Es geschah aus Liebe - Marisa Frank - E-Book

Es geschah aus Liebe E-Book

Marisa Frank

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Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. Lachend wehrte Marion Breiter die Händchen ihres zweijährigen Sohnes ab. »Willst du wohl Ruhe geben?« sagte sie zärtlich tadelnd. »Mami will nur einen Blick auf die Altstadt werfen.« »Warte, ich nehme dir Jörg ab«, erbot sich Holger Viercke. Marion lächelte ihm zu. Er war der einzige, dem sie ihren Sohn anvertraute. »Das ist lieb.« Sie reichte ihm Jörg. Das löste sofort ein heftiges Protestgeschrei aus. Holger Viercke schwenkte den Kleinen durch die Luft. »Nanu, kleiner Mann, was ist plötzlich los? Wir verstehen uns doch sonst prächtig.« Jörg verstummte, sein Gesichtchen entspannte sich, ein strahlendes Lächeln erschien. Holger lächelte zurück. Es war für ihn ein schönes Gefühl, daß der Kleine ihn mochte. Der Mann liebte die Mutter des Kleinen und halte ihr vor wenigen Tagen einen Heiratsantrag gemacht. Marion Breiter beobachtete die beiden eine Weile. Dann senkte sie verlegen den Blick.

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Sophienlust Bestseller – 44 –

Es geschah aus Liebe

... und veränderte ihr Leben

Marisa Frank

Lachend wehrte Marion Breiter die Händchen ihres zweijährigen Sohnes ab. »Willst du wohl Ruhe geben?« sagte sie zärtlich tadelnd. »Mami will nur einen Blick auf die Altstadt werfen.«

»Warte, ich nehme dir Jörg ab«, erbot sich Holger Viercke.

Marion lächelte ihm zu. Er war der einzige, dem sie ihren Sohn anvertraute. »Das ist lieb.« Sie reichte ihm Jörg. Das löste sofort ein heftiges Protestgeschrei aus.

Holger Viercke schwenkte den Kleinen durch die Luft. »Nanu, kleiner Mann, was ist plötzlich los? Wir verstehen uns doch sonst prächtig.«

Jörg verstummte, sein Gesichtchen entspannte sich, ein strahlendes Lächeln erschien. Holger lächelte zurück. Es war für ihn ein schönes Gefühl, daß der Kleine ihn mochte. Der Mann liebte die Mutter des Kleinen und halte ihr vor wenigen Tagen einen Heiratsantrag gemacht.

Marion Breiter beobachtete die beiden eine Weile. Dann senkte sie verlegen den Blick. »Du bist so lieb«, sagte sie leise. Sie wußte noch immer nicht, was sie tun sollte. Holger war ihr im letzten Jahr zu einem wahren Freund geworden. Er würde Jörg ein guter Vater sein. Aber war es Liebe, was sie für ihn empfand?

»Hast du gehört, Jörg, was deine Mama gesagt hat?« Holger zog den Kleinen an sich. »Dabei würde ich sie so gerne verwöhnen.«

Marion sah ihn an. »Das tust du doch schon. Dieser schöne Ausflug heute. Jeden Sonntag versuchst du, uns mit etwas anderem zu überraschen.«

»Gefällt es dir hier?« Erfreut sah der Boutiquebesitzer die Frau an.

Diese nickte. »Ich war als Sechzehnjährige das letzte Mal in Heidelberg. Das war bei einem Schulausflug. Schon damals hat mich diese Anlage aus dem dreizehnten Jahrhundert fasziniert. Schade, daß diese alten Mauern nicht sprechen können.« Sie sah zu dem Burgtor hin, durch das man in den Schloßhof kam.

Ehe Holger etwas sagen konnte, wandte sie sich wieder um und sah auf die Stadt hinunter. Das Wasser des Neckars glänzte in der Sonne, eine alte Brücke überspannte ihn.

Holger trat an ihre Seite. »Nächsten Sonntag machen wir eine Fahrt auf dem Neckar. Wenn wir rechtzeitig von zu Hause aufbrechen, können wir das erste Schiff nehmen. Es fährt bis Worms. Dort sehen wir uns dann den Dom an.«

Marion lächelte.

