Sinnliche Weihnachten - Johanna Marthens - E-Book

Sinnliche Weihnachten E-Book

Johanna Marthens

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Beschreibung

Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt. Aber manchmal spricht das Herz eine ganz andere Sprache. Es gibt nur wenige Dinge, die Lily wirklich schocken. Dazu gehören Spinnen, Sport und die Aussicht, Weihnachten ohne ihren Liebsten verbringen zu müssen. Der hat sich nämlich in eine andere Frau verliebt und Lily vor die Tür gesetzt. Doch so schnell lässt sich Lily nicht abservieren. Es gibt Mittel und Wege, die Nebenbuhlerin auszuschalten und den Ex zurückzugewinnen. Manche sind erotischer Natur, andere raffiniert eingefädelt. Jeder in Lilys Umkreis wird eingespannt, um an der "Operation Weihnachtsengel" mitzuarbeiten. Aber irgendwie geht alles schief, denn Lily hat die Rechnung ohne ihr Herz und ohne ihren besten Freund Callum gemacht. Beide haben nämlich ganz andere Pläne ... AUSZUG AUS DEM ROMAN: Ich schüttelte meine Haare, dann warf ich sie zurück. »Setz dich.« Ich deutete auf einen Stuhl am Tisch. Brav ließ er sich darauf nieder und sah mich fragend an. Ich legte die CD in den Player ein und drückte auf Play. Dann ging ich ein paar Schritte im Modelgang auf ihn zu, dann wieder zurück. Anschließend strich ich mit den Fingerspitzen über meinen Körper, dort, wo mich Callum am liebsten berührte. Ich sah, dass er schluckte. »Was tust du da?«, fragte er leise. Ich antwortete nicht, sondern spielte mit meinen Haaren und sah ihm dabei tief in die Augen. »Lily, bitte nicht«, sagte er. Er klang plötzlich heiser. Ich reagierte nicht darauf, sondern öffnete den ersten Knopf des Hemdes an meinem Körper, dann den zweiten. Für einen winzigen Moment schloss er seine Augen, dann hing sein Blick wieder an meinen Fingern, die den nächsten Knopf öffneten, dann den übernächsten. »Lily, bitte hör auf«, bat er gequält, aber er blieb sitzen, als könne er seinen Blick nicht von mir lösen. Ich hatte das Hemd geöffnet und streifte die Ärmel so ab, dass sie wie Handschellen wirkten. Ich hielt sie ihm entgegen, dann improvisierte ich und hielt sie über meinen Kopf. Ich sah aus, als wäre ich eine gefesselte Geisha, die darauf wartete, von ihm gerettet zu werden. Er legte seinen Kopf in den Nacken und sah mich aus halbgeschlossenen Lidern sehnsüchtig an. Dann ließ ich das Hemd fallen und stützte meine Hände auf meine Knie auf, wie Ricarda es gezeigt hatte, und ließ meinen Po langsam kreisen. »O Gott, Lily, du machst mich verrückt«, flüsterte er. Und dann klingelte das Telefon ... »Mitreißend und amüsant – ein kurzweiliges Lesevergnügen für einen gemütlichen Abend!«

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Dieses Werk ist reine Fiktion. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie Schauplätzen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle darin beschriebenen Vorkommnisse sind frei erfunden.

Copyright © Johanna Marthens, 2015, 2022

 

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren, Vervielfältigen und Weitergabe sind nur zu privaten Zwecken erlaubt. Der Weiterverkauf des eBooks ist ausdrücklich untersagt. Der Abdruck des Textes, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

Korrektorat: Tilde Zug

Coverbild: © Dangerous Kisses

SPINNE AM MORGEN

 

 

 

ES GIBT KAUM etwas Schlimmeres, als von haarigen Beinen geweckt zu werden. Vor allem von acht haarigen Spinnenbeinen. Sie krabbelten über meine Schulter und holten mich unsanft aus dem Schäfchenland. Zuerst dachte ich, es sei Callum, doch dann sah ich das Ungeheuer. Wie erstarrt lag ich im Bett und schielte über meine Nase auf meine Schulter. Nur keine Bewegung! Das Verbot schloss Atemzüge mit ein, denn beim Luftholen würde sich meine Schulter heben und senken, was die Spinne provozieren könnte. Verzweifelt wanderte mein Fuß auf Callums Seite und trat ihm ins Schienbein, um ihn aufzuwecken. Es klappte erst beim vierten Mal.

