Sophie, Bella Dea - Heinz-Ewo von Brand - E-Book

Sophie, Bella Dea E-Book

Heinz-Ewo von Brand

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Beschreibung

Sophie von Brandt lebte nahe dem preußischen Königshof in Berlin. Ihr Vater genoss beim König ein hohes Ansehen. Als er starb, verfügte der König, Friedrich II., dass die erst 12jährige Sophie bei Ihrer Patenmuhme, der Oberhofmeisterin Gräfin Camas, zukünftig leben und erzogen wird. Dies war für Sophie, der späteren "Bella Dea", eine ideale Voraussetzung für deren gute Erziehung. Hierzu gehörten sämtliche Benimmregeln einer wohlerzogenen jungen Dame am Königshof. Dennoch genoss Sophie bei ihren Reisen zum Stammsitz der Familie in der brandenburgischen Neumark immer wieder das ungezwungene Leben auf dem Gutshof. Überdies hatte sie das Vergnügen am königlichen Leben, wie Konzerten, Theater oder Bällen teilzunehmen. Hierbei lernte sie einen jungen Schotten kennen. Beide verliebten sich und beschlossen zu heiraten, wozu der König seine Zustimmung geben musste. Er stimmte der Eheschließung unter einer Bedingung zu, die der junge Schotte jedoch glaubte, nicht erfüllen zu können.

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FürJan, Oliver,Svantje und Annika

Dame d'atour der KöniginElisabeth Christine von Preußen

Liebe, Lust und Leid einer Hofdame

Inhalt:

Vorwort

Mein unerwarteter Einzug in das königliche Schloss Schönhausen

Auf der Hochzeit meines Lieblingsvetters Christian Ludwig von Brandt

Sommer 1745 (Rückblick I)

Weiterer Verlauf unseres Spaziergangs

Der Polterabend

Die eigentliche Hochzeit

Heimreise mit Hindernissen

Das äußerst schwierige Verhältnis mit dem Nachbarn Polen

Der Überfall

Bei Hofe unserer Königlichen Hoheit

Rückblick II, Sommer 1745

Einführung in die persönliche Korrespondenz zwischen meiner Patenmuhme und dem König

Bilder von historischen Gemälden der erwähnten Personen, Herrensitze und Schlösser

Rückblick III, Sommer 1750

Der große Ball im Berliner Schloss

Frisch verliebt

Das sommerliche Fest, dessen Vorbereitung und die Königliche Familie

Der Hof trauert

Nachwort

Anhang:

Erklärungen zu den Briefen und Schriften, die Vetter Christoph von Brandt seiner Schwester und Sophie zur Einsicht gab

Korrespondenz zwischen König Friedrich dem II. und der Oberhofdame Sophie Caroline Gräfin von Camas

Die in der Parochialkirche in Berlin beigesetzten Personen der Familie von Brandt

Personenregister (direktes Umfeld von Sophie)

Die genannten Geschwister des Königs

Verzeichnis der gezeigten Bilder

Umrechnung Preußischer Maße in das metrische System

Textquellenverzeichnis

Vorwort

Die im vorliegenden Roman genannten Personen und Familien, auch die lediglich am Rande erwähnten, sind historisch verbürgt. Ebenso entsprechen Orte, Landschaften und Gebäude ihren realen Gegenstücken. Vorgänge und Umstände wurden dagegen so angeglichen, dass ein möglichst lückenloser Erzählfluss erzielt werden konnte. Einzelne Handlungen von erwähnten Personen, soweit diese geschichtlich nicht belegt werden konnten, wurden ergänzt, also frei erfunden.

Sophie, die Hauptperson des Romans, diente tatsächlich zunächst als Kammerzofe und später als Hofdame, also »dame d’atour« bei Elisabeth Christine Königin von Preußen, der Frau des Preußenkönigs Friedrich II., der als Friedrich der Große in die Geschichte eingehen sollte. Sophie ist in offiziellen historischen Dokumenten beschrieben, wie auch die meisten anderen in diesem Roman genannten Personen.

Das Ereignis der Hochzeit von Sophies Vetter fand in jener Zeit tatsächlich statt. Belegt in der beschriebenen Form sind ebenfalls die Streitigkeiten mit den polnischen Nachbarn.

Sophies geliebten Schotten gab es wirklich. Überliefert sind Sophies und ihres Geliebten Heiratspläne. Sein Name ist im Roman indessen ein anderer; seine Nachfahren leben noch heute in Schottland. Selbst das große Herrenhaus bzw. kleine Schloss, welches jener Schotte zum Zeichen seiner Liebe für Sophie bauen ließ, existiert in Schottland noch heute und steht der Öffentlichkeit für Besichtigungen offen. In der dortigen Ausstellung findet sich auch eine Fotografie des Gemäldes, das Sophie zeigt.

Die Neumark, diverse Orte, wie auch der Familiensitz, auf dem die Familie seit 1476 ihren Stammsitz hatte und auf dem sie verwurzelt war, liegt heute, aufgrund der Annexion nach 1945, im polnischen Staatsgebiet. Die verbliebenen Mitglieder der Familie haben derzeit jedoch keinerlei Zugriffsrecht auf ihr Hab und Gut.

Die in diesem Buch gezeigten Bilder stammen größtenteils von Ölgemälden, die im Original jedoch leider nicht mehr alle existieren. Einige Bilder gingen im Zweiten Weltkrieg verloren bzw. sind als sogenannte Beutekunst in die damalige Sowjetunion verschleppt worden. Nur durch Zufall werden sich diese Originale wieder auffinden lassen. Andere Bilder hängen zum Teil heute in Museen.

An dieser Stelle möchte ich meinen besonderen Dank für die beratende Unterstützung durch Irene Weiss, Berlin; Gabriele Scherrer, Marnheim; Ulla Reichel Frankenthal; sowie Herrn Daniel Krebs, Berlin und H. Thomas Großbritannien aussprechen.

Mein unerwarteter Einzug in das königliche Schloss Schönhausen

Mit meiner jüngeren Schwester Elisabeth und meinen Eltern wohnte ich in Berlin unweit vom königlichen Stadtschloss, in einem recht schönen Stadthaus mit einem kleinen, Parkähnlichen Garten. Dort verbrachte ich meine Kindheit und bekam, nachdem ich 6 Jahre alt geworden war, von einem Privatlehrer namens Herr Maywald meinen schulischen Unterricht.

Mein Vater war beim König Friedrich II. Oberhofmeister. Ihm unterstanden überdies sämtliche königlichen Stallungen. Manchmal nahm er mich sogar dorthin mit. Meine Schwester interessierte sich dagegen weniger für Pferde, sie spielte lieber, meist völlig verträumt, vor sich hin. Unsere Familie stammte aus der Brandenburgischen Neumark, also östlich der Oder und war dort begütert. Wenn wir unsere Verwandtschaft auf dem Familiensitz besuchten, dauerte die Reise mit der Kutsche von Berlin aus einen ganzen Tag lang. Erst gegen Abend kamen wir dann dort an. In Wutzig, so hieß der Ort, in dem das hübsche große Herrenhaus stand, wohnten meine Tante Lu1 und Ohm Christian von Brandt, sowie deren Kinder, also mehrere Cousins und Cousinen von mir, mit denen ich mich stets ausgesprochen gut verstand.

