Björn wartet vergeblich - Marisa Frank - E-Book

Björn wartet vergeblich E-Book

Marisa Frank

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Bis bald, Mutti! Grüß alle schön von mir.« Sascha von Schoenecker beugte sich etwas vor und küßte die noch jugendlich aussehende Frau auf beide Wangen. »Es war lieb von dir, daß du mich zum Essen eingeladen hast.« »Das tue ich doch jedesmal. Mach's gut, Sascha!« Denise von Schoenecker legte ihrem Stiefsohn für Sekunden die Hand auf die Schulter. Es verblüffte sie stets aufs neue, wie sehr dieser im Äußeren und im Wesen seinem Vater ähnelte. »Das mache ich, Mutti.« Wie seine Schwester nannte auch er Denise Mutti. »Ich büffle wie ein Irrer. Aber demnächst komme ich für ein Wochenende nach Sophienlust.« Der Student lachte. Dann stieg er in den Kleinwagen ein, den er vor kurzem von seinem Vater bekommen hatte, und fuhr davon. Denise von Schoenecker sah ihm nach. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war eine schöne Stunde gewesen, die sie mit Sascha verbracht hatte. Er studierte in Heidelberg Jura, hatte aber zu ihr und zu den anderen Familienmitgliedern ein sehr gutes Verhältnis. Sie waren wirklich eine rundherum glückliche Familie, auch wenn Alexander von Schoenecker, ihr Mann, öfters in Sorge war, daß sie sich bei ihrer großen Aufgabe in Sophienlust übernehmen könnte. Doch diese Aufgabe bereitete ihr Freude.

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Sophienlust – 389 –

Björn wartet vergeblich

Unveröffentlichter Roman

Marisa Frank

»Bis bald, Mutti! Grüß alle schön von mir.« Sascha von Schoenecker beugte sich etwas vor und küßte die noch jugendlich aussehende Frau auf beide Wangen. »Es war lieb von dir, daß du mich zum Essen eingeladen hast.«

»Das tue ich doch jedesmal. Mach’s gut, Sascha!« Denise von Schoenecker legte ihrem Stiefsohn für Sekunden die Hand auf die Schulter. Es verblüffte sie stets aufs neue, wie sehr dieser im Äußeren und im Wesen seinem Vater ähnelte.

»Das mache ich, Mutti.« Wie seine Schwester nannte auch er Denise Mutti. »Ich büffle wie ein Irrer. Aber demnächst komme ich für ein Wochenende nach Sophienlust.« Der Student lachte. Dann stieg er in den Kleinwagen ein, den er vor kurzem von seinem Vater bekommen hatte, und fuhr davon.

Denise von Schoenecker sah ihm nach. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war eine schöne Stunde gewesen, die sie mit Sascha verbracht hatte. Er studierte in Heidelberg Jura, hatte aber zu ihr und zu den anderen Familienmitgliedern ein sehr gutes Verhältnis. Sie waren wirklich eine rundherum glückliche Familie, auch wenn Alexander von Schoenecker, ihr Mann, öfters in Sorge war, daß sie sich bei ihrer großen Aufgabe in Sophienlust übernehmen könnte. Doch diese Aufgabe bereitete ihr Freude. Es war schön, elternlosen oder verlassenen Kindern ein Heim bieten zu können. Denn Sophienlust war ein Kinderheim.

Saschas Auto war ihren Blicken entschwunden. Denise wandte sich ab und wollte gerade die Straße überqueren, um zu ihrem eigenen Auto zu gelangen, als sie gegrüßt wurde. Sie drehte sich zu dem Grüßenden um. Hinter ihrer Stirn begann es zu arbeiten. Gleich darauf wußte sie den Namen des Mannes, der sie gegrüßt hatte.

»Herr Rist, was führt Sie nach Heidelberg? Wie geht es Björn?« Denise reichte ihm die Hand. Ihr Gedächtnis ließ sie nicht im Stich. Ein halbes Jahr hatte Björn in Sophienlust gelebt. Damals war er erst ein Jahr alt gewesen.