Eifrig fuhr Holger Viercke fort. »Warst du schon einmal in Worms?«

»Ich glaube, ja. Aber ich kann mich nur dunkel erinnern. Ich muß damals noch sehr klein gewesen sein.« Sie lachte wieder.

Erst jetzt fiel es dem Mann auf. »Sag mal, lachst du mich aus?« fragte er bestürzt.

»Aber nein. Du planst nur schon wieder einen neuen Ausflug, noch ehe dieser zu Ende ist.«

Holger nickte. »Wir werden in Zukunft jedes Wochenende etwas unternehmen. Ich werde dir die schönsten Plätze Deutschlands zeigen.«

Marion wurde ernst. »Das geht nicht.«

»Warum?« Holger nahm Jörg fester in seine Arme, da er zu zappeln angefangen hatte. Sofort ertönte ein lautes Protestgeschrei.

»Deswegen«, erwiderte Marion. Sie streckte ihrem Sohn die Hände entgegen.

»Mami, da, da…« Der Kleine warf sich so heftig seiner Mutter entgegen, daß er Holger beinahe entglitten wäre.

»Komm zu Mami.« Marion zog Jörg an sich. »Er ist sehr lebhaft, nicht wahr?«

Holger strich dem Kind über das blonde Köpfchen. »Ich finde ihn entzückend. Ganz die Mama.«

Das Lächeln verschwand aus Marions Gesicht. »Das stimmt nicht«, meinte sie. »Er ist ganz…« Sie unterbrach sich und wechselte das Thema. »Ich glaube, er ist müde.«

Unwillkürlich preßte Holger seine Lippen aufeinander. Er wollte, daß sie nicht mehr an den Vater ihres Kindes dachte. Dieser Mann hatte sie verlassen. Holger würde alles versuchen, damit sie den Kindesvater endgültig vergaß. Er selbst wollte dem kleinen Jörg stets ein guter Vater sein.

In seine Gedanken hinein ertönte Jörgs jämmerliches Weinen. Holger fuhr zusammen. »Du hast einen bösen Onkel. Der vergißt den kleinen Liebling ganz.« Er wollte ihm erneut über das Haar streichen, aber Jörg schlug nach der Hand. Dann drehte er sich herum und vergrub sein blondes Köpfchen an der Schulter der Mutter.

Marion begann ihn hin und her zu wiegen. »Auch wenn man müde ist, darf man nicht so böse sein«, sagte sie dabei zärtlich. Dann hob sie den Kopf und sah Holger an. »Gleich wird er eingeschlafen sein.«

Der Mann sah auf das Kind. Die Augen waren bereits geschlossen. An den langen seidigen Wimpern hing noch eine Träne. »Wie ein Engelchen«, sagte er leise. »Aber was sollen wir nun tun? Du kannst ihn doch nicht auf dem Arm behalten?«

Uber Jörgs Köpfchen hinweg lächelte Marion Holger zu. »Das ist eben das Problem, er hat für die Schönheiten der Natur noch keinen Blick. Daher wird er sich auch kaum für den Dom in Worms interessieren.«

Holger machte ein betretenes Gesicht. »Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Wie dumm von mir.« Es ärgerte ihn, denn er wollte alles richtig machen. Dann kam ihm aber eine andere Idee. »Du kannst dich hier auf die Bank setzen, inzwischen hole ich den Sitzwagen aus dem Auto. Wenn wir diesen ganz flach stellen, kann Jörg darin weiterschlafen.«

Marion nickte dankbar. Der Kleine wurde allmählich schwer. Dabei wagte sie kaum, sich zu bewegen, denn sie wollte ihn nicht aufwecken. Holger beeilte sich, und so dauerte es nicht lange, bis er mit dem Wagen zurück war.

Sorgfältig bettete Marion ihren kleinen Sohn hinein. Sekundenlang schlug er die Äuglein auf, sein Gesichtchen verzog sich zuerst, dann erkannte er jedoch die Mutter. Schwupps, schob er das kleine Däumchen in den Mund. Eine Weile nuckelte er daran, dann ging sein Atem wieder gleichmäßig.

