Der blonde Engel - Bettina Clausen - E-Book

Der blonde Engel E-Book

Bettina Clausen

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Brigitte Sayler stand am Fenster. Sie sah, dass ihr Vater aus der Haustür trat, dass er noch einmal zum Fenster heraufwinkte und dann rasch zu seinem Wagen lief, weil es regnete. Boris Sayler musste wieder einmal geschäftlich verreisen. »Biggi«, sagte eine Frauenstimme von der Tür her. Die Zehnjährige drehte sich um. Huberta Zorn, die Freundin ihres Vaters, schlüpfte in einen Regenmantel. »Ich muss ein paar Besorgungen machen. In ein bis zwei Stunden bin ich zurück. Kann ich dich so lange allein lassen?« »Natürlich kannst du mich allein lassen«, sagte Biggi. »Ich bin doch kein kleines Kind mehr.« »Erwachsen bist du mit deinen zehn Jahren aber auch noch nicht.« Huberta drehte sich um. »Bis später!« Brigitte, die von allen nur Biggi genannt wurde, hörte, dass die Wohnungstür ins Schloss fiel. Es war Hubertas Wohnung, in der sie sich befand. Seit einem knappen Jahr war der Vater mit Huberta Zorn befreundet. Biggi trat wieder ans Fenster.

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Sophienlust (ab 351) – 352 –

Der blonde Engel

Wie Biggi eine neue Mutter fand...

Bettina Clausen

Brigitte Sayler stand am Fenster. Sie sah, dass ihr Vater aus der Haustür trat, dass er noch einmal zum Fenster heraufwinkte und dann rasch zu seinem Wagen lief, weil es regnete. Boris Sayler musste wieder einmal geschäftlich verreisen.

»Biggi«, sagte eine Frauenstimme von der Tür her.

Die Zehnjährige drehte sich um. Huberta Zorn, die Freundin ihres Vaters, schlüpfte in einen Regenmantel.

»Ich muss ein paar Besorgungen machen. In ein bis zwei Stunden bin ich zurück. Kann ich dich so lange allein lassen?«

»Natürlich kannst du mich allein lassen«, sagte Biggi. »Ich bin doch kein kleines Kind mehr.«

»Erwachsen bist du mit deinen zehn Jahren aber auch noch nicht.« Huberta drehte sich um. »Bis später!«

Brigitte, die von allen nur Biggi genannt wurde, hörte, dass die Wohnungstür ins Schloss fiel. Es war Hubertas Wohnung, in der sie sich befand. Seit einem knappen Jahr war der Vater mit Huberta Zorn befreundet.

Biggi trat wieder ans Fenster.

Sie sah Huberta aus dem Haus kommen und die Straße hinuntergehen. Ich kann sie nicht leiden, dachte sie und ließ den Vorhang zurückfallen. Wenn ich nur wüsste, was Paps an ihr findet. Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee, sie zu heiraten. Ich will keine Stiefmutter haben, und am allerwenigsten Huberta.

Wenn Paps Huberta heiratet, dann bleibe ich nicht zu Hause, beschloss Biggi. Dann gehe ich nach Sophienlust.

In dem Kinderheim gefiel es dem Mädchen. Wenn der Vater früher verreist war, hatte er seine Tochter immer nach Sophienlust gebracht. Aber diesmal war er auf die verrückte Idee gekommen, sie bei Huberta zu lassen. Bei dieser unfreundlichen, ungemütlichen Frau.

Ich kann sie nicht leiden, dachte Biggi erneut. Und ich weiß genau, dass sie mich auch nicht mag. Viel lieber wäre ich nach Sophienlust gegangen – oder allein zu Hause geblieben. Aber das hat Vater natürlich auch nicht erlaubt. Zum Glück wird er diesmal nur drei Tage wegbleiben.