»Aua, Lily«, murmelte er schlaftrunken. »Was ist los?«

»Eine Schwarze Witwe! Sie will mich beißen und umbringen! Ich werde Weihnachten im Sarg verbringen!« Ich flüsterte nur, um das Untier auf meiner Schulter nicht unnötig aufzuregen. Leider war ich keine geübte Apnoetaucherin, die minutenlang ohne Sauerstoff klarkommen kann. Mir fehlte eindeutig Luft im Hirn – und überall sonst. Meine Lunge fing an zu jaulen. Die Spinne musste weg, damit ich wieder Luft holen konnte. Doch das Tier dachte gar nicht daran. Es spazierte gemächlich in Richtung meiner rechten Brust, während mein Gesicht langsam blau anlief.

Callum blinzelte die Spinne an. »Das ist keine Schwarze Witwe. Das ist was anderes.«

»Eine Tarantel«, murmelte ich mit schwindender Kraft. Gleich platzte meine Lunge wegen akuten Sauerstoffmangels. Ich konnte mir aussuchen, entweder an einem tödlichen Spinnenbiss zu sterben oder zu ersticken. Und das so kurz vor Weihnachten! Das Leben war ungerecht.

»Töte sie!«, krächzte ich verzweifelt.

Callum schüttelte ratlos den Kopf, dann griff er mit der Hand nach der Spinne. Gerade noch rechtzeitig, so dass ich knapp vor der Ohnmacht Luft holen konnte. Keuchend beobachtete ich, wie er das Ungeheuer zum Fenster brachte und hinauswarf. Dann kam er zu mir zurück ins Bett. Doch ich rückte so weit wie möglich von ihm weg.

»Weiche von mir, vielleicht hat sie dich mit ihrem Gift verseucht, und wenn du mich jetzt anfasst, falle ich tot um. Kontaktgifte können einen umbringen."

»Du siehst zu viele Filme«, murrte Callum, während er sich näher an mich heranrobbte. Doch ich floh vor ihm aus dem Bett.

»Ich fasse dich nicht an, weil du vorher dieses Monster berührt hast«, sagte ich kategorisch.

»Und wenn ich mir die Hände wasche?«

»Dann vielleicht.«

Wortlos stand er auf und ging ins Badezimmer, aus dem ich das Rauschen des Wassers hören konnte. Kurz darauf kam er zurück und zeigte mir seine Hände. Sie sahen sauber aus.

»Siehst du, kein Kontaktgift von einer Spinne, nicht einmal ein winziges Härchen von ihr.« Er berührte fragend meine Wange. Als ich mich nicht länger sträubte, zog er mich an sich.

»Das war eine harmlose Hausspinne«, murmelte er in mein Ohr, während er leicht über meine nackten Arme und Schultern strich. Ich mochte es, wenn er das tat. Aber das Wort Spinne jagte eine Gänsehaut über meinen Körper.

»Und du hast sie am Leben gelassen«, klagte ich. »Was, wenn sie wiederkommt und Rache nimmt?«

»Wofür soll sie sich denn rächen?«, fragte er leise, während er meinen Hals küsste. »Dafür, dass sie über deinen wunderschönen Körper laufen durfte?«

Ich entspannte mich langsam. Meine Hände umfassten seinen knackigen Po. »Vielleicht will sie vollenden, was sie angefangen hat?«

»Das werde ich zu verhindern wissen.« Er beugte sich zu meinen Brüsten herab, um sie sanft mit seinen Lippen zu liebkosen. Meine Hände strichen über seinen wohlproportionierten Rücken, einzelne Muskeln spielten unter seiner Haut, die ich fühlen konnte.

»Wer weiß, welches Unglück sie bringt«, seufzte ich, während ich das Gefühl seiner Küsse an meiner Brust genoss. »Du weißt doch, Spinne am Morgen bedeutet Kummer und Sorgen.«

»Ich kann ihr ja sagen, dass sie am Abend wiederkommen soll«, konterte er. »Spinne am Abend, erquickend und labend.« Dann hob er mich hoch und trug mich zum Bett. Ich wollte noch ein bisschen meine Bedenken wegen der Spinne äußern, doch Callums Küsse und seine geübten Hände ließen das Tier langsam in Vergessenheit geraten. Ich gab mich ganz seinen Zärtlichkeiten hin.