Marion richtete sich auf. »Das wäre geschafft.« Entschuldigend hob sie ihre Schultern. »Er braucht noch seinen Schlaf, er wird sonst ungenießbar.«

»Das verstehe ich«, versicherte Holger. »Wir können uns ins Schloßcafé setzen, oder willst du lieber ein Stück spazierengehen? Ich schiebe den Wagen gern.«

Marion trat zur Seite. Sie sah zu, wie Holger nicht ohne Stolz seine Hände um den Griff legte und zu schieben begann. Liebevoller konnte der eigene Vater nicht sein, ging es ihr durch den Sinn. Sie ging neben Holger her. Sie konnte nicht verhindern, daß sie dabei an Bernd Hauen dachte. Eigentlich hätte er an Holgers Stelle sein müssen. Doch Bernd hatte keine Ahnung, daß er Vater geworden war.

Holger ahnte nichts von Marions Gedanken. Er fühlte sich in diesem Augenblick ganz als Vater. Er wandte sich nach Marion um. »Ich fürchte, auf die Fahrt mit der Standseilbahn zum Königstuhl werden wir verzichten müssen. Jörg bekommt es sicher besser, wenn er hier zwischen den Blumen und Bäumen spazierengefahren wird.« Er lächelte. »Ich habe begriffen, daß Sehenswürdigkeiten den kleinen Mann noch nicht interessieren. Ich habe aber einen langjährigen Freund, der hier in Heidelberg lebt. Hättest du etwas dagegen, wenn wir diesen später noch aufsuchen würden?« Bittend sah er Marion an.

Diese verstand. Er wollte sie seinem Freund vorstellen. Sie zögerte kurz, dann nickte sie. Holger hatte in letzter Zeit so viel für sie getan.

*

Günther Förg traute seinen Augen nicht, als er seinen Freund hereinkommen sah. Mit ausgestreckten Armen eilte er ihm entgegen. »Holger! Wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen?«

Holger Viercke umarmte den Freund. »Vier Jahre wird es bestimmt schon her sein. Seit ihr in euer neues Haus eingezogen seid, war ich nicht mehr hier.« Er trat einen Schritt zurück und musterte seinen Freund. »Übrigens hast du dich auch bei mir nicht mehr blicken lassen.«

»Die Arbeit«, sagte der andere entschuldigend. »Dies alles hier aufzubauen, hat unsere ganze Freizeit gekostet.« Mit einer Handbewegung wies Günther durch den großen Raum. »Dazu das Antiquitätengeschäft meiner Frau. Es hat einen separaten Eingang, aber man kann auch von hier aus durchgehen.«

Marion Breiter hatte hinter ihrem Freund und Chef die Galerie betreten. »Papa, Papa«, schrie Jörg lautstark auf ihrem Arm. Die Frau wurde rot. »Wirst du wohl still sein«, schimpfte sie ihren Sohn aus.

Günther Förg sah verwirrt auf Marion. »Du hast… Mensch, Holger! Warum hast du uns das verschwiegen?«

»Nein, nein!« Marions Wangen hatten sich rot gefärbt. »Ich arbeite als Verkäuferin in Holgers Boutique.«

Rasch trat Holger zu Marion. Er legte seinen Arm um ihre Schultern. Mit dieser Geste schloß er Jörg mit ein. »Ich möchte dir Marion Breiter und ihren kleinen Sohn Jörg vorstellen. Wenn es nach mir ginge, würden wir noch in diesem Monat unser Aufgebot bestellen.«

»Da kann man ja gratulieren«, sagte Günther Förg etwas unsicher.

Holger zog Marion enger an sich. Er lachte. »Ich bin gerade noch dabei, Marion von meinen Qualitäten zu überzeugen. Falls es mir gelingt, kannst du dich bereits als Tranzeuge bereithalten. Aber darüber reden wir später…« Weiter kam Holger sowieso nicht, denn Jörg machte sich lautstark bemerkbar.

»Ab! Jo ab!«

»Er nennt sich selbst Jo«, erklärte Holger. Er nahm den Kleinen Marion ab. »Er versteht alles, was man ihm sagt.«

Jörg schlug seine Händchen gegeneinander. »Jo will ab.«

»Hörst du! Er spricht schon ganz gut.« Stolz, als wäre er der Vater des Kindes, stellte er es auf den Boden. Sofort stolzierte Jörg auf ein Tischchen zu.

