Sonne Liebe Autos - Frank Christof Huth - E-Book

Sonne Liebe Autos E-Book

Frank Christof Huth

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Beschreibung

Der Akteur Georg investiert sein als Immobilienmakler verdientes Geld in das, woran er glaubt: Die Zukunftstechnik Solarenergie, Elektromobilität und Windkraft. Abenteuer bleiben nicht aus. Höhenflüge und Abstürze. Georg erfindet Solarkunst, reist damit viel und verdient wieder Geld. Viele Frauen finden sein Engagement und ihn selbst faszinierend und verlieben sich. Das birgt Konfliktpotentail. Er tut sich schwer damit, sich auf eine von ihnen festzulegen. Wenn er es versucht, brechen Krisen über ihn herein.

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Frank Christof Huth

Sonne Liebe Autos

Roman

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Woltersdorf und Rüdersdorf

2. Rüdersdorf und Berlin

3. Die ersten E-Mobile

4. Wärme und Amerika

5. Erste Hochzeit und Krankheit

6. Von Zelle zu Zelle

7. Das Eisenschwein

8. Der Hotzenblitz

9. Kosovo

10. Kiew und Plovdiv

11. Onkel Bernhard

12. Sveta

13. Potsdam

14. Sonnenwende Turning Heads

15. Bundesgartenschau Potsdam

16. Landesgartenschau Eberswalde und Europagarten Frankfurt/Oder

18. Die großen Köpfe

19. Das Solarlabor

20. Bundesgartenschau München

20. Taiwan

21. Die Krise

22. Ausstellung in Taiwan

23. Die zweite Hochzeit

24. Arbeit und Erschöpfung

Impressum neobooks

1. Woltersdorf und Rüdersdorf

In Woltersdorf ist Georg geboren und wächst auf, kommt zum Kindergarten. Er hat eine liebe Kindergärtnerin, Frau Morgensonn. Mit seiner Freundin Alma schaukelt er gern. Es gibt auch eine alte Straßenbahn, die im Garten steht. Seine Großmutter väterlicherseits, Erna, holt ihn manchmal ab und nimmt ihn mit zu sich nach Schöneiche. Dort spielt er zu Füßen eines dunklen Regals, in dem ein altes Brockhauslexikon steht. Sie sagt:

„Das bekommst du später von mir!“

Es sollte ihn sein weiteres Leben begleiten.

Dann die Schule. In der ersten Klasse hat er eine gute Lehrerin. Er ist in zwei Mädchen verliebt, eine dunkelhaarig und grünäugig, die andere blond und blauäugig. Georg geht zum Flötenunterricht. Mit der Lehrerin lebt er Sadomasofantasien aus: Er bringt sie dazu, dass sie ihren Gürtel löst und ihn damit schlägt.

In der dritten Klasse kommt ein neuer, junger Lehrer, der Mathematik, Georgs Lieblingsfach, gibt und sportlich ist. Er rät ihm, mehr mit seinem Körper anzufangen. So tritt Georg in die Woltersdorfer Fußballmannschaft, die Betriebssportgemeinschaft Einheit Woltersdorf ein und wird dort bald Torwart. Training und Spiele machen Spaß. Sie haben aber nur einen Hartplatz. Einmal hat es so geregnet, dass der Platz voller Pfützen ist. Während des Spiels bleibt der Ball in einer besonders großen liegen. Minutenlang ist es unterbrochen, weil kein Spieler Lust zeigt hineinzuwaten. Zu den Auswärtsspielen fahren sie in den Autos der Spielerfamilien. Einmal ist der Schiedsrichter zu betrunken um zu pfeifen. So gibt der Heimtrainer den Schiedsrichter und der Woltersdorfer Trainer den Linienrichter. Die beiden sind sich oft uneins, und als der Schiedsrichter einen Spieler von Georgs Mannschaft vom Platz stellt, wirft der Linienrichter wütend die Fahne hin und macht nicht mehr mit. Der heruntergestellte Woltersdorfer schleicht sich hinter das gegnerische Tor und bewirft den Torwart mit Schlamm.

Einmal gibt es einen Handelfmeter gegen Georgs Mannschaft. Der gegnerische Spieler schießt, Georg hechtet und wehrt den Ball ab. Ricky, der Verursacher, umarmt ihn. Einmal sind für Georg zwei Groupies da. Das erfährt er erst später, als eines von ihnen, aus Strausberg stammend, ihm schreibt. Dann spielt Georg eine Altersklasse höher. Seine Spielposition ändert sich, da diese Mannschaft schon ihren Torwart hat. Er wird Verteidiger, und weil er der größte ist, muss er immer gegen den bulligsten Angreifer ran. Zu Eckbällen geht er manchmal mit nach vorn. In Erkner kommt eine Ecke gut, und Georg köpft ein. Das zwei zu eins Siegtor, sein einziges überhaupt. Im Alter von fünfzehn Jahren hört er mit dem Fußball auf.

