Snowflakes & Kisses - Ewa Aukett - E-Book
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Ewa Aukett

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Beschreibung

Sinnlose Dating-Apps und Katastrophen-Rendezvous in der Weihnachtszeit? Sicher nicht! Ruhe und Abgeschiedenheit – das ist es, was Sky braucht. Keine nervige Familie, die sie an Weihnachten damit aufzieht, dass sie mit fast dreißig immer noch Single ist. Zum Glück bietet ihre Freundin Mia die perfekte Flucht: eine einsame Blockhütte in den Bergen.  Sky freut sich auf nichts mehr als auf einen entspannten Urlaub. Doch ausgerechnet dann, wenn sie aufhört, nach ihm zu suchen, platzt Mr. Right mitten in der Nacht in ihre Erholungsoase und plündert ihre Vorräte. Mias Bruder Caleb ist aber nicht nur dreist, sondern verdammt nochmal auch voll ihr Typ. Die Anziehung zwischen ihnen ist enorm, und trotz der Schneemassen wird es ganz schön heiß in der einsamen Hütte.  Schnell wird mehr aus dem Urlaubsflirt, und Sky kann ihr Glück kaum fassen. Das mit ihnen könnte geradezu perfekt sein – würde Caleb nicht ein Geheimnis hüten, das alles zu zerstören droht … Der neue Winterliebesroman von Topautorin Ewa Aukett - so heiß, dass einem sogar bei Minusgraden warm wird, und so gefühlvoll, dass es jedes Leser:innen-Herz zum Schmelzen bringt!

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Snowflakes and Kisses

Ewa Aukett

1

Sky

»Wie war dein Date?«

Mias Stimme erklingt aus der kleinen Teeküche neben unserem Büro. Ich lasse die Handtasche auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch fallen und streife mir im Gehen die Jacke von den Schultern, um sie an der Garderobe bei der Tür aufzuhängen. Dann trete ich in den winzigen, fensterlosen Raum. Ich rolle mit den Augen, als sie mir von der Kaffeemaschine aus entgegenschaut.

»Ums kurz zu machen: Furchtbar!«

Meine Kollegin verzieht mitfühlend das Gesicht, ehe sie drei Stücke Zucker in meinem bereitstehenden Latte Macchiato versenkt und mir das Glas reicht.

»Du bist die Beste.« Ich seufze, greife mit dankbarem Nicken danach und nehme einen großen Schluck heißer, süßer Sämigkeit, ehe ich mich innerlich gegen die Fragen wappne, die unweigerlich kommen werden.

»Was ist passiert?«, will sie auch direkt wissen.

»Na ja.« Ich hebe die Schultern und ziehe eine Grimasse. »Er war nicht der Typ auf den Fotos.«

Sie reißt die Augen auf. »Ernsthaft? Ein Catfish?«

»So was in der Art.«

»Was hatte er zu seiner Verteidigung zu sagen?«

Ich nehme einen weiteren Schluck und spüre, wie der Ärger vom Vorabend wieder in mir hochwallt. »Er hat behauptet, das wären alte Fotos … Früher hätte er genau SO ausgeschaut.«

Mia schüttelt irritiert den Kopf. »Früher?«

»Er war mindestens Ende fünfzig«, erkläre ich. Ihre Augen werden groß. »Und das waren ganz sicher NICHT seine Fotos!«

»Ach du Scheiße!«

»Genau das habe ich auch gedacht.« Ich stelle das Glas ab, greife in den Schrank über uns und hole die Schachtel mit den Keksen hervor, die normalerweise zu den Meetings gereicht werden. Es ist eigentlich verboten, dass wir uns daran bedienen. Doch wenn ich gefrustet bin, brauche ich Süßkram. Mein Boss wird mich wegen ein paar Keksen schon nicht rauswerfen. Ich stopfe mir zwei in den Mund, ehe ich weiterspreche. »Weifft du, daf wäre allef noch egal gewefen … Ich hätte drüber hinwegsehen können, dass er deutlich älter ist und viel weniger Haare als erwartet auf dem Kopf hat, aber er war halt auch so gar nicht wie in seinen Mails.« Ich schiebe mir noch einen Keks zwischen die Zähne. »Nach dem Kaffee hat er dann fugegeben, daff der Fohn feinef Nachbarn die immer gefrieben und er ihn dafür befahlt hat.«

Mias Augen werden groß und rund. »Nicht dein Ernst?!«

»Leider doch.« Wieder landen zwei Kekse in meinem Mund.

»Sag mir bitte, dass du ihm keine Nacktfotos von dir geschickt hast?!«

Ich verschlucke mich, fange an zu husten und hebe abwehrend eine Hand. Mia schlägt mir ein paarmal zwischen die Schultern, ehe sie auf meinen Latte Macchiato deutet. »Spül erst mal nach, bevor du noch an den staubigen Dingern erstickst.«

Ich nehme einen großen Schluck und lehne mich dann wieder gegen die Anrichte, um ihre nur halb belustige und doch eher besorgte Frage zu beantworten. »Bist du verrückt? Ich schick doch niemandem Nacktfotos, den ich nur aus dem Internet kenne. Es gibt nur die Bilder in meinem Profil, und da bin ich vollständig bekleidet.« Angewidert schüttle ich mich. »Eyh, ich würde nicht mal einem Typ solche Fotos schicken, mit dem ich was laufen habe … Du weißt nie, was die Leute damit machen, wenn das in die Brüche geht.«

»Ach, Gott sei Dank!« Sie seufzt erleichtert. »Ich hatte schon Freundinnen, die deshalb richtig Theater hatten. Manche Kerle wissen einen wirklich um den Finger zu wickeln … Was macht man nicht alles, wenn man verliebt ist.«

»Ich war zu keinem Zeitpunkt in ihn verliebt.« Ich hebe abwehrend eine Hand, mein Kopf fliegt hastig von links nach rechts. »Ich hatte nur Interesse, weil er nett zu sein schien … und witzig. Ein Wunder, dass er überhaupt eingewilligt hat, als ich so rasch auf ein persönliches Treffen gedrängt habe.«

»Na ja, du musst das so sehen, viele versuchen ja auch erst mal in Kontakt zu kommen. Das passiert vermutlich mit dem Foto von einem gutaussehenden Typ in der Altersklasse, die man daten möchte, am besten.« Sie zieht eine Schulter hoch und mustert mich mit schelmischem Grinsen. »Es hätte ja klappen können, wenn er wenigstens noch die Mails selbst geschrieben hätte – man kann bei einem Mann über äußerliche Missgeschicke der Natur hinwegsehen, wenn sie einen zum Lachen bringen.«

Ich kichere leise. »Du sagst es.«

»Und sie sind perfekt, wenn sie dich auch noch zum Orgasmus bringen.«

»Mia!« Ich versichere mich, dass unser Boss nicht irgendwo steht und lauscht, ehe ich mich mit dem Glas in der Hand zu meinem Schreibtisch begebe. Mia folgt mir und nimmt ihren Platz mir gegenüber ein.