 

ALS ICH GEDUSCHT und angezogen in der Küche stand, um Kaffee zu kochen, war die Spinne in den hintersten Winkel meines Bewusstseins gekrabbelt. Bei den dort lauernden Weihnachtswünschen meiner Mom und ihres zweiten Mannes, bei meinen Problemen mit meinem Boss und dem Schmerz um Spencer war sie gut aufgehoben.

»Wann wirst du denn endlich mal deine Kisten auspacken?«, fragte Callum, als er aus dem Bad auftauchte und sich die Haare trocknete. Er trug nur ein Handtuch um seine Hüften, so dass ich freien Blick auf seinen Körper bekam. Er war ein echter Hingucker mit seinen breiten Schultern und den schmalen Hüften, mit perfekt herausgebildeten Muskeln und leicht gebräunter Haut. Außerdem besaß er von Natur aus wenig Körperbehaarung, nur der dunkle Pfad vom Bauchnabel in südliche Richtung war zu sehen.

Ich blickte kurz auf und in seine Augen. »Ich weiß nicht. Keine Ahnung, ob ich überhaupt hier bleiben möchte. Es ist ja nur vorübergehend."

»Das sagst du seit einem halben Jahr.«

»Das Wörtchen ›vorübergehend‹ ist total subjektiv. Für eine Fliege kann es das ganze Leben bedeuten, für das Universum ist es nur ein Wimpernschlag.« Ich bin manchmal ein Klugscheißer, ich gebe es zu.

Callum runzelte die Stirn, dann lächelte er und ging wortlos in sein Zimmer. Ich besaß nicht viel, aber was ich mein Eigen nannte, stand in etwa zehn Kisten und Kartons in Callums Wohnung herum. Seit meiner Trennung von Spencer vor sechs Monaten bewohnte ich eines der Zimmer bei Callum, aber eben nur vorübergehend. Es war nichts Dauerhaftes. Callum war mein bester Freund, schon seit meiner Kindheit. Er hatte mich aufgenommen, als meine Beziehung mit Spencer nach vier Jahren in die Brüche gegangen war. Seit kurzem schliefen wir in einem Bett. Vorübergehend.

»Vielleicht will ich ja lieber allein leben als in einer WG!«, rief ich ihm hinterher. »Wir sind kein Paar, vergiss das nicht.«

»Nein, das vergesse ich nicht!«, rief er mir aus seinem Zimmer zu. »Aber wenn du allein lebst, musst du die Spinnen selbst um die Ecke bringen.«

Ich schüttelte mich. Mit diesen Worten krabbelte sie wieder vor mein geistiges Auge und zeigte mir all ihre haarigen Beine, ihren fiesen Blick und die giftigen Zähne.

»Vielleicht halte ich mir einen persönlichen Knecht«, konterte ich. »Einen, der Kaffee für mich kocht und Spinnen tötet. «

»Nur dass du den bezahlen müsstest. Ich mache es umsonst.«

»Aber du willst, dass ich Kisten auspacke, das ist auch so etwas wie ein Honorar.«

»Aber es ist gering, das musst du doch zugeben.« Er kam fertig angezogen aus seinem Zimmer. Er trug eine schwarze Jeans und ein weißes Hemd. Sein Haar war noch feucht, so dass es glatt lag. Sobald es getrocknet war, würde es sich wellen und machen, was es wollte. Seine grünen Augen funkelten mich an.

»Auch das ist eine rein subjektive Empfindung«, entgegnete ich oberschlau. »In meiner Situation ist es unbezahlbar, weil ich …« Ich hielt inne, weil mein Handy klingelte. Ein Anruf am Sonntagmorgen bedeutete nie etwas Gutes, vor allem nicht, wenn er von der Polizei kam.