Biggis Mutter war vor drei Jahren gestorben. Seitdem lebte Biggi mit dem Vater allein. Er hatte eine ältere Frau gefunden, die ihm den Haushalt führte und sich um Biggi kümmerte. Aber diese Frau blieb nur tagsüber und ging abends wieder nach Hause. Deshalb konnte Biggi nicht in der Wohnung bleiben, wenn der Vater verreiste.

Als Huberta zurückkam, brachte sie eine Freundin mit. Sie schickte Biggi in das kleine Zimmer und fügte hinzu: »Du kannst dort spielen. Wenn wir essen, rufe ich dich.«

Biggi saß in dem kleinen Zimmer und langweilte sich. Und weil sie sich langweilte, versuchte sie an der Tür zu lauschen. Es ging. Wenn sie das Ohr an die Türfüllung legte, konnte sie hören, was im Wohnzimmer gesprochen wurde.

Biggi kniete sich auf den Teppich und presste ihr Ohr an das Holz der Tür.

»Wie lange kennt ihr euch schon?«, fragte die Freundin gerade.

»Nicht ganz ein Jahr.« Das war Hubertas Stimme.

»Und wie alt ist Boris?«

»Siebenunddreißig«, sagte Huberta und dann noch etwas, was Biggi nicht verstehen konnte.

»Wieso denn ausgerechnet einen Witwer mit Kind, Huberta? Konntest du denn keinen anderen Mann finden? Es gibt doch genug ledige Männer.«

»Nicht in meinem Alter«, erwiderte Huberta. »Wenn man bereits fünfunddreißig ist, werden die ledigen Männer knapp. Da muss man schon Zugeständnisse machen.«

»Und ein Kind in Kauf nehmen.« Die Freundin lachte. »Ausgerechnet du, die keine Kinder mag.«

Biggi presste die Lippen zusammen.

Zehn Minuten später wurde sie von Huberta zum Essen gerufen.

Die Freundin wollte mit Huberta ins Kino gehen. Doch Huberta schüttelte den Kopf. »Ich kann doch Biggi nicht allein lassen.«

»Natürlich kannst du mich allein lassen«, widersprach Biggi ihr. »Ich bin doch kein kleines Kind mehr.«

»Das meine ich auch«, sagte die Freundin. »Mit zehn Jahren kann man schon einmal zwei Stunden allein bleiben.«

So kam es, dass Huberta nach dem Essen zusammen mit ihrer Freundin die Wohnung verließ.

»In spätestens einer Stunde gehst du ins Bett«, sagte Huberta zu Biggi. »Ich möchte nicht, dass du noch wach bist, wenn ich nach Hause komme.«

Biggi versprach, spätestens um neun ins Bett zu gehen.

Als Huberta gegangen war, schaltete sie zuerst das Fernsehgerät ein. Doch von der Sendung verstand sie nur die Hälfte. Sie schaltete wieder aus und durchstöberte Hubertas Bücherschrank. Aber darin gab es keine Kinderbücher, auch keine Bücher mit schönen Bildern.

Dafür fand Biggi etwas anderes.

Ein dunkelblaues Samtkästchen mit wunderschönen Ornamenten darauf. Sie betrachtete das Kästchen von allen Seiten. Dabei ging ganz von selbst der Deckel auf. Biggi schaute hinein. Eine Perlenkette …, ein Ring waren darin … Ein Schmuckkästchen war es also.

Schon wollte Biggi den Deckel wieder schließen, da zuckte sie zusammen. Ihre Augen weiteten sich. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. Aber vielleicht irrte sie sich?

Biggi nahm den Anhänger heraus. Er war aus Silber und hing an einem langen silbernen Kettchen. Genau so eine Kette mit Anhänger hatte die Mutter gehabt. Es war ein Geburtstagsgeschenk ihres Vaters gewesen. Biggi erinnerte sich noch genau. Die Mutter hatte das Schmuckstück geliebt und oft getragen. In dem Anhänger, den man aufklappen konnte, waren zwei winzige Porträts gewesen. Eins vom Vater und eins von ihr.