»Ich hab doch recht«, beharrt sie mit gedämpfter Stimme. »Find mal einen Typ, der nicht nur sein eigenes Vergnügen im Kopf hat!«

»Du hast ja recht. Aber ich find nicht mal einen, der auch nur ansatzweise in Frage käme.«

»Das wird noch«, erwidert sie mit deutlich mehr Zuversicht in der Stimme, als ich nachvollziehen kann.

»Ehrlich gesagt habe ich im Augenblick die Nase voll von den Kerlen. Die Dates, die ich dank Tinder und Co. hatte, waren allesamt Reinfälle.«

»Diese Apps sind auch nicht das Richtige … Vielleicht solltest du zu einer professionellen Partneragentur gehen.«

»Vergiss es!« Ich winke ab. »Außerdem liegt’s sicher weniger am Equipment als an den Typen, die sich auf diesem Planeten rumtreiben und zu neunzig Prozent nur auf der Suche nach einer unverbindlichen Nummer in einem schäbigen Hotelzimmer sind.«

»Dann müssen wir jemanden für dich finden, der mehr als nur die schnelle Nummer will.«

»Wäre schön, aber in diesem Leben bleibt das wohl eher ein Wunschtraum.«

»Ach was, du suchst nur an den falschen Stellen.« Mia nickt bedächtig. »Wir müssen das unbedingt ändern.« Sie deutet auf mich und dann auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Denk dran, die Zeit arbeitet gegen dich … tick-tack, tick-tack!«

Ich rolle mit den Augen, weil sie damit mal wieder auf meinen dreißigsten Geburtstag im nächsten Jahr anspielt. »Du bist so einfühlsam wie immer, Honey.«

Meine Lieblingskollegin lässt ein leises, boshaftes Lachen hören und wendet sich ihrem Computerbildschirm zu. Als sich zwei Sekunden später die Tür zum Hauptkorridor öffnet und unser Boss das Vorzimmer betritt, begrüßen wir ihn artig im Chor und vertagen unsere privaten Gespräche in stillschweigendem Einvernehmen auf die Mittagspause.

Zur Mittagszeit hat sich das Maß meiner guten Laune auf einer Skala von eins bis zehn hinab bis auf eine minus Fünfzig bewegt. Nachdem unser Boss die angefutterte Keksschachtel in der Teeküche entdeckt hat, hat er uns eine Moralpredigt über den Verzehr von Firmeneigentum im Allgemeinen und SEINER Kekse im Besonderen gehalten. Ich habe mein Vergehen zugegeben und mich fünfmal entschuldigt, fünf Mal! Als er immer noch nicht aufgehört hat mit seinem Genörgel, dachte ich bei mir, dass er sich seine Kekse nächstes Mal am besten da einführen soll, wo kein Licht hinscheint … tja, na ja, er ist mein Boss … und das Blöde ist, dass ich – wenn ich aufgebracht bin – diese wirklich überflüssige Angewohnheit habe, manchmal Dinge laut auszusprechen, die ich eigentlich nur in meinen Gedanken formuliert habe.

Nach dem Donnerwetter, das darauf folgte, habe ich weder geredet noch mein Gehirn benutzt, um irgendwelche Sätze zu konstruieren. Ich kann froh sein, dass er mich nicht direkt rausgeworfen oder zum Personal Controller geschleppt hat … und es kotzt mich so an, jemandem irgendwas schuldig zu sein, den ich nicht mag.

Ich meine, wir haben nach über drei Jahren Zusammenarbeit wirklich nicht das allerbeste Verhältnis zueinander, die Stimmung ist immer leicht angespannt, wenn wir gemeinsam in einem Raum sind. Was auch daran liegt, dass er ein alter Schulfreund von meinem Dad ist und ich den Job hier im Grunde nur deshalb bekommen habe. Ich würde kündigen, aber ich muss meine Miete bezahlen, und wenn man lediglich eine Bürokraft ohne besondere Kenntnisse in Buchhaltung oder Personalwesen ist und noch dazu keine fünf Fremdsprachen spricht, dann ist man nur eine von vielen. Einen neuen Job zu finden, der gut genug bezahlt wird, dass ich nicht wieder nach Hause zu meinen Eltern ziehen muss, ist in Salt Lake City schwer – jedenfalls wenn man über meine bescheidene Qualifikation verfügt.

Ich bin nicht dumm, wirklich nicht, aber ich … ich war ziemlich faul in der Schule und hatte anderes Zeug im Kopf. Wenn meine Eltern sich nicht so vehement dagegen gewehrt hätten, wäre ich gern Sängerin geworden. Ich liebe Musik, und meine Stimme klingt gar nicht so übel, jedenfalls unter der Dusche. Stattdessen habe ich angefangen, nach der Schule bei Dad im Büro zu arbeiten, meine Träume zu begraben und mich vor dem zu ekeln, was wir verkauft haben. Kam super an bei Dad … nicht! Mein Entschluss, mich vegetarisch zu ernähren, führte in einem Haus voller Fleischesser und Schweinezüchter zu entsprechenden Spannungen, also habe ich mich entschlossen in die Welt hinauszuziehen, bin in Salt Lake City gelandet und dank Dads Fürsprache in einer Investmentfirma untergekommen, in der ein alter Schulkollege von ihm jemanden suchte, der seine gähnend langweiligen Briefe und endlose Zahlenkolonnen in den Computer tippt.