Im April 1743, ein paar Wochen vor meinem zwölften Geburtstag, verstarb plötzlich und völlig unerwartet mein lieber Vater im Alter von 59 Jahren. Wir waren alle unsagbar traurig, ich entsinne mich, dass ich die ganze Nacht lang nicht schlafen konnte und nur weinte. Am nächsten Morgen war deshalb mein Kopfkissen völlig nass. Mein Vater war zu uns Kindern stets ein sehr gütiger, allerdings ebenso strenger und gerechter Vater. Sein Begräbnis in der Parochialkirche in Berlin hinterließ auf mich einen ausgesprochenen würdevollen Eindruck. Jedenfalls empfand ich dies so, zumal ich zuvor noch keine andere Beerdigung erlebt hatte. Kinder wurden ja möglichst von Beerdigungen ferngehalten. Er wurde in der Gruft Nr.7 beigesetzt, Jahre später jedoch in heimatliche Erde überführt.

Selbst der König hatte es sich nicht nehmen lassen, bei der Beerdigung meines Vaters anwesend zu sein. Etwas erstaunt bekam ich mit, dass meine Mutter anscheinend nicht so recht wusste, wie es denn, ohne meinen Vater, nun überhaupt weitergehen sollte. Aus diesem Grund wurden meine Schwester und ich, samt unserer Erzieherin in einer Kutsche vorübergehend nach Wutzig geschickt, bis hier in Berlin alles geregelt sei.

Nach einigen Wochen erhielt meine Muhme Lu in Wutzig, die sich in der Zeit unseres dortigen Aufenthaltes sehr liebevoll um Elisabeth und mich gekümmert hatte, einen Brief von meiner Mutter. Darin stand, dass nun alles geregelt sei, ich zu meiner Patenmuhme Sophie Caroline Gräfin von Camas käme und meine kleine Schwester bei unserer Mutter in Berlin bliebe. Meine Patenmuhme war die Schwester meines Vaters, eine geborene von Brandt, und wohnte im Schloss Schönhausen. Sie hatte bei der Königin die Vertrauensstelle als Oberhofmeisterin inne. Obendrein genoss sie als einzige Frau die Gunst des Königs. Ihr schrieb er unzählige Male und holte sich bei ihr oft ebenso seelischen Beistand. Dabei hätte meine Patenmuhme vom Alter her leicht seine Mutter sein können.

Ich mochte meine Patenmuhme sehr, denn sie hatte sich zu mir stets äußerst lieb, nett und freundlich gezeigt. So kam es, dass ich nach unserer Heimkunft jetzt im Schloss der Königin, in Niederschönhausen, bei meiner Patenmuhme lebte. Ganz nebenbei lernte ich viele höfische Regeln im Schloss kennen.

Der König hatte sie persönlich gebeten, meine Erziehung zu übernehmen. Er hatte von meinem Vater eine sehr hohe Meinung, weshalb er sich jetzt, nach seinem Tode, so für mich einsetzte. Demzufolge lag nahe, dass ich zukünftig wohl eine ähnliche Kariere wie meine Patenmuhme am Hof einschlagen sollte. Eine um etwa 10 Jahre ältere Cousine von mir, namens Friederike von Brandt, wohnte ebenfalls hier im Schloss und war bereits Hofdame.

Ab diesem Zeitpunkt führte ich aufgrund meines Umzugs meine schulische Ausbildung im Schloss Schönhausen fort. Nachdem ich meine Schulzeit beendet hatte, wurde ich als Zofe im Schloss übernommen, um all das zu lernen, was eine gute Zofe können musste. Als solche brauchte ich jedoch, genau so wie die anderen Zofen, nicht ständig in der Nähe der Königin zu sein, weshalb ich genügend Gelegenheit und Freiheiten hatte, die einem jungen Mädchen aus meinen Kreisen möglich waren. Hierzu gehörte neben Quatschen mit den anderen Mädels, was wohl alle Mädels gerne machten, ebenso Spiele spielen, viel Lesen, um die eigene Allgemeinbildung zu fördern, und natürlich das Erlernen der richtigen Benimmregeln bei Hof. Dazu gehörten sowohl der Hofknicks, natürlich Gesellschaftstänze, die Anstandsregeln beim Essen, aber ebenso die Regeln gegenüber höher gestellten Personen oder bei einer Vorstellung.

Als Hofdame, die ich nach einer gewissen Zeit wurde, hatte ich nicht nur gestiegene Pflichten, sondern ebenso die Möglichkeit, gemeinsam mit der Königin, an vielen königlichen Festen, Musikabenden oder Theatervorführungen in einem der Schlösser des Königs beizuwohnen, was mir stets ungemein viel Freude bereitete. Allerdings konnte nicht jede Zofe auch Hofdame werden, da spielten noch andere Dinge, wie beispielsweise die Herkunft eine Rolle.

Im Schloss Schönhausen, bewohnte ich zwei Zimmer, eine Schlafkammer mit angrenzendem kleinem Ankleideraum, sowie einen kleinen Wohnraum. Hier befanden sich ein Schreibtisch, ein kleiner Barocktisch und ein Sofa mit zwei dazu passenden Sesseln, sowie ein großer Teppich und diverse Bilder an der Wand. Diese bescheidenen Wohnräume standen sicherlich in keinem Verhältnis zu meiner Funktion am Hofe: Als »dame d’atour«, als Hofdame. Als solche hatte ich mich ja ständig in der Nähe meiner Königin aufzuhalten und ihr Gesellschaft zu leisten.

Natürlich fand ich es ziemlich aufregend, einen Großteil meiner Zeit mit solch herrlich müßigen Gedanken zu verbringen, wie jenen, wie ich mich wohl beim nächsten anstehenden Fest kleiden und welche Garderobe die anderen geladenen Gäste wohl tragen würden. Genauso, wer welchen Schmuck zeigen oder wer überhaupt alles kommen würde, obwohl es sich hierbei meistens um die selben Persönlichkeiten handelte.

Insbesondere genoss ich die Bälle, zu denen oft sehr nette Offiziere eingeladen wurden, die sich stets als ausgesprochen gute Tänzer erwiesen. Allerdings ließ die Erziehung bei einigen von ihnen, wie ich fand, manchmal doch etwas zu wünschen übrig. Zu meinem und zum Amüsement der Offiziere, erdachte ich mir manchmal irgendwelche Foppereien und Spiele, auf die sie sich bereitwillig einließen. Es spiegelte gewissermaßen meine aufgeweckte lustige Art und Lebensfreude wieder.

 

1 Luise Wilhelmine von Brandt, geborene von der Groeben

Auf der Hochzeit meines Lieblingsvetters Christian Ludwig von Brandt

Mein Cousin Christian aus Wutzig hatte mir eine Einladung zu seiner bevorstehenden Hochzeit geschickt. Ebenfalls erhielten meine Patenmuhme und meine Cousine Friederike, die Schwester von Christian, eine solche Einladung. Es musste daraufhin mit dem König und der Königin beraten und entschieden werden, wer an der Hochzeit teilnehmen durfte, denn es konnten verständlicherweise nicht zu viele Personen am Hof gleichzeitig fehlen. Meine Patenmuhme verzichtete gerne. Sie meinte, dass sie für eine solch anstrengende weite Reise zu alt sei. Das wäre eher etwas für junge Leute.