Biggi drückte auf das winzige Knöpfchen. Der Anhänger sprang auf. Biggi sah zuerst ihr eigenes Bild. Daneben war das Porträt ihres Vaters.

»Muttis Anhänger«, flüsterte Biggi. Eines der wenigen Erinnerungsstücke, die ihr von der geliebten Mutter geblieben waren. Ihre kleine Hand umschloss das Schmuckstück. Eine dicke Träne tropfte darauf. Der Anhänger gehört mir, dachte Biggi. Vati hat versprochen, dass ich ihn später einmal tragen darf.

Aber ums Tragen und um das Schmuckstück selbst ging es ihr gar nicht. Sie wollte es haben, weil es von der Mutter war. Und nun hatte der Vater es verschenkt. Er hatte es einer fremden Frau geschenkt.

Biggi spürte einen Kloß im Hals, der drückte und drückte. Minutenlang behielt sie den Anhänger in der Hand. Dann klappte sie ihn noch einmal auf. Sie tat es in der unsinnigen Hoffnung, sich geirrt zu haben. Doch ein Irrtum war ausgeschlossen. Das bewiesen die Bilder. Und dann entdeckte Biggi auf der Rückseite auch noch das eingravierte Datum: den Geburtstag der Mutter.

Weinend, mit dem Anhänger in der Hand, warf Biggi sich auf die Couch. Obwohl inzwischen schon drei Jahre vergangen waren, hatte sie den Tod der Mutter immer noch nicht ganz überwunden. Und ihr war alles heilig, was sie an die Mutter erinnerte.

Ihre Enttäuschung galt dem Vater. Wie hatte er das tun können? Ein Schmuckstück der Mutter zu verschenken, das allein war schon schlimm. Aber es einer Frau wie Huberta zu schenken, das war am allerschlimmsten.

Sie wird es ohne Ehrfurcht behandeln, dachte Biggi, Sie wird es herumliegen lassen oder vielleicht gar verlieren.

Lange konnte Biggi in dieser ­Nacht nicht schlafen. Sie hörte Huberta nach Hause kommen und stellte sich schlafend, als die Tür aufging.

*

Drei Tage später kam Boris Sayler zurück. Biggi war gerade bei einer Freundin, mit der zusammen sie Schulaufgaben machte. Schon bei der Begrüßung merkte Boris, dass etwas nicht stimmte. Huberta sah aus, als sei sie den Eismännern begegnet.

»Was ist los?«, fragte Boris. »Hattest du Ärger mit Biggi?«

»Das kann man wohl sagen.« Hubertas Gesicht war eine einzige Maske.

Boris ließ sich in einen Sessel fallen. Er war müde.

»Nun sprich schon! Hat sie etwas angestellt?«

»Deine Tochter hat gestohlen.« Boris starrte Huberta an. Ohne sich dessen bewusst zu werden, schüttelte er den Kopf.

»Huberta, weißt du auch genau, was du da sagst? Biggi hat noch nie gestohlen. Nicht einmal ein Bonbon.«

»Wegen eines Bonbons würde ich auch kein Theater machen. Deine Tochter hat mir ein Schmuckstück gestohlen.«

Huberta ging in das kleine Zimmer, in dem Biggi geschlafen hatte. Mit einem zusammengelegten Stück Zeitungspapier kam sie zurück.

»Das habe ich in ihrem Schuh gefunden.«

Boris wickelte das Papier aus.

Zum Vorschein kam der silberne Anhänger mit dem Kettchen.

»Es war das letzte Mal, dass ich deine Tochter behalten habe, Boris.«

Boris dachte daran, dass er wahrscheinlich schon in einigen Tagen wieder verreisen musste. Aber das war im Moment das kleinere Problem. Er ließ den Anhänger aufschnappen und glaubte, zu verstehen.

»Ich hätte dir dieses Schmuckstück nicht schenken dürfen«, sagte er leise und versuchte Huberta die Zusammenhänge zu erklären.

