SMS - Sarah mag Sam - Lotte Kinskofer - E-Book

SMS - Sarah mag Sam E-Book

Lotte Kinskofer

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Beschreibung

»Schau mir in die Augen, Kleines!« Keine Geheimnisse in der Clique! Sarah lässt sich von ihren Freundinnen breitschlagen, auf diesen Deal einzugehen. Schon bald erkennt sie aber, dass sie in diesem Sommer zwar jede Menge erlebt, aber nicht unbedingt alles davon erzählen mag. Vor allem nicht, dass sie bis über beide Ohren in Sam verknallt ist. Das zu erzählen, wäre viel zu peinlich, wo doch die ganze Klasse für ihn schwärmt. Aber als Sam ihr im Schwimmbad aus Versehen einen Ball an den Kopf schießt, sieht Sarah plötzlich Sternchen - und dann mitten hinein in die schönsten blauen Augen der Welt. Aus der Reihe dtv girl: Alles über die beste Freundin, die Clique, erste Dates und erste Küsse, Herzschmerz mit Happy End.

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Seitenzahl: 172

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Lotte Kinskofer

SMS - Sarah mag Sam

Deutscher Taschenbuch Verlag

Originalausgabe 2009© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, MünchenDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.eBook ISBN 978-3-423-40458-7 (epub)ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-07615-9Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de

Inhaltsübersicht

Keine Geheimnisse in der Clique

Niemand erzählt doch wirklich alles

Nicht ohne meine beste Freundin

Sam holt mir die Sterne vom Himmel

Das Schweigen der Clique

Wettkampf um Sam

Achterbahn der Gefühle

Jenny, die Zecke

Carlas dumme Idee

Gerüchteküche

Freunde in der Not

Böses Ende ganz nah

Showdown im Pausenhof

Falsches Theater, echte Gefühle

Über Schatten springen

Keine Geheimnisse in der Clique

Niemand küsst so gut wie Enrico. Das habe ich jetzt schon tausendmal gehört. Seit Jenny mit ihren Eltern über Ostern in Italien war, erzählt sie es uns in jeder Pause. Jeder Schultag hat zwei Pausen, jede Woche fünf Schultage. Können sich alle selbst ausrechnen, wie oft ich das gehört habe.

Nur noch wenige Tage bis zu den Sommerferien. Wir stehen in unserer Ecke: Jenny, Lili, Cibel und ich. Ich warte darauf, dass Jenny die Geschichte mit Enrico wieder erzählt. In dieser Pause haben wir sie noch nicht gehört.

Manchmal finde ich die Geschichte ganz lustig. Aber nicht heute. Normalerweise ist nämlich noch Carla mit von der Partie, meine beste Freundin. Sie gehört auch zu unserer Clique. Aber Carla ist krank.

»Sie hat eine Sommergrippe«, hat ihre Mutter gesagt, als ich gestern angerufen habe. »Sie kann jetzt leider nicht mit dir telefonieren, sie muss sich ausruhen.«

Frau Ahrens ist die vorsichtigste Mutter überhaupt auf dieser Welt. Denn wieso kann Carla nicht telefonieren, nur weil sie ein bisschen hustet und schnieft? Also habe ich Carla auf ihrem Handy angerufen, denn um die beste Freundin zu sprechen, bin ich zu allem bereit. Aber auch da ging Frau Ahrens dran. Sie hatte Carla das Handy abgenommen. Irgendwie führt an dieser Supermama kein Weg vorbei.

»Sarah, bist du das?«, hat sie sich gemeldet und ich habe einfach aufgelegt. Dazu muss man nichts mehr sagen.

Wäre Carla jetzt hier mit uns auf dem Schulhof, dann könnten wir uns über Jenny und ihre Geschichte lustig machen. Wir würden gemeinsam die Augen verdrehen, wie wir es immer wieder tun. Gäbe es einen Synchron-Augenverdreh-Wettbewerb, wir würden ihn garantiert gewinnen. Nach dem Augenverdrehen würden wir Jenny gegenüber so tun, als ob wir doch aufmerksam zuhören, und mit Echt?, Wirklich?, Ist ja super! dafür sorgen, dass uns bei der hundertsten Wiederholung der Geschichte nicht so langweilig wird. Aber wie gesagt, Carla ist nicht da. Ich vermisse sie sehr. Denn ich vermute, dass Jennys Story nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

Ein kleiner Seufzer und ich weiß: Jetzt kommt sie. Denn so beginnt die Geschichte immer bei Jenny.

