Solangs no goht, chunnts guet - Andreas Neeser - E-Book

Solangs no goht, chunnts guet E-Book

Andreas Neeser

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Beschreibung

Mit seinen ersten drei Erzählbänden und dem Roman «Alpefisch» hat sich Andreas Neeser «ganz vorn in der Schweizer Mundartliteratur» eingereiht (NZZ am Sonntag). Seine Geschichten in «Solangs no goht, chunnts guet» setzen nun noch einmal neue Massstäbe: Die Aargauer Mundart ist hier nicht nur wortmächtig, präzise und bildstark, sondern auch modern, ohne sich aufzudrängen. Neeser entfaltet ein erzählerisches Spektrum, das uns tief in die Erlebniswelt seiner vielschichtigen Figuren eintauchen lässt. Sie sind konfrontiert mit existenziellen, zeitlos aktuellen Themen, die uns alle angehen. Mit Leichtigkeit und oft mit einem Augenzwinkern gelingt es dem Autor, Sympathie und Verbundenheit mit seinen komplexen, spannenden Charakteren zu wecken. Vielleicht, weil sie uns in ihren schwierigen Lebenssituationen und inneren Kämpfen näher sind, als wir denken. – Aber was für sie gilt, gilt auch für uns: Solangs no goht, chunnts guet. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Mit Bildern und Collagen von Marianne Büttiker sowie vom Autor gelesene Hörfassungen, die über QR-Codes zugänglich sind.

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Seitenzahl: 90

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Impressum

Titel

Erschti Sätz

De Marlboro-Maa und em Vatter si Töff

Chäber

Holzchopf

De René

E Chindergschicht

Wenns wäär, wies isch

Drüü Stückli

I

II

III

Uussichte

Zletscht am Änd

Corona

E Rekonstruktion

Vorspiil

I

II

III

Nochspiil

Mueterbueche

Cheerio

D Winterinsle

Trooscht und Pfläschterli

I

II

III

IV

V

VI

Via Engiadina

Letschti Durchsaag

Äxtrafach

Letschti Sätz

Die Bilder und Collagen von Marianne Büttiker

Editorische Notiz

Glossar

Audio-Titel

Über den Autor

Backcover

ANDREAS NEESER

SOLANGS NO GOHT, CHUNNTS GUET

Der Verlag dankt herzlich für die Unterstützung:

Hans und Lina Blattner-Stiftung, Aarau

Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit ei‍n‍em Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2025 unterstützt.

2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2025

© 2023 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, BaselAlle Rechte vorbehaltenLektorat: Angelia SchwallerKorrektorat: Jakob SalzmannBilder und Collagen: Marianne BüttikerCovergestaltung: Andreas Färber, mittelstadt 21Bildaufbereitung: FdB – Für das Bild, Fred BrauneAudioaufnahmen: Andreas Christen, Rainbow Sound Studio

Andreas Neeser

SOLANGS NO GOHT

CHUNNTS GUET

Erzählungen

Bilder und Collagen von Marianne Büttiker

Jedi Gschicht isch ihri Fortsetzig.

Erschti Sätz

Gschichte händ kei Ränder; mer schriiben is immer wiiter.

Was gseht men eigentlich, wenn me blind isch uf eim Aug?

Wenn i au nume wüsst, was i tänke, tänk i ame.

D Wörter händ es luuts Gedächtnis; plötzlich rüeffe si zum Fäischter uus.

Mängisch wett i uf ne Kran uechlättere und dobe nümme wüsse, wäge was.

«Ums Verwoorge», het er gseit und wäär mer fascht verstickt.

Irgendeinisch taagets der – und de guet Nacht.

Wenn d chönntsch, de giengsch der sälber uuf als Stärn – und schiintisch äxtra niene hii.

De Marlboro-Maa und em Vatter si Töff

Bim Uuftue hets mer tötterlet: e riise Schachtlen us em Internet. Vo Ängland händ s de Mocken übers Meer und de dur halb Europa gfuget; mit em Fuchsschwanz han i müesse draa, de Karton stückliwiis versaage. Ehrlich gseit scho gstöört. Fascht tuusig Stei für öppis, wo me gar nid weis, was s isch. – He nu, im Wäärbefilmli uf der Homepage hets uf jede Fall ganz prächtig funktioniert: E der Promenade noo fahrt d Madam, bolzegraade Rügge, zimlich änglisch. S Fladdertüechli um e Chopf macht richtig gueti Luune, super Wätter, super Strand, just great. Momoll, die Madam gnüüssts, me gsehts vo doo – am meischte d Blick vo denen uf de wiisse Promenadebänkli, alles alti Lüüt, wo hööchschtwahrschiinlich Taag für Taag deet höckle, immer gliich, und luege, was es z gseh git oder nid. Eine richtet sich de Panama, zwo Fraue schläcke Glacé, chöme nümm zum Stuunen uus.