Glücklicherweise hatte unser König Friedrich II2. der Bitte meiner lieben Patenmuhme nachgegeben, mir jedoch die Erlaubnis dieser Reise erteilt, sofern die Königin ebenfalls damit einverstanden wäre.

Die Königin hatte sich zuvor gerade erst wieder von einer bösen fiebrigen Krankheit, verbunden mit Ausschlägen, einigermaßen erholt, dennoch gab sie meiner Cousine und mir ihre Erlaubnis zu unserer Reise.

Selbst am Hof war bekannt, dass ich die herzlichste Verbindung zu dem Bräutigam – meinem Cousin –, dessen Geschwistern und der Familie hatte, weshalb mir diese Reise auch genehmigt wurde. Dass Friederike – eine Schwester des Bräutigams – und ich bedauerlicherweise doch nicht gemeinsam hinreisen konnten, hatte sich leider so ergeben. Sie musste für die Königin noch etwas Unaufschiebbares erledigen und würde einen Tag später anreisen. Auf der Rückfahrt würden wir jedoch auf jeden Fall gemeinsam reisen.

Also fuhr ich mit Emma und Kutscher Mönke, sowie einem Offizier und sechs Musketieren, früh morgens, noch bei Dämmerung vom Schloss Schönhausen aus los.

Die schneidende Luft mit einem leichten Ostwind empfand ich als schrecklich kalt. Sehr weit von der Frostgrenze konnte es jetzt, Ende November, nicht mehr sein. Noch fester drückte ich mich deshalb in die ledergepolsterten Sitze des Kutschwagens und versuchte, mit dem wärmenden Pelzmuff kämpfend, in dem meine Hände steckten, die Felldecke fester um mich zu schlingen, damit möglichst keine Kälte an mich herankam. Glücklicherweise hatte mich Kutscher Mönke vor der Abfahrt in Berlin daran erinnert, einen ebensolchen Muff für die Füße mitzunehmen, den mir meine Zofe Emma noch schnell geholt hatte.

Froh war ich, dass mir die Königin meine Reise genehmigt hatte, andererseits wusste ich, dass sie es genoss, wenn sie nach einer solchen Reise, wie ich sie jetzt antrat, anschließend berichtet bekam, was sich alles unterwegs ereignet hatte. Sie selber konnte nur sehr selten reisen, der Aufwand war für sie sehr groß, und sie wollte ungern ohne den König wegfahren.

Darüber hinaus hatte der Preußische Hof gerade Besuch vom türkischen Gesandten Ahmed İbrahim Resmi Effendi, der kurz zuvor eingetroffen war. Angeblich standen schwierige politische Verhandlungen des Königs mit dem Gesandten bevor. Allerdings verspürte der König zu diesen Verhandlungen überhaupt keine Lust, zumal er gerade von einem Feldzug zurückgekehrt war. Er brauchte dringend Erholung und wollte sich endlich wieder ein wenig der Muße hingeben. Bereits seit sieben Jahren hatte sich der König zwischen den verschiedenen militärischen Stellungen der Preußen gegen die feindlichen Truppen, sowie zwischen den diversen Festungen und Schlachtorten bewegen müssen und sich dabei mehr als verausgabt3. Sein Leben aus Gründen des Krieges ständig im Sattel zu führen, war ihm zunehmend zuwider erschienen, insbesondere, da kein Ende abzusehen war. Dies alles erzählte mir meine Patenmuhme.

Die Königin hatte allerdings etwas Sorge, dass ich womöglich nicht rechtzeitig von der Reise zurückkehren würde. Ebenso sorgte sie sich um mein Wohlergehen, obwohl ich in der Kutsche durch die berittenen Musketiere mit ihrem Offizier begleitet wurde.

Unsere Fahrt führte uns vom Schloss Schönhausen in Richtung Osten durch die diversen Brandenburgischen Dörfer bis zu dem kleinen Ort Kietz an der Oder. Meinem Gefühl nach wurde es immer kälter. Wir waren mittlerweile bereits seit dem frühen Morgen unterwegs. Hier in Kietz befand sich lediglich die Fährstation und ein paar wenige Häuser, in denen vor allem Flussfischer wohnten. Die Fährstation hatte dem Ort im Laufe der letzten Jahre zunehmend an Bedeutung eingebracht, da mittlerweile ein reger Verkehr von Reitern und Gütern zwischen Brandenburg, Pommern und Ostpreußen stattfand.

Das große Fährboot wartete bereits, als wir am Fähranleger ankamen. Einer der Musketiere war auf Geheiß des Offiziers als Kurier meiner kleinen Reisegesellschaft vorausgeritten und hatte Order gegeben, das Boot rechtzeitig am Anlegesteg des Westufers der Oder in Kietz bereitzustellen. Wir setzten also über, was mit den Pferden erwartungsgemäß etwas heikel war, aber die Männer kannten sich mit dem Problem gut aus. Eine Brücke über die Oder war hier, wie mir auf meine Frage hin mitgeteilt wurde, endlich in Planung. Auf der anderen Seite der Oder, am östlichen Ufer, lag die Garnisonsstadt Küstrin mit ihren mächtigen Festungsmauern.

Ehemals musste hier unser König als junger Mann im Kerker einsitzen. Sein Vater hatte ihn inhaftieren lassen, jedoch wurde darüber bei Hofe tunlichst nicht gesprochen, jedenfalls nicht offen. Die außergewöhnlichen Umstände dieses Vorganges wurden jedoch hinter vorgehaltener Hand tradiert, sodass selbst ich, damals noch Zofe, davon Kenntnis erlangte. Der Hintergrund war folgender:

»Kronprinz Friedrich – unser heutiger König – musste sich wohl einen anderen Vater, sein Vater Friedrich Wilhelm I.4 seinerseits einen anderen Sohn gewünscht haben. Der Vater gab stets minutiöse Anweisungen, wie das Leben seines Sohnes abzulaufen hatte. Die Instruktionen zeugten von einer Verabsolutierung seiner Erziehungsprinzipien, als könnte ausgeklügelte Pädagogik den perfekten Menschen produzieren. So wie der damalige König, von dem das Wort »Die Seele ist für Gott, alles andere muss mein sein!« überliefert war und von seinen Untertanen absoluten Gehorsam forderte, so verlangte er diesen selbstverständlich ebenso von seinem Sohn, dem Kronprinzen. Dennoch konnte kaum davon die Rede sein, dass die pädagogischen Bemühungen des Vaters bei seinem Sohn fruchteten, denn Friedrich blieb sich stets treu und spielte lieber Flöte oder las französische Literatur, als dass er sich um die Kriegsgeschäfte seines Vaters kümmerte.