»Hier spricht Officer Bush, Miss Winslow, es geht um Ihre Mutter.«

Ich stöhnte leise. »Wo ist sie? Geht es ihr gut?«

»Wir haben sie im Park am Fluss gefunden. Sie ist etwas unterkühlt, aber der Arzt sagt, das wird sie nicht umbringen.« Er betonte das kleine Wörtchen das besonders. Nein, an einer Unterkühlung würde sie vermutlich nicht sterben. Etwas anderes würde diese Arbeit schneller erledigen.

»Ich weiß«, murmelte ich. »Ist Ed bei ihr?«

»Ihre Mutter hat verlangt, dass wir Sie anrufen, das habe ich jetzt getan.«

»Okay, ich komme.«

Ich legte auf. Bevor ich zur Diele lief, nahm ich ein Stuhlkissen und warf es Callum an den Kopf. Er fing es auf, bevor es Kontakt mit seiner Stirn aufnehmen konnte. »Ich habe dir doch gesagt, dass dieses blöde Spinnenvieh Ärger bringt«, rief ich. »Ich muss los. Mom geht es wieder nicht gut.« Ich eilte zur Garderobe, um meinen Mantel überzuwerfen.

»Ich komme mit«, bot Callum an. Er trank in aller Eile schnell einen Schluck Kaffee, wobei er sich die Zunge verbrannte. Dann zog er die Jacke über und ging mit mir hinaus.

 

MEINE MUTTER SASS auf der Parkbank. Ihr Oberkörper schwankte leicht, als ich auf sie zuging. Ein Officer saß neben ihr, ein Krankenwagen stand auf dem Weg, wo ein Arzt an einem Baum lehnte und eine Zigarette rauchte. Ein eigenartiger Anblick.

Der Officer erhob sich, sobald ich zu der Bank trat. Callum blieb ein paar Schritte hinter mir stehen, um mir und meiner Mom etwas Privatsphäre einzuräumen. Meine Mutter blickte auf und lächelte, als sie mich erkannte. »Lily«, lallte sie. Es war so kalt, dass ihr Atem sich in der Luft in Rauchschwaden verwandelte. »Du bist gekommen. Ich wollte nicht, dass Ed mich so sieht.«

»Er hat dich schon öfter in solch einem Zustand erblickt«, erwiderte ich leise. »Es wird ihn nicht verschrecken.«

»Aber ich will es nicht.«

»Dann trink nicht so viel.«

Sie hustete, wobei sie mir ihren Alkoholatem ins Gesicht hauchte. Sie war voll wie eine Regentonne nach einem dreitägigen Gewitter. »Wo ist Spencer?«, fragte sie.

»Er ist nicht mehr mit mir zusammen«, entgegnete ich. »Seit einem halben Jahr nicht mehr, das weißt du, Mom.«

»Ist Callum dein neuer Freund?« Sie schaffte es, trotz ihres Lallens und der kaum verständlichen Sprache erstaunt zu klingen.

»Nein, Callum ist mein bester Freund, das weißt du auch. Du kennst ihn genauso lange wie ich.«

Sie seufzte. »Ich wünschte, du wärst wieder mit Spencer zusammen. Er war gut für dich.«

»Er war gut für dich.« Ich dachte daran, wie meine Mutter ihn angehimmelt hatte, wenn er bei uns war. Dann hatte sie sogar den Alkohol sausen lassen und nur Limonade getrunken.

Sie kicherte, doch dann rülpste sie und spuckte gleich ein bisschen von dem Wodka aus, den sie getrunken hatte. Ich verzog das Gesicht. Ihr Mageninhalt stank erbärmlich.

»Brauchen Sie mich noch?«, fragte der Officer. Er wirkte angewidert von meiner Mutter.

»Nein, danke, dass Sie mich angerufen haben«, sagte ich.

»Ich gebe dem Sanitäter Bescheid, dass Sie übernehmen.«

»Ja, danke nochmals.«

Er nickte nur, dann ging er zu dem Arzt, der seine Zigarette aufgeraucht hatte und die Kippe einsteckte. Wer in Moonriver Zigarettenkippen liegenließ, musste mit zweihundert Dollar Strafe rechnen. Die beiden sprachen kurz miteinander, ich konnte jedoch nicht hören, worum es ging. Sicherlich um meine Mutter und deren Zustand. Sie spuckte noch etwas Wodka aus, während ich aus den Augenwinkeln beobachtete, wie der Krankenwagen davonfuhr und der Officer durch den Park Richtung Straße marschierte.