Ich darf nicht dran denken, was mir blüht, wenn ich Ende der Woche nach Hause fahre, um die Weihnachtszeit mit meiner Familie zu verbringen. Hundertpro verpetzt mein Boss mich bei Dad, und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kann ich mir dann wieder anhören, dass mit mir irgendwas nicht stimmt, weil ich mit neunundzwanzig immer noch Single bin. Ehrlich gesagt habe ich ja gehofft, das Date von gestern wäre meine Chance, wenigstens in diese Problematik endlich ein bisschen Ruhe zu bekommen, aber dahingehend hat das Glück mich leider verlassen.

Während ich Mia in den Speisesaal folge, rutscht der Rest meiner nicht mal mehr nennenswert guten Laune endgültig in den tiefsten Kellerschacht. Das kulinarische Angebot der chronisch unterbesetzten Firmenkantine beschränkt sich zum dritten Mal in dieser Woche auf matschige Burger mit zu gleichförmigen Talern geformten, undefinierbaren Fleischresten sowie fettigen Pommes und als Alternative Mac and Cheese mit einem traurigen grünen Salat in geschmackloser Joghurtsoße. Ich möchte einmal erleben, dass man hier ein leckeres vegetarisches Gericht bekommt. Popeliges Ofengemüse wäre so leicht und günstig herzustellen, aber das Essen in dieser Firma ist seit dem Weggang des Küchenchefs im letzten Jahr noch schlimmer als der Mundgeruch des Personalleiters. Nichtsdestotrotz greife ich zu Nudeln mit Käsesoße samt labberigem Kopfsalat, denn wenn ich Kohldampf schiebe, wird meine Laune noch schlechter, und viel Spielraum ist da ohnehin nicht mehr.

Als ich mitsamt dem Tablett unseren Platz am Fenster erreiche, seufze ich erleichtert auf. Ich will mich hinsetzen, meinen Hunger befriedigen und die letzten drei Stunden dieses Tages irgendwie ohne weitere verbale Entgleisungen hinter mich bringen. Im gleichen Moment fällt mir auf, dass mein Getränk an der Kasse stehen geblieben ist. Genervt lasse ich das Kinn auf die Brust sinken. Dieser Mittwoch könnte problemlos als Montag durchgehen. Mia kommt, macht es sich mir gegenüber gemütlich und schiebt mir meinen Softdrink über den Tisch.

Ich werfe ihr einen dankbaren Blick zu. »Wenn ich dich nicht hätte.«

Sie lächelt und zwinkert mir zu. Dann wird sie unvermittelt ernst. »Ich weiß, du hast schlechte Laune, aber lass dich nicht von ihm provozieren.«

Der Hauch von Ablenkung ist so schnell weg, wie er gekommen ist. »Müssen wir über ihn reden?«

»Nein, wir können auch über die Weihnachtsferien reden und was dich bei deiner Familie erwartet.«

Ich verziehe das Gesicht. »Habe ich schon wieder laut gedacht?«

»Nur gemurmelt«, erwidert sie. »Aber ich kenn dich lang genug, um dein Genuschel zu identifizieren. Willst du dir das echt antun?«

Ich stochere in meinen Nudeln herum und schiebe mir eine käseverklebte Makkaroni in den Mund. Glutamat und Konservierungsstoffen sei Dank, schmecken sie nicht annähernd so schlecht wie erwartet. »Ehrlich gesagt habe ich schon überlegt, mich kurzfristig krankzumelden und so zu tun, als würde ich mit einem Magen-Darm-Virus daheim im Bett liegen. Aber bei meinem Glück kommt Mom dann persönlich vorbei und schleppt die halbe Familie zu mir. Das wäre das Äquivalent zum Worst-Case-Szenario, weil sie dann auch noch an jedem Winkel meines Appartements herumnörgeln müssen.«

Mia nickt still und stochert nachdenklich in ihren Makkaroni herum. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Sie hat etwas auf dem Herzen, aber weiß noch nicht, wie sie es möglichst diplomatisch formulieren soll.

»Spuck’s schon aus«, fordere ich sie auf und schaufle die Nudeln weiter in mich rein.

Sie neigt den Kopf zur Seite. »Wieso gehst du diesem alljährlichen Stress nicht aus dem Weg und verbringst deine Ferien in einer einsamen Hütte in den Bergen?«

Ich gebe ein Schnaufen von mir. »Verlockende Idee«, erwidere ich kauend und stütze das Kinn auf einer Hand ab. »Meine Familie dreht ganz sicher durch, wenn ich sage, dass ich Weihnachten einfach nicht komme.«

Ein schiefes Lächeln spielt um ihre Lippen. »Dann behaupte doch, du hättest jemanden kennengelernt, und ihr wollt die Feiertage nutzen, um euch näherzukommen.« Sie zuckt mit den Achseln, als ich ihr einen überraschten Blick zuwerfe. »Na ja, sie liegen dir doch ständig in den Ohren deshalb … und wenn die Feiertage vorbei sind, sagst du einfach, es hätte nicht gepasst.«

Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. »Du bist ganz schön durchtrieben.«

»Ich will dir nur helfen … Wenn du nicht willst, dann lass es.«

»Oh nein, nein, ich würde schon wollen«, gebe ich zurück. »Aber denk mal nach, es sind weniger als zwei Wochen bis Weihnachten – ich werde nie im Leben jetzt noch irgendwo eine einsame Berghütte buchen können. Die Ausrede könnte ich natürlich trotzdem nutzen und mich daheim vergraben. Ich muss nur dran denken, das Telefon rauszuziehen, meine Klingel auszustellen und alle Fenster zuzukleben.«

»Traust du deiner Familie wirklich zu, dass sie dich besuchen, um dich zu kontrollieren?«

»Das nicht, aber meine Mom hat viele Freunde und Bekannte. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie jemanden aus der näheren Umgebung bittet, bei mir vorbeizuschauen. Und sei es nur, um zu prüfen, ob bei mir abends Licht brennt.«

Sie schüttelt kichernd den Kopf. »Deine Familie ist wirklich verrückt.«

»Du hast keine Ahnung wie sehr.« Ich rolle mit den Augen.

Mia schiebt sich eine Gabel Makkaroni in den Mund, und wir essen weiter. Zwischen zwei Bissen macht sie eine undeutliche Handbewegung in meine Richtung. »Dann nimm unsere Blockhütte.«

»Was?«

»Meine Familie hat ein Häuschen in den Rocky Mountains.«

»Ich weiß, aber ihr macht doch dort jedes Jahr Urlaub«, werfe ich ein.