Ha grad a Vatter müesse tänke. Äär hätt au deet chönne höckle, z Brighton oder soo. Nid wäg der Glacé – wäg em Blick. En Art e Sehnsucht isch bi allne dinne gsii, vilicht sogar chli Niid. De Vatter wäär bi denen Alte ghöcklet, ohni Huet, hätt immer öppe d Bei chli gschüttlet wäg em Wasser i de Füess.

Scho sit paar Mönet het er dussen amen öppis pruucht zum Hocke, bis es wider ggangen isch; am liebschte s Sitzli vom Rollator – oder halt es Bänkli, Hauptsach Pause. S Wasser chääm vom Häärz, das ghöör me, het d Frau Tokter gseit, e son es Gruchsen i der Pumpi, irgendöppis rumpli, s tööni wien en alte Chläpper, und wohäär das chiem, das chönn si au nid sääge. – Ii has gwüsst: Vom Autobillet isch es choo. I weis no, won er s zrugggschickt het – e halb Stund spööter isch es absi mit em. Scho am Morge müed und nachhäär nüüt, kei Appetit, kei Luscht, kei Sprutz. No vorhäär amen isch er all paar Taag go poschte, mängisch mit em Noochber nöime häre. Aber ebe: ohni Auto kei Fiduuz.

De hockt er würklich deet, rächts usse, ganz am Rand und ganz eleigge, nid emol es Vanillecornet i der Hand. Er luegt der Madam noo und stuunet, wie si d Promenaden uuf und ab rageetet. D Scheiche, gspüüres sälber, liggen em no schwäärer i de Schue, so schwäär wie nie.

Doo han i tänkt, das wäärs. E son e Surri wäär perfekt für eine, wo so föörigs Wasser mit sich umeschleikt. – De han is ebe bstellt im Internet: en Art es Auto uf zwöi Räder, eifach ohni Tach.

Sogar es Ladekabel isch im Karton inne gsii, de Länker han i nume chönnen ufeklappe, klick. Im Schwick isch alles fertig zämepaschtlet gsii, der änglisch E-Töff inklusive Chöörbli ready für e Probefahrt. I ha no s Liecht schnäll teschtet, voore wiiss und hinde root, de bin i zwöi, drüü Schrittli zrugg, ha eifach nume gluegt. Es Trotti ohni Aagää mit de Füess? Es Velo ohni Trampe? Es Töffli, wo kei Abgas macht? I hätts nid chönne sääge. Nume, dass es für e Vatter s Richtig isch, das han i gwüsst. So Töffli fahre cha me schliesslich au mit Wasser i de Füess. Zum Biispil tätsch vor d Migros häre. Suurteigbrot und Hobelchääs, e Servela und Milch. De wider grueije, höcklen uf em nigelnagelnöije Töff. Und nachhäär heizue surre, Tempo zwanzig, aber Obacht, es isch schnäller, als me tänkt. Das wird em Uuftriib gää, e Pfupf mit Radius.

I ha de Töff zum Transportiere zämeklappt, i s Auto glaaden und bi grad zum Vatter gfahre.

«Lueg doo», han i gseit und wichtig too, «da sch alles Stahl, stabiler goht gar nid. Der Akku, Lithium, isch schöön versteckt – undr em breite Brätt für dini breite Füess. Und gsehsch doo, Schiibe-Brämse, voll belüftet, hinden obe: s Poschti-Chöörbli, fix montiert. De Bescht isch aber: Tanke chasch bequem deheime: Stecker zägg i d Doose – waarte, fertig, s Klima fröit sich uf dis näächschte Tüürli.»

De Vatter isch uf sim Rollator ghöcklet und het Auge gmacht. De het er voorenabe gluegt und gmeint, er heig jo gar keis Billet meh. Das spili doch kei Rugel, han i gseit. Sächzähni sig er emel gsii – et voilà, nüüt Papiir. Er mües sich eifach tänken underwägs, er sig es Velo, jo, genau, de chääm das guet.

«Jä meinsch, i chönn das no? Bi ewig nümme Velo gfahre, d Vespa-Ziite, Heimatland, sind au scho lang verbii.»

Es het mi tunkt, er well no öppis sääge – und de stoht er scho, chli stiiff und scheps, und biisst uf d Zähn. Er het sich fescht am Länker, lüpft sich übelziitig auf e Sattel und studiert, wies wiitergieng.

«De Schlüssel, Vatter! – Wie bi der Vespa siinerziit, süsch goht doo nüüt.» I ha de Schlüssel zückt und inegsteckt, im Vatter graad i d Auge gluegt. «Und wäg em Gaas gää, weisch jo», han i gseit und d Braauen ufezoge, «süüferli, süsch lüpfts de Bock.»

De hets de Bock scho glüpft.

Über s Chöörbli hindenabe tätscht de Vatter voll uf d Pflaschterstei, de Töff fahrt wiiter, zwaschplet uf em Hinderrad, steckt ii i s Noochbers Buechehaag.

