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Eine goldige Frohnatur wie Sunny hat keine Feinde. Eigentlich. Na ja, vielleicht gibt es jemanden, den er ein ganz klein wenig blöd findet: Luca, den Kapitän der Fußballmannschaft, dessen einziges Hobby Brüllen zu sein scheint. Dass Luca Sunny für einen erbärmlichen Waschlappen hält, macht die Sache nicht besser. Sie sind viel zu verschieden, um je Freunde zu werden. Leider werden sie Stiefbrüder. Und Sunny findet heraus, dass sie mehr gemeinsam haben, als er dachte. Sehr viel mehr. Ist ihre Patchworkfamilie vielleicht doch ein Glücksfall? Ist sein nerviger Stiefbruder netter als es scheint? Mag sein, aber Sunny wird sich ganz bestimmt nicht in ihn verlieben. Nie. Auf gar keinen Fall.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Inhaltsverzeichnis
1. Begegnung im Schnee
2. Zusammenarbeit mit Hindernissen
3. Gast ohne Manieren
4. Frühling der Liebe
5. Abendessen zu fünft
6. Rauf oder runter
7. Sieger nach Punkten
8. Prinzessin im Turm
9. Freund in Not
10. Gefährlich bis lebensgefährlich
11. Angst und Schrecken
12. Wenn und Aber
13. Treffen im Dunkel
14. Erkenntnis am Morgen
15. Anders aber besser
16. Küsse im Sonnenschein
17. Gefahr der Entdeckung
18. Spaß am See
19. Fast zu spät
20. Traum und Realität
21. Feier mit Überraschungen
22. Flucht in die Nacht
23. Hand in Hand
24. Bereit oder nicht
25. Mutter gegen Sohn
26. Vorfreude und Nachglühen
27. Gefahr im Verzug
28. Kopf an Kopf
29. Fahrt zur Hölle
30. Allein unter Freunden
31. Erwachen ohne Gnade
32. Lug und Trug
33. Geist der Nacht
34. Falsch aber unaufhaltsam
35. Müde und mutlos
36. Sicher und verzweifelt
37. Hilfe von unten
38. Endspiel mit Familie
39. Ruhe nach dem Sturm
40. Sieg der Herzen
41. Friede und Freude
42. Epilog
Impressum
Sonnengeküsst
Text Copyright © 2016 Regina Mars
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.
Regina Mars
c/o Block Services
Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
www.reginamars.de
Alle Rechte vorbehalten
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Copyright © Regina Haselhorst
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Ja, das war er.
Luca Wolf. Kapitän der Fußballmannschaft. Ein Meter achtzig pure Wut und jemand, der nie sprach, sondern stets aus vollem Halse brüllte. Gerade lag er allerdings bäuchlings im Schnee, alle viere von sich gestreckt.
Sunny beobachtete ihn unschlüssig. Lebte der Kerl noch? Ja, seine Nasenflügel weiteten sich und weiße Flocken stoben in einer Dampfwolke auf. Immerhin. Der Rest von Lucas muskelbepacktem Körper war leider vollkommen regungslos.
Eisiger Wind zerrte an Sunnys Locken, während er überlegte, was er tun sollte. Fröstelnd blickte er sich um. Niemand war zu sehen, nicht auf dem zertrampelten Weg und nicht im Rest des kleinen Parks mit den schlanken Fichten. Weit und breit nur Schnee.
Der merkt doch gar nicht, dass du weitergehst, flüsterte eine leise Stimme in Sunnys Ohr. Sofort hatte er ein schlechtes Gewissen. Klar, er hatte Angst vor dem Kapitän, aber er konnte ihn nicht einfach hier liegenlassen.
Vorhin, in der Grillhütte, hatte das Fußballteam drei Fässer Bier und fünf Flaschen Wodka geleert. Und Luca war mittendrin gewesen, stets mit mindestens einem Pappbecher in der Hand. Selbst wenn er lachte, brüllte er. Er brüllte, sobald er den Mund aufmachte.
Irgendwie war er immer wütend. Was auch der Grund war, warum Sunny sich nicht traute, ihn zu wecken. Er rechnete damit, einen Hieb auf die Nase zu bekommen, sobald er sich zu Luca herunterbeugte.
Konnte er sich überhaupt noch bewegen? Der Kerl musste kurz vor einer Alkoholvergiftung stehen. Zumindest roch er so. Der klare Geruch des Winters mischte sich mit dem Gestank nach abgestandenem Bier und der ging eindeutig von Luca aus.
Sunny ballte die Hände zu Fäusten und stupste dem anderen Jungen mit dem Fuß gegen den Oberarm. Der rührte sich nicht.
»Hey«, sagte Sunny. »Kannst du mich hören?«
Ein unwilliges Brummen. Lucas schmale Lippen verzogen sich. Er sieht echt aus wie ein Wolf, dachte Sunny. Nein, wie ein Dobermann. Als würde er einem gleich an die Kehle springen. Kräftig genug war er auf jeden Fall. Er hatte die breitesten Schultern der ganzen Stufe.