»Mist, wir fliegen in den Ferien nach Portugal«, klagt sie.

Ja, Mist, denke ich. Wie schlimm für sie, nach Portugal zu fliegen! Wo ich doch sechs Wochen hier bleiben muss, weil mein Vater gerade erst eine neue Stelle angetreten hat und deshalb keinen Urlaub bekommt.

Niemand in der Clique sagt etwas zu Jennys Satz.

Deshalb versucht sie’s noch mal: »Mist, wir fliegen nach Portugal.«

»Ich find’s gaaaaaanz super«, schwärmt Lili. »Vor allem, weil ich mitdarf.« Dabei strahlt sie über ihr rundes Kleinmädchengesicht und bietet Jenny ihren Saft an.

Aber Jenny runzelt die Stirn, weil sie offenbar ein ernstes Problem hat, und schüttelt den Kopf. »Ich wäre ja lieber wieder nach Italien.«

Ich sage jetzt nichts. Ich beiße mir lieber die Zunge ab, als zu fragen: Warum denn? Ich weiß ja, was kommt. Und ich will es nicht noch mal hören.

Leider denken nicht alle so. Lili spielt das Spiel mit, weil sie Jennys beste Freundin sein will. Deshalb macht sie immer, was Jenny verlangt.

»Es ist wegen Enrico, nicht wahr?«

Jenny nickt. »Vielleicht würde ich ihn wiedersehen. Hab ich euch erzählt, dass er wirklich fantastisch küsst?«

Natürlich hat sie es uns erzählt. Nicht nur einmal. Ich werde heute Nachmittag nachrechnen, wie oft ich das seit Ostern schon gehört habe.

»Hat er sich denn irgendwann einmal bei dir gemeldet?«, will Cibel wissen.

Jenny schüttelt den Kopf. »Aber das wundert mich nicht. SMS von Italien nach hier sind waaaaaahnsinnig teuer.«

Das ist nun die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe. Ich könnte im Internet nachsehen, wie viel es wirklich kostet, aber eigentlich ist es mir egal. Es ist Jennys Geschichte, vielleicht sogar Jennys Lüge. Ich will ihr doch gar nicht beweisen, dass sie schummelt oder dass dieser Enrico nichts von ihr wissen will. Manchmal, wenn ich ganz alleine zu Hause auf meinem Bett liege und Musik höre oder in einer Zeitschrift blättere, denke ich: Wenn das stimmt, was Jenny erzählt, dann bin ich wirklich ein bisschen neidisch. Ich wäre auch gerne in Italien gewesen und ich hätte auch gerne einen Enrico getroffen. Vermutlich wäre ich auch gerne von ihm geküsst worden. Aber nur, wenn ich in ihn verliebt gewesen wäre. Der erste Kuss soll ja doch was Besonderes sein. Nicht irgendwo und irgendwie und schon gar nicht von irgendwem.

Ich muss zugeben, ich bin zurzeit nicht ganz fair, wenn es um Jenny geht. Eigentlich mag ich sie. Sonst wäre ich ja nicht mit ihr in einer Clique. Aber es ist wegen der Sommerferien, ich habe mich einfach über sie geärgert. Jenny darf nämlich eine Freundin nach Portugal mitnehmen. Sie hat Lili gefragt, nicht mich. Denn Lili gibt ihr immer recht und bewundert sie. Lili würde sich noch ein paar Jahre die Geschichte von Enrico anhören und sie neu und toll und aufregend finden. Ich mag Jenny, aber ich habe einfach keine Lust, sie andauernd zu bewundern. Und im Moment mag ich sie eben ein bisschen weniger, weil ich sie um ihren Urlaub beneide und darum, dass die Jungs mehr auf sie stehen als auf mich. Ich sehe nämlich mit meinen 13Jahren immer noch aus wie ein kleines Mädchen.

In der zweiten Pause redet Jenny da weiter, wo sie in der ersten aufgehört hat – es geht um die Ferien.

»Du fährst bestimmt in die Türkei«, sagt sie zu Cibel.

»Ja, wir besuchen den Bruder meiner Mutter und seine Familie.«

»Das wird bestimmt langweilig«, behauptet Jenny.