Bernd Rist konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. »Wegen Björn bin ich hier«, gestand er. »Ich will ihn besuchen. Es soll ihm bessergehen. Ich will mich davon überzeugen.«

»Was ist mit Björn?« fragte Denise. Sie alle hatten damals den blondhaarigen Jungen sehr gern gehabt. Der Abschied war ihnen schwergefallen, und Denise hatte versucht, zu dem Ehepaar Rist in Kontakt zu bleiben. Dies war jedoch nicht einfach gewesen, denn Herr Rist war Regisseur, seine Frau Schauspielerin. Durch ihren Beruf waren beide viel unterwegs. Schon damals war Denise der Ansicht gewesen, daß der kleine Björn es nicht leicht habe. Gern hätte sie ihn bei sich in Sophienlust behalten, aber nachdem Antje Rist ein neues Kindermädchen gefunden hatte, hatte sie darauf bestanden, ihren Sohn wieder mit auf Reisen zu nehmen.

»Richtig, Sie wissen es ja noch nicht.« Mit einer hastigen Handbewegung strich Bernd Rist sich durch das Haar. »Björn hatte Tbc. Zum Glück war es keine offene. Nun ist er hier in einem Sanatorium.«

»Oh«, sagte Denise. Im Geiste rechnete sie nach. Der Junge mußte nun fünf Jahre alt sein.

»Björn ist ein sehr liebes Kind«, erzählte Bernd Rist weiter. »Er ist auch sehr vernünftig. Er sieht ein, daß ich nicht so oft zu ihm kommen kann, wie ich möchte.«

Impulsiv sagte Denise: »Ich könnte ihn doch besuchen. Ich wohne ja nicht allzuweit von Heidelberg entfernt.«

»Das wäre schön. Sicher fühlt Björn sich oft sehr einsam. Über einen Monat ist er bereits in diesem Sanatorium.«

»Wissen Sie was«, schlug Denise vor, »ich habe noch etwas Zeit. Ich begleite Sie gleich. Mal sehen, ob Björn mich noch kennt.«

Ein dankbares Lächeln erschien auf Bernd Rists Gesicht. Er hatte stets großes Vertrauen zu Denise von Schoenecker gehabt. Gern hätte er Björn in ihrer Obhut gelassen, doch seine Frau hatte darauf bestanden, ihn bei sich zu haben.

Unwillkürlich seufzte Bernd erneut. Er dachte daran, daß Antje dies nur getan hatte, weil sie stolz auf ihren Sohn war. Sie zeigte ihn gern her. Björn war ein ausgesprochen hübsches Kind. Doch seit seiner Erkrankung brachte Antja ihm kaum noch Interesse entgegen.

»Das ist sehr nett von Ihnen, Frau von Schoenecker. Wann haben Sie Björn zum letzten Mal gesehen?«

Denise überlegte. »Zwei Jahre dürften es fast her sein.« Sie sprach nicht weiter, denn damals hatte Antje Rist ihr unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie ihre Besuche als Einmischung in ihre Erziehung betrachte.

»Damals hatten wir noch in Stuttgart eine Wohnung«, sagte Bernd.

»Wo leben Sie jetzt?« fragte De-nise.

»Meine Frau lebt in München, wenn sie nicht gerade unterwegs ist«, wich Bernd aus. Dann meinte er: »Kommen Sie, Björn wartet sicher schon auf mich. Ich habe mich telefonisch angemeldet.«

Denise freute sich darauf, den Kleinen wiederzusehen. Sie konnte ihr Erschrecken beim Anblick des Jungen kaum verbergen. Die einst so fröhlichen Augen blickten stumpf, leuchteten nur kurz beim Eintritt des Vaters auf.

Denise blieb etwas abseits stehen und beobachtete die Begrüßung von Vater und Sohn.

»Ich habe dir heute jemanden mitgebracht«, sagte Bernd.

In den Kleinen kam Bewegung. »Die Mami?« fragte er erfreut.