Doch sie wollte nicht verstehen. »Und wenn die Kette zehnmal ihrer Mutter gehört hat. Jetzt gehört sie mir.«

»Versuche dich doch einmal in Biggis Lage zu versetzen«, sagte Boris.

»Sie hätte mich fragen können, ob ich ihr den Anhänger zurückgebe.«

»Ja, so wäre es richtig gewesen.« Boris’ Stimme wurde ungeduldig. »Aber wer von uns tut schon immer das, was richtig ist?« Wieder betrachtete er den Anhänger in seiner Hand. »Wenn du wenigstens die Fotos herausgenommen hättest.«

»Ach, jetzt bin ich auch noch schuld«, schnappte Huberta.

»Nein«, widersprach er ihr gereizt. »Wenn jemand schuld ist, dann ich. Ich hätte dir den Anhänger nicht schenken dürfen. Es muss Biggi furchtbar getroffen haben, ein Schmuckstück ihrer geliebten Mutter bei dir zu finden.«

»So ist es recht. Nimm sie nur auch noch in Schutz. Das ist bestimmt die richtige Art, ein Kind zu erziehen.«

Boris ging darauf nicht ein. »Ich möchte dich um etwas bitten, Huberta.«

»Und was?«

»Gib mir den Anhänger zurück.«

Ihre Augen weiteten sich. »Du verlangst ein Geschenk zurück?«, fragte sie entrüstet.

»Nur dieses besondere Schmuckstück, Huberta, das eigentlich Biggi gehört, weil es ein Erinnerungsstück an ihre Mutter ist. Ich schenke dir dafür einen anderen Anhänger. Einen, der viel wertvoller ist.«

»Vielleicht will ich keinen anderen«, sagte Huberta eigensinnig. »Das ist albern. Dir bedeutet der Anhänger doch nichts.«

»Er ist ein Geschenk von dir.«

»Du bekommst ein neues Geschenk, eins ohne Vergangenheit«, widersprach Boris.

»Und wenn ich Nein sage?«, fragte sie aufsässig. »Was machst du dann?«

»Gar nichts.« Er drückte die kaum angerauchte Zigarette aus. »Ich kann dich ja nicht zwingen, mir das Schmuckstück zurückzugeben.«

»Hier hast du es.« Sie warf ihm den Anhänger vor die Füße.

Boris hob ihn auf. »Danke.«

»Ach? Jetzt bist du auch noch beleidigt«, beschwerte sie sich. »Ich bin nicht beleidigt, nur müde.« Seine Stimme klang frostig. »Und warum hast du es dann so eilig?«

Boris war in das kleine Zimmer gegangen, um Biggis Sachen zusammenzupacken.

»Ich muss heute Abend noch zwei Berichte schreiben, für die ich meine ganze Konzentration brauche.«

Das war allerdings nur die halbe Wahrheit. Richtig war, dass Boris nicht beleidigt war. Aber Hubertas Benehmen hatte ihn nachdenklich gemacht, wenn nicht sogar abgestoßen. Er hatte Verständnis erwartet. Stattdessen hatte sie wie ein eigensinniges Kind reagiert.

Ob so eine Frau seiner Tochter die Mutter ersetzen konnte?

Boris fand keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Es hatte geklingelt.

Huberta ging, um zu öffnen. »Ist mein Paps da?«, fragte Biggi atemlos.

Sie bekam keine Antwort und rannte ins Wohnzimmer. »Paps?«

»Hier bin ich.« Boris kam aus dem kleinen Zimmer und stellte den Koffer ab.

Im nächsten Moment lag Biggi in seinen Armen. »Tag, Paps.«

»Tag, Kleines.« Er strich ihr über das lange hellblonde Haar.

»Gut, dass du wieder da bist«, seufzte Biggi erleichtert. Zugleich warf sie einen besorgten Blick in das kleine Zimmer. »Hast du schon alles eingepackt?«

»Ja.«

Sie ging trotzdem noch einmal hinein, um zu sehen, ob er auch nichts vergessen hatte.

