der Seefahrer erzählt seine sieben Reisen

»Sei uns willkommen, Bruder!«, begrüßte ihn Sindbad der Seefahrer, wies ihm mit der Hand den Ehrenplatz neben sich selbst an und sagte zu der Gesellschaft: »Wisst, liebe Freunde, dies ist Sindbad der Lastträger, zu dessen Schatten Allah – Er sei gepriesen! – mich gemacht hat, ihn aber zu dem meinen! Wir sind wie Brüder, die sich endlich gefunden haben.« Die Gäste verneigten sich unter lebhaftem Gemurmel, und der Hausherr fuhr fort: »Ich will dir, Sindbad, und meinen lieben Gästen, nachdem ich dich gefunden habe, alles erzählen, was mir widerfahren ist. Erst nach schweren Mühen und großen Gefahren habe ich erreicht, was du siehst. Sieben lange und weite Reisen habe ich unternommen. Alle haben mir Verluste und Leiden gebracht, Not und bittere Verzweiflung, doch auch vielfältiges Glück, große Gewinne und erstaunliche Kenntnisse. Ihr sollt, du, mein Bruder, und ihr, liebe Gäste und Freunde, teilnehmen an meinen Schicksalen. Beispiel können sie sein für jeden und für das Leben der Menschen, denn Allah – Er sei gepriesen! – teilt jedem das Seine zu.«

Und so begann er seine Erzählung.