Wiedersehen in Spanien - Marisa Frank - E-Book

Wiedersehen in Spanien E-Book

Marisa Frank

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Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. »Es ist wichtig, daß du mich begleitest.« Erregt ging Lothar Heidner vor seiner Frau auf und ab. Unvermittelt blieb er vor ihr stehen. »Weißt du überhaupt, daß du undankbar bist?« fuhr er sie an. »Jede andere Frau würde sich glücklich schätzen, wenn sie eine solche Ferienreise machen könnte.« Marion Heidner senkte schuldbewußt den Kopf. »Du hast alles was du dir wünschen kannst«, fuhr ihr Mann wütend fort. Mit einer weit ausholenden Handbewegung deutete er einen Kreis an, der das elegant eingerichtete Wohnzimmer umfaßte. Durch die Glasfront konnte man den gepflegten Garten sehen. Um Marions Mundwinkel zuckte es. Energisch schob sie sich eine blonde Haarlocke aus der Stirn. Sie hatte diesmal nicht die Absicht nachzugeben. »In drei Tagen fliegen wir.« Lothar Heidner wandte sich ab. Für ihn war alles klar. Marion holte tief Luft, dann sagte sie: »Ich möchte trotzdem nicht mitkommen.« Lothar Heidner fuhr empört herum. »Das schlag dir aus dem Kopf.

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Sophienlust Bestseller – 33 –

Wiedersehen in Spanien

Ich will euch beide bei mir haben!

Marisa Frank

»Es ist wichtig, daß du mich begleitest.« Erregt ging Lothar Heidner vor seiner Frau auf und ab. Unvermittelt blieb er vor ihr stehen. »Weißt du überhaupt, daß du undankbar bist?« fuhr er sie an. »Jede andere Frau würde sich glücklich schätzen, wenn sie eine solche Ferienreise machen könnte.«

Marion Heidner senkte schuldbewußt den Kopf.

»Du hast alles was du dir wünschen kannst«, fuhr ihr Mann wütend fort. Mit einer weit ausholenden Handbewegung deutete er einen Kreis an, der das elegant eingerichtete Wohnzimmer umfaßte. Durch die Glasfront konnte man den gepflegten Garten sehen.

Um Marions Mundwinkel zuckte es. Energisch schob sie sich eine blonde Haarlocke aus der Stirn. Sie hatte diesmal nicht die Absicht nachzugeben.

»In drei Tagen fliegen wir.« Lothar Heidner wandte sich ab. Für ihn war alles klar.

Marion holte tief Luft, dann sagte sie: »Ich möchte trotzdem nicht mitkommen.«

Lothar Heidner fuhr empört herum. »Das schlag dir aus dem Kopf. Ich brauche dich dort.«

»Du brauchst mich? Du hetzt doch wieder nur von einer geschäftlichen Besprechung zur anderen.«

»Wo wären wir, wenn ich das nicht täte? Ich habe dir doch von dem neuen Projekt erzählt. Es wird eine Goldgrube, das sage ich dir.« In Gedanken an das bevorstehende Geschäft rieb er sich die Hände. »Du mußt mich unbedingt begleiten.«

Er musterte sie, dann nickte er zufrieden. »Ich bin stolz auf dich, meine Kleine.« Er kam auf sie zu, tätschelte ihr flüchtig die Wangen. Er merkte nicht, wie sie erstarrte. »Die werden Augen machen. Keiner kann so eine Frau vorweisen.«

Das war es. Marion preßte die Lippen zusammen. Deswegen sollte sie Birgit allein lassen.

»Was machst du denn für ein Gesicht? Ich habe dir gerade ein Kompliment gemacht.« Lothar lächelte selbstsicher. »Du wirst sehen, es wird auch dir in Malaga gefallen.«

»Und wie lange hast du vor zu bleiben?« Marion war einen Schritt zurückgetreten.

»Das kann ich noch nicht sagen. Es spielt auch keine Rolle. Hier bin ich im Moment abkömmlich. Du doch auch.«

»Wenn wir Birgit mitnehmen, dann ja.«

»Ausgeschlossen! Du mußt mich oft begleiten. Wo willst du da das Kind lassen?«

Darauf wußte Marion keine Antwort.

»Es geht nicht. Gerade abends werden wir ausgehen müssen. Ich hoffe noch im Herbst mit dem ersten Bauabschnitt beginnen zu können. Bin neugierig, an welchen Architekten Herr Berger gedacht hat. Er soll direkt von Amerika kommen.« Mit seinen Gedanken war Lothar bereits wieder bei den Geschäften.