»Mom, ich bring dich nach Hause«, sagte ich und wollte meiner Mutter aufhelfen, doch sie war zu schwer. Callum trat zu mir, um mir behilflich zu sein.

»Mom, lass uns bitte gehen«, drängte ich. »Ed macht sich sicher Sorgen um dich.«

»Ed. Ed ist gut«, murmelte meine Mutter, während sie sich mühsam aufrichtete. Callum stützte sie dabei. Ich zog sie am Ärmel.

»Ja, Mom, deshalb darfst du ihn nicht enttäuschen.«

»Du musst ihm klarmachen, dass du die bessere Frau bist«, lallte sie und hinkte auf mein Auto zu. Callum sah mich fragend an, weil er nicht verstand, was sie damit sagen wollte. Ich allerdings auch nicht.

»Wem? Ed weiß, dass du eine tolle Frau bist, wenn du nüchtern bist. Du solltest …« Ich sprach nicht weiter, sondern zuckte zusammen, weil vor uns eine schwarze Katze über den Weg rannte, und das auch noch von links nach rechts. Nach dieser verdammten Spinne war das das zweite schlechte Zeichen für diesen Tag.

»Er hat dich mal geliebt, das geht nicht so einfach weg. Du musst es hervorkramen, dann kehrt er zurück zu dir.« Sie hustete schwer und keuchte dabei, dann lief sie humpelnd weiter.

Sie sprach offenbar über Spencer. »Mom, vergiss es.« Ich schielte der Katze hinterher, die im Gebüsch verschwand. Wenn von dort auch noch eine Schar Krähen auftauchte, würde ich mich für den Rest des Tages krankmelden und im Bett bleiben.

»Sie sollten jetzt erst einmal etwas Ordentliches frühstücken, Mrs. Hoffman«, mischte sich Callum ein, als er die Autotür öffnete. »Dann geht es Ihnen gleich besser.«

»Callum, du bist ein netter Junge«, erwiderte sie und ließ sich in den Sitz fallen. »Das warst du schon immer. Ein lieber Junge mit Lippen zum Küssen.« Ihre Wange glitt auf die Kopfstütze, an die sie sich anlehnte und die Augen schloss.

»Du hast ihr immer beim Erdbeeren pflücken geholfen und zu viel genascht, bis du knallrote Lippen hattest«, kicherte ich und kletterte in den Fahrersitz. Callum ließ sich auf dem Rücksitz nieder.

Callum verzog das Gesicht. »Mir wäre es lieber, sie würde mich nicht als lieben, netten Jungen bezeichnen. Das klingt verdammt lahm und langweilig.«

»Beschwer dich bei Mom.« Vom Beifahrersitz war ein Schnarchen zu hören. »Aber vielleicht lieber später.«

Ich startete den Wagen und fuhr los. Meine Mutter lebte mit Ed Hoffman in einem Haus direkt neben der protestantischen Kirche von Moonriver. Ed war ihr zweiter Mann, der erste, mein Vater, war an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben, als ich siebzehn Jahre alt war. Sein Todestag war der Tag, an dem der Abstieg meiner Mutter begann. Sie war Sängerin gewesen, eine ziemliche Berühmtheit in Alabama. Doch nach Dads Tod hatte ihre Stimme ihren Glanz verloren. Sie klang matt und leblos wie ein Stück Holz, schrieb ein Kritiker. Die Engagements wurden immer weniger, dafür begann sie sich mit Alkohol zu trösten. Schließlich sang sie nur noch an den Wochenenden in der Kirche von Moonriver, wo Ed, der Organist, sie anhimmelte. Als er sie heiratete, hörte sie ganz mit dem Singen auf. Sie trällerte nur noch, wenn sie so blau war, dass es ihr egal war, wie sie sich anhörte.

Ed stand mit dem Handy in der Hand in der Tür und wartete auf uns. »Ich habe gerade die Polizei angerufen«, rief er uns entgegen. »Die haben gesagt, dass ihr sie abgeholt habt.«

»Hallo Ed«, grüßte ich ihn. »Ja, der Officer rief mich an. Offenbar fand er meine Nummer zuerst«, schwindelte ich, um ihn nicht zu verletzen.