An einem achten Mai, dem Tag des Erinnerns an das Ende des Zweiten Weltkrieges, findet am Ehrenmal am Thälmannplatz in Woltersdorf eine Feier mit Offizieren und Schülerinnen der nahe gelegenen sowjetischen Garnison statt. Ein Major spricht engagiert und freundlich, die Schülerinnen sehen mit ihren weißen Schleifen verlockend aus. Leider sind direkte Kontakte nicht vorgesehen. Georg tritt danach mit voller Überzeugung in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft DSF ein. Zu seinem späteren Unverständnis wird die DSF als erste Organisation nach Mauerfall aufgelöst.

Einmal hatte Georgs Familie einen Urlaubsplatz in einem kirchlichen Heim in Lohme auf Rügen gebucht. Seine ältere Schwester Anita und er fahren mit dem Fahrrad dorthin. Sie haben Zelt und Schlafsäcke dabei, folgen der Fernstraße 96. In einem Dorf bei Neubrandenburg ist der erste Abend. Eine ältere Frau spricht sie an, als sie am Anger das Zelt aufbauen wollen:

„Hallo ihr, könnt bei mir schlafen!“

Das tun sie. Am nächsten Tag schaffen sie es bis Rügen. Nachdem Anita und Georg den Rügendamm überquert haben, suchen sie auf einer schilfreichen Wiese einen Platz für ihr Zelt. Sie bauen auf, essen etwas und legen sich schlafen. Aber es ist unruhig: Mücken im Zelt. Außerdem scheint die Wiese ein Jugendtreff zu sein. Knatternde Mopeds, halblaute Gespräche. Georg fürchtet, dass sie das Zelt entdecken. Aber es passiert nicht. Am nächsten Morgen wachen sie erleichtert auf, bauen ab und radeln weiter. Bei strammem Gegenwind über Rügen. An Saßnitz vorbei erreichen sie am frühen Nachmittag Lohme. Der Urlaub ist schön. An seinem Ende geben sie die Räder bei der Bahn auf und fahren mit den Eltern gemeinsam zurück. Das war Georgs erste Radtour, viele andere sollten folgen.

Bei den Pionieren und der Freien Deutschen Jugend ist er nicht gern dabei, aber seine Eltern wollen es so. Auch die Jugendweihe. Damit ist für Georg die später in Schöneiche gefeierte Konfirmation neutralisiert, ja irgendwie entwertet. Dafür hat er nun Zugang zur legendären Schöneicher Jungen Gemeinde.

Mit einem Superzeugnis und einem ersten Preis bei der Kreismathematikolympiade wechselt er an die Erweiterte Oberschule nach Rüdersdorf.

Georg steht auf dem schmalen Geländer einer nicht allzu hohen Eisenbahnbrücke unweit der Schule. Es geht ihm nicht um Tod oder Selbstverletzung. Diese klebrige, schlickige Masse, die sich nach dem stundenlangen Anhören und Nachsprechen von Lügen im Staatsbürgerkundeunterricht in Kopf und Körper angesammelt hatte, löst sich so am besten auf.

Am nächsten Schultag spricht ihn Anja an, die er von der Jungen Gemeinde her kennt:

„Ich habe gestern vom Bus aus gesehen, wie du auf dem Brückengeländer gestanden hast. Bist du verrückt? Versprich mir, dass du damit aufhörst!“

Georg freut sich über die Anteilnahme des hübschen Mädchens. Sie ist ein Jahr älter als er. Auf einer Dampferfahrt der Schule mit Disco passiert es. Zu den Klängen von „In the air tonight“ von Phil Collins wird Anja ihrem Freund, einem Mathematiker, untreu und verführt Georg.

Leider ist er ein ungeübter Liebhaber. Obwohl sie ihm einiges beibringt, ist sie nicht recht zufrieden. Mit der Begründung, Georg hätte keine Ambitionen gezeigt, die obere Etage ihres Elternhauses für sie gemeinsam herzurichten, macht sie Schluss mit ihm. In der folgenden Nacht schläft er nicht. Dann ist wieder Disco, diesmal in der Schule. Georg ist melancholisch und setzt sich hinter den Ofen. Bald sitzen drei Reihen gleichaltriger Mädchen um ihn. Bei der dritten Disco hat er wieder Mut und tröstet sich mit einem Mädchen, das zwei Jahre älter ist als er. Sie tanzen eng umschlungen zu „Child in time“ von Deep Purple.