»Lothar!« Marion legte ihrem Mann die Hand auf den Arm. Sie versuchte seine Aufmerksamkeit wiederzuerringen. »Birgit kann doch nicht allein bleiben.«

»Sie ist nicht allein. Wir haben ein Mädchen. Elsa wird sich schon um sie kümmern.« Lothar griff nach der Zeitung. »Im übrigen kannst du Elsa sagen, daß sie mir einen Kaffee machen soll. Ich setze mich auf die Terrasse.«

»Moment, Lothar! Elsa ist sehr tüchtig, aber du willst doch nicht Birgit ihrer Obhut überlassen.«

»Warum nicht? Darf ich dich erinnern, daß du nie ein Kindermädchen wolltest? Hätte Birgit ein Kindermädchen, müßtest du dir keine Gedanken machen.«

»Ich wollte meine Tochter selbst großziehen«, murmelte Marion.

»Ich habe dies nie für notwendig gehalten. Wozu gibt es Kindermädchen? Aber ich habe dir den Willen gelassen.« Lothar schlug mit der Zeitung auf den Tisch. »Ich bin auf der Terrasse.«

Marion wollte noch etwas sagen, aber mit seinem Rücken konnte man schlecht sprechen. Er ließ die Tür offen, und sie sah, wie er es sich auf er Terrasse bequem machte. Er schlug die Zeitung auf, gleich darauf war er darin vertieft.

Marion beobachtete ihren Mann. Viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Fast sieben Jahre war sie nun mit ihm verheiratet. Er war für sie ein Fremder geblieben. War dies ihre Schuld? Sie hatte sich bemüht, ihm eine gute Frau zu sein. Er hatte es ihr nie leichtgemacht. Der kleine Bauch und die beginnende Glatze störten sie nicht. Aber seine Gleichgültigkeit konnte sie nicht ertragen. Sie war für ihn nur ein schöner Gegenstand. Je nach Laune holte er sie hervor und zeigte sie her. Auch daran hatte sie sich gewöhnt. Da war aber noch Birgit. Lothar hatte sich nie die Mühe genommen, das Kind zu verstehen. Wenn er hier war mußte Ruhe herrschen. Er war ein Patriarch.

Marion schreckte aus ihren Gedanken hoch. Elsa hatte das Zimmer betreten. »Gnädige Frau, soll ich das Abendessen nur für Birgit richten?«

»Ich weiß nicht, ob wir zu Hause sind.« Marion unterdrückte einen Seufzer. Ihr Mann sagte es ihr stets erst im letzten Moment, wenn er eine Verabredung getroffen hatte. Für sie hieß es dann, bereit zu sein.

»Ich werde ihn fragen. Zuerst kochen Sie bitte einen Kaffee und bringen ihn auf die Terrasse.«

»Gut.« Bevor sich Elsa wieder zurückzog, ließ sie ihren Blick noch bewundernd über Marions Gestalt gleiten. Marions Kleid hatte es ihr angetan. Nur Marions und des Kindes wegen ertrug sie Herrn Heidners Launen. Sie war erst zwanzig Jahre alt und schwärmte für Marion, wie ein Teenager. Sie hatte sich ihre Haare wachsen lassen, und heimlich, am Abend vor dem Spiegel, probierte sie die Frisuren aus, die Marion trug.

Marion ging zu ihrem Mann auf die Terrasse. Sie setzte sich ihm gegenüber, er bemerkte es nicht einmal. Sie räusperte sich, nach dem zweiten Mal raschelte er nur unwillig mit seiner Zeitung.

»Lothar!« Marion beugte sich vor.

Er drehte ihr einfach den Rücken zu. Diese Geste kannte sie nur zu gut. Er wollte nicht gestört werden.

»Lothar, was ist heute abend? Essen wir zu Hause?«

»Natürlich, sonst hätte ich es dir gesagt.«

Marion hätte ihm jetzt unzählige Beispiele aufzählen können, wo er dies nicht getan hatte. Sie verzichtete darauf, statt dessen sagte sie: »Lothar, es geht nicht, daß wir Birgit allein hier lassen. Elsa ist noch zu jung.«

»Ich möchte jetzt in Ruhe meine Zeitung lesen. Weshalb kannst du das eigentlich nicht begreifen?« Empört hielt Lothar sich das Blatt vor das Gesicht.