»Dieses Jahr nicht«, entgegnet Mia. »Mein Bruder will seiner langjährigen Dauerfreundin endlich einen Antrag machen. Wir haben eine Überraschungsfeier zur Verlobung mit allem Pipapo an Weihnachten geplant. Deshalb bleiben wir in Denver, die Hütte steht also leer. Du musst dir nur Verpflegung mitnehmen, ansonsten hast du dort so ziemlich alles, was du brauchst.«

Ich starre sie eine Sekunde lang irritiert an. Das wäre nicht nur meine Rettung, sondern auch die heißersehnte Ruhe, die ich nach einem ziemlich stressigen Jahr gut brauchen könnte. »Ist das dein Ernst?«

»Na klar!«

Ihr ehrlicher Blick und ihr Lächeln geben mir den letzten Anstoß. Erleichterung durchflutet mich. Ich reiche ihr über den Tisch hinweg die Hand. »Einverstanden!«

Mia lacht und greift nach meinen Fingern. »Herzlichen Glückwunsch, Miss Robinson, du wirst dich aber vielleicht ein bisschen fühlen, als wärest du auf einer einsamen Insel gestrandet.«

»Dann werde ich den besten Urlaub meines Lebens haben!«

2

Sky

Verwirrt schlage ich die Augen auf. Es ist stockdunkel, und nicht mal der Mond erhellt das Zimmer. Keine Ahnung, was mich geweckt hat, aber als ich mich zum Nachtschrank vorarbeite und mein Handy zu mir ziehe, zeigt es mir nach kurzem Tastendruck, dass es halb zwei Uhr nachts ist. Ich schiebe das Smartphone zurück auf seinen Platz, drehe den Kopf zur Seite und weiß in der nächsten Sekunde, warum ich wach bin. Meine Blase drückt.

Leise stöhne ich in das Kissen. Ich will nicht aufstehen. Ich liege in perfekter Position, mit weit von mir gestreckten Gliedmaßen im Bett und will mich nicht bewegen. Ich seufze. Ein paar Minuten noch. Ich habe selten so gut geschlafen wie in den letzten zwei Nächten, seit ich in Parkers Heart Lodge angekommen bin. Vermutlich liegt’s an den langen Spaziergängen, die ich hier unternehme, und der vielen frischen Luft, die ich dadurch abbekomme. Abends falle ich immer wie tot ins Bett und schlafe meistens bis zum nächsten Morgen durch. Jedenfalls solange ich nicht dringend pinkeln muss. Genervt rolle ich mich auf die Seite, richte mich auf und schlurfe mit halbgeschlossenen Lidern ins Bad, um mich zu erleichtern.

Während ich auf der Toilette sitze, umspielt ein Lächeln meine Lippen, wenn ich daran denke, dass ich vor zwei Tagen noch fürchtete, ich hätte mich in der Adresse vertan, weil ich eine kleine Holzhütte in der Einsamkeit der Rocky Mountains erwartet habe und stattdessen plötzlich vor einer zweistöckigen Blockhaus-Villa stand. Ich habe keine Ahnung, ob Mias Familie tatsächlich so vermögend ist, wie diese Unterkunft es vermuten lässt, oder ob sie einfach nur ganz viel Geld und Liebe in dieses Zuhause gesteckt haben, um einen besonderen Ort daraus zu machen, an dem sie ihrem Alltag entfliehen können. In jedem Fall ist dieses Haus in der Wildnis Colorados wirklich eine Reise wert, und ich bin so froh, Mias Angebot angenommen zu haben.

Nachdem ich mir die Hände gewaschen habe, krabble ich zurück in mein Bett und kuschle mich schläfrig in die weichen Kissen. In den vergangenen Tagen habe ich es wirklich genossen, hier meine Ruhe zu haben. Mein Smartphone hat gerade keinerlei Funktion, außer als überteuerter Wecker zu dienen, weil es hier weder Handy-Empfang noch Internet gibt. Der Vorteil ist, dass meine aufdringliche Familie mich nicht nerven und mit Fragen löchern kann. Es ist ein schöner Gedanke, die Feiertage entspannt erleben zu können, ohne mir Vorträge darüber anhören zu müssen, wie unfähig ich bin, meinen vermeintlichen Traummann zu finden. Als ob das alles im Leben wäre und es nichts Wichtigeres gibt. Nicht, dass ich mir nicht irgendwann jemanden an meiner Seite wünsche, mit dem ich mein Leben verbringen kann, aber ich will mein Glück auch nicht davon abhängig machen, ob ich den passenden Partner finde, nur um nicht allein zu sein. Die Dates der jüngsten Vergangenheit haben mir deutlich gezeigt, dass ich momentan kein glückliches Händchen für einen möglichen Kandidaten habe, und ehrlich gesagt will ich im Moment einfach nur in Ruhe mein Leben genießen. Mit einem Gähnen drücke ich mein Gesicht in das Kissen. Eigentlich will ich mir jetzt gar nicht den Kopf darüber zerbrechen. Ich habe Urlaub. Ich will nicht grübeln, wieso ich dermaßen beziehungsunfähig bin, wie meine Familie mir das mit schöner Regelmäßigkeit vorwirft. Vielleicht sollte ich erst mal daran arbeiten, mich selbst gernzuhaben, bevor ich mir irgendeinen schrägen Typen angle.

Fast bin ich schon wieder weggeschlummert, als ich ein zweites Mal hochschrecke. Blinzelnd versuche ich auszumachen, woher das mehrfache Poltern tönt. Dann wird mir klar, es kommt aus der unteren Etage. Der Zustand entspannter Schläfrigkeit fällt in dem Moment von mir ab, als ich eine Tür zuschlagen höre. Ich stemme mich hoch. Das war ganz eindeutig im Haus. Was zur Hölle geht hier vor?

Haben die Parkers sich doch noch entschieden herzukommen? Aber dann hätte Mia sich gewiss über das Funktelefon angemeldet, das unten im Arbeitszimmer für Notfälle bereitsteht.