»Bis bald, Huberta. Ich rufe dich an.« Er gab ihr nicht ­– wie sonst einen Kuss, sondern nur die Hand.

»Wann sehe ich dich, Boris?«

»Ich weiß es noch nicht.«

»Hast du vergessen, dass wir morgen Abend eingeladen sind?«

Er hatte es tatsächlich vergessen gehabt. »Ich werde mich beeilen mit meiner Arbeit. Vielleicht bin ich bis morgen Abend fertig.«

»Vielleicht«, wiederholte Huberta anklagend. »Das ist mir zu unsicher. Warum kannst du nicht einen Achtstundentag haben wie andere auch?«

»In verantwortungsvollen und gut bezahlten Positionen hat man niemals einen Achtstundentag«, wies Boris sie zurecht. »Also, dann bis morgen. Ich rufe dich am Nachmittag an.«

Boris war ein ungewöhnlich tüchtiger Computerfachmann. Es gab nicht viele mit seinem Können. Deshalb versuchte die Konkurrenz auch immer wieder, ihn abzuwerben.

Boris liebte seinen Beruf und hatte nach dem Tod seiner Frau fast nur noch für die Arbeit gelebt. Der einzige Nachteil war: Er musste oft verreisen und Biggi allein lassen.

Biggi hatte seine freie Hand genommen. »Ich bin froh, dass du wieder da bist, Paps.«

»Ich auch.« Er lächelte ihr zu. »Schade, dass du heute Abend arbeiten musst.«

»So schlimm ist es nun auch wieder nicht.« Er strich ihr übers Haar. »Ein bisschen Zeit haben wir schon füreinander. Zuerst essen wir gemütlich und in aller Ruhe. Meinen Bericht schreibe ich, wenn du ins Bett gegangen bist.« Biggi strahlte. Endlich hatte sie den Vater für sich allein, musste ihn nicht mit Huberta teilen.

In dem schmucken Reihenhaus am Stadtrand brannte kein Licht mehr. »Frau Fink ist schon weg«, stellte Biggi fest.

»Woran merkst du das denn?«

»Daran, dass alle Fenster zu sind. Wenn sie da ist, lässt sie immer das Küchenfenster offen.«

Der Tisch in der Essecke war für zwei Personen gedeckt. Ein vorgekochtes Gulasch stand im Kühlschrank.

Während der Vater das Essen zum Wärmen auf den Herd stellte, lief Biggi in ihr Zimmer. Sie öffnete den kleinen Koffer, zog ihre Hausschuhe heraus, schüttelte sie. Nichts fiel heraus. Biggi griff in den zweiten Schuh. Auch nichts. Dabei wusste sie genau, dass sie den Anhänger in Zeitungspapier gewickelt und in einen Hausschuh gesteckt hatte.

Biggi kippte den ganzen Inhalt des Koffers aufs Bett. Dreimal durchsuchte sie alles. Das Päckchen blieb verschwunden. Nur Huberta konnte es ihr weggenommen haben.

Biggi spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Am liebsten hätte sie geheult. Verschwunden war die Freude über die Rückkehr des Vaters, über den bevorstehenden Abend zu zweit.

Da rief der Vater nach ihr. Biggi gab keine Antwort. »Das Essen ist warm!«

Biggi stand auf und ging mit schlurfenden Schritten ins andere Zimmer hinüber. »Ich habe keinen Hunger.«

»Unsinn«, sagte der Vater gut gelaunt und ließ die Jalousien herab.

Auf dem Tisch stand eine brennende Kerze. Und neben Biggis Teller lag …, das gab’s doch gar nicht …

Biggi lief zum Tisch und starrte auf den Anhänger.

»Ein Geschenk für dich«, sagte der Vater.

»Aber …« Ratlos schaute das Mädchen über den Tisch. »Woher hast du ihn?«

»Von Huberta.« Boris setzte sich.