Manchmal setzen sich die Schulfreunde in Pauls Wohnung und spielen Punk auf Vogelkästen und selbstgebauten elektronischen Instrumenten. Später gründen sie eine Band. Die Band sollte im Rüdersdorfer Kulturhaus, wegen seines neoklassizistischen Baustils Akropolis genannt, spielen und den ersten Preis beim Wettbewerb Junger Talente gewinnen.

Mit Schulfreund Holm fährt er regelmäßig zum Klub Junger Physiker zur Warschauer Straße mit der Straßenbahn Alt Rüdersdorf-Friedrichshagen nach Berlin. Dort behandeln sie mit einem Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften die Spezielle Relativitätstheorie von Einstein. Unterwegs treiben sie Schabernack. Einmal hat Holm einen Tongenerator mit Fotozelle gebaut. Verringert sich der Lichteinfall auf die Zelle, wird der Ton höher. Sie stellen sich mit dem Generator auf den gut begangenen Bürgersteig und zücken Schreibzeug. Ein Passant wird aufmerksam und fragt, was sie da messen.

„Die Radioaktivität der Gehwegplatten“, antwortet Holm und gibt dem Passanten den Tongenerator.

„Gehen Sie mit dem Messkopf zum Boden! Wird der Ton höher, steigt die Radioaktivität an!“

Der Passant tut das und bestätigt, dass der Ton höher wird.

„Das ist bedenklich, Sie müssen es melden!“

„Werden wir tun!“

Die Erweiterte Oberschule führt bis zum Abitur und hat breite Felder zum Lügen in Geschichte und Staatsbürgerkunde. Am schlimmsten wirkt es, drinnen einen Vortrag über die Gesetzmäßigkeit der Überlegenheit der sozialistischen Produktionsweise zu hören und dann selbst nach draußen zu schauen. Alles Grün ist hier kalkgrau. Die Werke befinden sich unweit der Schule. Gegenüber der Bushaltestelle steht ein Trafohaus mit einem Warnschild, wie viel Kilogramm Kalkstaub pro Quadratmeter sein Dach tragen würde.

In den Sommerferien der vorletzten Klasse auf der Rüdersdorfer Schule unternehmen die Freunde, es sind insgesamt sieben, eine große Radtour. Vorher schreibt jeder geheim auf, was er von der Tour erwartet. Schon im Harz fährt einer in den Graben. Fahrrad kaputt! Außerdem ist der mit 2,05 m größte Tourteilnehmer erschöpft. So fahren die ersten zwei mit der Bahn zurück. Dann teilt sich die Gruppe noch mal. Georg will unbedingt nach Erlbach im Vogtland, zu den Großeltern mütterlicherseits. Dorthin kann er aber nicht alle mitnehmen. Er entscheidet sich für Holm, seinen besten Freund. Die anderen fahren über Mitteldeutschland nach Berlin zurück. In Erlbach angekommen, sie sind nicht angemeldet, erkennen die Großeltern Georg zuerst nicht. Ihm ist ein Bart gewachsen, und er trägt Hut. Dann werden es doch noch schöne Tage. Sie verlassen Erlbach, radeln über steigungsreiche Strecken, die Räder haben keine Schaltung, nach Zwickau. Von dort aus nehmen sie die Bahn nach Berlin. Viele Jahre später sollten die sieben Freunde die geheimen Notizen gemeinsam lesen. Das Hallo ist groß.

Trotz sehr guter Leistungen will die Schulleitung Georg feuern, weil sie befürchtet, dass er Bausoldat wird und so die Statistik der Schule belastet. Seine Eltern werden zu einem Termin einbestellt. Georgs Mutter ist so aufgeregt, dass sie in Hausschuhen kommt. Danach nimmt der Vater Kontakt zu seinen Gesprächspartnern aus hohen Kreisen der regierenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands SED auf, die er von seinen Gesprächen als Mitglied der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) über Ost-West-Dialog und Abrüstungsfragen her kennt. Danach beruhigt sich die Lage für Georg. Zur Abiturfeier, wo ihm sein Zeugnis mit Auszeichnung überreicht wird, trägt er den Gehrock seines Urgroßvaters mütterlicherseits.

