Sing - Amy Hempel - E-Book

Sing E-Book

Amy Hempel

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Beschreibung

Amy Hempel ist die Meisterin der Kurzform. In ihren Short Stories geht sie unsere geheimen Ängste und Wünsche an, beschwört unsere Menschlichkeit und verpflichtet uns zu Leidenschaft. Hempels Charaktere sind greifbar und lebendig, immer unvergesslich, mit gebrochenen Herzen und von Trauer verfolgt. Genau wie sie schrecken auch wir vor der Wahrheit zurück, flüchten uns in bequeme und fiktive Ausschmückungen, um ihre Gefahren zu vermeiden. Doch Amy Hempels Geschichten ermöglichen es, die Wahrheit zu überleben, für sie und von ihr zu singen. Das Geheimnis liegt in der Qualität des Liedes.

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Amy Hempel

Sing

Neue Stories

Aus dem Amerikanischen vonAnnette Kühn und Christian Lux

Sing

Das verwaiste Lamm

Full-Service Tierheim

Der Tornado aus Puppen

Ich bleibe bei Syd

Die Schikane

Greed

Fort Bedd

Vier Anrufe in der letzten halben Stunde

Der richtige Griff

Der Tisch danach

Mondregenbogen

Äquivalent

Der Ruhewagen

Wolkenland

Danksagung

Annotationen

Für Gloria Vanderbilt Cooper

Sing

Am Ende sagte er, Keine Metaphern! Nichts ist wie irgendetwas Anderes. Außer, dass er bevor er dies sagte, gesagt hatte, Mach’ eine Hängematte aus deinen Händen für mich. Da war also schon eine.

Er sagte, Nicht einmal der Regen – und er zitierte den Dichter – nicht einmal der Regen hat solch schmale Hände. Da war also noch eine.

Am Ende wollte ich ihn trösten. Doch was ich sagte, war, Sing für sie. Das arabische Sprichwort: Wenn die Gefahr sich nähert, sing für sie.

Außer, dass ich zuvor zu ihm gesagt hatte, Keine Metaphern! Niemand ist wie jemand anderes. Und er sagte, Bitte.

Also, am Ende, machte ich eine Hängematte aus meinen Händen für ihn.

Meine Arme waren die Bäume.

Das verwaiste Lamm

Er schnitt das Fell von dem toten Winterlamm, wischte das Blut an seiner Hose ab, um einen festen Griff zu behalten, fuhr zunächst um die Hufe und schnitt jedes Bein gerade nach oben, dann schlug er die Haut von Muskel und Knochen.

Er band die Haut mit Garn auf den Leib des verwaisten Lamms, damit das trauernde Mutterschaf den Geruch erkannte und das verwaiste Lamm stillte.

Zumindest sagte er das.

Es war Verführung. Es war dies die Geschichte, die er erzählte, von all den Geschichten über Bauernjungen, die er hätte erzählen können. Er wählte die eine, in der Brutalität ein Leben rettet. Er wollte, dass ich spüre, während er seinen Körper über meinen fügte, dass ich so weiterleben würde, so würde man mich kennen.

Full-Service Tierheim

Sie kannten mich als jemanden,der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte.– Leonard Michaels, »In the Fifties«

Sie kannten mich als jemanden, der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte – und dem das gefiel. Und als jemanden, der lieber das tat, als ins Kino zu gehen oder zu einem Abendessen mit einem Freund. Sie kannten mich als jemanden, der zwei Abende die Woche kam, der um vier kam und bis nach zehn blieb, und der wusste, dass das nicht genug war, denn »genug« gab es im Tierheim von Spanish Harlem nicht, das von der Stadt betrieben wurde, die die Mittel kürzte.

Sie kannten uns als diejenigen, die die Euthanasie-Liste nach den Hunden absuchten, die am nächsten Morgen getötet werden sollten, die die Todeszellen-Hunde mitnahmen, meistens waren es Pitbulls, die sie mitnahmen auf einen letzten Spaziergang, die ihnen gutes Futter brachten, ihre Zwinger säuberten und ihre Betten machten, mit Strandhandtüchern, Badematten und Scooby-Doo-Fleecedecken, die noch warm vom Trockner waren. Sie kannten mich als jemanden, der ihre Betten nach einem anstrengenden Abend nicht mehr so ordentlich machte, der an den Künstler dachte, den seine Tochter in seinem Atelier besuchte, auf ein Bild zeigte, das sie mochte und dann fragte, »Warum hast Du sie nicht alle so gut gemacht?«

Sie kannten uns als diejenigen, die Schweineohren auf ihre Kopfkissen legten, wie Schokolade in einem guten Hotel. Sie kannten uns als entschiedene Vegetarier, die ihnen gekochtes Fleisch mitbrachten – gegrillte Pute, rohes Roast Beef, Schinken in Honig mariniert –, um das Dosenfutter abzurunden, das wir ihnen auch brachten und das immer noch besser war als das, was sie dort bekamen. Sie kannten uns als diejenigen, die sie fütterten, wenn sie wach waren, anstatt sie nachts um 2:00 Uhr für die Fütterung zu wecken, wie ein Direktor das Nachtpersonal angewiesen hatte, das er für unterbeschäftigt hielt.