»Wo war sie denn?« Er klang besorgt und betrachtete liebevoll das Gesicht seiner schlafenden Frau.

»Am Fluss«, erwiderte ich.

»Danke, dass ihr sie geholt habt. Ich kümmere mich jetzt um sie.«

Er beugte sich zu meiner Mutter und versuchte, sie aus dem Auto zu heben. Es gelang ihm jedoch nicht, so dass er bittend zu Callum blickte. Der griff ihm unterstützend unter die Arme. Gemeinsam hievten sie Mom ins Haus und legten sie auf die Couch, wo sie friedlich weiterschnarchte.

»Es wird immer schlimmer«, murmelte Ed plötzlich. Er nahm seine Brille ab, um verlegen eine Träne aus seinem Auge zu wischen. »Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Sie wird sich noch zugrunde richten, aber ich will sie nicht verlieren.«

»Ich auch nicht«, antwortete ich leise.

»Ich habe Angst vor der Zukunft, vor allem vor dem Weihnachtsfest. An Wochenenden und Feiertagen ist es bei ihr am schlimmsten.«

»Sie braucht eine Therapie.«

»Das habe ich ihr bereits hundert Mal gesagt, sie geht aber nicht freiwillig.«

»Ich weiß auch nicht weiter«, gab ich zu.

Er schluckte resigniert. »Danke, Lily. Und einen schönen Sonntag noch.«

»Dir auch.«

Sorgenvoll betrachtete Ed meine schlafende Mutter. Ich sah zu Callum und nickte ihm zu. Zeit zu gehen.

Wir liefen zur Tür und fuhren zurück in Callums Apartment. Callum wollte jedoch nicht, dass wir die Stunden vor der Arbeit in der Wohnung verbrachten und überredete mich, mit ihm Schlittschuhlaufen zu gehen. Ich zog etwas Bequemes an, dann fuhren wir in die Eishalle im Süden von Moonriver. Die Eisfläche war voll, überall kreischten Kinder oder fuhren ungelenke Erwachsene in seltsamen Formationen und Figuren über die Fläche. An einem Adventssonntag zog es die Leute reihenweise aus ihren Häusern und Wohnungen zum Eislaufen in die Halle. Jedenfalls die beweglicheren Bewohner, wie Callum. Er war ein Genie, was sportliche Aktivitäten betraf. In der Schule war er im Footballteam gewesen, außerdem hatte er mal einen Fechtkurs besucht und wurde zu einem Leichtathletik-Wettkampf eingeladen. Ich hingegen brauchte nur Sport im Fernsehen anzuschauen, da verletzte ich mich schon. Ehrlich! Bei der Übertragung der Olympischen Spiele aus London hatte ich mir eine Sehne gezerrt, weil ich vom Sessel aus nach der Weinflasche greifen wollte, die ein paar Zentimeter außerhalb meiner Reichweite stand. Und bei der Fußball-WM brach ich mir den kleinen Finger, als ich beim Torjubel mit der Hand gegen die Wand schlug. Seitdem mied ich Sport im Fernsehen, und Bewegung in der Realität sowieso. Ich ging nur wegen Callum mit, blieb aber vorsichtshalber am Rand stehen. Dabei gingen mir die Sätze meiner Mutter über Spencer nicht aus dem Kopf. Es hatte mir das Herz gebrochen, als Spencer mich verlassen hatte. Ich hatte ihn geliebt, wir waren drei lange Jahre glücklich gewesen. Doch dann wurde es schwierig mit uns, weil er Karriere machte und immer weniger Zeit für uns hatte. Vor einem halben Jahr schließlich sagte er mir, dass er sich unsterblich in seine Kollegin Diana verliebt hätte und mich verlassen würde. Für mich brach eine Welt zusammen, für meine Mutter auch. Sie hatte mich schon als Anwaltsgattin und bestens versorgt gesehen. Seitdem war es mit dem Trinken bei ihr noch schlimmer geworden. Was, wenn sie Recht hatte? Ob mich Spencer irgendwo ganz tief in seinem Herzen noch liebte? Wenn Diana von der Bildfläche verschwinden würde, würden Spencer und ich wieder ein Paar werden? Und würde Spencer an meiner Seite Mom vor dem Ertrinken in der Wodkaflasche retten?