»Glaub ich nicht«, sagt Cibel und wird ein bisschen rot. Ich weiß nicht, ob vor Ärger oder weil es ihr peinlich ist. »Letztes Jahr war ich auch vier Wochen dort und ich hab mich mit meiner Cousine ganz toll verstanden. Das war sehr lustig.«

Jenny sieht sie an, als könne sie sich das gar nicht vorstellen.

»Gibt’s denn auch einen Cousin? Der schon erwachsen ist? Den du irgendwann mal heiraten musst?«

Lili kichert albern, als Jenny das sagt. Cibel aber sieht die beiden jetzt wirklich böse an. Eine Strähne ihrer langen, dunklen Haare fällt ihr ins Gesicht, sie funkelt mit ihren fast schwarzen Augen und in dem Moment wirkt die sonst so ruhige Cibel fast gefährlich.

»So stellt ihr euch die Türkei vor, oder? Da fährt man als Mädchen hin, muss einen alten Mann heiraten und wird den Rest des Lebens gequält.«

»In der Zeitung stehen ständig solche Geschichten«, verteidigt Jenny ihre Ansichten. Lili nickt eifrig.

Ich muss zugeben: Ich hab so was auch schon mal gelesen. Aber das muss ja nicht bei allen Leuten so sein, oder?

Cibel holt tief Luft: »Ich lese hier ständig in der Zeitung, dass die Deutschen keine Kinder mögen. Und ich sage auch nicht, dass alle so sind.«

»Das sind doch nur Vorurteile«, mische ich mich ein.

»Woher willst du denn wissen, wie es in der Türkei ist?«, fährt Jenny mich an.

»Weiß ich ja nicht, aber wenn ich’s wissen will, erzähle ich nicht irgendeinen Blödsinn, sondern frage Cibel«, gebe ich zurück.

Cibel bedankt sich mit einem kleinen Lächeln, doch Jenny findet es nicht so lustig, dass ich ihr widerspreche. Macht nichts, ich darf ja sowieso nicht mit nach Portugal.

Lili gelingt es, geschickt das Thema zu wechseln und Jennys gute Laune wiederherzustellen.

»Du hast den anderen noch gar nichts von deinem tollen Plan erzählt!«, bringt sie Jenny wieder auf die Spur und tatsächlich huscht ein Lächeln über Jennys Gesicht.

»Genau, ich habe nämlich eine neue Idee für unsere Clique«, sagt sie. Lili nickt wieder eifrig und strahlt wie ein kleines Kind.

Cibel und ich warten gespannt, was da auf uns zukommt.

»Wir sehen uns doch in den Ferien ein paar Wochen nicht«, fängt Jenny an und ich verdrehe die Augen. Wenn ich eins nicht mehr hören kann, dann das: Alle fahren weg und ich bleib da. »Und deshalb hab ich gedacht, wir schließen einen Pakt. Jede muss alles erzählen, was ihr passiert. Alles. Vor allem mit Jungs. Denn ich habe so ein Gefühl, dass das ein Spitzensommer wird. Und dass wir alle so richtig was erleben.«

Jenny strahlt uns an, aber weder Cibel noch ich sind begeistert.

»Wenn du denkst, ich erzähle dir, dass ich mit meinem Cousin zwangsverheiratet werde…« Cibel ist immer noch ziemlich sauer auf Jenny.

»Quatsch«, winkt Jenny ab. »Ich stell mir einfach vor, dass du in der Türkei einen netten Jungen kennenlernst und ihr trefft euch heimlich hinter dem Ziegenstall deines Onkels und da küsst er dich…«

Cibel schüttelt energisch den Kopf. »Mein Onkel hat keinen Ziegenstall. Er ist Architekt in Ankara. Außerdem küsse ich nicht irgendwelche Jungs, die ich zum ersten Mal sehe und nach den Ferien vielleicht nie wieder.«

»Aber das ist toll!«, widerspricht Jenny. »Wenn ich da an Enrico denke…«

»So was würde ich nie machen.« Cibel bleibt dabei. »Ich will einen Jungen erst genauer kennenlernen. Ich kann doch nicht beim ersten Treffen schon wissen, ob er wirklich nett ist und ob wir gemeinsame Interessen haben.«

»Wenn ihr euch küsst, habt ihr doch schon was gemeinsam«, kichert Lili und Jenny lacht laut.