Denise sah, daß Bernd Rist schluckte. Er fuhr seinem Sohn über das Haar. »Du weißt doch, daß die Mami nicht kommen kann. Sie spielt Theater.«

»Ich weiß«, erwiderte Björn. De-nise beobachtete, daß sein Kopf herabsank. Schnell trat sie an seine Seite.

»Hallo, Björn!«

Der Kleine wandte sich ihr zu. »Kommst du mich besuchen?« fragte er. Plötzlich lächelte er. »Ich glaube, ich habe dich schon einmal gesehen.«

»Richtig!« Denise nahm die kleine Kinderhand in ihre Hand. »Es ist aber schon einige Zeit her. Ich bin Tante Isi. Ich habe dich einmal in Stuttgart besucht.«

»Tante Isi«, wiederholte Björn. Der Name weckte Erinnerungen in ihm. »Du hast doch viele Kinder, oder?« fragte er.

»Ich habe ein Haus, in dem viele Kinder wohnen«, korrigierte Denise.

Bernd Rist schaltete sich ein. »Als du ganz klein warst, hast du auch einmal dort gewohnt.«

»Wie klein?« fragte Björn. Interessiert sah er von seinem Vater auf Denise. Seine Wangen hatten Farbe bekommen.

»Ein Jahr warst du alt«, antwortete Denise.

»Das ist doch schon sehr lange her?« Diese Frage kam mit gerunzelter Stirn von Björn.

»Vier Jahre.«

»Ich kann schon bis zehn zählen«, verkündete der Junge. Gleich darauf sank er wieder in sich zusammen. »Damals war ich sicher noch nicht krank«, meinte er leise.

Bernd Rist sah Denise an. Es fiel ihm schwer, tröstende Worte zu finden. Die Verzweiflung seines Sohnes tat ihm weh.

»Nein, das warst du nicht«, meinte Denise. »Damals bist du mit den Kindern von Sophienlust herumgesprungen. An Pünktchens Hand hast du die ersten Schritte gemacht, bald danach bist du ihr davongelaufen.«

»Ich kann mich nicht erinnern.«

»Das ist verständlich. Die größeren Kinder von Sophienlust können sich aber noch an dich erinnern. Sie würden dich sicher gern wiedersehen. Weißt du was? Wenn du gesund bist, dann kommst du uns besuchen.«

»Oh, Papi, darf ich das?« fragte Björn seinen Vater.

Bernd Rist nickte.

»Der Onkel Doktor hat gesagt, ich werde wieder gesund. Ich darf auch schon jeden Tag aufstehen und mit der Schwester im Park spazierengehen. Darf ich auch wieder einmal mit den Kindern von der Tante etwas spielen?«

»Natürlich darfst du das«, sagte Denise.

Ein Lächeln erschien auf Björns Gesicht. »Der Onkel Doktor hat gesagt, ich bin sehr brav. Wenn ich brav bin, kann ich auch bald wieder laufen und springen.«

»Ich weiß.« Bernd beugte sich über seinen Sohn und zog ihn liebevoll an sich. »Du mußt nicht mehr lange hierbleiben. Bald bist du wieder zu Hause.«

»Ist Mami dann auch da?«

Darauf wußte Bernd Rist keine Antwort. Schließlich sagte er: »Ich finde es ganz toll, daß du schon in den Park gehen kannst.«

»Ich werde dabei auch nicht mehr müde. Das mußt du Mami sagen.«

Björn gab sich damit nicht zufrieden. »Sehr lange war ich gestern im Park. Du mußt Mami sagen, daß ich sie wieder begleiten kann. Ich werde auch artig meinen Diener machen, wenn sie es will.«

»Ich werde es ihr sagen«, versicherte Bernd. Seine Stimme klang dabei rauh.

»Glaubst du, daß Mami mich wieder liebhat, wenn ich gesund bin?« Bei dieser Frage zuckte es um Björns Mundwinkel.