Callum glitt auf den Schlittschuhen an mir vorüber und zog mich mit sich. Ich löste mich von der Bande und fuhr ein paar Schritte mit ihm mit. Doch dann stolperte ich über einen Schal, den ein Kind verloren hatte, und krachte der Länge nach aufs Eis. Der Aufprall pustete sämtliche Luft aus meinen Lungen.

»Alles okay, Lily?«, fragte Callum besorgt, der zu mir gefahren kam.

Ich antwortete nicht, sondern schüttelte stumm den Kopf. Meine Brust hatte offenbar die Atmung eingestellt, ich konnte nur hoffen, dass es nicht für immer war. Tod durch Atemstillstand in der Eishalle – würde in meiner Akte stehen. Immerhin war ich nicht nackt, das wäre noch schlimmer. Und Spinnen gab es hier auch nicht. Ich musste versuchen, das Positive in meiner Situation zu sehen, denn ich spürte, wie der Sauerstoff sich dabei zögerlich in meine Lunge schlich. Na bitte, ging doch.

»Uff«, stöhnte ich endlich. »Uff uff.« Das sollte »Es geht« heißen, war wohl aber nur für mich verständlich. Schnell machte ich einen inneren Check und zählte meine Knochen, ob noch alle heil waren. Meine Knie schmerzten, aber ich konnte sie ohne Einschränkungen bewegen. Meine Handgelenke waren kalt und etwas gestaucht, aber nicht gebrochen. Den Rest des Körpers hatte meine Kleidung beschützt. Es ging mir gut.

»Uff«, sagte ich erneut, dann rappelte ich mich auf.

»Ich hatte vergessen, dass du so unsportlich bist«, grinste Callum.

Momentan konnte ich nicht antworten, weil ich mich darauf konzentrieren musste, mich hinzustellen, ohne wieder auf die Nase zu fallen. Als ich mich endlich in der Vertikalen befand, winkte ich nonchalant ab. »Alles halb so wild. Aber ich denke, ich mach jetzt Feierabend.«

Callum legte den Kopf schief. Bedauern lag in seinem Blick, doch dann nickte er. »Wir fahren zurück nach Hause.«

»Nein, nein, mach ruhig weiter. Ich will dir nicht den Spaß verderben. Ich komme allein zurecht. Wir sehen uns später.«

»Wirklich?«

»Wirklich. Bis dann.«

Er brachte mich vorsichtshalber zur Bande, wo er mir einen Kuss auf die Wange gab. Ich zog die Schlittschuhe aus und gab sie ab. Dann fuhr ich mit dem Bus nach Hause und setzte mich auf mein Bett. Ich war froh, allein zu sein, denn das bedeutete, dass ich nachdenken konnte.

Es wäre verrückt, aber es könnte funktionieren. Mit Spencer an meiner Seite würde meine Mutter das Weihnachtsfest ohne ernsthaften Absturz überleben. Ich musste nur eine Möglichkeit finden, Diana loszuwerden. Ich stand wieder auf und wollte ein Notizbuch suchen, das sich in einer meiner zehn Kisten befinden musste. Nachdem ich die ersten beiden durchwühlt und nichts gefunden hatte, gab ich jedoch auf und ging ins Bad, um eine Klorolle zu nehmen. Einen Stift fand ich auf dem Kühlschrank.

OPERATION WEIHNACHTSENGEL schrieb ich auf das erste Blatt Klopapier. Dann notierte ich Möglichkeiten, eine Person unblutig aus einer Beziehung zu drängen: eine geschickt eingefädelte Intrige, ein neuer Job in einer anderen Stadt, ein neuer Mann. Danach fiel mir nicht mehr viel ein. Deshalb notierte ich die blutigen Möglichkeiten daneben: ein tödlicher Unfall, ein Überfall, ein Attentäter. Das war alles noch nicht ganz ausgereift, das sah ich ein, und es gab noch viel zu viele unbedachte Größen und moralische Vorbehalte. Doch mein Herz klopfte schneller bei dem Gedanken, Spencer wieder an meiner Seite zu haben. Und der seit der Trennung ständig lungernde Schmerz in meiner Brust war plötzlich geringer geworden. Lächelnd stand ich auf und ging in die Küche, als Callum zurückkehrte. Ich erzählte ihm nichts von meinen Ideen, sondern hörte mir schmunzelnd an, wie er davon erzählte, dass er eine Frau umgerannt und bei einem Sturz auf der Eisfläche fast ein Kind plattgemacht hätte. Ich wusste, dass er schwindelte, damit ich mich besser fühlte. Er war so sportlich, er hatte mit Sicherheit niemanden umgefahren. Ich lachte jedoch über seine Erzählung, dann zogen wir uns um und fuhren zur Arbeit.