Marion erhob sich. Sie zögerte, dann nahm sie Lothar die Zeitung aus der Hand. »Bitte, Lothar, es geht schließlich um...«, sie zögerte kurz, »um unsere Tochter.«

Er runzelte die Stirn. »Mit Birgit ist alles in Ordnung. Sie hat uns noch nie Schwierigkeiten gemacht.«

»Das meine ich nicht. Ich kann sie nicht allein lassen.«

»Ich denke, das haben wir bereits geklärt. Birgit ist nicht allein. Elsa wird für sie sorgen.«

»Das ist nicht geklärt. Ich lasse Birgit nicht in der Obhut einer Zwanzigjährigen. Birgit braucht mich. Du weißt, sie ist sehr lebhaft.«

»Du hast sie verwöhnt,« Lothar wollte wieder nach der Zeitung greifen, aber seine Frau hielt sie fest.

»Wir müssen Birgit mitnehmen. Nur dann kann ich dich begleiten.«

»Das schlag dir aus dem Kopf. Du mußt mich zu verschiedenen Besprechungen begleiten. Birgit können wir nicht brauchen.«

»Wie kannst du nur so etwas sagen!« Marion rang nach Fassung. »Birgit ist meine Tochter.«

»Reg dich nicht auf.« Lothar schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich sagte ja bereits, du hast sie verwöhnt. Ein Kind muß ohne Mutter auskommen können. Du wirst mich begleiten. Wenn du Elsa das Kind nicht anvertrauen willst, dann geben wir sie eben während dieser Zeit nach Sophienlust.«

»Wohin?« fragte Marion verwirrt.

»In dieses Kinderheim. Erinnere dich doch, wir haben bereits einmal darüber gesprochen.«

Marion konnte ihre Empörung nicht länger unterdrücken. »Wegen dieser Spanienreise willst du Birgit in ein Kinderheim geben?«

»Du kannst es dir überlegen«, meinte Lothar kühl. »Entweder läßt du Birgit bei Elsa, oder sie kommt in dieses Heim. Es hat ausgezeichnete Referenzen. Die Unterlagen liegen auf meinem Schreibtisch. Du kannst dich ja informieren. Im übrigen habe ich bereits gestern mit einer gewissen Frau von Schoenecker telefoniert. Sie verwaltet das Heim. Wir können Birgit jederzeit hinbringen.«

Marion sah ihn sprachlos an. Wieder einmal hatte er sie übergangen.

»Kann ich nun weiterlesen?« Gebieterisch streckte Lothar seine Hand aus. Marion gab ihm die Zeitung. Sie wußte, daß sich ihr Mann auf keine weitere Diskussion einlassen würde.

*

»Das ist langweilig«, beschwerte sich Heidi Holsten. Sie saß zwischen den anderen Kindern von Sophienlust im Gras. Sie hatten einen Kreis gebildet. Hinter ihrem Rücken reichten sie einen kleinen Gummiball weiter. Eines der Kinder stand mitten im Kreis, es mußte versuchen, den Ball zu bekommen. »Ich hatte den Ball schon lange nicht mehr.«

»Weil ich ihn dir hinter deinem Rücken weggeschnappt habe«, sagte Henrik von Schoenecker lachend. »Wenn du willst, kannst du ja einmal in die Mitte.«

»Nein!« Heidi, mit ihren fünf Jahren das jüngste Dauerkind von Sophienlust, sprang auf. »Ich will dieses Spiel nicht mehr spielen.«

»Was willst du dann spielen?« fragte ein dreizehnjähriges Mädchen. Sie war schon sehr lange in Sophienlust, daher kümmerte sie sich auch bereits um die kleineren Kinder.

»Weiß nicht.« Heidi schob ihre Unterlippe vor. Mit ihren kleinen Rattenschwänzchen sah sie allerliebst aus.

»Wie wär’s mit Figurenwerfen?« schlug Henrik vor. Er war Denise von Schoeneckers jüngster Sohn. Eigentlich wohnte er im nahen Gut Schoeneich, auf dem Stammsitz der Familie von Schoenecker, aber er und sein um sieben Jahre älterer Bruder Nick hielten sich oft im Kinderheim auf.

Henrik war wirklich nie um eine Antwort verlegen. Mit seinen knapp neun Jahren steckte er schon voller Unternehmungsgeist. Temperamentvoll sprang er jetzt auf und stellte sich in den Kreis. »Los, wer will zuerst?« Er streckte die Hände aus, er war bereit, jemand zu ergreifen und herumzuwirbeln. Aber keines der Kinder erhob sich.

»Heidi was ist? Willst du zuerst?« Henrik sah in ihre Richtung.

Die Kleine schüttelte heftig den Kopf. »Das haben wir doch erst gestern gespielt.«

»Na und? Es ist lustig. Wer macht den Anfang?«

Umsonst sah Henrik in die Runde. Keiner kam seiner Aufforderung nach, er begegnete nur unlustigen Gesichtern.