»Nein!« rief Marion entsetzt. Sie sah schon Jörgs ausgestreckte Händchen und wußte, daß dieser in Sekundenschnelle das Tischtuch heruntergerissen haben würde.

»Er tut doch nichts. Ist er nicht süß?« Erwartungsvoll sah Holger den Freund an. Da hatte Jörg bereits den Zipfel des Tischtuches in den Händen und begann, daran zu ziehen. Marion war jedoch schneller. Im letzten Augenblick konnte sie das Unglück verhindern.

»Tut mir leid.« Sie nahm Jörg wieder auf ihren Arm. »Er ist sehr lebhaft.«

»Ich sagte es doch, er ist das klügste Kind, das ich je gesehen habe.« Holger lachte.

Marion seufzte. »Man kann ihn keine Sekunde aus den Augen lassen.«

»In der Boutique haben wir ihn im Hinterzimmer in einem Laufstall«, erklärte Holger, dann besann er sich jedoch. »Dieses Haus, Günther, es ist herrlich.«

Günther Förg nickte. »Du weißt, Anette und ich haben Jahre darauf hingearbeitet. Daß jeder sein Geschäft in einer anderen Stadt hatte, das hat uns nicht gefallen. Wir haben lange gespart, denn wir wollten gleich etwas großzügiger bauen.« Er wandte sich Marion zu. »Ich freue mich, daß Holger Sie und Ihren kleinen Sohn mitgebracht hat. Ich hoffe, wir sehen uns in Zukunft wieder öfter.« Er streckte der Besucherin seine Hand hin, und diese schlug erfreut ein.

»Ganz bestimmt«, versprach Holger. »Jetzt möchte ich mich aber einmal in deiner Galerie umsehen. So wie ich sehe, hast du alle deine Vorstellungen verwirklichen können.«

»Du kannst dich noch daran erinnern?« Erfreut schlug Günther dem Freund auf die Schulter.

»Und ob, wir haben uns ja oft genug darüber unterhalten. Wie die Zeit doch vergeht. Wie geht es euch sonst, dir und Anette?«

»Gut. Anette wird sich sicher sehr freuen, dich, beziehungsweise euch zu sehen.« Günther lächelte Marion zu. »Ich hätte nie gedacht, daß so ein eingefleischter Junggeselle, wie Holger, einmal den Schritt zum Standesamt wagen würde. Als Anette und ich damals geheiratet haben, hat er mächtig gelästert.« Er lachte an die Erinnerung daran.

Marion sah zu Boden. Sie hatte Holger noch nicht ihr Jawort gegeben. Er hatte versprochen, sie nicht zu bedrängen.

Jörg sorgte dafür, daß sie abgelenkt wurde. »Jo da!« Er zeigte auf sich. »Jo groß!« Seine Hände fuhren in die Höhe.

»Jörg ist sehr lieb«, ergänzte die Mutter. Sie legte ihren Zeigefinger auf ihre Lippen. »Jetzt bist du aber still. Pst!«

»Pst«, machte Jörg. Er preßte die Lippen fest aufeinander.

»Soll ich ihn dir abnehmen?« erkundigte sich Holger.

»Nein, nicht nötig. Jörg ist jetzt ganz brav und still. Nicht wahr, mein Kleiner?« Marion sah ihren Sohn an.

Dieser nickte ernsthaft, dann schlang er blitzschnell seine Ärmchen um ihren Hals.

Günther lachte. »Ein süßes Kerlchen. Meine Frau wird begeistert sein. Das einzige, was uns zu unserem Glück noch fehlt, sind Kinder.« Er wandte sich an Holger. »Meine Frau hat im Moment eine wichtige Kundin. Ich werde nachsehen…«

»Das hat Zeit«, unterbrach Holger ihn. »Führe uns doch zuerst durch deine Galerie. Ich bin richtig gespannt. Es sieht so aus, als vertrittst du die verschiedensten Kunstrichtungen.«

Günther nickte. »Genau.« Nicht ohne Stolz führte Günther seinen Besuch nach hinten. Es gab vieles zu sehen. Mit Jörg auf dem Arm, der sich wirklich ruhig verhielt, folgte Marion den Männern.