Sie kannten mich als jemanden, der kein Spanisch sprach, der nur »Sí, sí« sagen konnte, wenn jemand über einen Hund beim Spazierengehen »Que lindo!« sagte. Und die, wenn sich ein Schlägertyp zu schnell näherte, sagte »Das ist ein süßes Kerlchen«, schau, wie wir ein weiteres Stereotyp explodieren ließen, in einem Viertel, das sich von sich selbst erholt.

Sie kannten uns als diejenigen, die keine Zeit für eine Diskussion darüber hatten, ob die Liebe zu Tieren auch bedeutet, dass man sich nicht um Menschen schert: Eine von uns tat es! Evelyne, eine Kinderärztin, die missbrauchte Kinder behandelte.

Sie kannten uns als diejenigen, die Tetanus- und Tollwutimpfungen bekamen – letztere immer noch in Serie, aber nicht mehr in den Bauch –, und die ihre Kratz- und Bisswunden mit Krazy-Kleber verschlossen – nicht die medizinische Variante, sondern die, die man im Baumarkt findet, anstatt sich in der Notaufnahme nähen zu lassen, wo wir die Hunde hätten melden müssen, die dann eingeschläfert werden würden.

Sie kannten uns als diejenigen, die ihre zugewiesenen Namen diskutieren wollten, wenn sie aufgenommen wurden, die sagten, »Wer wird denn einen Hund namens Nixon adoptieren?« Und als Nixons Name geändert wurde – zu Dahmer – wurden wir wieder wütend, bis wir es gut sein ließen, als er am Ende O.G., Original Gangster, genannt wurde. Es gab in einem der Trakte immer ein »Baby«, sodass die Angestellten auf die Karte am Zwinger schreiben konnten: »Mein Baby gehört zu mir, ist das klar!« und sie hörten endlich damit auf, den Namen »Precious« zu vergeben, nachdem ein älterer Mitarbeiter über einen alten, stattlichen Rottweiler sagte, »Ich hasse diesen verdammten Namen, aber er ist ein guter Hund.« (Oft hatten sie aber auch ein gutes Händchen; sie nannten einen kleinen braun-weiß-cowboy-farbenen Pit, der sich für einen von den großen Hunden hielt, Man Man.)

Sie kannten mich als jemanden, der keine Latexhandschuhe und foliendünne Kittel trug, wenn er die Hunde in der Krankenstation versorgte, als jemanden, der nur Handschuhe trug, wenn ein Hund seine Tollwutmarke verschluckt hatte und ich in seinem Kot danach suchen musste. Sie kannten mich als jemanden, der einem Pitbull einen Kauknochen bestrichen mit Erdnussbutter gab und ihn, nachdem der Hund ihn ausgespuckt hatte und wiederhaben wollte, abwusch und dem Hund wiedergab, damit er … den Vorgang innerlich abschließen konnte.

Sie kannten uns als diejenigen, die ihre Finger in die Mäuler steckten, um eine Uhr, ein Telefon, einen roten Fahrradreflektor herauszuholen, an dem der Hund lutschte wie an einem Hustenbonbon. Sie kannten mich als jemanden, der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte, der die metallenen Wände mit Scheuermittel reinigte und die Metallböden mit Trifectant perforierte, jener sirupartigen, gelben chemischen Lösung, die mit dem Dreck zusammen schäumte, und der dann den Zwinger trocken rieb, und die spürbare Verbesserung mochte – wie, wenn man einen Vorgarten mäht oder ein T-Shirt bügelt – und damit seine Unruhe in den Griff bekam.

Sie kannten mich als jemanden, der anfangs noch einem Tiermedizin-Techniker von der guten Nachricht erzählte, dass drei Hunde aus der morgendlichen Liste von zwölfen gerettet worden waren, worauf der Techniker erwiderte, »das kommt ungelegen – ich habe schon zwölf Spritzen vorbereitet«.