In seiner Wut (und in dem schlechten, von französischem Vokabular durchsetzten Deutsch eines, wie es schien, ziemlich einseitig gebildeten Menschen) schrieb der Vater – Friedrich Wilhelm – einmal folgendes:

… Sein eigensinniger böser Kopf, der nit sein Vater liebet, dann wann man nun alles thut, absonderlich seinen Vater liebet, so thut man was er haben will, nit, wenn er dabei stehet, sondern wenn er nit alles sieht. Zum andern weiß er wohl, dass ich keinen efeminirten Kerl leiden mag, der keine mennliche Inclinationen hat, der sich schämt, nit reiten noch schießen kann, und dabei mal propre an seinem Leibe, seine Haare, wie ein Narr sich frisiret und nit verschneidet und ich alles dieses tausendmal retremandiret, aber alles umsonst und keine Besserung in nits ist. Zum andern hoffärthig, recht baurenstolz ist, mit keinem Menschen spricht, als mit welche, und nit popular und affabel ist, und mit dem Gesichte Grimassen macht, als wenn er ein Narr wäre, und in nits meinen Willen thut, als mit der Force angehalten; nits aus Liebe und er alles dazu nitz Lust hat, als seinem eigenen Kopf folgen, sonst alles nitz nütze ist. Friedrich Wilhelm

Der Konflikt zwischen Vater und Sohn eskalierte eines Tages auf einer Reise, die der König samt seinen Söhnen und dem Gefolge nach Süddeutschland führte. Kronprinz Friedrich – unser heutiger König – beabsichtigte, mit seinem Freund Hans Hermann von Katte, in die Niederlande zu fliehen, um von dort weiter nach England zu entkommen. Zwei Fluchtversuche scheiterten, der letzte in Steinsfurt bei Sinsheim.

Der Vater war außer sich: sein Sohn, der Sohn des »Lehrmeisters der Preußischen Staatsnation«, als der sich Friedrich Wilhelm I. selbst sah, ein Deserteur! Der König ließ den Kronprinzen unter schwerster Bewachung umgehend zur Festung Küstrin bringen. Zweimal war der Vater nahe daran, den Sohn in seiner Rage umzubringen, was Offiziere glücklicherweise zu verhindern wussten. Die Königin erschreckte der König mit der Mitteilung, dass er den Schuft Fritz habe hinrichten lassen. Hans Hermann von Katte, der Freund und Helfer Friedrichs, wurde verhaftet und ebenfalls nach Küstrin gebracht. Von einem Kriegsgericht verlangte der König, beide, Friedrich und von Katte, zum Tode zu verurteilen.

Das Gericht weigerte sich jedoch, ein Urteil über den Kronprinzen zu fällen, den Helfer verurteilte es zu lebenslänglicher Festungshaft. Dem König war das jedoch nicht genug. Er wollte ein Exempel statuieren. Wütend adressierte er am 1. November 1730 aus Wusterhausen eine Mitteilung an das Gericht:

»… Wenn das Kriegsgericht dem Katten die Sentenz publiciret, soll ihm gesagt werden, dass Seiner Königlichen Majestät es leydt täte; es wäre aber besser, dass er stürbe als dass die Justiz aus der Welt käme. Friedrich Wilhelm«.

Schließlich ließ er in Küstrin, vor den Augen seines Sohnes Friedrich, dessen Freund von Katte durch Enthauptung hinrichten.

Kronprinz Friedrich unterwarf sich später dem Vater und unterzog sich der Ausbildung im Staatsdienst; seine philosophischen und literarischen Studien nahm er allerdings nach dem Tod seines Vaters, Friedrich Wilhelms I. wieder auf«.

Wir fuhren mit unserem Kutschwagen direkt in die Festung und konnten ohne Schwierigkeiten passieren, da wir offenbar auch hier bereits angemeldet worden waren. In der Festung wurde ich sehr freundlich von Herrn von der Marwitz, einem entfernten Verwandten von mir und Kommandant der Festung, sehr herzlich mit Handkuss empfangen und aufgefordert, am Mittagessen teilzunehmen. All dies wurde auf die Schnelle arrangiert.

Bei Tisch saß ich natürlich neben Herrn von der Marwitz. Das ließ er sich natürlich nicht nehmen, denn eine junge Dame am Tisch zu haben kam in der Festung nicht alle Tage vor. Er war obendrein ein Freund meines verstorbenen Vaters. Mein Platz bei Tisch lag recht günstig, denn ich hatte das Vergnügen, vom Feuer des in der Nähe befindlichen Kamins entsprechend gewärmt zu werden. Herr von der Marwitz, oder Ohm Marwitz, wie ich ihn nennen durfte, ließ es sich nicht nehmen, mich mit allerlei Höflichkeiten und lustigen kleinen Anekdoten während des Essens zu unterhalten. So fragte er mich zunächst etwas erstaunt: »Weshalb um alles in der Welt reist denn die hübsche Nichte Brandt bei diesem unfreundlichen Wetter und solch niedrigen Temperaturen so völlig allein jetzt nach Wutzig?« Ich lächelte ihn an und antwortete ihm: »Lieber Ohm, Christian, mein Cousin in Wutzig, heiratet und hat mich dazu ein geladen. Meine Cousine Friederike ist ebenfalls geladen und wird morgen hier vorbei kommen, sie konnte heute leider noch nicht mitfahren, da sie für die Königin noch etwas zu erledigen hatte«. »Oh«, meinte er dazu, »dann wünsche ich euch bei der Hochzeit viel Vergnügen! Vielleicht findet ja die hübsche Nichte« – wobei er mich wieder meinte – »ebenfalls jemanden, der zu ihr passt… «

Es gab, anlässlich unseres kurzen Aufenthaltes hier, als Vorspeise eine köstliche Kürbissuppe, danach Fasan auf Sauerkraut mit weißem Brot und zum Nachtisch, trotz dieser späten Jahreszeit, recht frisches Obst. Natürlich hielt ich mich mit dem Sauerkraut etwas zurück, wusste ich doch zu genau, welche Wirkung es bei mir mitunter auf meine Verdauung haben konnte, zumal unsere Weiterreise ja heute noch mehrere Stunden lang dauern sollte. Das Fasanenfleisch schmeckte übrigens zu köstlich, sodass ich mir noch ein zweites Mal davon geben ließ.

Mittlerweile hatten wir bereits etwa zwei Uhr am Nachmittag und wir drängten zum Aufbruch. Nicht ohne unseren Dank für das Mittagessen verabschiedeten wir uns. Ohm Marwitz, galant wie immer, gab mir noch ganz brav seinen Handkuss, bevor sich unsere Reisegesellschaft, mit frischen Pferden versehen, auf den Weg begab. Kutscher Mönke und die berittene Begleitung legten jetzt ein ziemliches Tempo vor, um die beim Mittagessen verloren gegangene Zeit wieder ein wenig einzuholen. Ich musste mich dessentwegen im Wagen doch sehr festhalten, und immer wenn ausgeprägte Unebenheiten auf dem Weg den Wagen und damit auch mich in die Luft beförderten, beugte sich Kutscher Mönke seitlich nach hinten und rief uns eine Entschuldigung zu.

Ich sage »uns«, denn ich reiste doch nicht völlig allein. Mit mir im Wagen saß noch meine Zofe Emma, meine treue Seele, die sich stets in meiner Nähe aufhielt, seitdem ich Hofdame geworden war.

Von Küstrin aus fuhren wir weiter über Vietz nach Landsberg an der Warthe. Die Straße war zwar in den letzten Jahren auf Geheiß des Königs ausgebaut worden, sodass es neben dem Sommerweg aus Sand nun ebenso eine befestigte Spur, genannt Winterweg oder Pflasterweg gab. Der Ausbau wurde im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz an der Warthe und der Trockenlegung des Netzebruchs durchgeführt. Es musste eine sehr beeindruckende Szenerie sein, wenn die Warthe Hochwasser führte und dabei die beachtliche Breite von etwa zwei Preußischen Meilen erreichen konnte. Viele kleine baumbestandene Anhöhen ragten dabei wie Inseln aus der riesigen Wasserfläche heraus, wobei das jenseitige Ufer wegen der großen Distanz kaum noch gesehen werden konnte.