Beunruhigt klettere ich erneut aus dem Bett. Unter der Tür zum Flur kann ich einen schmalen Lichtstreifen erkennen. War der eben schon da? Ich fahre mir mit einer Hand über das Gesicht. Ein Einbrecher würde doch niemals alle Lampen einschalten, oder? Mal ganz davon zu schweigen, dass die lange Anfahrt bestimmt dagegensprechen würde, hier einen Einstieg zu planen … ODER? Ich meine, das Haus hat ja nicht mal eine Alarmanlage, und auch wenn es hier sehr schön ist, ist der Fernseher im Wohnzimmer sicher nicht das neueste Modell.

Lautlos schleiche ich in den leeren Korridor hinaus, der zu der schmalen Galerie führt, die mir einen Blick in die hell erleuchtete untere Etage und den offenen Wohnbereich gewährt. Natürlich sehe ich niemanden. Allerdings höre ich deutlich, dass irgendwer in der Küche beschäftigt ist, in den Besteckschubladen herumwühlt, den Kühlschrank öffnet und wieder schließt und irgendwelche Tüten knistern lässt. Ich runzle die Stirn, recke mich ein bisschen und versuche einen Blick in den Durchgang zur Küche zu werfen. Allerdings müsste ich mich schon von der Decke abseilen, um irgendwas sehen zu können. Was zur Hölle treibt derjenige da? Schmiert er sich ein Sandwich? Gott! Ich wünschte, ich würde mich trauen einfach zu fragen, und vermutlich stellt sich raus, es ist Mia, aber irgendwie sind die Schritte zu schwer. Mir pocht das Herz bis zum Hals. Dabei ist es völlig egal, was er oder sie da treibt, denn wenn ich das Ganze rational betrachte, wird sicher kein Einbrecher sich erst eine Mahlzeit zubereiten, wenn er irgendwo einsteigt.

Ich mache einen Schritt zurück und hole tief Luft. Trotz allem gibt es keine Garantie dafür, dass derjenige ungefährlich ist. Missmutig schaue ich mich nach irgendwas um, womit ich mich im Zweifelsfall wenigstens verteidigen kann. Doch alles, was hier im Flur herumsteht, ist eine alte Golfausrüstung, die ihre besten Tage längst hinter sich hat. Ich zucke mit den Schultern, schnappe mir das Eisen mit dem dicksten Schlagkopf und halte den Griff fest zwischen beiden Händen, ehe ich mich langsam in Bewegung setze und vorsichtig, Stufe für Stufe, die Treppe hinuntersteige. Zwischen Haustür, Sofalandschaft und Kamin ist niemand zu entdecken, und die einzelne große Reisetasche, die neben der Garderobe steht, sieht nicht danach aus, als wäre hier eine ganze Familie eingefallen.

Ich kann hören, wie jemand in der Küche Wasser laufen lässt. Meine Finger umschließen den Griff noch fester, und ich bemühe mich, den plötzlichen Frosch in meinem Hals zu ignorieren, und unterdrücke ein Räuspern. Auf Zehenspitzen husche ich zur anderen Wand hinüber und daran entlang Richtung Durchgang. Dann linse ich vorsichtig um die Ecke. An der großen Spüle steht ein breitschultriger Mann. Er befüllt den Wasserkocher. Wirklich, es ist unlogisch – kein Einbrecher würde sich erst noch einen Tee aufgießen, um anschließend einen Bruch zu begehen … denke ich! Es ist also ziemlich sicher, dass dieser Jemand hier nicht angereist ist, um irgendwelche Vasen zu klauen.

Ich begutachte seine Silhouette und versuche mir möglichst viele Details zu merken. Er hat volles, dunkles Haar, im Nacken auf wenige Millimeter gekürzt, oben etwas länger und ziemlich zerzaust, als wäre er ständig mit den Fingern hindurchgefahren. Zu abgewetzten Jeans trägt er ein schwarzes T-Shirt, und nicht nur unter dem Stoff zeichnet sich die ziemlich perfekte Linie seiner ausgeprägten Rückenmuskulatur ab. Genauso perfekt schauen auch die Schultern und seine nackten, männlich behaarten Arme aus. Mir wird plötzlich warm. Ich weiche eine Winzigkeit zurück und lasse hektisch meinen Blick durch den Wohnraum streifen. Sonst kann ich niemanden sehen. Ich stehe also im Zweifelsfall nur einem einzelnen Gegner gegenüber – einem, der eine Reisetasche dabeihat. Darin werden sicher nur Klamotten sein, nicht wahr? Kein Equipment, um irgendeinen versteckten Safe zu knacken, von dem ich keine Ahnung habe? Gibt es hier eigentlich einen Panikraum? Ich schließe für eine Sekunde die Augen und versuche mich zu sammeln. Ich sollte definitiv weniger Krimis schauen – im Grunde kann das nur irgendwer von Mias Familie sein oder ein Bekannter. Die Haustür war ganz offensichtlich nicht aufgebrochen, also hat er sicher einen Schlüssel dabei, und es gibt für alles eine völlig logische Erklärung.

Tief einatmend mache ich einen Schritt in den Durchgang und erstarre. Der Fremde hat sich umgedreht und gerade nach dem Messer auf der Kücheninsel gegriffen, um offenbar den Toast zu beschmieren, der vor ihm auf der Arbeitsplatte liegt. Instinktiv packe ich den Golfschläger noch fester. Ich kann spüren, wie eine Ader an meinem Hals pocht und mir heiß wird. Das ist die Aufregung, nur die Aufregung. Das hat nichts damit zu tun, dass mir gerade ein unfassbar gutaussehender Mann gegenübersteht, der mich verblüfft anglotzt, als wäre ein Geist vor ihm aufgetaucht. Ich bin wie hypnotisiert von der kantigen Linie seines Kinns, den sinnlich geschwungenen Lippen und diesem Blick, der mich hineinsaugt in das nebelige Grau seiner Iris.

»Wer zur Hölle bist du?« Er ist der Erste, der seine Sprache wiederfindet.

Seine Augen tasten über meine Gestalt, und mir wird gerade mit erschreckender Klarheit bewusst, dass ich lediglich ein paar sehr, seeehr kurze Boxershorts und ein dünnes, löchriges T-Shirt mit Hello-Kitty-Aufdruck trage – und darunter nichts. Ich fühle mich, als würde jemand direkt neben mir den Temperaturregler hin und her bewegen. Mir wird abwechselnd heiß und kalt, heiß und kalt.