Mathematik, Georgs bestes Fach, scheint ihm zu lebensfern. Zu staatsnah Jura und zu eingemauert die meisten Sprachen. Er bewirbt sich für Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin und bekommt den Platz, obwohl er den Armeedienst mit der Waffe verweigern würde. Seine Schulfreunde wählen auch naturwissenschaftliche Fächer. Außer Mike, der spricht den Westberliner Szeneslang am besten. Er hat einen Ausreiseantrag gestellt und arbeitet nun bei der Post. Später würde er im DDR-Knast landen und in den Westen freigekauft. Bei der Commerzbank würde er eine große Nummer werden. Paul hatte sich für Elektronik in Dresden beworben. Er bekam aber nur Papierverfahrenstechnik. Das stellte sich im Nachhinein als Glück heraus, weil dieser Studiengang im Osten progressiv war. Er machte nach der Wiedervereinigung in Österreich und der Schweiz Karriere. Holm geht nach Rostock, studiert Physik. Er promoviert später über ein Thema der theoretischen Physik. Lebt in einem baufälligen Haus im Kabutzenhof.

Nach dem Abitur wollten die Schulfreunde noch eine Fahrt in den Harz machen. Aber nur Holm und Georg fahren. Auf dem Brocken übernachten sie im Wetterhäuschen. Der Wind heult, und es ist kalt. Am Morgen besichtigen sie die Grenzbunker. Sie wandern nach Wernigerode, dort übernachten sie auf der Schlossmauer. Über eine kleine Anlage hören sie Howard Fine und Laurie Anderson.

Während der Bausoldatenzeit findet Georg viele neue Freunde und kommt oft zum Verlängerten Kurzurlaub, wie das im Armeedeutsch heißt, nach Woltersdorf zu seiner Mutter. Der Vater ist inzwischen ausgezogen zu seiner neuen Freundin und Kati, Georgs Halbschwester. Einmal geht Georg zu einer Disco nach Rahnsdorf. Es ist nicht viel los. Auf dem Rückweg durch den Wald zieht er seinen weißen Pullover aus, es ist eine warme Nacht. Den Pullover hatte ihm seine Mutter im Intershop gekauft, wie vorher schon einen Jeansanzug.

Er holt zwei Mädchen ein, die auch in Rahnsdorf waren. Sie unterhalten sich angeregt und beschließen, gemeinsam im Flakensee baden zu gehen. Dort angekommen, ziehen sich die drei aus. Georg favorisiert die kräftigere von beiden. Er nähert sich ihr. Sie umarmt und küsst ihn. Dann geht er zu der anderen und umarmt auch sie. Georg geht mit der ersten ins laue Wasser. Sie kommen sich sehr nahe, und er dringt in sie ein. Später erfährt er, dass sie in seinem Geburtskrankenhaus als Krankenschwester arbeitet. Es kommt noch zu zwei Treffen. Eines im Krankenhaus, das andere in einem mückenreichen Wald. Dann gesteht sie ihm, dass sie schon einen Freund hat und ihn nicht mehr treffen kann. Er ist traurig. Bald wird er aus der Nationalen Volksarmee entlassen. Er arbeitet bis zum Beginn des Sommerurlaubs als Hilfslaborant an der Akademie der Wissenschaften in Adlershof. Dort untersucht Georg unter Anleitung von Dr. Weber, einem Freund der Familie, dünne Tensidfilme.

Die Sommerreise soll nach Rumänien gehen. Es kommen mit: Seine Schwester Anita, ihr Freund Mats, dessen Schwester Inge, die beiden Schwestern Maren und Anne aus Woltersdorf und Georg. Bausoldatenfreund Ed steigt in Budapest zu. In Rumänien treffen sie auf Edwin, einen Rumänen, der im Gebirge zu hause ist. Edwin soll sie bis ins Donaudelta bringen, wo er ein Boot organisieren will. Georg hat sich auf die Reise vorbereitet. Er weiß, dass in Rumänien Zigaretten der Marke Kent eine zweite Währung sind. Er trägt eine Packung davon aus dem Intershop bei sich. Auch eine Taschenuhr, die als Tauschobjekt mit der Landbevölkerung gedacht ist. In Tulcea angekommen, besteigt die Gruppe einen Flussdampfer. Sie verkosten alles, was auf der Speisekarte steht. Es schmeckt schlecht, und die Verkoster sehen sich erbittert an. Im Donaudelta angekommen, werden die Zelte an einem Flussarm aufgebaut. Den nennen sie Schweinearm, weil ein dickes schlammbedecktes Schwein an seinem Ufer liegt. Edwin geht los wegen des Bootes. Er kommt unverrichteter Dinge zurück. Sein Freund mit dem Boot hat ihn versetzt. Jetzt schlägt Georgs Stunde. Mit den Zigaretten bewaffnet geht er in ein nahe gelegenes Hotel. Den englischsprachigen Rezeptionistinnen bietet er an und fragt nach einem Boot. Sie rauchen und beraten sich. Er gibt ihnen je noch zwei. Sie telefonieren. Es gibt ein Boot für den nächsten Tag. Mit der guten Nachricht kehrt er ins Zeltlager zurück. Die Freunde helfen gerade aus Langeweile, einen Lastkahn mit Melonen abzuladen. Am nächsten Morgen liegt das Boot an der Donau. Es ist lang, sodass alle hineinpassen, hat aber nur drei Ruder. Sie legen ab, eine Karte vom Donaudelta haben sie nicht. Auf dem Fluss kommt ihnen ein großes rostrotes Frachtschiff entgegen. Als es sie passiert, schießt das Wasser Richtung Flussmitte. Dann kommt die Gegenwelle. Schwarz und schaumgekrönt wälzt sie sich auf das Boot zu.