De Vatter isch am Bode glääge, stiiff, het gschnuufet, chuurz und luut, de Blick het doben i de Wolken öppis gsuecht. Am Hinderchopf hets plüetet wien es Söili, linggs, am Arm, isch d Huut ganz komisch abgrupft gsii. Bim erschte Häreluege hets mi tunkt, s seig wenigschtens nüüt proche, aber sicher sääge het me das nid chönne. Aso han i eifach funktioniert, ha s Tokterchischtli us em Auto gholt, de Patient häbchläb verbunde. De han i all di Kilo Vatter inklusive Wasser zämeglääse, uf e Rücksitz too und bi i Notfall gfahre.

Es gspässigs Gfüel, so Rettigssanitäter ohni Horn und Liecht und hindeninn der eignig Vatter, halb vertätscht. Bim letschte Rotliecht isch mer d Mueter z Sinn choo, Zimmer 35. Me het si gschickt ghaa goge kuuren i di suuber Luft. Si sig jo völlig amn e Rumpf, di Pfleegerei, so göhj das nümme, het de Huusarzt gseit, si mües sich e chli luege, und chli rächt. I ha deheim für s Ässe gsoorget, Menüs bstellt bim Liferdienscht Pro Senectute, d Spitex han i buechet für em Vatter sini Füess z verbinde. Alles super, locker hätt er no di letschti Wuche duregstande, aber nei. – Was hätt i e der Mueter sölle sääge? Waas? E junge Lööli, wo e eim mit Wasser i de Scheiche son e huere Töff hiistellt? En alte Lööli, wo dä Göppel ohni Fäderlääses uusprobiert?

I ha de Vatter no ni gfrogt, bis hüt nid, waas genau s Problem gsi isch. Es isch au gliich. Der Unfall isch mer emel töiff i d Chnöche, wie no nüüt. Und gwaarteet han i ewig, bis e wiisse Tokter choo isch mit em Pricht. Er müesi bliibe, het er gseit, uf all Fäll über Nacht, de chönn mer nachhäär luege.

Won i äntlich au im Näscht gsi bi, isch gaar nüüt gsii mit Pfuuse. Immer wider han i Bilder gseh und Stimme ghört – e Film, chli gwagglig, Amateur, en alti Gschicht. So eini, wo d kei Ahnig hesch, wisoo si eine grad i dem Momänt verzellt:

I ziirkle s Töffli us der Garage use, pfure loos, durab, em Bächli noo und immer Richtig Wald. Es isch e chüelen Oobe, d Wätterfrösch wänd morn scho s erscht Mol under null. I mache mi ganz chlii am Schützehuus verbii, en Embryo mit Töff, me weis jo nie. Bim letschte chliine Stützli streck i s lingge Bei und d Ärm i Wind.

De isch d Liinwand plötzlich tunkel woorde. Us der Schwäärzi use han is ghöre tänke: Wenn daas nid Freiheit isch – mit vollem Buuch no schnäll i s Wäldli eis go paffe, ganz elei, so richtig dureschnuufe, abechoo und nüüt meh überlegge, emel sicher nüüt mit Schuel. Es nützt, und s nützt mer jedes Mol. Die Marlboro – es Zauberzüüg, e jedem Stängel glingt, was d Mühletaler au nach hundert Stunde Noohilf no ni schafft: chli Luft, en offne Schnuuf, es Glück. – I bruuche mängisch zwöi, das stimmt, bis s lugget i der Bruscht. Zum Biispil, wenn i i der Mathi abgstürzt bi – oder im Franz e Schue voll usezoge ha, vertoori. Müesst vilicht mol d Marke wächsle.

De Film isch wiiterglauffe, ohni Ton, schwarz-wiiss: I riiten uf em Ross im groosse, wiite Land. Go west, der Naase noo dur s Steppegraas bis ufen i s Gebirge. D Sunne brönnt, de Huet isch duregschwitzt, am Horizont im Gägeliecht e Chrüppelbaum mit ohni Äscht. I riissen a de Zügel, stecke mer e Zigistumpf i s Muul und luegen ufe, wo e Kondor einsam Schleiffe flüügt und hofft uf Mönschefleisch.

E herte Schnitt. De Zoom. En alti Bueche, immer gröösser, d Kamera isch gfahre bis i d Äscht, de nodigsnoo durab, im Stamm noo bis ganz abe. S Töffli liit am Bode, ii dernäbe, s Füürzüüg i der Hand und d Marlboro im Muul. I dem Momänt isch s Bild verrütscht, het gstaggelet, isch gfrooren i mim Chopf: I ha mit läärem Blick i d Wipfel gstieret, vor der Naasen und em linggen Aug es Wölkli Rauch.

Isch guet, es längt, i wett jetz gäärn no schlooffe, han i tänkt. Für s Kino zahl i, gopfridstutz, de wett i d Filmen aber sälber wähle, settig, wo men au verstoht. Vor allem bruuch i morn e klare Chopf – de Vatter im Spital, kei Ahnig, wie das usechunnt.