»Wer bist du?«, will ich wissen. Meine Stimme klingt in meinen eigenen Ohren fremd, viel zu hoch und mit einem Hauch von Hysterie behaftet. Der Fremde lässt das Messer sinken. Seine linke Augenbraue zuckt nach oben.

»Caleb. Caleb Parker. Das hier ist zufälligerweise mein Haus … und dich habe ich hier noch nie gesehen!«

Ein Parker. Er ist zu jung und zu heiß, um ihr Dad zu sein, also bleibt nur … »Du bist Mias Bruder!«

Ich starre ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Scheiße! Wieso hat sie den die ganze Zeit vor mir versteckt?

Er runzelt die Stirn und nickt langsam.

»Ja. Wo ist Mia?«, will er wissen.

»In … Denver«, stammle ich drauflos. »Sie hat gesagt, ihr feiert im Kreis der Familie … Weihnachten meine ich und –«

»Ihr Auto steht vor dem Haus«, unterbricht er mich mit schmalen Augen.

»Oh, äh, ja …« Ich flüchte mich in ein verlegenes Auflachen und lasse endlich den scheiß Schläger sinken. »Sie hat es mir geliehen, damit ich herfahren konnte.«

Er nickt abermals, mustert mich erneut auf diese provokant langsame und gleichzeitig fast schon intime Weise, die irgendeinen imaginären Ofen in mir anheizt. In meinem Bauch sammelt sich ein wohliges Feuer, das nicht unbedingt dezent vor sich hinflackert. Scheiße! Ich fühl mich zum ersten Mal in meinem Leben geradezu berauscht durch die Anwesenheit eines Mannes, als wäre ich auf Drogen. So bin ich sonst echt nicht. Ich presse die Lippen aufeinander und versuche zu ignorieren, dass mein erneutes Luftholen seinen Blick auf meine Brüste lenkt. Das ist schon fast unverschämt, wie er glotzt – und Nein! Nein, nein! Ich fühle mich ganz sicher NICHT sexuell hingezogen zu jemandem, den ich gar nicht kenne. Er runzelt die Stirn und scheint sich insgeheim über mich zu amüsieren. Mir wird warm. Habe ich schon wieder laut gedacht?

»Bist du eine Freundin von Mia?«

Er bestreicht seinen Toast mit Erdnussbutter, gibt Marmelade darauf und beißt genüsslich hinein. Ich will ihm sagen, dass das mein Brot, meine Marmelade und – verdammt nochmal – meine Lieblingserdnussbutter ist, aber ich kann nicht. Ich bin zu abgelenkt von der Art und Weise, wie er in das Sandwich beißt und sich die Lippen ableckt. Scheiße! Ich würde diesen Mund jetzt echt gern küssen. Er grinst. Blinzelnd wende ich meine Augen von ihm und bewege mich Richtung Kücheninsel.

»Wir sind Kolleginnen«, erkläre ich schließlich und bleibe vor der breiten Arbeitsplatte stehen. Ich hebe den Kopf. Aus der Nähe sieht er noch besser aus. Meine Güte! Ich hatte ja keine Ahnung, dass Mias Bruder so attraktiv ist. Caleb ist ein wirklich schöner Name, passend für ihn. Meine Neugier ist allerdings noch nicht gestillt. Was tut er hier? Wollte er sich nicht zu Weihnachten verloben? Mich auf dem Golfschläger abstützend, flüchte ich mich in ein süffisantes Lächeln. »Mia hat mir angeboten, dass ich die Feiertage hier verbringen darf, weil ihr dieses Mal eigentlich nicht geplant hattet herzukommen.«

Er schluckt hörbar. Dann greift er nach einem Glas Wein – auch meiner, wie ich gerade feststelle. Ich bin dezent irritiert, dass er sich so selbstverständlich an meinem Zeug bedient.

»Ich habe mich spontan umentschieden«, entgegnet er.

Muss dieser Typ ausschauen, als wäre er irgendeinem Sports-Magazine entstiegen? Ich nicke, wiege mich auf dem Schläger hin und her und versuche nicht zu neugierig zu wirken. Sein ganzes Auftreten lässt nur den Schluss zu, dass er zu diesen muskelbepackten Kerlen gehört, die eine genauso durchtrainierte Freundin daheim haben und an jemandem wie mir ganz sicher nicht interessiert sind. Ich bin eindeutig zu klein für mein Gewicht und kleide mich lieber in alte abgetragene T-Shirts, statt mir ein hübsches, erotisches Nachthemd zu kaufen. Wieso ich ausgerechnet jetzt über Negligés und schöne Wäsche nachdenke, versuche ich lieber nicht näher zu ergründen. Caleb nimmt einen weiteren Schluck Wein, während er mir schweigend gegenübersteht und mich von oben bis unten mustert. Seine Blicke machen mich nervös. Auch, weil ich das Gefühl habe, sie körperlich zu spüren … Und das macht was mit mir, worüber ich gar nicht erst nachdenken will. Um trotzdem irgendwie zu reagieren, deute ich auf das Glas in seiner Hand.

»Schmeckt der Wein?«

Er schneidet eine Grimasse und zuckt gleichzeitig mit den Schultern. »Es ist okay, nichts Besonderes.«

Ich ziehe die Unterlippe zwischen die Zähne und nicke. Seine Bemerkung hinterlässt einen dumpfen Nachhall in mir.

»Na ja, du musst ihn nicht trinken«, bemerke ich. »Ich habe nicht mit Gästen gerechnet.«

»Oh.« Er lässt das Glas ein Stück sinken, betrachtet den Wein und dann wieder mich. »Das ist dein Zeug.« Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Sein linker Mundwinkel hebt sich eine Winzigkeit, dann zuckt er mit der Schulter. »Wie gesagt, ich find’s ziemlich okay.«

Meine Brauen schieben sich zusammen. Wieso habe ich gerade das Gefühl, dass er mich meint und nicht den Wein?

»Verrätst du mir auch deinen Namen?«

»Ähm.« Wärme flutet mein Gesicht. Ich spüre, wie ich rot werde. »Entschuldige.« Ich trete direkt an die Kücheninsel heran, reiche ihm die Hand über die Arbeitsplatte hinweg und setze ein professionelles Lächeln auf. »Mein Name ist Sky.«

»Sky?« Als seine Finger sich um meine schließen, multipliziert sich die Hitze in mir ums Vielfache. Sein Daumen streicht ganz zufällig über meinen Handrücken – und das ist die sinnlichste Bewegung, mit der mich je jemand berührt hat. Es fällt mir unfassbar schwer, nicht den Faden zu verlieren. Was ist los mit mir?