Cibel wird wieder ein bisschen rot. Ich denke, ich sollte ihr helfen: »Ich werde auch nicht viel erleben, ich bleib ja hier.«

»Daheim kann auch viel passieren. Im Eiscafé, im Schwimmbad…«

Ich winke ab. Seit ich denken kann, gehe ich ständig ins Eiscafé und ins Schwimmbad. Nie ist irgendetwas passiert. Zumindest nichts Aufregendes.

Eigentlich finde ich, dass die Sache jetzt erledigt ist. Ich muss diesen blöden Schwur nicht leisten. Ich habe eine gute Ausrede. Wenn nichts passiert, muss ich nichts erzählen.

Aber Lili sieht das ganz anders. »Wenn ihr beide denkt, dass ihr nichts erlebt, dann könnt ihr doch schwören, dass ihr uns alles erzählt.«

Stimmt eigentlich, überlege ich. Ich kann alles erzählen, was passiert. Nämlich nichts. Es wird ein langweiliger Sommer. Ich sitze im Garten und lese und streichle meinen Goldhamster Alfi. Mein Bruder Marc ärgert mich, meine Freundinnen sind weg und vergessen, mir eine SMS zu schicken. Und wenn sie aus dem Urlaub zurückkommen, habe ich mich schon zu Tode gelangweilt.

»Also gut«, stimme ich zu. »Ich erzähle alles.«

Jenny und Lili strahlen.

»Wir erzählen euch auch alles, was wir in Portugal erleben«, verspricht Lili.

»Der Pakt gilt ab sofort«, bestimmt Jenny. »Nicht erst ab dem ersten Ferientag.«

Dabei streckt sie auffordernd die Hand aus, wir schlagen der Reihe nach ein, unsere Hände bilden ein großes Knäuel.

»Keine Geheimnisse vor der Clique«, sagt Jenny.

»Keine Geheimnisse«, wiederholen wir.

Und mit diesem Versprechen fangen alle meine Probleme an.

Niemand erzählt doch wirklich alles

»Tschüss, bis morgen«, sage ich zu Cibel, als ich nach Schulschluss mein Fahrrad aufsperre.

Sie zeigt auf den hinteren Reifen. »Der ist ja fast platt.«

Ich bin richtig sauer. Ständig geht bei diesem Reifen die Luft raus. Also hole ich die Luftpumpe aus meinem Rucksack und mache mich an die Arbeit. Cibel steht daneben und sieht mir zu. Von Jenny und Lili keine Spur. Die sind wahrscheinlich schon gegangen, untergehakt, von Enrico plaudernd oder von dem herrlichen Urlaub in Portugal.

Ich richte mich auf und atme tief durch. Reifen aufpumpen ist anstrengend, vor allem, wenn praktisch keine Luft mehr drin ist.

»Ich löse dich ab«, sagt Cibel hilfsbereit und ich bin sehr froh darüber.

Cibel ist ziemlich still, deshalb halten sie viele für langweilig. Aber wenn man sie erst mal fragt, kann sie total spannende Geschichten erzählen. Zum Beispiel von Ankara oder sie sagt ein paar Sätze auf Türkisch, das klingt richtig interessant, finde ich. Ihre Bemühungen, mir ein bisschen Türkisch beizubringen, sind allerdings an meiner Faulheit gescheitert. Cibel ist eine richtig gute Schülerin, außer in Mathe, da bin ich besser. Und sie gibt nie an – da ist sie aber die Einzige von uns.

»Willst du wirklich alles erzählen, was du in den Ferien erlebst?«, fragt mich Cibel.

»Ich weiß nicht«, antworte ich zögernd. »Eigentlich mag ich nicht. Jeder hat doch seine Geheimnisse.«

Cibel nickt. »Niemand erzählt doch wirklich alles.«

»Warum haben wir uns dann auf die Sache eingelassen?«, frage ich Cibel. Die richtet sich auf und gibt mir meine Luftpumpe zurück. »Weil wir beide uns immer mal wieder von Jenny was einreden lassen«, sagt sie. »Und erst nachher merken wir, dass wir das gar nicht wollten.«

Kluge Cibel. Genau so ist es. Jenny und Lili haben so lange gequatscht, bis wir nachgegeben haben.

»Wenn wir alles erzählen müssten«, überlegt Cibel. »Was wir denken, was wir träumen, was wir uns heimlich wünschen…«

»Auf gar keinen Fall!«, rufe ich. »Das sag ich keinem Menschen!«

»Siehst du«, erwidert Cibel. »Jetzt haben wir ein Problem. Wir hätten nicht mitmachen dürfen.«

»Wir können doch einfach unseren Mund halten.«

Cibel ist nicht ganz einverstanden. Sie möchte immer, dass man ganz offen und ehrlich ist.