Da es bereits zu dämmern begann, durchquerten wir zügig die Stadt Landsberg. Anschließend lagen nur noch wenige Dörfer, sowie die Kreisstadt Friedeberg mit ihren alten Stadtmauern und Stadtmauertoren und der großen Kirche, auf unserem Weg.

Die Landschaft präsentierte sich sehr abwechslungsreich, ausgedehnte Felder zeugten von den großen Gutsbetriebes, herrliche Wälder mit ihrem noch vorhandenen farbenprächtigen Herbstlaub wechselten sich mit Heidelandschaft ab. Fast alle Straßen waren von doppelt angeordneten Baumreihen begrenzt, deren Wipfel zusammenwuchsen, sodass es den Eindruck erweckte, man befände sich in einer schattigen Röhre.

Hinter dem Dorf Lichtenow verdichtete sich wieder der Wald. Dieser gehörte bereits zum Lauchstädt-Dolgener Forst und somit zum Besitz unserer Familie. Das Gut Dolgen mit seinem riesigen Gutshof, auf dem ich als Kind in der Sommerfrische ab und zu mit meiner Schwester Elisabeth und meinen Vettern und Cousinen spielte, lag etwas abseits mitten im Wald.

Das kleine Dorf Dolgen wieder verlassend, passierten wir den »Freischütz«, ein Wirtshaus, welches insbesondere im Sommer von der Bevölkerung gerne nach Feierabend aufgesucht wurde, da es sehr idyllisch im Wald und in unmittelbarer Nähe des Liebsees lag. In dieser Jahreszeit glaubte ich jedoch eher nicht, dass sich dort Gäste einfinden würden. Nach einer weiteren dreiviertel Preußischen Meile, die wir in ungefähr einer halben Stunde, durch schönes herbstliches Waldgebiet fahrend, hinter uns brachten, tauchte der Ort Lauchstädt in der Neumark mit seinem alten Schloss auf, das einer Burg ähnelte und unweit des großen Hermsdorfer Sees lag.

Diese Seeausbuchtung des Hermsdorfer Sees hier in Lauchstädt wurde allgemein der Paddenpfuhl genannt. Der Name entstand ebenfalls in Verbindung mit unserem König. Als dieser nämlich mal wieder auf der Durchreise, von Berlin kommend, nach Königsberg in Ostpreußen unterwegs war und wie gewohnt bei unserer Familie übernachtete, fand sein Besuch an einem Sonntag statt, an dem zufällig eine Kindstaufe in unserer Familie stattfand. Spontan fragte der stolze Kindsvater den König, ob dieser eventuell eine Patenschaft für den Täufling übernehmen wolle. Wohlwollend nahm der König diese Ehre an und fragte nach einem passenden Patengeschenk, worauf der Vater ebenso schnell erwiderte, man möge ihm doch den an sein Land grenzenden Pfuhl schenken. Ohne zu zögern willigte der Monarch gerne ein, ohne aber zuvor genau gesehen zu haben, wie klein oder groß denn dieser Pfuhl sei, er nahm anscheinend an, dass ein Pfuhl wohl eine Art Teich sein musste.

Als der König angelegentlich eines weiteren Besuches den Wunsch äußerte, man möge ihm doch einmal den Pfuhl zeigen, der jetzt ganz offiziell »Paddenpfuhl«, also Patenpfuhl hieß, fuhr mein Verwandter seinen König um den gesamten Hermsdorfer See herum, einer Strecke von immerhin mehr als drei Preußischen Meilen. Erstaunt ob der Größe des Gewässers, soll daraufhin der König seinem Gastgeber einen leichten Backenstreich gegeben und dazu gemeint haben, dass damit die Dreistigkeit, seinen König so über das Ohr gehauen zu haben, bestraft worden sei; er selber aber wolle sich merken, niemals wieder etwas zu verschenken, ohne es vorher in Augenschein genommen zu haben.

Obwohl das Gut Lauchstädt ebenfalls meiner Familie gehörte, war unser Ziel Wutzig, das noch ein Stückchen weiter, auf der anderen Seite des großen Sees lag. Es gab zwar eine Abkürzung am Seeufer entlang, doch schien dieser Weg bei der Dunkelheit, die nun langsam über uns kam, nicht ratsam. Im Winter konnte sogar über den zugefrorenen See gefahren werden, der hier in Lauchstädt etwa 2200 Ellen breit war. Kutscher Mönke, der sich hier recht gut auskannte, wählte jedoch den etwas weiteren Weg über die Landstraße. Das war auch dieselbe Straße, die der König meistens nahm, wenn er von Berlin oder Potsdam nach Königsberg fuhr. Er übernachtete dann nach dem ersten Streckenabschnitt stets hier auf dem von Brandtschen Familiensitz, was natürlich für meine Familie eine ausgesprochen große Ehre bedeutete.

Nach erneut etwa einer guten halben Preußischen Meile erreichten wir die kleine Stadt Woldenberg. In Woldenberg führte ein Weg links ab in Richtung Wutzig, unserem Ziel. Der eigentümliche Ortsname Wutzig, der sich so ausspricht, als würde der Name mit mindestens zwei oder sogar drei »u« geschrieben werden – also wie Wuutzig, oder sogar Wuuutzig –, stammt von einem Ritter Wutsig, der um das Jahr 1200 hier gelebt haben soll. Auf diesem Weg nach Wutzig befanden wir uns nun, es konnte also nicht mehr lange dauern, bis wir auch diese weitere Dreiviertelmeile hinter uns hatten und endlich angekommen waren. An der Kutsche hatte Kutscher Mönke eine Laterne angezündet, ebenso hatten sowohl der voran reitende, als auch der den Abschluss unserer kleinen Reisegruppe bildende Musketier eine Fackel angezündet. Insbesondere für den voran reitenden Fackelträger war das schwache Licht der Fackel ein wichtiges Utensil, denn wie leicht hätten wir vom Weg abkommen und womöglich in das Fließ – den kleinen Fluss, der den Ablauf des großen Sees bildete – stürzen können. Ab und zu sahen wir einige Rehe, die erschrocken und schnell über den Weg huschten und in der mittlerweile angebrochenen Nacht verschwanden. Eine knappe halbe Stunde später kamen wir endlich unversehrt in Wutzig an. Wir alle waren ziemlich durchgefroren und spürten die Mühe dieser doch recht anstrengenden langen Reise, zumal bereits vor über einer Stunde Nebel aufkam und es nun obendrein noch zu nieseln begonnen hatte.

Das Wutziger Herrenhaus ragte über alle übrigen Häuser des Dorfes und mit der Spitze seines Walmdaches sogar über die hoch gewachsenen alten Buchen des Parks hinaus. Das prächtige Gebäude war, bei Nebellücken, schon von Weitem aufgrund seiner Beleuchtung durch große Laternen trotz Dunkelheit und der widrigen Wetterbedingungen gut auszumachen. Ich freute mich auf ein Wiedersehen mit meinem Cousin Christian sowie dessen Familie und vor allem auf die gewärmten Räume.