Sie kannten uns als diejenigen, die dem anderen Tiermedizin-Techniker vielfach dankten, dem, der abgemahnt wurde, weil er sich geweigert hatte Charlie zu töten, den Pitbull, der weniger als 24 Stunden später von einer Familie adoptiert wurde, die uns dann Bilder ihrer fünfjährigen Tochter schickten, schlafend auf Charlie. Es war eine Geschichte wie aus einem Kinderbuch, oder vielleicht einem deutschen Kinderbuch. Und wir dankten dem Techniker weiterhin, bis er gefeuert wurde, weil er zwei Hunde fälschlicherweise getötet hatte, in deren sechsstelliger ID-Nummer ein Zahlendreher war. Er bemerkte den Fehler nicht, doch ebenso wenig bemerkte es der Zwingerarbeiter, der die falschen Hunde gebracht hatte und seinen Job noch hatte.

Sie kannten uns als diejenigen, die sie großartig fanden mit ihren weit auseinander stehenden Augen und ihren kraftvoll muskulösen Körpern, ihrem Sinn für Humor und ihrem Temperament, mit der Art, wie sie selbst in diesem Haus des Horrors »die ersten, die tanzten, und die letzten, die gingen« waren, mit der Art, wie Ruhe über sie kam, wenn sie ihre Köpfe in unsere Bäuche drückten, wenn sie auf unseren Schößen saßen. Sie kannten uns als diejenigen, deren Begeisterung für sie spürbar war, Rebecca verliebte sich in sie »auf den ersten, den zweiten, den dritten Blick«, Yolanda pflegte sie auch mit ihren gebrochenen Fingern im Gips, Joy und die anderen kamen mit ihrer Fachkenntnis und Wärme. Sie kannten uns als diejenigen, die manchmal einen Chihuahua ausführen mussten – »wie mit einer Ameise spazierengehen«, sagte Laurie – als Abwechslung. Sie kannten uns als diejenigen, die es nicht kümmerte, wenn sie in unseren Kaffee sabberten, die Pappbecher ableckten, wenn wir kurz nicht hinsahen. Sie kannten uns als diejenigen, die ehrenamtlich arbeiteten, für die es eine sinnvoll verbrachte Stunde war, wenn sie einen in Decken gehüllten Hund streichelten, dessen Kopf nicht von unserem Knie wich, und der am nächsten Morgen getötet werden würde.

Sie kannten mich als diejenige, die am wenigsten Fachkenntnis besaß, und deren Fehler von jenen gesehen wurden, die es besser wussten.

Sie kannten mich als eine, die gerne den Ausdruck »die beste Version von« gebrauchte – etwa bei »Behandelt Chanels Räude und ihr werdet die beste Version von ihr sehen« –, aber die den Begriff »Komfortzone« nicht mochte und der Meinung war, dass man sich aus ihr heraus bewegen sollte.

Sie kannten mich als eine, die sich bei kleinen Hunden nicht sicher war, weil sie mit großen Züchtungen aufgewachsen war und wusste, wie man sie lesen musste, doch immer noch ängstlich war bei Presa Canarios, der Molosser-Züchtung der Kanarischen Inseln, mit ihren dunklen Bullaugen und dem blutunterlaufenen Schlafzimmerblick. Ich hatte in San Franscisco gelebt, als zwei von ihnen aus einem schicken Apartmentkomplex ausbrachen und eine Freundin von mir töteten, die gerade nach ihrer Post schaute und ihre Tür nicht schnell genug aufschließen konnte, bevor die Attacke begann.

Sie kannten mich als diejenige, die einen von dieser Sorte »Arschloch« nannte, als er mich umwarf und ich in einen Stahlbolzen fiel, was mir eine blutende Wunde direkt über einem Auge einhandelte. Sie kannten mich als jemanden, der sie über die Rolle aus dickem Schlauch in der vollgestopften Garage laufen ließ, der einmal die Woche von einem der Direktoren im Vorstand benutzt wurde um sein Auto zu waschen, für das die Stadt bezahlte. Er kam nie ins Gebäude hinein.

Sie kannten uns als diejenigen, die einen lebensgroßen Pferdekopf aus Plastik an einen Baum im eingezäunten Dreckshof Hinterhof aufhängten, wo man die Hunde einzeln von der Leine und frei laufen lassen konnte, damit sie erst an dem Pferdekopf schnüffeln konnten, bevor sie ihr Bein gegen ihn erhoben. Sie kannten uns als diejenigen, die Fotos von zwei Wurfgeschwistern eines Pitbullwurfs herumzeigten, die unter den Decken eines Bettes rauften, um näher an die großherzige Frau heranzukommen, die sie beide adoptiert hatte.