»Ei… eigentlich Skylar, aber niemand nennt mich so.«

Er nickt mit ausdrucksloser Miene. »Dann werde ich das auch nicht tun, Sky. Wann reist du ab?«

Ich blinzle verblüfft und habe für den Bruchteil einer Sekunde die Hoffnung, mich verhört zu haben.

»Abreisen?«, wiederhole ich irritiert.

»Du wirst doch sicher nicht hierbleiben wollen … mit mir.« Er lässt meine Hand los, und mein Hirn schaltet sich wieder ein. Versucht er mir gerade mehr oder weniger durch die Blume mitzuteilen, dass ich verschwinden soll?

Ich stoße ein humorloses Lachen aus. »Das ist ein Witz, oder?«

Er greift nach dem Messer und beschmiert sich eine zweite Scheibe Toast mit Erdnussbutter. »Nein. Ich hätte nur gerne meine Ruhe hier draußen.«

Das ist deutlich! Als er das gleiche Messer, samt Erdnussbutterresten, in die Marmelade steckt, möchte ich ihm am liebsten den Scheißtoast ins Gesicht drücken.

Stattdessen recke ich das Kinn vor und mustere ihn kühl. »Na ja, du warst nicht eingeplant, Caleb. Vielleicht solltest du wieder abreisen – ich war schließlich vor dir hier.«

Er schmiert die Marmelade über die Erdnussbutter, hebt den Kopf und schaut mich an. »Das ist das Haus meiner Familie.«

Ich lächle ihn zuckersüß an. »Richtig, und ich bin Gast deiner Schwester.« Ehe er mich daran hindern kann, greife ich nach dem Toast, beiße in die Ecke und lasse es mir schmecken. »Komm damit klar oder reise ab.« Ich deute auf das Chaos, das er verursacht hat, und greife mir auch noch das halbvolle Glas. »Im Übrigen ist das alles mein Proviant, an dem du dich so selbstverständlich bedienst, … und wenn dir mein billiger Wein nicht schmeckt, dann trink ihn nicht.«

Mit einem letzten großen Schluck leere ich das Glas und stelle es wieder auf die Arbeitsplatte. Dann zwinkere ich Caleb spöttisch zu, drehe mich um und laufe so selbstbewusst wie möglich zurück zur Treppe, um wieder ins Bett zu gehen. Heißer Typ hin oder her. Wenn er mir mit der Papas-Söhnchen-Nummer kommt, hat er bei mir schlechte Karten. Ich werde meinen Urlaub ganz gewiss nicht abbrechen, nur weil er allein sein und schmollen will … Da wird er sich schon was anderes einfallen lassen müssen.

3

 

 

Caleb

 

Es zuckt um meine Mundwinkel, während ich amüsiert dabei zuschaue, wie Sky hüftschwingend den Wohnbereich durchquert und dann die Treppe nach oben nimmt. Zu meiner eigenen Überraschung verspüre ich sachtes Bedauern darüber, dass sie schon geht. Ich gebe es nur ungern zu, aber Sky gefällt mir. Ein Umstand, den ich in meiner derzeitigen Situation natürlich gar nicht gebrauchen kann. Mein Leben ist schon kompliziert genug, auch ohne Mias schräge Kollegin, die mich offenbar mit dem 3er Holz aus Dads alter Golfausrüstung niederschlagen wollte, das nun an der Kücheninsel lehnt.

Trotzdem ist sie irgendwie interessant – und sie scheint sich nicht darüber bewusst zu sein, dass sie manchmal Sätze vor sich hinmurmelt, die offenbar gar nicht für meine Ohren bestimmt sind. Es war schon ein bisschen schmeichelhaft, dass sie darüber gegrübelt hat, meinen Mund küssen zu wollen – und ehrlich gesagt finde ich den Gedanken ziemlich reizvoll. Dass sie mir das Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwich genommen hat, erscheint mir durchaus legitim, jetzt da ich weiß, dass ich mich an ihrem Proviant vergriffen habe. Ich schütte den Rest des Rotweins in das Glas, setze dieselbe Stelle, an der sie getrunken hat, an meine Lippen und verkneife mir ein amüsiertes Grinsen. Normalerweise trinke ich nicht mal mit jemandem aus meiner Familie aus der gleichen Tasse. Es ist schon bezeichnend, dass ich den Abdruck ihrer Lippen auf meinen haben will.

Ohne zu trinken, lasse ich das Glas wieder sinken und stelle es zurück auf die Arbeitsplatte. Ich hole tief Luft und starre einen Moment ins Leere. Ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, hier auf Gesellschaft zu stoßen. Als ich Mias Auto vor der Tür habe stehen sehen, befürchtete ich schon, meine Schwester wäre hergekommen, um mich umzustimmen. Ich bin zugegebenermaßen erleichtert, dass es nicht Mia ist – ich kann gerade ziemlich gut auf meine Familie verzichten und habe keinen Bedarf, irgendwelche Erklärungen abzugeben.

Ich fahre mir mit den Fingern durch die Haare und nehme meine Wanderung in der Küche wieder auf, die ich vorhin unterbrochen habe, ehe Sky so unerwartet auftauchte. Vor der Terrassentür bleibe ich stehen, vergrabe die Hände in den Hosentaschen und starre blicklos in die verschneite Nacht hinaus. Parkers Heart Lodge ist, seit ich denken kann, mein persönlicher Zufluchtsort, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt. Hier spüre ich immer noch Moms Anwesenheit, obwohl die letzten Tage mit ihr schon so viele Jahre zurückliegen. Die Erinnerung an sie versetzt mir immer noch einen schmerzhaften Stich, und ich versuche den dumpfen Druck in meiner Brust zu ignorieren. In den vergangenen Monaten bin ich oft allein hergekommen, ohne dass meine Familie überhaupt wusste, wo ich war. Hier kann ich mich sammeln, meine Gedanken ordnen und meine Entscheidungen überdenken, ehe ich sie treffe. Entscheidungen, bei denen ich vermeiden will, dass jemand von außen Einfluss nimmt.