»Du musst aufstehen«, versuchte Sunny es erneut und bemühte sich, freundlich und vertrauenswürdig zu klingen. »Es ist kalt. Wenn du hier liegen bleibst, erfrierst du.«
Luca murmelte irgendetwas in den Schnee.
»Was?« Sunny beugte sich nun doch zu ihm herunter.
»Hau ab«, nuschelte Luca.
Sunny seufzte.
»Ich kann nicht.«
»Wso?« Lucas Stimme schwankte zwischen Brabbeln und Lallen.
»Wenn ich dich allein lasse, stirbst du vielleicht.«
»Na und?« Luca öffnete ein Auge. Das linke, graue. Dass er verschiedenfarbige Augen hatte, ließ ihn nur noch gruseliger aussehen.
Er blieb liegen. Schloss das Auge wieder. Und Sunny hatte zu viel Angst, um ihn wachzurütteln. Stattdessen zog er sein Handy aus der Manteltasche und rief Alex an.
»Ja?« Wummernde Musik untermalte Alex' Stimme. Alex' wunderschöne Stimme. Sunny schluckte. Er war also noch in der Grillhütte, in der Chantal ihren Geburtstag feierte. Und wahrscheinlich hatte er Alex gerade beim Knutschen mit Chantal unterbrochen.
»Hey! Ich brauch die Nummer von Lucas Eltern«, sagte Sunny fröhlich. »Hast du die?«
»Die Nummer von … Was willst du denn damit?«
»Ich … hab ihn gefunden. Auf dem Heimweg.«
»Was? Gefunden?« Alex zögerte. »Ist er tot?«
»Ne, sturzbesoffen. Ich habe eben nicht mal mitbekommen, dass er gegangen ist. Dachte, er ist immer noch bei den Fußballern und säuft. Und jetzt liegt er hier und will nicht aufstehen.«
»Lass ihn doch liegen.« Alex schnaubte. »Er ist ein Arschloch.«
»Ich kann ihn doch nicht einfach erfrieren lassen.« Meinte Alex das ernst?
»Warum nicht? Er hat dich einen Lappen genannt.«
»Ja, aber …«
»Und ein Weichei«, sagte Alex. »Und eine Lusche und einen Versager und ein Mädchen und …«
»Ja, aber ich kann ihn doch nicht sterben lassen!«, rief Sunny. Alex' Worte pieksten in sein Herz wie winzige Nadelstiche. Er sah auf Luca herunter, der zu seinen Füßen lag und sich nicht rührte. Ja, das hatte er alles gesagt. Der Dummbeutel.
Alex seufzte.
»Wie du meinst. Ich frag mal rum.«
Die wummernde Musik wurde lauter. Sunny erkannte im Stimmengewirr Anna und Fred. Anscheinend war die Party noch im vollen Gange. Er wäre auch geblieben. Anna hatte ihn angefleht, zu bleiben, weil er der einzige Junge war, der tanzte. Aber Alex und Chantal rumknutschen zu sehen, Alex' strahlendes Lachen, wenn er mit ihr sprach … Das hatte Sunny nicht ausgehalten. Also war er aufgebrochen. Und hatte Luca gefunden, Kilometer von der Grillhütte entfernt …
Eine Bewegung zu seinen Füßen. Sunny schreckte zurück und sah, dass Luca sich aufrappelte. Seine gesamte Vorderseite war weiß, mit bröckeligem Schnee bedeckt. Schwankend kam er zum Stehen. Wischte sich über das Dobermann-Gesicht, blinzelte und ließ seinen trüben Blick umherwandern.
Ja! Sunny hätte fast geheult vor Erleichterung. Dieser Dummbeutel würde es alleine nach Hause schaffen! Er würde heimgehen und …
Luca wandte sich um, torkelte ein paar Schritte bis zum nächsten Baum und öffnete die Knöpfe seiner Jeans. Sunny sah nur seinen breiten Rücken, aber ihm war klar, was der Typ machte. Mit dem rechten Ohr hörte er Partygeräusche, mit dem linken ein leises Plätschern. Aber das war es nicht, was ihm die Hitze in die Wangen steigen ließ. Lucas Hose war ein Stück heruntergerutscht und Sunny konnte ganz klar erkennen, dass … nun, dass sein Hintern schöner war als sein Charakter. Viel schöner.
Wütend auf sich selbst drehte er sich um. Was sollte das jetzt? Luca war ein Dummbeutel, den hatte er nicht schön zu finden. Er war in Alex verliebt und …
»Hab sie!«, rief Alex in sein Ohr und Sunny machte einen Satz rückwärts. »Die Nummer von seinem Vater. Ich schick sie dir. War sonst noch was? Ich bin hier ein bisschen beschäftigt, falls du verstehst, was ich meine.« Er lachte und Sunny schloss die Augen.