„Große Gefahr“, ruft Edwin und versucht, das Boot mit dem Bug Richtung Welle zu manövrieren. Dabei bricht er ein Ruder ab. Seitdem hat er den Spitznamen „Uns´ Edwin, große Gefahr“ weg. Das Boot wird von der Welle erfasst, schwankt bedenklich, kentert aber nicht. Georg fällt ins Wasser und verletzt sich am Fuß. Sie biegen in einen Seitenarm ab, sind endlich im Donaudelta. Am Ufer einer Insel liegt eine tote Kuh. Ihnen fällt auf, dass sie weder Trinkwasser noch Proviant dabeihaben. Dem Wasser trauen sie nach Sichtung der Kuh nicht über den Weg. Sie kehren bald ins Lager zurück. Georg überbringt die Nachricht vom kaputten Ruder im Hotel. Es gibt noch eine Runde Kent, und damit ist alles in Ordnung.

Dann trennt sich die Gruppe. Ed fährt nach Berlin zurück, Anita, Mats und Inge fahren zu Resi, einer alten rumänischen Bäuerin. Georg will die Siebenbürger Kirchenburgen besichtigen. Maren und Anne schließen sich an. „Uns´ Edwin, große Gefahr“ ist überzählig. Auf dem Gang des Zuges Richtung Siebenbürgen verbringen die drei die Nacht, terrorisiert vom Schaffner, der unbedingt eine Platzkarte sehen will. Er beruhigt sich nach einer Kent. Morgens steigen sie in Siebenbürgen aus und besichtigen das erste Dorf. Ein alter Bauer lehnt in der Tür seines Hauses. Sie fragen ihn nach Milch und Brot. Er holt beides und will nur wenig Geld. Er erzählt, dass seine Kinder wie fast alle jungen Leute aus dem Dorf nach Westdeutschland gegangen sind. Ein junger Mann aus Schwaben würde regelmäßig im Sommer zu ihm kommen und bei der Feldarbeit helfen. In die alten Bauernhäuser zögen jetzt vermehrt Zigeuner. Der Bauer schenkt ihnen noch Tomaten. Sie besuchen die Kirchenburg und wandern weiter. Unterwegs treffen sie einen Schäfer. Georg holt die Uhr aus der Tasche. Der Schäfer zeigt Interesse und bietet zum Tausch eine große Menge Schafskäse an, verpackt in Baumrinde. Georg ist einverstanden. Über Tage hinweg ist der Käse mit Tomaten und Brot die Nahrung der drei. Sie übernachten gemeinsam im Zelt. Obwohl er die beiden gut findet, kommt es außer schüchternen Gutenachtküssen zu keiner Interaktion. Sie erreichen Birthälm, das Dorf mit der berühmtesten Kirchenburg. Der ältere Mann, der im Dorf den Schlüssel hat, führt sie. Danach zeigt er ihnen noch eine rumänische Kirche, die gerade mit Wandmalereien geschmückt wird. Der Maler, der sich selbst an den Wänden portraitiert hat, lädt den Mann und die drei deutschen Gäste zum Wein ein. Der schmeckt faulig, sodass während des Trinkens betretenes Schweigen herrscht. Am Abend spricht sie ein junger Mann an. Er will ihnen, obwohl das in Rumänien streng verboten ist, die Möglichkeit geben, auf seinem privaten Grundstück zu zelten. Er hat wohl mit einer Gegenleistung gerechnet, kommt nachts zum Zelt und will eines der Mädchen für sich. Im Zelt herrscht gespannte Stille. Zum Glück wird die Mutter des Mannes wach, schimpft und ruft ihn ins Haus. Am Morgen brechen die drei ohne Abschied auf. Es geht zum nächsten Dorf, wo ein Barbier seinen Laden offen hat. Georg lässt sich genüsslich rasieren und die Haare waschen, nicht fönen. Vielleicht ist das ein Fehler, denn am Abend hat er Halsschmerzen. Sie erreichen Sibiu, Hermannstadt. Dort werden die Schmerzen schlimmer, und Georg sucht eine Arztpraxis auf. Man will ihn ins Krankenhaus einweisen. Er wendet das ab und bekommt viele bunte Pillen. In Sibiu steigen sie in den Zug nach Budapest. Die Reisegefährten zelten im Garten der Quäkerfreundin Eva Javorsky. Im Gegenzug helfen sie in den Beeten. Georg hat als einziger noch Geld. Er tauscht auf der Bank alles um. Es gibt nur Forint für dreißig DDR-Mark pro Tag, für vierzehn Tage. Dieses Geld bringen sie in zwei Tagen um die Ecke. Georg lädt die Schwestern zu einem üppigen Käseabendbrot ein und lässt sich portraitieren. Damit ist der Abenteuerurlaub in Südosteuropa zu Ende. Die beiden würden sich später mit einem guten Käseabendbrot in Woltersdorf revanchieren.