»Pünktchen«, wandte Henrik sich an die Dreizehnjährige. Pünktchen war der Spitzname des Mädchens. So wurde sie wegen ihrer unzähligen Sommersprossen gerufen. »Bring diese Bande doch auf Trab!«

Ehe Pünktchen etwas sagen konnte, rief Angelika, das ältere der Langenbach-Mädchen: »Du mußt dir eben etwas anderes einfallen lassen. Diese Spiele sind langweilig.«

»Ihr seid langweilig«, erwiderte Henrik empört. »Ich werde mir andere Kinder suchen.«

»Das ist eine gute Idee«, meinte Angelika. »Wir sollten wieder einmal ein neues Kind bekommen. Egal, ob Mädchen oder Junge – Hauptsache, es kennt viele Spiele.«

Henriks Augen leuchteten auf. »Ich gehe Mutti fragen. Vielleicht kommt bald ein neues Kind zu uns, dann weiß ich es als erster.« Mit erhobenem Kopf setzte er sich in Bewegung. Wie er es erwartet hatte, sprangen nun auch alle anderen Kinder auf.

Heidi rannte ihm nach. »Ich will auch mit! Vielleicht kommt wieder einmal ein kleines Mädchen zu uns. Eines, das kleiner ist als ich.«

Henrik sah sie an. »Können wir nicht brauchen«, stellte er dann fest.

»Sie muß viel älter sein, sonst weiß sie keine Spiele.«

»Henrik«, tadelte Pünktchen, »wir können uns doch die Kinder nicht aussuchen. Die Kinder kommen zu uns, weil niemand für sie Zeit hat.«

»Oder weil ihre Mamis und Papis gestorben sind«, fiel Heidi Pünktchen ins Wort.

»Stimmt.« Pünktchen lächelte der Kleinen zu. »Diese Kinder sind traurig. Sie wollen bei uns wieder lachen lernen.«

»Und bisher ist das den meisten gelungen«, fügte Henrik hinzu. Er lief über die Wiese davon, bald war er unter den Bäumen des Parks verschwunden. Die Kinder folgten ihm.

In Sophienlust konnten die Kinder nach Herzenslust toben. Da gab es einen großen Park mit altem Baumbestand, einer großen Spielwiese, Sandkästen, Schaukeln, Rutschen und Recks.

Sophienlust war ein kleines Paradies. Auch das Haus, ein ehemaliges Herrenhaus, wirkte durch seine großen Fenster und der weißen Fassade sehr freundlich. Henrik hatte als erster die Freitreppe erreicht, die zum Portal hinaufführte. Von hier aus kam man in die Halle. Hier gab es einen offenen Kamin, vor dem ein Bärenfell lag. Nicht nur im Winter saßen die Kinder davor, spielten oder lauschten, wenn die Großen vorlasen oder erzählten.

»Mutti, Mutti!« brüllte Henrik bereits in der Halle. »Wir haben eine Frage.«

Denise von Schoenecker hörte ihren Sohn. Sie schüttelte den Kopf, aber sie lächelte dabei. Als ihr Jüngster ins Zimmer stürmte, hatte sie ihre Schreibmaschine bereits zur Seite geschoben.

»Wo brennt es?« fragte Denise. »Ich hoffe, du hast einen ernsthaften Grund für diese Störung. Ich wollte heute nachmittag einige Sachen aufarbeiten.«

Henrik stutzte. Mit großen, unschuldigen Augen sah er seine Mutter an. »Aber du hast doch für die Kinder immer Zeit. Deswegen mögen dich auch alle.« Jetzt grinste er. »Ich habe schließlich die beste Mutti von der Welt.«

»Du Gauner.« Denise konnte ihr Lächeln nicht verbergen. Sie strich ihm rasch über das Haar, dann wandte sie sich den anderen Kindern zu. »Nun, was gibt es denn so Wichtiges?«

Heidi lief auf Denise zu. Sie war ein lebhaftes Kind. Ohne viele Umstände kletterte sie Denise auf den Schoß. »Bekommen wir wieder mal ein neues Kind?« Sie lächelte Denise an. »Weißt du, ich will ein kleines Mädchen. Mit dem könnte ich spielen, wenn unsere Kinder in der Schule sind. Henrik will ein großes Kind. Ein Kind, das viele Spiele weiß.«

»Habt ihr Probleme?« fragte Denise.