»Ja, danke.« Er zwang sich, zu lächeln. »Bis … bis Montag dann.«
»Ja, bis Montag.« Klick. Alex hatte aufgelegt. Ein leises Summen kündigte an, dass Sunny die Nummer von Lucas Eltern erhalten hatte. Aber das würde nicht nötig sein. Der Dummbeutel hatte es immerhin geschafft, aufzustehen, also würde er auch nach Hause finden …
Zack.
Plötzlich lag der massige Körper des Kapitäns wieder vor Sunnys Füßen. Genau wie eben. Nur andersherum, so dass er den schmelzenden Schnee auf Lucas Brust bewundern konnte. Immerhin hatte er seinen Hosenstall geschlossen.
»Hey.« Sunny trat ihm, so sanft er konnte, in die Rippen. »Hey, du musst aufstehen. Du musst nach Hause gehen.«
Zu seiner Verwunderung hörte er ein leises Lachen.
»Binnoch nich lebensmüde«, lallte der Kapitän. »Wenn ich so heimkomme, krieg … krieg ich hundert Jahre Hausarrest. Minnestens.«
»Aber …«
»Ich warte hier, bis mein Vater schlafen geht. So um … eins.« Luca schloss die Augen. Sunny sah auf sein Handy. Es war noch nicht mal halb zwölf.
Er rieb sich über die Nasenwurzel und rief Lucas Vater an. So langsam wurde es ungemütlich. Eisige Kälte kroch durch den Stoff seiner Jeans und griff nach seinen Knochen. Bibbernd betrachtete er die Dampfwölkchen, die seinen Mund verließen. Er wollte nach Hause. Unter die warme Decke, schlafen, Alex vergessen, Chantal vergessen … und Luca erst recht.
Aber niemand ging ans Telefon. Sunny ließ sein Handy sinken und seufzte tief. Todtraurig schrieb er eine Nachricht an Lucas Eltern. Er wusste, was zu tun war. Er hasste es.
»Aufstehen!« Er rüttelte an Lucas Schulter. »Du kannst bei mir pennen. Aber steh auf, ich kann dich nicht heben.«
»Du Lappen«, murmelte Luca. Dieser Dummbeutel. Aber er drehte sich zur Seite und wuchtete seine Masse aus dem Schnee.
Irgendwie schaffte Sunny es, ihn den Rest des Weges mitzuschleifen. Ständig kam Luca von der Straße ab und Sunny, der ihn stützte, war nicht stark genug, um sich dagegen zu stemmen. Sie waren fast gleich groß, aber Sunny war halt viel schmächtiger. Ein Lappen.
Ihre Fußabdrücke im frischen Weiß waren trampelige Schlangenlinien. Luca war schwer. Und stank nach Alkohol. Und … na ja, seine Wärme war ganz nett, jetzt, wo der Großteil des Schnees von ihm abgefallen war. Immer wieder berührten sich ihre Wangen. Die Umstände waren nicht ideal, aber endlich hielt Sunny einen anderen Jungen im Arm.
Trotzdem war er noch nie so erleichtert gewesen, sein Zuhause zu sehen. Die kleine Mietswohnung in dem weißen Mehrfamilienhaus, in der er mit seiner Mutter wohnte. Sie schlief schon, daher bugsierte er Luca, so leise er konnte, über die dunklen Holzdielen im Flur.
Der vertraute Räucherstäbchengeruch drang in seine Nase, als er am Yogazimmer vorbeiging. Dem, in dem seine Mutter Privatstunden gab. Heute hatte sie die mit Sandelholzduft abgebrannt.
Als sie endlich sein Zimmer erreicht hatten, ließ er Luca einfach auf den Teppich fallen. Es reichte. Er breitete eine Schafwolldecke über Lucas Körper aus, versicherte sich, dass er frei atmen konnte und krabbelte ins Bett. Das war eh nicht groß genug für zwei und er wollte es bestimmt nicht mit diesem Säufer teilen. Warum trank ein Sportler so viel? Das konnte doch nicht gut für seine Kondition sein.
Sunny wälzte sich herum und betrachtete Lucas Gesicht. Im trüben Mondlicht, das durch seine Vorhänge drang, sah es ein wenig weicher aus als sonst. Kunststück. Härter ging auch kaum. Alles an Luca war kantig, seine Wangenknochen, sein Kinn, seine gerade Nase …
Sunny wusste genau, dass sie gleich alt waren. Aber Luca sah aus wie ein Mann und er selbst … wie ein süßer kleiner Junge. »Niedlich« und »knuffig« waren Komplimente, die er oft bekam. Komplimente für seine hellbraunen Locken, seine Grübchen, sein fröhliches Gemüt. Sunny. Der Sonnenschein der Klasse. Alex' Sidekick. Eine Lusche, laut dem Kerl, der auf seinem Boden ausgebreitet lag.
Ein ohrenbetäubendes Schnarchen erklang. Super. Lucas Lippen vibrierten mit jedem Sägegeräusch. Sunny schluckte. Im Dunkeln sahen diese Lippen gar nicht mehr so schmal aus. Der Mund nicht so hart. Ein saublöder Gedanke poppte in seinem Kopf auf.