Sie kannten uns als diejenigen, die mit ihnen spazieren gingen, mit den »keine Bedenken« und »mild« eingestuften, aber auch mit den »moderat« und sogar als »schwierig« benannten, jedoch nie mit den rot und mit »Achtung« markierten Hunden. Einige der freundlichsten Hunde waren als »moderat« eingestuft, was uns verwunderte, bis wir begriffen hatten, dass der Persönlichkeitstest gemacht wurde, wenn ein Streuner von der Polizei gebracht wurde oder ein Hund von seinem Besitzer eingeliefert wurde, also dann, wenn sie am ängstlichsten waren. »Ängstlich« ist das neue »moderat«. Wie, denkt ihr, wird ein ausgehungerter Hund die Aufgabe »Reserven Bewachen« bewältigen, wenn man versucht, ihm seine Futterschüssel wegzunehmen! Sie kannten mich als diejenige, die nie die »fragwürdigen« Hunde pflegte, weil das bedeutete, dass sie sich in jeder Sekunde gegen Dich wenden konnten, Du konntest nicht absehen, was als Nächstes käme, und einige von uns hatten davon schon außerhalb des Tierheims genug.

Sie kannten mich als diejenige, die Enrique auf dem Kieker hatte, den Zwingerarbeiter, der mich gebeten hatte, einen 75 Kilo schweren Cane Corso auszuführen, und als ich fragte »Ist er nicht ›schwierig‹?«, erklärte er mir, »Nee, er ist ein guter Junge«, aber als ich seine Karte anschaute, stand da nicht nur »schwierig«, sondern auch, dass er wegen Beißens von Menschen vom Ordnungsamt als »Listenhund« eingestuft worden war. Er hatte seinen Besitzer gebissen.

Sie kannten mich als eine, die Enrique verzieh, als er auf dem neu verlegten Boden ausrutschte, während er einen verängstigten Mastiff bändigte, hinfiel und sich die Lunge durchbohrte. Nachdem sie dafür gestimmt hatten, fast Fünfzigtausend Dollar auszugeben, um den Boden der Einrichtung neu zu machen, musste der Vorstand dann weitere Mittel bereitstellen, um ein Team mit Schleifmaschinen anzuheuern, die dann den teuren neuen Boden aufrauen mussten. Die bereitgestellten Mittel wurden aus der Versorgung genommen, und so musste das Zwingerpersonal uns, die Ehrenamtlichen, nach Futter fragen, wenn es zur Neige ging, denn die Hunde zu füttern hatte bei der Vorstandsentscheidung keine Rolle gespielt.

Sie kannten mich als diejenige, die die verängstigte Hundeschnauze einer langschnäuzigen Promenadenmischung im Krankentrakt hielt und »There is a nose in Spanish Harlem« sang, bis sie eingeschlafen war.

Sie kannten mich als diejenige, die sich weigerte, die Vorhängeschlösser an ihren Zwingern zu schließen, die Schlösser waren eine neue Vorschrift, nachdem jemand einen Welpen aus dem Trakt »Kleine Hunde zur Adoption« gestohlen hatte, die garantiert, dass die Hunde bei einem Brand sterben würden.

Sie kannten mich als diejenige, die ihnen dumme Fragen stellte – »Wie bist Du nur so niedlich geworden?« – und die diese Frage dann dümmlich beantwortete, indem sie für den aufgedrehten Hund antwortete, »Ich wurde niedlich geboren und dann nur noch niedlicher«. Sie kannten mich als diejenige, die in Babysprache mit Babys redete, aber mit normaler Stimme über aktuelle Ereignisse mit denjenigen sprach, die diese Art von Diskurs bei Unterhaltungen zu zweit schätzten. Ich erzählte einem ältlichen Pitbull von einem Helden des Zweiten Weltkriegs, der in diesem Jahr mit über 90 in Florida in einem Krankenhaus gestorben war, nachdem er in einer emotionalen Notlage in einem Metallkäfig fixiert worden war, der über seinem Bett angebracht wurde. Der Posey-Käfig war in Osteuropa schon lange verboten, doch irgendwie immer noch in Florida nutzbar. Eingesperrt auf der Fläche seines Bettes, »ist er wie ein Hund gestorben«, sagten die Leute.

Sie kannten uns als diejenigen, die Briefe an den Kongress schrieben, um Gesetze zu unterstützen, die durch menschliche Grausamkeit nötig geworden waren und nach hündischen Opfern benannt wurden: Oreos Gesetz, Nitros Gesetz, das Gesetz für den Heldenhund aus Afghanistan, und das war allein dieses Jahr.