Das hübsche Herrenhaus erkennend, ergriff mich eine ungewohnte Aufregung. Meine Gedanken und Erinnerungen überschlugen sich fast und rasten durch meinen Kopf.

Die bevorstehende Hochzeit meines Vetters mit der angeblich sehr hübschen 22-jährigen Auguste Dorothea Sophie von Braunschweig war ja der Anlass meiner Reise, allerdings freute ich mich genauso auf die Hochzeit als solche. Ich war mir sicher, dass es ein gelungenes Fest werden würde. Außerdem freute ich mich darauf, Christians Braut endlich kennen zu lernen. Natürlich hatte meine Mutter und meine Schwester ebenso eine Einladung erhalten, nur konnten sie aufgrund von Terminüberschneidungen leider nicht teilnehmen.

Von den insgesamt 14 Kindern dieses Familienzweiges in Wutzig waren leider schon zehn verstorben. Die älteste Tochter, Helene Wilhelmine, die zwölf Jahre älter als ich war, hatte den Generalmajor und Oberhofmeister Heinrich Adrian Graf von Borcke geheiratet. Auch auf deren Hochzeit am 23. Juli 1743 im Schloss Monbijou in Berlin hatte ich als 12-jähriges Mädchen teilnehmen dürfen, obwohl nur wenige Wochen zuvor mein lieber Vater verstorben war. Die Hochzeit hatte ich noch in äußerst angenehmer Erinnerung, denn alles war für mich so unwahrscheinlich neu und aufregend. Damals speisten einige hundert Gäste alle an einer riesigen, opulenten Tafel. Außerdem spielte eine große Kapelle zum Tanz.

Meine Cousine Friederike, eine weitere Schwester des Bräutigams, war noch unverheiratet. Sie diente wie ich zunächst als Hofdame und jetzt gleichzeitig noch als Staatsdame bei unserer Königin. Sie konnte, wie bereits erwähnt, erst am kommenden Tag anreisen. Christoph Ernst Heinrich, das jüngste der Geschwister, war sieben Jahre jünger als ich und galt als etwas verwöhnt, hatte in Frankfurt an der Oder studiert und bewirtschaftete jetzt die nahe der polnischen Grenze gelegenen Güter Gralow und Pollychen, halb Morrn und halb Alexanderwitz, sowie Gut Ehrenberg. Er galt als ein sehr guter Ökonom und gleichzeitig als eine sogenannte gute Partie für die unverheirateten Damen, obwohl seine Exaltiertheit, die er zuweilen auslebte, wohl eher etwas gewöhnungsbedürftig erschien. Angeblich sei kein Rock vor ihm sicher, wurde erzählt. Obendrein ließ er so gut wie kein Gelage, welches sich ihm bot, aus, selbst wenn ein solches mit den Knechten des eigenen Hofes stattfand. Allerdings stand er am Morgen danach dennoch als Erster auf dem Hof und war wieder völlig der Herr des Gutes, um die Vorgaben anzugeben. Er wusste sehr genau, dass er zwar feiern und fröhlich sein konnte, gleichzeitig jedoch stets als Vorbild zu gelten hatte. Nur dadurch konnte er sich nach solcherlei Gelagen seines Respekts sicher sein.

Während ich diesen Gedanken nachhing, waren wir mittlerweile bei ziemlichem Regen im Dorf Wutzig angekommen und bogen in den Weg zum Herrenhaus ein. Nur noch wenige Augenblicke und das beleuchtete Haus stand direkt vor uns. Kutscher Mönke nahm die Auffahrt und fuhr den Kutschwagen direkt unter die, von vier quadratischen Pfeilern getragene, überdachte Einfahrt vor dem Eingang. Diener Schulz und ein Dienstmädchen empfingen uns und geleiteten uns ins Haus. Recht angenehm empfand ich den bereits in der Eingangshalle angezündeten Kamin, der seine Wärme in der Halle und dem großen Treppenhaus verbreitete.

Während Diener Schulz mir aus dem Pelzumhang half, erschien auch der Mann meiner Cousine Helene, Heinrich Adrian Graf von Borcke. Er vertrat bei der bevorstehenden Hochzeit meinen bereits verstorbenen Ohm Christian, den Vater des Bräutigams. Ohm Christian war Jahrgang 1684 und leider schon kurz vor seinem 66. Geburtstag verstorben. Er wurde damals in Berlin auf dem Friedhof an der Parochialkirche5 beigesetzt, später jedoch in der Familiengruft der von Brandts in der Neumark umgebettet.

Er hatte in der Parochialkirche eine sehr beeindruckende Beerdigungsfeier, zumal er königlich Preußischer Kammerherr, wirklich Geheimer Staatsminister, Chef des geistlichen Departements, Erster Präsident der kurmärkischen Konsistoreien, Oberkurator und Direktor der königlichen Universitäten, Schulen und Bibliotheken, Ritter des Johanniterordens sowie Herr auf den Gütern Wutzig, Hermsdorf, Lipke, Gralow, Pollychen und halb Morrn, halb Lauchstädt und Ehrenberg mit Stavenow gewesen war. Studiert hatte er in Frankfurt an der Oder.

Vetter Heinrich, wie wir liebevoll den Grafen Borcke nannten, fiel stets als ein sehr lustiger und gutherziger Herr auf. Außerdem liebte er das gute Essen, was aufgrund seiner Fülle unschwer zu erkennen war. Er trat auf mich zu, begrüßte mich sehr freundlich und liebevoll mit Handkuss und sagte: »Meine liebe angeheiratete Cousine, darf ich dich ganz herzlich hier in Wutzig begrüßen. Mir scheint fast, dass durch den Glanz, den du vom Königshof kommend hierher mitbrachtest, trotz der Dunkelheit draußen die Sonne zu Strahlen beginne«. Lächelnd antwortete ich ihm: »Lieber Heinrich, wie könnte es anders sein, als einer Dame solch schmeichelnde Worte zu sagen!« Dabei geleitete er mich durch das Herrenzimmer in das große Wohnzimmer. In beiden Räumen strahlten die brennenden Kamine eine angenehme Wärme aus.

Die Räume hatten mit gut einer Preußischen Rute mehr als doppelte Manneshöhe. Das Herrenzimmer, durch das wir zuerst gingen, hatte an den Wänden bis zur halben Höhe eine Holztäfelung. Das Mobiliar bestand aus schwerer Eiche und tiefen Ledersesseln. Den Durchgang zum großen Wohnzimmer trennte eine doppelte, ornamentierte weiße Schiebetür, die bereits offen stand. Das große Wohnzimmer, sowie das direkt angrenzende kleine Wohnzimmer waren mit sehr gemütlichen Möbeln versehen. Alle Räume hatten wundervolle Stuckverzierungen, wie Weinreben, Weintrauben, Getreide, Obst, aber auch diverse Blätter und Blumen in einer Reihe an den Decken entlang aller Seiten. Über dem Kamin im Herrenzimmer war ebenfalls aus Stuck das von Brandtsche Wappen in originaler Größe zu sehen. Sowohl im Herrenzimmer als auch in den Wohnzimmern und den Wohngemächern hingen verschiedene Ahnenbilder, natürlich auch die meiner Großmutter und meines Großvaters, sowie von deren Vorfahren. Darüber hinaus gab es noch eine Sammlung der Wappen der jeweiligen von Brandtschen Ehefrauen über viele Generationen zurück. Diese Wappen hingen der Reihe der Ahnen folgend an einer Wand. Sie reichten bis 1390 zurück. In unserer Familie wurde eben großen Wert auf Traditionen gelegt. Insgesamt strahlten die Räume eine äußerst ansprechende, warme und anheimelnde Atmosphäre aus.