Du wolltest doch wissen, wie es sich anfühlt, flüsterte eine Stimme. Wie es ist, einen anderen Jungen zu küssen. Dieser Dummbeutel ist viel zu besoffen, um etwas mitzukriegen. Und morgen erinnert der sich eh an nichts mehr.
Aber das war falsch. Das ging nicht. Sunny biss sich auf die Unterlippe. Sah auf Lucas kräftigen Schädel mit den kurzgeschorenen Haaren.
Nein, beschloss er und drehte sich um. Nicht so. Und schon gar nicht mit dem.
Luca hatte von Anfang an nichts als Ärger bedeutet.
Als Sunny vierzehn gewesen war, waren sie hergezogen. Leider hatte die örtliche Waldorfschule keinen Platz mehr frei gehabt, also war Sunny auf das Erich-Kästner-Gymnasium gewechselt. Lucas Schule. Kurz nach dem Umzug hatten sie zusammen Aufräumdienst gehabt.
Der Aufräumdienst war eine Strafe. Sunny war bestraft worden, weil er ständig zu spät kam. Und der Kapitän … keine Ahnung. Irgendetwas stellte der immer an. Meistens brüllte er Leute nieder, stritt sich mit Lehrern und geriet in Schlägereien. Oft mit mehreren Jungs gleichzeitig. Ein Wunder, dass er überhaupt noch Kapitän des Fußballvereins war, bei all dem Ärger, den er sich einbrockte. Alex wäre eine viel bessere Wahl gewesen, fand Sunny.
Aber das hatte er damals noch nicht gewusst. Damals war es seine Aufgabe gewesen, in der Pause die Leiter zu halten, damit Luca hochsteigen und die Regenrinne säubern konnte. Die im zweiten Stock. Und er hatte echt nur ganz kurz geträumt, eine Sekunde lang nicht aufgepasst, weil er zugeschaut hatte, wie eine Amsel in die Linde flog, die mitten auf dem Schulhof stand. Ob sie dort ihr Nest hat?, hatte er überlegt. Ob …
Plötzlich hatte er ein Scheppern hinter sich gehört. Die Leiter. Und Luca. Beide waren auf dem Boden gelandet.
»Oh nein, das tut mir leid …«, hatte Sunny gesagt und versucht, Luca aufzuhelfen. Aber der war aufgesprungen wie ein … Tiger oder so. Und hatte losgebrüllt.
»BIST DU VÖLLIG VERBLÖDET DU LAPPEN??? ICH HÄTTE MIR DEN HALS BRECHEN KÖNNEN! DU VOLLPFOSTEN, DU VERSAGER, DU BIST JA ZU BLÖD ZUM LEBEN …«
Und so weiter. Luca brüllte immer in Großbuchstaben.
Und Sunny … der war an diesen Tonfall nicht gewohnt gewesen. An seiner alten Schule hatte ein ganz anderer Umgangston geherrscht: ruhig und respektvoll. Zuhause, bei seiner Mutter, erst recht. Er hatte nicht gewusst, wie er mit diesem rasenden Wüterich umgehen sollte, der ihm eine Beleidigung nach der nächsten an den Kopf warf.
Seit Sunny fünf gewesen war, hatte ihn niemand mehr angebrüllt. Also hatte sein Körper automatisch so reagiert, wie er es damals getan hatte: mit Weinen. Sunnys Augen waren übergequollen und er hatte begonnen zu schniefen. Auf dem Pausenhof.
Und alle hatten zugesehen.
Immerhin hatte Luca irgendwann aufgehört, zu brüllen, ihn kopfschüttelnd angeschaut und war davongehumpelt. Alle anderen hatten gelacht. Hundert kreischende Gesichter, Finger, die auf Sunny zeigten, halb verborgen von einem Tränenschleier. Ihm wurde immer noch kalt, wenn er daran dachte.
An seiner alten Schule hatten sie sich gegenseitig getröstet. Da durften Jungen weinen. Aber hier nicht. Das hatte er auf die harte Tour gelernt. Unter anderem von Luca, der ihn seitdem, immer wenn sie sich auf dem Flur begegneten, beleidigte. Lusche. Weichei. Heulsuse.
Es hatte lange gedauert, bis Sunny sich an der neuen Schule zurechtgefunden hatte. Und alles wegen dem Dummbeutel.
Er erwachte von einem Schnarchen. Sunny setzte sich auf und rieb sich die Augen. Ja, Luca war noch da. Sonnenstrahlen fielen auf seinen Körper, der sich die ganze Nacht über nicht bewegt zu haben schien.
Vorsichtig stieg Sunny über ihn und schlich in den Flur. Er brauchte einen Tee. Vielleicht sogar einen schwarzen, auch wenn seine Mutter meinte, Aufputschmittel wären eine schlechte Idee.