Sie kannten mich als diejenige, die an ihnen liebte, was sie bei Menschen abstieß: die offenkundige Bedürftigkeit, die Anhänglichkeit, der Appetit. Sie kannten mich als jemanden, der in ihren Gesichtern ihre Seelen sah, der niemals ausdrucksvollere Augen als ihre gesehen hatte in den Farben von Kleehonig, Rootbeer, Flussbett, und die dreifarbigen Augen, »zersprungenes Glas«, eines Catahoula-Hundes, selten in nördlicheren Gefilden zu finden. Sie kannten uns als diejenigen, die ihre Biografien schrieben, um sie in Tierschutzgruppen zu posten, die sich für die Rettung von Hunden einsetzten, die wir mit Cleopatra, dem Lone Ranger oder Charlie Chaplins Little Tramp, mit John Wayne, Johnny Depp und natürlich mit Brad Pitt verglichen, und wir fragten uns, ob wir nicht etwas übertrieben oder weich im Kopf geworden waren, wie Lennie in Von Mäusen und Menschen. Sie kannten uns als diejenigen, die versuchten einzuschätzen, was sie durchgemacht hatten, so sagte Laurie über einen Hund mit Drainageschläuchen in den Wunden an seinem Kopf, »Er sieht erschöpft aus, selbst wenn er schläft.«

Sie kannten uns als diejenigen, die Briefe an den Bürgermeister schrieben, in denen wir kritisierten, dass das Ordnungsamt die Anzahl der Hunde in der Stadt schwer unterschätzt hatte, um den Fehler zu vertuschen, dass sie nicht genug Hunde lizensiert hatten. Der politische Begriff hierfür ist »die Compliance-Bilanz aufblasen«. Sie kannten Joy als die brillante Ermittlerin, die den übrigen von uns erzählte, dass der Gouverneur den Staatshaushalt frisiert hatte, indem er sich Mittel verschafft hatte, die beiseitegelegt worden waren, um Kastrations- und Sterilisationsdienstleistungen im ganzen Staat zu unterstützen.

Sie wussten das? Sie schienen es zu wissen, genau wie sie Joys Versuch zu schätzen schienen, einem neuen Mitarbeiter zu erklären, dass die Angestellten es nicht »vergessen« hatten, die Zeiten aufzuschreiben, wann sie bestimmte Hunde spazieren geführt hatten, und dass der freie Platz auf den Protokollen an drei Tagen hintereinander bedeutete, dass dieser Hund drei Tage nicht spazieren geführt wurde. »Als das Budget um eineinhalb Millionen gekürzt wurde«, begann Joy. Doch der neue Mitarbeiter glaubte ihr nicht.

Sie kannten uns als diejenigen, die Gründe für Einlieferungen hinterfragten und wussten, dass »keine Zeit mehr« für einen alternden, kranken Hund bedeutete, dass der Besitzer von der Wirtschaftskrise betroffen war und die Tierarzt-Rechnungen nicht begleichen konnte. Sie kannten uns als diejenigen, die für die »weggeworfenen Muttertiere« schwärmten, milchgebende Weibchen an Pfosten in der Bronx gebunden, nachdem die Besitzer ihre Welpen verkauft hatten, und für verschreckte junge Köderhunde von den Hundekämpfen – wir würden alles für sie tun –, ihr Köpfe und Körper von Narben übersäht wie unglückliche Lebenslinien in menschlichen Handflächen, deren Schwänze aber trotzdem wedelten, wenn wir die Hand ausstreckten, um sie zu streicheln. Sie kannten mich als diejenige, die ihre Meinung über Presa Canarios änderte, nachdem ich einen gefunden hatte, der einen Schutzkragen trug, der ihn nicht an sein Futter kommen ließ. Ich musste seine Schüssel in den Kragen an sein Maul halten, damit er fressen konnte; ich verlor meine Angst vor Presas.

Sie kannten mich als diejenige, die Bully Project in ihrer Smartphone-Schnellwahl hatte, die wusste, dass das Besitzen von mehr als fünf Hunden in Connecticut, rechtlich betrachtet, Horten war, und die oftmals einen geliebten Hund zum Schein herausnahm, wenn ich ihn auf der Liste fand, indem ich mich als Tierschutzrettung ausgab, sodass der Hund in den vierundzwanzig Stunden, die das Tierheim brauchte, um die Fälschung zu bemerken, noch eine Chance hatte, wirklich von jemandem aufgenommen zu werden.