»Wir sollten den Pakt lösen«, schlägt sie vor.

»Wir sollten ihn vergessen.« Das ist meine Idee.

Gemeinsam schieben wir unsere Räder vom Schulhof.

»Manchmal nervt mich diese Clique gewaltig«, gestehe ich Cibel, aber ich sehe ihr an, dass sie mir nicht so ganz glaubt.

»Ohne Clique wärst du allein – und ich auch«, sagt sie.

Leider hat sie recht. Unsere Klasse ist seit einiger Zeit in Cliquen aufgeteilt, und wer in keiner Gruppe ist, der kann sich gleich in eine andere Klasse versetzen lassen.

»Und Carla ist in der Clique«, fügt Cibel noch hinzu. »Deine beste Freundin.«

Wieder hat sie recht. Solange Carla in der Clique ist, bin ich es auch. Obwohl mir oft Carla alleine schon reichen würde. Aber nun sind wir eben zu fünft. Eigentlich ist Cibel echt nett, wenn auch nicht so lustig wie Carla.

Unsere Clique ist im Moment die coolste von allen. Denn Jenny ist die Einzige in der Klasse, die schon geküsst hat – zumindest erzählt sie das. Carla ist der Schwarm fast aller Jungs der achten und neunten Klassen, Lili kennt sich super mit Mode und Schminken aus, Cibel sieht toll aus, auch wenn sie das offenbar selbst nicht weiß. Ich bin auch noch dabei. Ich bin dieses etwas zu kleine Mädchen mit den faden, dünnen, hängenden, glatten braunen Haaren, der hellen, empfindlichen Haut und der großen Klappe.

»Alles weiß sie besser, immer hat sie eine Ausrede«, seufzt meine Mutter manchmal, wenn ich ihr widerspreche. Was sie wirklich von mir hält, habe ich mal mitgekriegt, als sie mit Carlas Mutter, Frau Ahrens, telefonierte: »Unsere Sarah ist ja körperlich noch nicht so entwickelt, aber ich bin ganz froh drum. Dann lässt der ganze Ärger mit den Jungs noch etwas auf sich warten.«

Körperlich noch nicht so entwickelt klingt so peinlich, dass ich es nicht einmal meiner besten Freundin Carla erzählen konnte. Ich habe es in mein Tagebuch geschrieben, damit ich es öfter nachlesen kann. Ich will mich immer daran erinnern, dass ich das meiner Mutter nie verzeihe.

Ich bin über Carla in die Clique gekommen. Jenny und Carla sind Nachbarskinder, sie sind fast zur gleichen Zeit geboren und ein halbes Jahr älter als Cibel, Lili und ich. Schon als Babys sind sie gemeinsam auf dem Teppich gekrabbelt, haben sich geschubst, kaum dass sie laufen konnten, sie sind auch zusammen eingeschult worden. In der ersten Klasse kam ich dazu und ein Jahr später Lili, weil ihre Eltern in unsere Stadt zogen. Auf einmal waren Jenny und Carla nicht mehr unzertrennlich. Jenny fand Lili netter und Carla setzte sich ab der dritten Klasse neben mich. Ich war stolz, ich fand Carla wirklich super. Jetzt war sie auch meine Freundin, nicht nur die von Jenny. Das war der Anfang unserer Clique. Cibel ist erst ziemlich spät dazugekommen, weil sie Lili Nachhilfeunterricht gibt und sich die beiden deshalb angefreundet haben. Aber oft habe ich das Gefühl, Cibel will gar nicht so ganz dazugehören. Sie ist dabei, aber sie gibt sich nicht wirklich Mühe, so zu sein wie wir.

Ich verabschiede mich von Cibel noch vor dem Schultor, dann drehe ich mich um und sehe, dass Jenny da steht.

»Hast du auf mich gewartet?«, frage ich völlig perplex.