»Mami hat dich sicher lieb«, erwiderte Bernd, aber er brachte es nicht fertig, seinen Sohn bei diesen Worten anzusehen.

»Das ist nicht wahr«, widersprach Björn ihm. »Mami mag mich nicht mehr. Sie kann kein krankes Kind brauchen.«

Bernd wich zurück, als habe er einen Schlag erhalten. Er hatte nicht geahnt, daß Björn so hellsichtig war. Auch Denise war bestürzt. Offensichtlich hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Sie hatte Antje Rist nie für eine gute Mutter gehalten.

Denise sah Bernd an, aber dieser hielt den Kopf gesenkt. Vergebens suchte er nach einer Antwort für seinen Sohn. In diesem Moment haßte er seine Frau. Sie hatte die Verantwortung für Björn auf ihn abgeschoben, hatte sich in der letzten Zeit nicht einmal nach dem Jungen erkundigt.

Plötzlich fühlte Denise Björns Hand. »Du, Tante, darf ich dir zeigen, daß ich nicht mehr müde werde? Du kannst es dann Mami sagen. Dir wird es Mami glauben.« Voll Zuversicht sah der Junge Denise an.

»Darfst du denn aufstehen?« fragte Denise.

In diesem Moment betrat eine Schwester das Zimmer. Ehe Denise oder Bernd Rist es verhindern konnten, war Björn aus dem Bett gerutscht. Mit bloßen Füßen lief er auf die Schwester zu. »Sag’ ihnen, daß ich aufstehen darf. Ich habe mittags brav geschlafen.«

»Natürlich darfst du das, kleiner Mann.« Die Schwester hob Björn hoch. »Wenn du angezogen bist, darfst du in den Park gehen.«

Björn warf sich in den Armen der Schwester herum. »Habt ihr es gehört?«

Es fiel Denise auf, daß auch diesmal kein Lächeln auf dem Gesicht des Kindes lag.

Die Schwester wandte sich nun an Bernd Rist. »Herr Rist, der Chefarzt ist in seinem Büro. Er erwartet Sie schon.«

»Danke.« Bernd erhob sich. Er hatte sich telefonisch angemeldet.

»Darf die Tante inzwischen mit mir in den Park gehen?« meldete Björn sich wieder zu Wort. »Ich werde langsam gehen und der Tante die Hand geben.«

»Würden Sie das tun?« wandte sich Bernd an Denise von Schoenecker.

»Selbstverständlich. Komm her zu mir, Björn. Ich helfe dir beim Anziehen.«

»Das kann ich allein«, meinte der Kleine. Er zappelte solange in den Armen der Schwester, bis diese ihn wieder auf den Boden stellte. Sofort lief er zum Schrank und holte seine Sachen hervor.

»Hast du auch alles?« fragte Bernd.

»Laß nur«, wehrte dieser ab. »Ich muß mich allein anziehen. Mami will es so.«

Bernd biß sich auf die Lippen. Beinahe hätte er gesagt, Mami ist doch nicht da.

Statt dessen strich er seinem Sohn nur noch rasch über das Haar. »Ich komme dann auch in den Park«, meinte er.

»Mit der Schwester sitze ich immer auf der Bank neben dem Springbrunnen. Darin sind Goldfische«, erzählte Björn.

»Gut, ich komme dorthin.«

Björn nickte mit ernstem Gesichtchen. »Fein! Dann kann ich dir meine Lieblingsgoldfische zeigen.«

Mit dem Lift fuhren Denise und der Junge abwärts. Björn seufzte.

»Was hast du?« fragte Denise.

»Treppen steigen darf ich noch nicht.« Björn hob den Kopf. Sein trauriger Blick ging Denise durch und durch. »Solange ich das nicht darf, bin ich noch krank, oder?«

»Du wirst es schon bald dürfen«, tröstete Denise.

»Ich weiß. Aber ob Mami es auch weiß?«

Darauf konnte Denise nicht antworten. Sie nahm sich aber vor, mit Herrn Rist zu sprechen.