Doch diesmal wird es mir schwerer fallen, zur Ruhe zu kommen – und das liegt nicht an Sky. Ich habe Gewissensbisse und fühle mich gleichzeitig erleichtert, weil ich den lang geplanten Besuch bei meiner Familie so kurzfristig abgesagt und mich ohne ein Wort der Erklärung auf den Weg in die Rockys gemacht habe, aber ich weiß, dass die bohrenden Fragen in meinem Schädel nicht so rasch eine Antwort bekommen werden. Wenn ich ehrlich bin, befürchte ich sogar, dass es diesmal keine adäquate Lösung gibt, mit der ich leben kann. Klar ist nur, dass ich nicht bereit bin für das, was kommt – und ich bin wütend. So wütend, dass ich alles hinwerfen möchte, was über Jahre zu meinem Lebensinhalt geworden ist. Für einen Moment schließe ich die Augen und lehne meine Stirn gegen das kühle Glas. Mom hat immer gesagt, wer zu viel lügt, verliert sich irgendwann in seinen eigenen Geschichten … Ich habe in meinem ganzen Leben nur einmal gelogen und fühle mich jetzt, als hätte ich einen Strick um den Hals liegen, der sich langsam zuzieht. Ein Strick, an dessen anderem Ende meine Familie steht und zerrt.

Ich atme tief ein, wende mich wieder der Küche zu und kehre zu meinem Sandwich zurück. Sky wird vermutlich nicht so leicht loszuwerden sein. Sie war ziemlich vehement in ihrer Argumentation, und ich hatte den Eindruck, dass sie genauso vor ihrer Familie auf der Flucht ist wie ich vor meiner. Was bewegt einen sonst dazu, die Feiertage lieber hier draußen in der Einsamkeit zu verbringen, als mit seinen Lieben zusammen sein zu wollen? Ich frage mich, was für Gründe sie wohl hat, um sich zu verstecken? Ich lasse den letzten Schluck Wein meine Kehle hinabwandern, ehe ich mich umdrehe und auf den Weg in den Weinkeller mache. Ich will mir nicht noch länger den Kopf über mein konfuses Leben zerbrechen. Ich will einfach für den Moment alles vergessen, mich in mein Bett legen und schlafen. Vielleicht ist Skys Anwesenheit in den nächsten Tagen sogar eine gute Ablenkung – und während ich versuche, mehr über sie und ihre Geheimnisse herauszubekommen, kann ich meine eigenen Probleme einfach ignorieren.

Nachdem ich gespeist und mich mit einem weiteren Glas schwerem Rotwein auf ein Level getrunken habe, das mir ausreichend Müdigkeit prophezeit, schleppe ich mich und meine Reisetasche die Treppe hinauf. Ich will jetzt nur noch ins Bett und für die nächsten Stunden vergessen, wer ich bin und wieso ich herkam. Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffne, empfängt mich warme Dunkelheit. Ich spare es mir, das Licht einzuschalten. In diesem Zimmer kenne ich jeden Winkel. Selbst wenn ich von einem Moment auf den anderen blind und taub würde, wäre ich immer noch in der Lage, mich hier zurechtzufinden, ohne irgendwo anzustoßen.

Ich stelle meine Tasche neben dem Bett ab, schließe die Tür und streife mir die Schuhe von den Füßen. Erleichtert atme ich auf, als meine Zehen sich in den dicken Teppich graben. Es war ein langer Tag. Die Fahrt von Denver hierher, der erste Schnee, der fiel, als ich die Rockys erreichte, der Weg hier herauf zu Parkers Heart Lodge. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass Mia nicht hier ist … Meine Schwester hätte sich gewiss nicht mit einem Sandwich abspeisen lassen und versucht, aus mir herauszubekommen, was ich hier tue und warum ich nicht in Denver bin. Für die nächsten Tage bin ich erst mal davor sicher, mich irgendwelchen unangenehmen Fragen stellen zu müssen.

Ich gehe in das angrenzende Bad, das ich mir normalerweise mit Mia teile, und stelle fest, dass Sky sich über den gesamten Waschtisch ausgebreitet hat. Mit einem Augenrollen schiebe ich ihr Zeug auf die rechte Seite, werfe meinen Kulturbeutel auf die Ablage und putze mir die Zähne. Mein Blick huscht zu der Tür, die in ihr Zimmer führt. Sie schläft sicher schon wieder, nachdem meine Ankunft sie vorhin so abrupt aus dem Bett getrieben hat. Ich muss zugeben, dass ich neugierig bin. Ihr unerwarteter Auftritt mit dem hoch erhobenen Golfschläger war zwar überraschend, aber nicht ansatzweise so bedrohlich, wie sie es vermutlich gern gehabt hätte. Dafür sah vielleicht auch die Comic-Katze mit der rosa Schleife auf ihrem T-Shirt nicht gefährlich genug aus … oder die Shorts waren zu kurz. Es zuckt um meine Mundwinkel, als ich mich mit der Zahnbürste in der Hand gegen den Waschtisch lehne und weiterputze. Die Shorts waren sogar so kurz, dass ich für einen Augenblick dachte, sie würde nur das T-Shirt und sonst gar nichts darunter tragen. Der Gedanke war ziemlich anregend.

Sky ist süß – und dass mir so ein Gedanke überhaupt durch den Kopf geht, ist schon irgendwie seltsam. Ich stehe normalerweise auf Frauen, die sexy und geheimnisvoll sind, die ihre Kurven in seidige Negligés hüllen und Selbstbewusstsein ausstrahlen. Vor fünf oder sechs Jahren hätte ich Sky vermutlich ignoriert, weil sie nicht meinem Typ entspricht, aber ich muss zugeben, dass sie Eindruck hinterlassen hat. Vielleicht bin ich auch einfach nur einsam … und hungrig. Es ist eine Weile her, dass ich mit einer Frau zusammen war. Dass mich der visuelle Reiz ihrer weiblichen Rundungen einfach anspricht, ist vermutlich meinen Hormonen geschuldet. Ich schüttle den Kopf, wasche mir den Mund aus und ziehe mir das T-Shirt auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer aus. Ich bin zu benebelt, um mich objektiv mit Sky auseinanderzusetzen. Ich will nur noch ins Bett und die Augen schließen.