Jenny nickt und spielt mit ihren langen blonden Haaren. Das tut sie immer, wenn sie etwas verlegen ist. »Begleitest du mich noch bis zur Bushaltestelle?«

Das kommt mir jetzt komisch vor. Jenny hat auf mich gewartet und will noch ein Stück mit mir gehen? Wir sind eigentlich nicht so eng. Denn wir sind ja beide Freundinnen von Carla, und manchmal bin ich eifersüchtig, wenn ich sehe, dass Carla und Jenny etwas alleine machen oder sogar noch zusammen mit Lili, und ich bin nicht dabei. Clique kann sehr kompliziert sein. Wer mit welcher Freundin etwas extra macht, wer wem was nicht erzählt hat – das kann für eine Menge Ärger sorgen. Könnte sein, dass das jetzt viel einfacher wird, wenn wir uns alles erzählen. Keine Geheimnisse! Vielleicht hat unser neuer Schwur doch Vorteile.

»Schade, dass unser Cliquenabend diese Woche ausfällt, weil Cibel und Carla schon im Urlaub sind«, sagt Jenny dann.

Daran hatte ich gar nicht gedacht. Wir treffen uns jeden Freitag bei einer von uns, quatschen, essen, sehen fern, hören Musik. Dann übernachten wir alle dort. Wenn wir überhaupt vor lauter Erzählen zum Schlafen kommen. Am nächsten Tag gibt’s Frühstück und oft gehen wir anschließend miteinander in die Stadt zum Shoppen. Manchmal probieren wir ewig Klamotten an und gehen noch ins Kino. Meine Mutter ist dann ziemlich sauer. Sie sagt, da hat man endlich mal einen Tag Zeit für die Familie und dann sind die Kinder weg. Mein Bruder Marc hat auch nicht immer Lust auf Daheimbleiben, schon gar nicht auf Einkaufen oder Zimmer aufräumen, was am Samstag so ansteht. Und ich treibe mich jetzt auch schon ständig rum, sagt Mama. Als ob es nicht reicht, wenn wir am Sonntag auf Familie machen. Der Samstag gehört mir und meinen Freundinnen.

»Wir können uns doch auch ohne Cibel und Carla treffen«, schlage ich vor.

»Wir wollten dieses Mal bei Carla übernachten«, erinnert mich Jenny. »Wenn die aber gleich am ersten Ferientag zu ihrer Brieffreundin nach England fliegt…«

»Wir können uns auch bei mir treffen.«

»Super, bei dir ist es immer besonders toll«, freut sich Jenny und ich wundere mich ein bisschen, dass Jenny gerne zu mir kommt. Denn manchmal denke ich, meine Freundinnen langweilen sich bei mir. Meine Eltern können ganz schön streng sein, und wenn wir um Mitternacht noch quatschen, dann kann es passieren, dass meine Mutter hereinkommt und uns bittet, das Licht auszumachen und zu schlafen. Ist doch peinlich, schließlich sind wir alle schon dreizehn, Jenny und Carla sogar fast vierzehn. Noch schlimmer aber ist es, wenn Marc meinen Freundinnen die Tür öffnet, dann die Augen verdreht und die Treppe hinaufruft: »Sarahlein, die anderen Zicken sind da!« Dann lässt er meine Freundinnen vor der Tür stehen und geht einfach weg.

Als hätte sie geahnt, was ich denke, fängt Jenny plötzlich an, von meinem Bruder zu sprechen, und reißt mich aus meinen Gedanken.

»Gestern war ich beim Handballspiel unserer Schulmannschaft«, erzählt sie.

Ich sehe sie verwundert an. Ich habe nicht gewusst, dass sich Jenny für Sport interessiert.

»Warum bist du nicht zum Anfeuern gekommen?«, fragt Jenny. »Schließlich hat Marc doch auch mitgespielt.«

Jetzt werde ich allmählich skeptisch. Warum redet Jenny von diesem Angeber, den das Schicksal zufällig zu meinem Bruder gemacht hat?

»Bevor ich Marc zujuble, lege ich lieber ein Schweigegelübde ab«, sage ich.

Jenny lacht, aber es klingt irgendwie gekünstelt. »Aber es sind doch noch andere Jungs in der Mannschaft und manche von ihnen sind echt nett.«

Endlich habe ich es auch kapiert! Jenny interessiert sich nicht für Sport, sondern für Jungs!

»Nach dem Spiel sind Sam, Marc und Paul gemeinsam weggegangen«, erzählt Jenny weiter.

Ich seufze genervt auf. »Ich weiß, denn ich habe gehört, wie sie zu uns gekommen sind. Die drei haben oben bei Marc ein neues Computerspiel installiert und dabei einen Höllenlärm gemacht.«