Da kamen Stimmen aus der Küche. Die helle, zwitschernde seiner Mutter … Okay, das war eindeutig seine Mutter. Aber sie klang anders als sonst. Irgendwie … schnurrender? Fast wie Friedbert, ihr Kater. Die andere Stimme hatte er noch nie gehört, trotzdem kam sie ihm irgendwie bekannt vor. Sie war eindeutig männlich. Dröhnend. Klang fast wie …
Sunny lugte durch die Küchentür. Ja, eindeutig. Der Mann mit dem grauen Bürstenhaarschnitt und dem breiten Kreuz, der am Küchentisch saß? Lucas Vater. Garantiert. Er sah aus wie jeder Held in jedem Kriegsspiel, das er je mit Alex gespielt hatte. Narben, Muskeln, harter Mund, kantiges Kinn. Fehlte nur noch eine Augenklappe.
»Ja, es ist nicht leicht«, zwitscherte Marianne, Sunnys Mutter, »Aber Sunny hilft mir im Haushalt, wenn er da ist, und die Wohnung ist ja recht klein … Sunny!«
Sie sprang fast von ihrem Stuhl auf, als Sunny hereinschlurfte. Immer noch in den Klamotten von gestern, mit verwuschelten Haaren. Hatte er die beiden bei irgendetwas unterbrochen? Unschlüssig sah er Marianne an. Sie wirkte so zart neben diesem Muskelklotz.
»Sie … sind Lucas Vater, richtig?«, fragte Sunny. Der Klotz nickte.
»Aaron Wolf«, bellte der, als wären sie beim Militär. »Hast du mir gestern geschrieben?«
Sunny zuckte zusammen, als er die laute Stimme hörte. Ja, ganz eindeutig war der mit Luca verwandt. Nur, dass er noch irgendeinen Akzent hatte, ganz schwach, aber hörbar.
»Ja. Luca schläft noch …«
»Das wird sich gleich ändern.«
Mit einem Knurren marschierte der Kerl an Sunny vorbei. Verwundert bemerkte Sunny, dass er Stiefel trug. Schwere, schwarze Stiefel. Sonst bestand Marianne doch darauf, dass alle Gäste ihre Schuhe auszogen und die selbstgefilzten Pantoffeln anprobierten.
Marianne sah dem Kerl nach.
»Er ist Amerikaner, weißt du?«, sagte sie. Die Fältchen um ihre Augen kräuselten sich. »Ist mit einundzwanzig hergekommen, war hier jahrelang stationiert und hat jetzt …«
»AUFSTEHEN, ZACK, ZACK!«, brüllte jemand, so laut, dass man es bis in die Küche hören konnte. Lucas Vater. Sunny hörte Gemurmel. Luca.
»NATÜRLICH HAST DU GESOFFEN! DU STINKST BIS HIER! WENN DU NACHHAUSE KOMMST, PUTZT DU DAS GANZE HAUS UND PARTYS GIBT'S AUCH NICHT MEHR …«
Sunny zuckte zusammen. Zum ersten Mal empfand er Mitleid mit Luca. Kein Wunder, dass der so ein Brüllaffe geworden war …
»EINEN SCHEISS MACH ICH!«, brüllte Luca zurück.
»WIE WAR DAS?«
»ICH HAB GESAGT …«
Die beiden schrien hin und her, bis Sunny und Marianne halb taub waren. Dann erklangen Schritte. Laute Schritte. Herr Wolf scheuchte Luca vor sich her aus dem Flur.
»Bitte entschuldigen Sie die Umstände.« Er nickte Marianne zu. Die schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
Luca warf Sunny einen hasserfüllten Blick zu.
»Warum hast du meinen Alten angerufen, du Lusche … Au!«
Sein Vater packte ihn am Ohr und zerrte ihn weiter. Die Haustür schmetterte ohrenbetäubend ins Schloss.
Stille.
Dieser … dumme Dummbeutel! Sunny atmete tief ein und aus, um die Wut zu besiegen. Um nicht zuzulassen, dass sie Besitz von ihm ergriff, genauso, wie Marianne es ihm beigebracht hatte.
Er hatte Luca vor dem Kältetod bewahrt und das war der Dank? Erst dreiundzwanzig Atemzüge später hatte er sich beruhigt.
»Was für eine … interessante Familie«, sagte Marianne. Sunny nickte zögernd.
»So kann man das ausdrücken.«
Zum Glück waren sie weg. Er würde sein Zimmer lüften, duschen und heute Abend mit Mandy und Alina-Lara Karaoke singen gehen. Und er würde diesen Dummbeutel nicht mal mehr anschauen, bis er das Abi geschafft hatte. Genau. Ein perfekter Plan.
Leider funktionierte er nicht.
Eine Woche später schlurfte Sunny wieder in die Küche. Schwache Wintersonnenstrahlen schienen auf die Fliesen, die sich unter seinen Füßen eiskalt anfühlten.
Wieder saß Aaron Wolf bei Marianne am Küchentisch.
»Morgen«, murmelte Sunny und gähnte.