2. Rüdersdorf und Berlin

Als Georg eines Abends nach dem Tag an der Universität auf dem S-Bahnhof Ostkreuz in einer Telefonzelle Schutz vor dem Herbstwind sucht, lernt er Annika kennen, die auch dort steht. Sie fahren zusammen bis Friedrichshagen. Als Annika aussteigt, sagt sie:

„Kannst mich mal besuchen, Ahornstraße 23!“

Nach ein paar Tagen geht Georg hin. Annika freut sich. Sie hat eine schöne Wohnung. An den Wänden, sie ist Malerin, hängen ihre Ölbilder. Sie trinken Wein und erzählen bis tief in die Nacht. Annikas Vater war ein bekannter Germanist, jetzt dement, und ihre Mutter ist Schwedin.

Georg sagt ihr:

„Du hast schönes Haar und schöne Ohren!“

Annika lächelt. Sie fragt leise:

Schläfst du heute Nacht bei mir? Ich hatte lange keinen Mann!“

Sie gehen ins Schlafzimmer. Dort stehen ein breites Bett und ein Webstuhl. Sie ziehen sich aus und lieben sich leidenschaftlich. Für drei Monate sind sie ein Paar. Sie webt ihm einen Pullover, den er noch lange in Ehren hält. Annika hat sich von ihm getrennt, weil sie grundlos eifersüchtig auf Paola ist, eine Italienerin, mit der Georg eine platonische Beziehung pflegt.

Mart, ein Rüdersdorfer, ist mit Mike befreundet. Er konnte nach kurzer Wartezeit nach seinem Ausreiseantrag gemeinsam mit seiner Mutter nach Westberlin auswandern. Er hat noch eine Geliebte in Rüdersdorf. Sie heißt Nelly, hat zwei Söhne von einem anderen Mann, blondes Haar und blaue Augen. Nelly hat ihre Hochzeit mit Mart beantragt. Damit würde sie auch ausreisen. Georg besucht sie manchmal in ihrer schönen Altbauwohnung. Sie hören zusammen Schallplatten, die Mart ihr schickt. Allan Parsons Project und Stills, Crosby, Nash und Young besonders gern. Gelegentlich kommt Antje dazu, Nellys ältere Schwester. Sie hat braunes Haar, braune Augen und ein süßes Näschen. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder und auch einen Ausreiseantrag. Antje und Georg mögen sich nicht, sie sticheln. Schließlich ist es soweit. Die Hochzeit ist genehmigt, wird in Rüdersdorf gefeiert. Antje ärgert sich, als Georg, der nach einer Meniskusoperation an Krücken läuft, angehumpelt kommt. Gegen ihren Willen hatte ihn Nelly auch eingeladen. Die Hochzeit verläuft romantisch, Eurythmics sind Trauungsmusik. Abends setzt sich Antje zu Georg auf den Fußboden in Nellys Wohnung. Ihr Mann ist schon gegangen. Sie lehnen nebeneinander am Kachelofen. Von einer plötzlichen Eingebung getrieben streckt er die Hand aus, legt sie ihr auf den Rücken. Beginnt zu massieren. Sie schweigen. Dann steht Georg auf. Er geht auf die nahe gelegene alte Kanalbrücke. Als er zurückkehrt, ist Antje noch da. Georg sagt ihr:

„Komm mit zur Brücke, die Nachtigall singt!“

Sie folgt ihm. Auf der Brücke umarmen und küssen sie sich. Die erste Nacht verbringen sie draußen in Nellys Garten unter einem Perückenstrauch. Aus Angst vor einer Schwangerschaft lässt sie nicht viel zu. Auf einmal ist alles anders mit dieser neuen Liebe. Für Georg ist die Zukunft völlig offen. Er sucht sich in Berlin eine Wohnung. Zuerst als Untermieter bei seinem Bausoldatenfreund Achmed in Berlin Weißensee, Friesickestraße 9. Danach mit eigenem Vertrag auf dem Hinterhof der Bergstraße 19 in Berlin Mitte. Ein spezielles Milieu, das er später in der Kiezzeitung Scheinschlag beschreiben würde. Im Mai feiert Antje Geburtstag. Viele Freunde, ihr Mann und Georg sind da. Sie zieht ihn aufs Sofa im Wohnzimmer. Das Zimmer ist sehr schön, Stuck an der Decke und alte Möbel. Plötzlich kommt ihr Mann durch die Tür. Er fordert Antje zu einer Aussprache. In deren Folge zieht er zu seiner Mutter. Die Scheidung wird eingereicht. Zu den Kindern gewinnt Georg ein gutes Verhältnis. Einmal pro Woche ist er abends mit ihnen allein, während Antje zum Töpfern geht. Sie schenkt ihm eine selbstgemachte Teekanne und vier Tassen. Diese sollten ihn überallhin begleiten.

Georg wohnt mehr bei Antje in Rüdersdorf als bei sich. Das bedeutet für sein Studium, zeitig aufstehen und spät zurück sein. Er nimmt wenig am Studentenleben teil. An einem Wochenende, die Kinder sind bei Antjes Mutter, brechen Antje und Georg zu einer Radtour ins Brandenburgische auf. Am ersten Abend zelten sie auf einer Waldwiese. Mitten in der Nacht wachen sie gemeinsam auf und lieben sich leidenschaftlich. Dabei könnte es passiert sein: Kurze Zeit später bemerkt Antje, dass sie schwanger ist. Schweren Herzens tritt sie den Weg ins Krankenhaus an. Sie traut sich nicht zu, allein mit einem Baby nach Westberlin zu gehen. Georg kämpft nicht um sein Kind, überlässt ihr die Entscheidung. Auch einen Ausreiseantrag zu stellen und so sein ganzes Umfeld und sein Studium zu verlieren, kommt ihm nicht in den Sinn. Zunächst vergessen beide schnell, was passiert ist.

Georg ist Antje im Wesentlichen treu. Aber auf dem Olof-Palme-Friedensmarsch vom KZ-Ravensbrück nach Oranienburg, an dem er mit seinem Vater teilnimmt, lernt er eine schöne Frau aus Leipzig kennen. Sie schlafen nicht miteinander, aber es funkt gehörig. Er trifft sie nie wieder.

Georg ist im ersten Jahr ein guter Student. Er profitiert noch vom hervorragenden Mathematik- und Physikunterricht auf der Rüdersdorfer Schule, bekommt Leistungsstipendium. Er regt seinen Seminargruppenleiter Dr. Hensel an, einen Austausch mit Westberliner Physikstudenten zu beginnen. Hensel forscht auf dem Gebiet der Chaostheorie. Später würde Georg für ihn auf einem C64 ein statistisches Rechenprogramm für eine Publikation schreiben. Den C64 hatte ihm sein Patenonkel, der Anwalt Dr. Andreas Adler, geschenkt.

Hensel ist von der Idee angetan. Er wird aber von der Sektionsleitung zurückgepfiffen. So macht Georg das auf eigene Faust. Es gibt einige Treffen. Holm ist mit seiner Freundin dabei. Später würden zwei Stasileute um vier Uhr früh bei der Freundin erscheinen und sie vor weiteren Treffen warnen.

Bausoldatenfreund Albert führt Georg in die Magdeburger Burschenschaft ein. Bei dieser nichtschlagenden studentischen Verbindung geht es um Biertrinken und Singen. Erst ist er Fuchs und hat ein altes Kommersbuch mit Studentenliedern von Albert. Als er zum Burschen befördert wird, klaut ihm ein Verbindungsbruder das Buch. Georg ist enttäuscht und geht nicht mehr hin.

Dann soll das Wehrlager kommen. Georg besorgt sich ein Attest, dass er Platzangst hat und nicht mit vielen Leuten in einem Raum übernachten kann. So kommt er in den ambulanten Dienst nach Berlin Biesdorf. Der ist ätzend genug. Im nahe gelegenen Studentenwohnheim lernt er eine junge Familie aus Sao Tomé kennen. Sie besuchen Antje und ihn in Rüdersdorf und kochen exotisches Essen für sie.

Später gibt es im Rahmen des Studentensommers einen Arbeitseinsatz im Volkseigenen Betrieb Elektrokohle Lichtenberg. Georg kommt an eine große Stanze, an der schon sowjetische Kriegsgefangene gearbeitet hatten. Nach Schichtende ist er schwarz vom Kohlenstaub.

Seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag feiert Georg groß bei Antje. Viele Gäste sind da: Seine Familie, Bausoldatenfreunde, Maren und Anne. Anne, sie studiert inzwischen Puppenspiel, führt ein Stück auf. Antje hatte ihm Füller und Kugelschreiber aus Metall geschenkt, mit seinem Namen eingraviert. Später würde sie ihm noch einen Holzschreibtisch mit Stuhl kaufen.

Im Sommer 1989 erhält Georg die Erlaubnis, zu einem UNO-Seminar der Quäker nach Genf zu fahren. Er holt seinen Pass beim Staatssekretariat für Kirchenfragen ab. Der Staatssekretär, Vater von Gregor Gysi, wurde während der Nazizeit von den Quäkern unterstützt und ist ihnen deshalb wohlgesonnen. Georg durchläuft die Grenzkontrollen des Tränenpalastes, sieht den weißen Strich auf dem Bahnsteig, die gewehrbewaffneten Grenzer in der Halle und steigt in den Zug nach Basel. Vorher ist eine Westberliner Quäkerin gekommen und hat ihm Westgeld zugesteckt. In Basel hat er Aufenthalt, bewundert die alten Fachwerkhäuser, den Tingelybrunnen und den Saxofonspieler auf einem sonnigen Platz. In Genf angekommen, findet er das Quäkerhaus. Die Seminare sind interessant. Nachts streift er durch Genf. Ihm fällt ein altes, heruntergekommenes Haus auf. An der Fassade hängt ein Plakat auf Französisch. Georg beherrscht diese Sprache gut, weil er während seiner Zeit auf der Rüdersdorfer Schule autodidaktisch mit einem Assimil-Sprachkurs gearbeitet hat. Den Kurs hatte der Familie der Quäkerfreund Paul Champagnol aus Lyon geschenkt. Diesen hatte Georg als Freund gewonnen, weil sie gemeinsam auf Quäkerjahresversammlungen in Schmiedeberg waren.

Also liest er:

„Dieses Haus ist besetzt!“

Er betritt das Haus, macht die Bekanntschaft der Besetzer. Diese nehmen ihn zu einer Party in einer ehemaligen Goldfabrik am Genfer See mit. Eine Frau tanzt extatisch im Sitzen. So etwas hat Georg noch nie gesehen. Sie gehen zum See, aus dem zwei schnellfließende Flüsse hervorgehen. Auf einer Brücke holen die Besetzer duftendes Kraut heraus und rauchen es. Der Nichtraucher Georg nimmt auch ein paar Züge. Er fühlt sich wunderbar.

Zurück in Westberlin läuft er vom Zoo die U-Bahnlinie 1 bis zum Schlesischen Tor ab. Er tut das in Erinnerung an den Kinofilm Linie 1. Am Kottbusser Tor sieht er bunte Punks. In einem Straßencafé trinkt er seinen ersten Milchkaffee. Im benachbarten Trödelladen kauft er drei Glasmurmeln. Sie sollten ihn auf allen Umzügen begleiten. Am Kurfürstendamm kauft er ein Geschenk für Antje, eine Leggins mit Mustern der Aborigines. An einer Häuserfront sieht Georg einen Automaten. Dieser verheißt einen erotischen Film für eine D-Mark. Er kramt aus seiner Hosentasche das Geldstück hervor und sieht den anregenden Streifen. Er fährt zum Bahnhof Friedrichstraße: Grenzkontrolle! Eine Eisentür fällt hinter ihm ins Schloss. Sie hat weder Klinke noch Schlüsselloch. Er ist wieder im Osten. Antje hat lange gewartet, um ihn abzuholen. In dieser Nacht liebt Georg sie leidenschaftlich, auch in Erinnerung an den Film.

Wenig später wird ihr Ausreiseantrag genehmigt. Georg bringt die Familie zum Tränenpalast und sieht sie mit ihrem Gepäck verschwinden. Die erste Zeit kann ihn Antje in Ostberlin besuchen. Dann verweigert man ihr die Einreise. Nur ihr jüngster Sohn John kann in Begleitung von Wolf Ziegner kommen. Er und Georg sind durch die Studententreffen Freunde.

Auf einer Busfahrt zur Universität steht Georg neben einer schönen jungen Frau. Sie wenden einander die Köpfe zu, küssen sich spontan. Sie sagt ihm:

„Ich arbeite im Naturkundemuseum. Besuche mich mal!“

Georg geht etwas später hin. Sie sitzt im Kassenschalter. Stumm küssen sie sich wieder. Er geht, will Antje treu bleiben.