Von allen Anwesenden der Familie, vorweg meine lieben Muhme Lu, meiner Cousine Helene und deren Kinder, von meinem Vetter Christoph, die ich zuvor in der großen Eingangshalle noch nicht begrüßt hatte, wurde ich nun ganz herzlich willkommen geheißen und umarmt. Natürlich befragten sie mich über meine Reise und ebenso über Neuigkeiten am königlichen Hof aus. Zu essen gab es heute Abend nur fertig bereitete Schnittchen, denn da die Gäste zu unterschiedlichen Zeiten eintrafen, machte es nicht viel Sinn, eine gemeinsame Tafel zu decken. Später, bei einem Glas Wein, das mir sehr angenehm schmeckte, verging der Abend mit Erzählen und Unterhalten sehr schnell, so dass ich froh war, nach einem solch anstrengenden langen Tag endlich schlafen gehen zu können.

Am nächsten Morgen stellte ich, als ich aus dem Fenster blickte, mit leichtem Staunen fest, dass es über Nacht geschneit hatte. Es lag fast ein halber Preußischer Fuß hoch Neuschnee. Beim Zubettgehen hatte ich dies noch nicht bemerkt, da die Fensterläden, die sich innen vor den doppelten Fenstern befanden, bereits geschlossen waren. Diese innen befindlichen Fensterläden hatten neben der Wärmeisolierung der großen Fenster obendrein den Vorteil, dass die gesamte Hausansicht nie durch die üblicherweise außen angebrachten Fensterläden gestört wurde. Die Fensternischen waren innen aufgrund der dicken Mauern von gut drei Preußischen Fuß bestens geeignet, die geöffneten Fensterläden seitlich unauffällig darin zu verbergen.

Der viele Schnee bot einen geradezu bezaubernden Anblick, denn der Raum, in dem ich schlief, lag nach hinten in Richtung des Parks und nach Süden. Direkt hinter dem schönen Haus befand sich eine halbrunde Rasenfläche mit einem Durchmesser von etwa 16 Preußischen Ruten. Ziemlich in deren Mitte, zentral zum Haus, stand ein stilvoller, recht großer Springbrunnen, der in dieser Jahreszeit natürlich still lag. Es war für mich sowieso ein Wunder, das der Springbrunnen im Sommer lief. Mein Vetter hatte mir allerdings mal erklärt, wie das funktioniert. Es musste dazu nämlich Wasser vom See in ein höher gelegenes Becken gepumpt werden, so dass ein Gefälle zwischen dem Becken und dem Brunnen entstand. Den Rest, wie das System weiter funktionierte, hatte ich indes vergessen.

Um den Brunnen herum befanden sich Rosenrabatten, die ich jedoch durch den Schnee nur noch andeutungsweise erkennen konnte. Das Gleiche traf auch auf die Kieswege zu, die ebenfalls mit Rosenrabatten begrenzt waren. Der Baumbestand des Parks entsprach fast einem natürlichen Mischwald, mit zum Teil sehr beeindruckenden großen alten Bäumen. Auch sie waren von einer Schneeschicht überzuckert. Blickte ich durch das Fenster nach links, konnte ich durch die Doppelfenster gerade noch den schönen großen Hermsdorfer See erkennen. Ich wusste, dass der See eine Gesamtlänge von 1,2 Preußischen Meilen und eine maximale Breite von einer halben Preußischen Meile hatte. Seine schmalste Stelle lag bei dem ebenfalls der Familie gehörenden Nachbarort Hermsdorf. Hier war über die nur 16 Preußische Ruten breite Distanz eine Holzbrücke gebaut worden. Als Kinder waren wir oft auf dem Weg von Wutzig nach Dolgen darüber gefahren. Mein Cousin Christian, der Bräutigam, hatte mir dies ehemals alles gezeigt und erklärt.

Blickte ich rechts zum Fenster hinaus, konnte ich in Verlängerung der Hausfront noch die sehr hübsche barocke Kirche erkennen. Diese Kirche hatte meine Muhme Lu, die Mutter des Bräutigams, erst vor einigen Jahren erbauen lassen. Zuvor hatte hier nur eine kleine Holzkirche gestanden, die aber während eines Feldzuges durch russische Musketiere aus Leichtsinn zerstört worden war. An der Kirchenwand der neuen Kirche, in Richtung Süden, befand sich sogar ein spezielles Gewächshaus, in dem Rebstöcke wuchsen und Weintrauben geerntet werden konnten, was als sehr ungewöhnlich in dieser Gegend galt. Allerdings gab es in Wutzig sogar einen Weinberg, der erst vor knapp 100 Jahren angelegt wurde. Man stelle sich diesen Luxus mal vor! Der Weinanbau war jedoch in dieser Gegend mit den kalten Wintern ziemlich mühsam und bei starkem Frost erfroren oft viele Reben.

Nach meiner Morgentoilette und vollständig angekleidet begab ich mich nach unten zum Frühstück. Nein, ich war nicht die Letzte! Es erschien mir recht wohltuend, dass hier auf dem Lande in vieler Hinsicht deutlich unkonventioneller und ohne allzu viele Zwänge gelebt werden konnte, was ich noch von früheren Aufenthalten hier in Erinnerung hatte. Das kam meinem manchmal recht freien Denken doch deutlich näher. Ich war eben eine typische von Brandt.

Muhme Lu hatte ein sehr reichhaltiges und regelrecht opulent zu nennendes Frühstück im Esszimmer aufbauen lassen. Außerdem durfte ich mich, ohne eine feste Tischordnung berücksichtigen zu müssen, hinsetzen, wo gerade Platz war oder wo es mir am besten gefiel. So wählte ich mir einen Platz neben meiner Cousine Helene, der Frau des angeheirateten Vetters Heinrich Graf von Borcke. Hier hatte ich eine gute Übersicht über den gesamten, reichlich gedeckten Tisch, aber ebenso nach draußen. Das Esszimmer lag im vorderen Teil des Hauses. Direkt daneben befand sich der Anrichteraum für die Speisen. Die Küche lag unterhalb des Anrichte- und Esszimmers, sodass mittels eines kleinen, in die Täfelung eingelassenen versteckt angebrachten Aufzuges das Essen von der Küche in den Anrichteraum befördert werden konnte. Die Täfelung im Esszimmer war, ähnlich wie die im Herrenzimmer, bis zur halben Wandhöhe angebracht. Außerdem schmückten einige Bilder, die Jagdszenen zeigten, die Wände. Das Mobiliar bestand, wie auf dem Lande oft üblich, aus massivem Eichenholz, wobei die Stühle bequem weich gepolstert und mit Leder überzogen waren. Das Leder der Rückenlehnen zeigte geprägt das verzierte Familienwappen. Schaute ich aus einem der drei großen Fenster, so sah ich den Bereich der Auffahrt, die beiden riesigen Kastanienbäume am Beginn der Auffahrt und weiter dahinter die kunstvoll gestaltete Mauer des Gutsbetriebes. Die Ziegelsteine, aus denen die Mauer bestand, waren mit einem Winkel von 45 Grad mal nach links und mal nach rechts geneigt, also versetzt gemauert, sodass zwischen ihnen quadratische, auf der Spitze stehende Löcher entstanden, die den Blick auf den großen Hof ermöglichten. Hinter den Hofgebäuden gab es noch weitere Stallungen, eine kleine Brauerei, sowie eine Schnapsbrennerei. Außerdem befand sich dort ein kleines Sägewerk für den Gutsbetrieb. All dies hatte mir mein Cousin Christian vor Jahren bereits gezeigt.