*

»Ich habe mein Auto in der Innenstadt in einem Parkhaus abgestellt«, sagte Bernd Rist zwei Stunden später, als er zusammen mit Denise das Sanatorium verließ. »Ich bringe Sie aber gern mit dem Taxi irgendwohin. Es war nett von Ihnen, daß Sie soviel Zeit für Björn geopfert haben. Es geht ihm wirklich bereits bedeutend besser.«

»Ich habe es gern getan.« Denise von Schoenecker blieb stehen und sah Bernd an. »Ist Ihnen aufgefallen, daß Björn kaum gelacht hat? Dabei scheinen sich alle Schwestern um ihn zu bemühen.«

»Es ist für ein fünfjähriges Kind sicher nicht lustig, in einem Sanatorium zu leben«, wich Bernd aus.

Denise legte ihm ihre Hand auf den Arm. »Ich möchte mit Ihnen über Björn sprechen.«

In Bernds Gesicht trat ein abweisender Zug. Er zuckte die Achseln. »Da gibt es nicht viel zu sagen. Das letzte halbe Jahr mußte Björn die meiste Zeit liegen. Jetzt darf er bereits aufstehen und sogar in den Park gehen.«

»Er ist zu ernst für sein Alter. Er muß wieder lachen lernen«, warf Denise ein.

Bernd seufzte. »Da haben Sie recht. Ich komme auch, sooft es geht, nach Heidelberg. Da ich im Moment in Hamburg einen Film drehe, ist das nicht einfach. Es wäre wirklich sehr nett von Ihnen, wenn Sie hin und wieder nach Björn sehen würden. Zu Ihnen hatte er sofort wieder Vertrauen.«

»Das werde ich selbstverständlich tun. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Björn auch nach Sophienlust mitnehmen, sobald seine Erholung weitere Fortschritte gemacht hat.«

»Das wäre schön.« Auf Bernds Gesicht spiegelte sich Erleichterung. »Für Björn wäre es genau das Richtige. Durch die vielen Kinder käme er auf andere Gedanken.«

»Wie meinen Sie das?« Fragend sah Denise ihn an.

Bernd Rist wurde rot. »Nur so«, wich er erneut aus. »Björn denkt zuviel.«

»Er stellt gezielte Fragen und die wurden ihm nicht beantwortet«, gab Denise zu bedenken.

»Ich kann ihm nicht sagen, wie lange er noch seinen Mittagsschlaf halten muß, wie lange es dauert, bis er wieder herumspringen kann.«

»Er fragt auch nach seiner Mutter.«

»Das ist nur natürlich«, erwiderte Bernd. »Bis zu seiner Krankheit hat sie ihn stets überallhin mitgenommen. Sogar auf Tournee.«

»Ich finde, das ist nicht gut für ein Kind. Ein Kind muß wissen, wo es zu Hause ist.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung.« Bernd wechselte das Thema. »Es ist spät geworden. Wenn Sie erlauben, werde ich nächste Woche einmal in Sophienlust anrufen.«

Denise nickte. »Ich würde gern noch eine Tasse Kaffee trinken. Leisten Sie mir dabei Gesellschaft?«

Bernd räusperte sich. Es geschah aus Verlegenheit. Er konnte Denise von Schoeneckers Vorschlag nicht gut ablehnen. »Ich habe wirklich nicht mehr viel Zeit.«

Erstaunt sah Denise ihn an. Es war ganz offensichtlich, daß er einem Gespräch aus dem Weg gehen wollte. »Ich habe nicht die Absicht, Sie lange aufzuhalten. Auch ich muß zurück nach Sophienlust.«

Verlegen fuhr Bernd sich durch das Haar. »Ich weiß, daß Ihre Zeit bemessen ist. Es ist wirklich sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie Björn wieder besuchen wollen. Wie kann ich Ihnen dafür nur danken?«

Denise lachte. »Indem Sie mit mir eine Tasse Kaffee trinken gehen. Keine Angst, es kann auch ein Restaurant sein.« Denise sah sich suchend um. »Eine Viertelstunde, mehr Zeit müssen Sie mir nicht opfern.«

Bernd hob die Hand. Eigentlich wollte er auf die Armbanduhr sehen, aber er ließ es dann doch bleiben. Er hatte sich sowieso bereits verspätet.