Die beiden sahen ihn an, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt. Hä? Oh richtig: Aaron trug diesmal die Batik-Filzschlappen, die Marianne allen Gästen aufdrängte, und … Mariannes Bademantel, den er mit seiner Masse fast sprengte. Es schien ein fairer Tausch gewesen zu sein: Marianne trug nämlich Aarons Hemd. Es musste Aarons sein, da es so lang war, dass es ihr bis zur Mitte der nackten Oberschenkel ging.
Sunny kratzte sich am Kopf. Waren die beiden … Hatten sie … Ab und zu brachte Marianne Männer nach Hause, er hätte nicht gedacht, dass Aaron ihr Typ wäre.
»Guten Morgen, mein Schatz«, zwitscherte Marianne. Sie sprang auf und drückte Sunny einen Kuss auf den Kopf. »Du fragst dich sicher, was Aaron hier macht …«
»Ich glaub, das weiß ich.« Er erwiderte die Umarmung. Marianne roch gut, nach Sandelholz und nach Mutter. Und nach Aarons Hemd, Waschmittel und Rasierschaum. Das war neu.
»Morgen, Junge. Sandro.« Aaron Wolf nickte ihm zu. Er wirkte riesig, wie ein Bär, der in einer Puppenküche hockte. Kein süßer Teddy. Ein gefährlicher Grizzly, der einen jeden Moment anfallen konnte.
»Guten Morgen, Herr Wolf«, sagte Sunny und gähnte erneut. »Sie können mich auch Sunny nennen.«
Er löste sich von Marianne, schlappte zur Anrichte und sammelte sein Frühstück zusammen. Amaranthmüsli, getrocknete Früchte, Milch aus dem Kühlschrank. Die ganze Zeit über beobachteten die beiden ihn. Als wäre er der Erwachsene und sie würden darauf warten, dass er ihnen Hausarrest erteilte.
»Ich ess in meinem Zimmer, wenn es euch nichts ausmacht«, murmelte Sunny. Er hatte keine Lust, beim Romantik-Frühstück seiner Mutter dabei zu sein.
»Ist gut.« Marianne wirkte nervös.
Sie setzte sich wieder an den kleinen Küchentisch und nahm Aarons Hand. Die beiden aßen nicht mal: Die Holztischplatte zwischen ihnen war vollkommen leer, bis auf die schiefe Blumenvase, die Sunny in der Grundschule getöpfert hatte. Anscheinend waren sie vollauf damit beschäftigt gewesen, sich tief in die Augen zu schauen. Ein ungutes Gefühl kroch Sunnys Nacken hinauf, aber er schob es beiseite.
Nie, dachte er.
Eine Weile darauf klopfte es an seiner Zimmertür. Marianne schob ihren graubraunen Lockenkopf hinein und lächelte Sunny zu, der auf seinem Bett lag und Alex schrieb.
»Sunny, Schatz, hast du einen Moment Zeit?«
»Ja, klar.« Sunny legte sein Handy beiseite und setzte sich auf. Marianne nahm vor ihm auf der Matratze Platz. Sie trug wieder eines ihrer üblichen langen Kleider. Ein blaues mit weiten Ärmeln. Sah sehr gemütlich aus.
»Das mit Aaron und mir … Das ist nichts Ernstes«, sagte sie. Sunny fühlte sich unerwartet erleichtert, als er das hörte. »Wir sind nur … Wir haben festgestellt, dass wir viel gemeinsam haben und da haben wir uns gestern getroffen, einfach, um zu reden und, na ja …«
»Was habt ihr denn gemeinsam?«, fragte Sunny. Er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen.
»Ach, du weißt schon.« Sie lächelte, ein wenig traurig, ein wenig verträumt. »Wir ziehen beide ganz allein ein Kind auf, das heißt, er zieht vier auf, da hat man schon gemeinsame Themen. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt Zeit für ein Treffen hatte, bei der Arbeit, die er zuhause hat.«
»Ja, Luca ist bestimmt nicht einfach«, sagte Sunny. Richtig, er hatte davon gehört, dass der Kapitän keine Mutter hatte. »Und er hat noch drei Geschwister? Alex hat von seinem Bruder erzählt, aber gleich drei?«
»Hat er, alles Jungs. Aaron kümmert sich alleine um sie, seit seine Frau gestorben ist.« Marianne senkte den Kopf und faltete die Hände übereinander, als würde sie beten.
»Gestorben?«, fragte Sunny. »Aber … Oh nein. Der Arme. Die Armen.«
»Das war wohl sehr hart für sie. Die Jungs waren ja noch klein, der Älteste erst zehn, glaube ich.«
»Oh.«
Sunny knabberte an seinem Daumennagel. Lucas Mutter war tot. Er hatte keine Ahnung gehabt. Gar keine. Irgendwie war er davon ausgegangen, dass sie abgehauen war, so wie sein eigener Vater …
Mit einem Mal schämte er sich. Kein Wunder, dass Luca so ein Brüllaffe war. Wenn Marianne so früh gestorben wäre, dann … dann wäre Sunny auch wütend gewesen. Verdammt wütend. Er nahm sich vor, netter zu Luca zu sein, egal, wie oft der ihn noch als Lappen bezeichnete. Oder als Lusche.