 

AM SONNTAGABEND HERRSCHTE Hochbetrieb im Moonriver Diner. Die meisten Hausfrauen hatten sonntags keine Lust, selbst zu kochen, deshalb überredeten sie ihre Männer, mit der Familie zu uns zu kommen. Und an einem Adventssonntag erst recht. Hin und wieder verirrten sich auch Touristen in das Lokal, aber das geschah eher selten. Moonriver ist den Touristenführern kaum bekannt, trotz seines schönen Namens und der idyllischen Lage am Alabama River.

Callum verschwand in der Küche. Er war Koch, während ich mich als Kellnerin um die Bedienung der Gäste kümmerte, jedenfalls was die kulinarischen Wünsche betraf. Die anderen Sehnsüchte musste ich unbefriedigt lassen, dafür gab es andere Einrichtungen in Moonriver.

Das Schöne an solchen geschäftigen Tagen war, dass es reichlich Trinkgeld gab und dass die Zeit schnell verging. Der Nachteil waren schmerzende Füße und schweißnasse T-Shirts, weil ich und Jade, die zweite Kellnerin im Diner, ständig hin und her flitzten.

Als ich gerade eine winzige Pause machte, um ein Glas Wasser zu trinken und zu überlegen, wie ich an brisante Informationen über Diana kommen könnte, um eine wasserdichte Intrige zu schmieden, öffnete sich die Tür des Diners und eine junge Frau in meinem Alter trat ein. Sie fiel mir sofort auf, weil ich sie noch nie gesehen hatte, und weil sie so gar nicht in unser Diner passte. Sie trug einen weichen Pelz, für den ich Einiges in Kauf nehmen würde, um ihn zu besitzen. An ihrem Hals hing eine kostbare Kette, und ihre Haarfarbe war so ungewöhnlich, dass sie nicht echt sein konnte, aber auch von keiner in einer Drogerie käuflich erwerbbaren Tönung stammte. Sie hatte einen weichen, karamellartigen Rotton, der an den von Lachs erinnerte. Oder an Ringelblumen. Oder Pfirsiche. Sie sah sich unsicher um und trat schließlich zu mir.

»Ist noch ein Platz frei?«, fragte sie in blütenreinem Englisch. Sie klang so fein, dass ich am liebsten strammgestanden und sie mit Madame angesprochen hätte.

»Kommen Sie mit«, sagte ich und führte sie zu einem winzigen Zweiertisch in der Nähe der Jukebox, an den sich keine Familie setzte, weil er zu klein war.

Sie dankte mir und setzte sich. »Was wollen Sie essen?«, fragte ich sie.

»Nichts. Bitte bringen Sie mir nur einen Kaffee.«

Ich nickte und reichte ihr das Gewünschte, wobei ich einen fragenden Blick zu Jade warf, die mit den Schultern zuckte. Offenbar kannte sie die Fremde auch nicht.

»Sie sind nicht von hier?«, fragte ich Madame, wie ich sie heimlich nannte, als ich ihr einschenkte. Sie starrte nachdenklich in ihr Handy, sah jedoch auf, als ich sie ansprach.

»Nein, nur auf der Durchreise.«

»Woher stammen Sie?«

Sie zögerte einen Moment, als würde sie überlegen, ob sie mir die Wahrheit sagen sollte. »New York«, erwiderte sie schließlich.

»New York? Das hört man Ihnen gar nicht an. Ich dachte immer, die New Yorker hätten so einen speziellen Dialekt.«

Sie lächelte.

---ENDE DER LESEPROBE---