»Gleich um die Ecke ist ein nettes Café. Dort war ich schon öfters.«

»Ausgezeichnet.« Denise machte zwei Schritte, dann drehte sie sich zu Björns Vater um, der noch immer auf dem gleichen Fleck stand. »Wollen Sie doch lieber woandershin gehen?«

»Nein, natürlich nicht.« Bernds Gestalt straffte sich. »Kommen Sie, bitte.« Mit raschen Schritten überquerte er die Straße. »Hier, dieses Café meinte ich«, sagte er und blieb erneut zögernd stehen.

»Es sieht einladend aus«, bemerkte Denise. »Wie ich sehe, hat es auch einen Garten. Ich glaube, wir können im Freien sitzen. Es ist wirklich warm genug.«

»Ich weiß nicht, der Wind…« Aber Denise ging bereits auf den Eingang zu. Bernd hatte keine andere Wahl. Er mußte ihr folgen.

Denise steuerte einen freien Tisch an. Da sah sie aus den Augenwinkeln heraus, daß eine junge Frau die Hand hob und winkte. Denise blieb stehen und sah in diese Richtung. Sie kannte die Frau nicht. Gleich darauf bemerkte sie aber ihren Irrtum. Die Frau winkte nicht ihr, sondern ihrem Begleiter.

Denise mußte lächeln, jetzt begriff sie Herrn Rists Zögern.

»Entschuldigen Sie bitte«, hörte sie Bernd sagen. »Eine Bekannte von mir, eine Kollegin. Sie haben doch nichts dagegen, daß wir uns zu ihr setzen?«

Ehe Denise antworten konnte, war die junge Frau zu ihnen getreten. »Du hast lange gebraucht, Bernd. Hat es Schwierigkeiten gegeben?«

»Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Ich werde nur in nächster Zeit öfters nach Heidelberg fahren müssen.«

»Hast du den Vertrag doch noch nicht unterschrieben?«

»So schnell geht das auch wieder nicht.« Bernd hielt seinen Blick gesenkt. Er wußte nicht, wohin er sehen sollte. Dann raffte er sich jedoch auf. Er machte eine vage Handbewegung in Richtung Denise. »Darf ich dir Frau von Schoenecker vorstellen?«

»Eine Kollegin?« Denise fühlte sich von rehbraunen Augen gemustert.

»Nein, nein, eine Bekannte. Wir sind uns seit langer Zeit wieder einmal begegnet. Frau von Schoenecker, darf ich Sie mit Heidelinde Koller bekannt machen? Sie ist Schauspielerin, eigentlich Tänzerin.«

Eine verlegene Pause entstand. Denise versuchte sie zu überbrücken, indem sie freundlich sagte: »Wie interessant. Da sind wir im Grunde genommen doch Kolleginnen, auch wenn ich meinen Beruf schon lange nicht mehr ausübe. Vor meiner Heirat war ich Tänzerin.«

»Das habe ich sofort gespürt.« Heidelindes Lächeln wurde herzlicher. »Also kennen Sie Bernd doch von früher. Haben Sie auch gefilmt?«

»Nein, wie gesagt, ich habe meinen Beruf nicht lange ausgeübt. Wollen wir uns nicht setzen?«

»Eine gute Idee.« Bernd lachte gezwungen auf. Er fühlte sich in diesem Moment gar nicht wohl in seiner Haut. Kaum hatten sie alle Platz genommen, winkte er ungeduldig der Kellnerin.

»Ich nehme nur einen Mokka. Was darf ich für Sie bestellen, Frau von Schoenecker?«

»Eine Tasse Kaffee.«

»Keinen Kuchen?«

»Danke.« Denise unterdrückte ein Lächeln. Es entging ihr nicht, wie nervös Bernd Rist plötzlich war.