»Auf jeden Fall tun wir uns gegenseitig gut«, sagte Marianne mit glänzenden Augen. »Ich denke, wir werden uns noch einmal treffen, vielleicht sogar zweimal. Aber dann werden wir getrennte Wege gehen, jeder auf seinem Pfad, und gestärkt weiterziehen.«
»Das ist schön«, sagte Sunny vorsichtig. Wann hatte sie zuletzt so glücklich ausgesehen? Vor sechs Jahren vielleicht, als sie ihren letzten Freund kennengelernt hatte. »Warum trefft ihr euch nicht öfter?«
»Unsere Lebensentwürfe passen einfach nicht zusammen.« Marianne schaute aus dem Fenster, hinter dem schon wieder weiße Flocken fielen. »Sonst … Aber nein. Eine kleine Affäre, ein bisschen wilder Sex, und das war’s.«
»Gut, gut.« Sunny räusperte sich. Er und Marianne konnten sich wirklich alles erzählen, aber wenn es um ihre Männergeschichten ging, wurde es ihm unangenehm. »Nur eine Affäre. Gut.«
Der Schnee schmolz, die Linde auf dem Schulhof strotzte vor Blüten und der Park, in dem er Luca gefunden hatte, war nicht mehr weiß, sondern grün. In der Luft schwebte der Geruch von Frühling und Neubeginn.
Aaron saß immer noch jeden Sonntagmorgen in der Küche, pünktlich wie ein Uhrwerk. Jedes Mal, wenn Sunny müde hereinschlurfte, lieferten Herr Wolf und Marianne sich ein romantisches Blickduell, wobei Aaron eher aussah, als wollte er einen Messerkampf anfangen. Er hatte einfach so ein Gesicht. Sunny hatte sich an den Anblick gewöhnt. Umso erstaunter war er, als er Anfang Mai in die Küche kam und Aaron mit Abwesenheit glänzte.
»Wo ist er?«, fragte Sunny. Er vermisste ihn nicht direkt, schließlich hatten sie kaum mehr als Begrüßungen und Verabschiedungen ausgetauscht. Aber wenn die Affäre beendet war, war Marianne bestimmt traurig …
Nur, dass sie strahlte vor Glück. Sie tanzte durch die Küche wie eine Elfe im Yoga-Outfit, Sterne in den Augen und Grübchen in den Wangen.
»Aaron ist bei seinen Söhnen«, zwitscherte sie. »Er musste früher gehen, um es ihnen zu sagen.«
»Ihnen was zu sagen?«
»Dass wir zusammenziehen.«
»Was?!«
Luca schäumte vor Wut. Das tat er meistens.
»Aber ich will nicht in diesem verdammten Hexenhaus wohnen«, brummte er. Mehr war nicht drin, seine Stimme war schon ganz wund vom Brüllen. Gestern und vorgestern hatte er nichts anderes gemacht. Vergeblich. Seine Brüder waren auch nicht begeistert, aber wie immer hatte ihr Vater sich durchgesetzt.
»Wir ziehen da ein. Ende der Diskussion.« Aaron sah ihn an und Luca schrumpfte ein Stück. Diesen Effekt hatte Dads strenger Blick leider auf ihn, seit er klein war.
Luca verschränkte die Arme, lehnte sich in seinem Metallstuhl zurück und knurrte. Hatte ja eh keinen Sinn. Dad machte, was er wollte. Und alle mussten mit: Luca und seine drei älteren Brüder. Er schaute in die Runde und sah dieselbe Resignation in deren Gesichtern, die er selbst spürte.
Sonnenstrahlen fielen durch das Küchenfenster auf die weiße Plastiktischdecke. Leicht abwaschbar. Leider schwitzte man wie ein Schwein, sobald man die Arme darauf ablegte. Es war eindeutig Sommer.
Sechs Monate, seit diese Lusche ihn im Schnee aufgelesen hatte. Sechs Monate, seit sein Vater diese verdammte Marianne kennengelernt hatte. Warum hatte dieses Weichei ihn nicht einfach liegengelassen? Luca hatte schon ganz andere Sachen überlebt, und …
Er hat sich halt Sorgen gemacht, flüsterte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf. Er ignorierte sie, wie immer. Warum hatte dieser Idiot sich Sorgen um ihn gemacht? Sie waren doch keine Freunde oder so. Ganz im Gegenteil. Und jetzt war sein Vater dieser Hexe Marianne verfallen und hatte beschlossen, dass sie alle zusammenziehen würden. Super.