Beim Frühstück wurde von uns jungen Leuten beschlossen, anschließend einen Schneespaziergang zu unternehmen, um genügend frische Luft für den Abend, der ja der Polterabend werden sollte, zu bekommen. Mithilfe von Emma zog ich wärmende Kleidung und winterlich feste Fellstiefel an. Danach trafen sich alle Spaziergänger in der großen Eingangshalle, in der bereits wieder der Kamin angenehme Wärme verströmte. Das Brautpaar ging natürlich mit, ebenso Vetter Heinrich (Graf von Borcke) mit seiner Frau – meiner Cousine Helene – und deren drei Kinder, außerdem mein Vetter Christoph, der jüngste Bruder des Bräutigams, der bekanntlich keine Gelegenheit ausließ, mit jedem weiblichen Wesen zu schäkern.

Bevor wir uns nach draußen begaben, hatte ich noch Gelegenheit, mich beim Bräutigam nach der Gästeliste zu erkundigen. Christian erzählte mir, dass ursprünglich auch die schwedische und baltische Verwandtschaft seiner Einladung hatte folgen wollen, Cousine Johanna Ingeborg und ihr Mann Peter David Göthenstierna in Schweden, sagten jedoch leider ab. Die Freunde, so Christian, wie auch die nähere Verwandtschaft seiner Braut Auguste von Braunschweig, die ebenfalls in der Neumark wohnten, kämen jedoch alle erst im Laufe des Tages. In der näheren Umgebung von Wutzig seien wegen der Hochzeit sämtliche Gästezimmer der Gutshäuser für diese Tage vollständig mit unseren Gästen belegt worden. Man half sich eben bei solchen Gelegenheiten auf den Nachbargütern gegenseitig stets aus, obwohl diese nicht einfach nur im Nachbargebäude, sondern oft einige Meilen auseinander lagen.

Die Hochzeit konnte leider nicht im großen Haus der von Braunschweigs stattfinden, da dieses gerade umfassend restauriert wurde. Die Hochzeit, nach Westen, in ein anderes schönes Gebäude der von Braunschweigs zu verlegen, schien allen in dieser Jahreszeit zu aufwändig. Und bei dem Gedanken, die Hochzeit eventuell zeitlich zu verlegen, protestierte das Brautpaar auf das Heftigste. Na ja, auf dem Lande waren sie nicht so kompliziert und somit fand also die Hochzeit jetzt im Elternhaus des Bräutigams in Wutzig statt.

Unsere kleine Spaziergänger-Gesellschaft setzte sich in Bewegung. Für die Kinder waren noch schnell drei Schlitten aus irgendeinem Schuppen hervorgezaubert worden, damit auch sie ihren Spaß im Schnee haben konnten. Wir verließen das Haus zur Vordertür, wendeten uns nach rechts die Auffahrt hinunter und abermals rechts der Einfriedungsmauer des Hofes entlang in Richtung See, der nach nur wenigen Minuten erreicht wurde. Die oberste Bodenschicht musste wohl in der vergangenen Nacht gefroren sein, bevor es in den frühen Morgenstunden geschneit hatte. So rutschte der vorwitzige Vetter Christoph als Erster aus und landete, begleitet von großem Gelächter, auf seinem Hosenboden. Zum Glück verstand er Spaß, und da er sich nicht wehgetan hatte, lachte er fröhlich mit. Bevor wir uns aber weiter auf den Weg begeben konnten, hatte plötzlich eine lustige Schneeballschlacht begonnen. Keiner konnte mit Sicherheit sagen, wie sie überhaupt entstand. Allerdings hatte ich zufällig gesehen, wie eins der Kinder damit anfing, verriet dies natürlich nicht, denn die Kinder hatten mindestens genau so viel Vergnügen wie wir Erwachsenen.

Nach dieser kurzen Unterbrechung marschierten wir weiter. Am See angekommen, wendeten wir uns erneut nach rechts in Richtung Hermsdorf. Hier am See existierte zwar ein eigentlich sehr schöner und gepflegter Weg, der aber aufgrund des vielen Schnees nur noch andeutungsweise erkannt werden konnte. Auch die Bäume, an denen nur noch vereinzelte Blätter hingen, waren völlig verschneit. Die Sonne hatte den Morgennebel mittlerweile vertrieben, dennoch sahen wir kräftige Nebelschwaden vom noch relativ warmen See aufsteigen. Die Landschaft mit den verschneiten Bäumen, Büschen und Wegen sah wunderschön, wie verwunschen und verzaubert aus. Durch die Sonne, die aus Richtung See durch die Bäume schimmerte, wurden unzählige kleine Schneekristalle zum Aufblitzen gebracht. Ab und zu entdeckten wir im Schnee Spuren von Wild oder von Vögeln. Die Wildspuren konnte ich aber keinem Tier zuordnen, ich wusste nicht so recht, um welches es sich handelte. Allerdings aß ich Wild ausgesprochen gerne wenn es gut zubereitet wurde und dann zusammen mit einem Glas Rotwein – mmm, herrlich.

Als ich meinen Namen Sophie rufen hörte, wachte ich aus meinen Gedanken auf. Vetter Christian, der Bräutigam, hatte mich gerufen. »Was ist denn?«, fragte ich ihn. »Du träumst ja!«, antwortete er mir, »Ja, ja, weißt du, ich habe mir gerade so ein herrliches Wildgericht mit einem Glas Rotwein vorgestellt«. Alle fingen herzhaft an zu lachen. »Wie kommst du denn darauf?«, fragte er mich erstaunt. »Ach, weißt du, ich überlegte gerade, was denn dies hier im Schnee für Wildspuren seien, und wollte dich danach fragen. Allerdings fielen mir bei dem Gedanken an Wild plötzlich die herrlichen Wildgerichte ein«. »Ach so«, meinte er, »nun, das ist Rehwild und du hast natürlich völlig recht, das schmeckt tatsächlich hervorragend. Wild sollte, bevor es zum Essen zubereitet wird, mindestens eine Nacht im Frost hängen. Wenn es danach sozusagen abgehangen ist, wird es ganz zart und außerdem schmeckt es nicht mehr so penetrant nach Wild. Dieser Wildgeschmack kann allerdings noch weiter eliminiert werden, indem das Fleisch vor der Zubereitung über Nacht oder noch besser 24 Stunden lang in entrahmte Milch, Buttermilch oder sogar Molke gelegt wird. Wir lassen uns manchmal, nachdem wir die überschüssige Milch morgens durch einen unserer Melker oder den Schweizer zur Milchsammelstelle nach Woldenberg befördert haben, Buttermilch von dort mitbringen«.