»Die haben nur Heidi und Henrik« mischte sich nun Angelika ein. »Wir wollen nur wissen, ob wieder einmal ein neues Kind zu uns kommt.«

»Ja, sogar schon sehr bald.«

»Au, fein!« schrie Henrik. »Ein Mädchen oder ein Junge?«

»Ich werde euch alles erzählen«, sagte Schwester Regine, die soeben hereingekommen war. Sie war die Kinder- und Krankenschwester von Sophienlust. Kurz wandte sie sich an Denise von Schoenecker. »Tut mir leid, ich habe jetzt erst bemerkt, daß die Rasselbande bei Ihnen ist.«

»Mutti ist deswegen nicht böse.« Henrik blinzelte seiner Mutter zu. »Aber ich glaube, es ist besser, wir verziehen uns jetzt. Schwester Regine nehmen wir mit. Sie wird uns alles erzählen, und vielleicht weiß sie auch ein neues Spiel.«

*

Marion Heidner nahm den Fuß vom Gaspedal. Das Weinen ihrer Tochter war nicht mehr zu überhören. »Birgit, du mußt doch nicht weinen. Wir bleiben sicher nicht lange weg.«

Birgit schluchzte nur noch lauter.

»Du wirst sehen«, versuchte Marion sie zu trösten, »dort ist es sehr lustig. Dort gibt es viele Kinder. Ich werde dich von Spanien aus anrufen und du erzählst mir dann, was du den ganzen Tag getan hast.«

»Ich will nicht dorthin, Mami. Bitte, bitte, kehr um!«

»Das geht nicht, Birgit.« Marion fuhr noch langsamer.

»Ich will aber nicht zu diesen Kindern und diesen fremden Tanten« erwiderte Birgit trotzig. »Ich weiß daß es mir dort nicht gefallen wird.«

»Warte erst einmal ab.« Marion brachte es nicht fertig, weiterzufahren. Sie fuhr an den Straßenrand hielt an, dann wandte sie sich zu ihrer Tochter um. »Wenn es dir wirklich nicht gefällt, dann kann Elsa dich nach Hause holen.«

»Ich will auch nicht bei Elsa bleiben. Ich will bei dir sein. Ich habe dich lieb.«

»Ich dich doch auch.« Marion versuchte zu lächeln.

»Aber Papi hat mich nicht lieb«, stieß Birgit schluchzend hervor.

»Das ist doch nicht wahr. Papa hat nur selten Zeit, er muß viel arbeiten.«

»Ich weiß. Aber auch wenn Papi zu Hause ist, spielt er nie mit mir.«

»Da ist Papi eben müde«, sagte Marion deprimiert. Am liebsten hätte sie mit ihrer Tochter geweint. Sie schloß sekundenlang die Augen, dann hatte sie sich wieder gefaßt. »Das ist das Schöne an Sophienlust – es wird immer jemand dasein, der mit dir spielt.«

»Ich will aber gar nicht. Ich will mit dir kommen, Mami. Ich würde auch ganz brav sein.«

»Das geht nicht. Wenn du in Sophienlust brav bist, dann bringe ich dir auch ein Geschenk mit.« Marion wollte ihrer Tochter über das Haar streichen, aber Birgit wich ihr aus.

»Du mußt mir nichts mitbringen.« Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Ich laufe sowieso davon. Ich bleibe nicht in diesem Heim.«

»Nun ist aber Schluß, Birgit«, sagte Marion streng, aber sie litt genauso wie ihr Kind. »Du bist schon ein großes Mädchen, du weißt, daß man nicht einfach weglaufen kann.«

»Ihr gebt mich doch weg.« Birgit warf sich herum und preßte ihr Gesicht in das Sitzkissen.

Marion sah die zuckenden Schultern ihres Kindes. Birgit weinte nun wieder bitterlich. Sie mußte hart bleiben. Rasch wandte sie sich ab. Sie stieg so hastig auf das Gaspedal, daß der Motor aufheulte.

»Mami, bitte nicht weiterfahren«, jammerte Birgit hinter ihr.

»Wir sind gleich da«, sagte Marion. Sie versuchte nicht in den Rückspiegel zu sehen. Es fiel ihr sehr schwer, weiterzufahren. Starr hatte sie ihren Blick nach vorn gewandt, und da sah sie auch schon eine hohe, dichte Hecke.

»Birgit, sieh nur!« rief sie erleichtert.

»Will nicht«, kam es dumpf von hinten.

Trotzdem fuhr Marion weiter. Sie kam an ein großes, schmiedeeisernes Tor, und da dieses offenstand, fuhr sie hindurch. »Schön ist es hier!« rief sie überrascht aus.