Gestern hatten sie das neue Haus besichtigt. Eine verdammte Bruchbude war das. Ein verdrecktes Ziegelgebäude mit dreimal so vielen Erkern und Giebeln, wie nötig waren. Schmalen, uralten Fenstern, von denen der Lack abblätterte. Einem Dach mit mehr Lücken, als es das Gebiss eines Hundertjährigen hatte. Und einer ähnlichen Farbe, falls der Hundertjährige sein Leben lang Kautabak gefuttert hatte. Selbstverständlich war der Garten ein vollkommen verwilderter Dschungel.
Marianne hatte es ausgesucht. Standen Frauen auf solche Bruchbuden? Sie hatte es wildromantisch genannt. Eine Bruchbude war das, verdammt. Und Sunny, der Lappen, hatte natürlich neben seiner Mutter gestanden und begeistert genickt. Wie aus einem Schauerroman, hatte er mit glänzenden Augen getrötet. Vermutlich hatte er recht.
Luca wusste jetzt schon, dass er den Rest des Sommers mit Renovieren und Rasenmähen verbringen würde. Ohne die Hilfe der Lusche oder von Marianne. Die würde sich ganz auf die Einrichtung ihrer Yoga-Praxis konzentrieren. Und der Lappen konnte nichts.
Das hatte er ja damals schon bewiesen, als er zu blöd gewesen war, eine Leiter zu halten. Eine Leiter! Und dann hatte er geheult, wie ein verdammtes Mädchen, nur, dass selbst Mädchen in dem Alter nicht mehr gleich losplärrten, wenn man ihnen ein wenig die Meinung geigte … Na ja, doch. Taten sie. Luca brachte ständig Leute zum Weinen, wenn er sie anbrüllte. Selbst erwachsene Männer. Selbst Lehrer.
Luschen.
Luca hatte gelernt, nicht mal mit der Wimper zu zucken, wenn sein Bruder Leif ihn im Schwitzkasten hatte und dessen Zwilling Lars ihm ins Gesicht furzte. Was eine Zeitlang täglich vorgekommen war. Man musste sich halt abhärten. Aber das hatten sie bei der Lusche wohl vergessen.
Leif knallte das Essen auf den Tisch: Schnitzel und Salat. Wie immer. Lothar, der Älteste, war der Einzige, der sich ab und zu an was Ausgefallenem versuchte, was auch nicht immer gut war.
»Essen«, brummte Leif, als könnten sie das nicht sehen. Dad nahm sich als Erster, während die anderen ihm misstrauisch zusahen. Ein Schnitzel landete auf seinem Teller. Zwei. Drei. Mist. Das ließ für seine vier Söhne … genau fünf Schnitzel. Machte er das absichtlich? Sofort begannen die Zwillinge, sich darum zu streiten.
»Ich hab gekocht!«, brüllte Leif. »GIB HER!«
»Hol's dir doch!« Lars drehte sich um und stopfte sich so viel in den Mund, wie er konnte. Leif packte seine Achseln und versuchte, ihn zu Boden zu ringen. Dad schüttelte resigniert den Kopf. Von den drei Schnitzeln hatte er bereits eins vernichtet. Luca sah seine Kiefermuskeln arbeiten. Dieses verdammte Schweinefleisch war zäh wie Gummi.
»Ich hoffe, Marianne kann kochen«, sagte Lothar neben ihm. Er klang hoffnungsvoll. »Dann hätte der Umzug wenigstens etwas Gutes.«
Luca schnaubte verächtlich.
»Als ob die was anderes kochen würde als Tofu und … vegane Paste.«
Lothar seufzte. Alle Hoffnung verschwand aus seinem breiten Gesicht.
»Wahrscheinlich, Zwerg. Du meinst, wie das Zeug, das sie das letzte Mal gemacht hat? Dieses Getreidedings?«
»Das sollte ein Hackbraten sein.« Luca konnte es immer noch nicht fassen. »Ein fleischloser Hackbraten. Ich meine … warum?«
»Marianne kocht, was sie will.« Dads Stimme war schneidend. »Und ihr drückt euch nicht vor euren Aufgaben, ist das klar?«
Luca und Lothar nickten widerwillig, während die Zwillinge sich immer noch kloppten. Dad packte sein Bier und nahm einen tiefen Zug. Sie hatten alle so eine Blechdose vor sich stehen, bis auf Luca. Was er vollkommen unfair fand. Er war fast achtzehn, zur Hölle, da hätte sein Vater ruhig eine Ausnahme machen können!
»Marianne und ich haben darüber geredet.« Dad wischte sich den Schaum vom Mund, »Jeden Tag wird ein anderer kochen. Sieben Leute für sieben Tage.«
Super. Luca fragte sich, was die Lusche kochen würde. Vermutlich vegetarisches Steak aus Dinkelsamen. Nicht, dass er ihn zuhause »Lusche« nennen durfte. Das hatte Dad ihm verboten. Der Waschlappen stand unter dem Schutz seiner Mutter. Und die Mutter hatte seinen Dad in der Hand, so einfach war das. Deshalb würde Sunny auch als Einziger ein eigenes Zimmer bekommen, während Luca weiter Lothars Schnarchen ertragen musste.