»Was meinst du, Marion? Hier finden wir sicher etwas für Jörgs zukünftiges Kinderzimmer. Dieses Clownbild zum Beispiel, oder dort…« Holger eilte zu einem märchenhaften Keramikbild hin.

Marion hörte nicht auf das, was er sagte. Sie starrte auf ein Porträt, das etwas abseits hing. Langsam, wie eine Schlafwandlerin, ging sie darauf zu. Das konnte doch nicht sein! Ihr Herz begann rasend zu klopfen.

*

Denise von Schoenecker drehte das zierliche Kästchen zwischen den Händen. »Es gefällt mir ausgezeichnet. Ja, genau das habe ich mir vorgestellt.« Sie hob den Blick und lächelte Anette Förg an. »Die Fahrt zu Ihnen lohnt sich immer.«

Anette Förg erwiderte das Lächeln. »Ich freue mich immer über Ihr Kommen. Sie sind eine meiner treuesten Kundinnen. Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen? Ich hoffe, Sie haben etwas Zeit mitgebracht.«

»Zeit!« Denise von Schoenecker, eine überaus aparte Erscheinung, reichte der Geschäftsinhaberin das Kästchen zurück. »Erinnern Sie mich bitte nicht daran. Als ich das letzte Mal bei Ihnen war, kam ich zwei Stunden später als vorgesehen nach Sophienlust zurück.«

»Ich kann mir denken, daß Sie bereits sehnsüchtig erwartet wurden«, meinte Anette Förg. »Sie müssen mir von Sophienlust erzählen. Ein Kinderheim zu verwalten, muß eine wundervolle Aufgabe sein.«

»Das ist es in der Tat«, bestätigte Denise, ohne zu zögern. »Vor allem, wenn es uns gelingt, elternlosen Kindern ein neues Heim zu geben.«

Anette nickte, dann meinte sie: »Schade, daß Sie die Kleine nicht wieder mitgebracht haben. Sie ist ein entzückendes Kind. Kein bißchen scheu.«

»Sie meinen Heidi. Das ist unser jüngstes Dauerkind. Sie ist besonders lebhaft und anschmiegsam. Sie macht uns allen viel Freude.«

»Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte Anette eifrig. »Heidi hieß die Kleine. Sie hat mir erzählt, daß sie gerne Schokolade ißt.«

Denise schüttelte amüsiert den Kopf. »Nicht nur Schokolade. Sie ist ein großes Schleckermäulchen. Immer wieder passiert es, daß sie sich ihren Magen verdirbt.« Sie sah ihr Gegenüber an. »Kommen Sie uns doch mal in Sophienlust besuchen.«

»Sehr gern, nur im Moment kann ich hier nicht weg. Meine Vertretung ist zur Kur. Ich bin ganz allein. Den Papierkram kann ich sowieso erst nach Geschäftsschloß erledigen. Zum Glück geht es meinem Mann genauso.«

Denise ließ ihren Blick durch den Geschäftsraum gleiten. »Sie haben sich um einiges vergrößert. Ich würde auch noch ganz gern einen Blick in die Galerie werfen. Mein Mann hat in einem Monat Geburtstag. Mir schwebt da ein Bild für unser Turmzimmer vor. In letzter Zeit hält mein Mann sich dort viel auf. Zuerst will ich mich aber hier noch etwas umsehen.«

Denise begann, in dem gemütiich eingerichteten Laden auf und ab zu gehen. Immer wenn sie hier war, bewunderte sie Anette Förgs Geschmack aufs neue. Auch sie verstand etwas von Antiquitäten. Das Haus, in dem sie mit ihrer Familie wohnte, war ein schloßartiger Bau und lag inmitten eines Parks. Alle Wohnräume waren überwiegend mit alten wertvollen Möbeln eingerichtet.

*

»Frau Breiter, was haben Sie?« erkundigte Günther Förg sich. Ihm war Marions eigenartiges Verhalten zuerst aufgefallen.

»Der Mann!« Mit zitternder Hand zeigte Marion auf das Porträt. »Wer ist der Mann?«

»Mama, Mama!« schrie Jörg. Er fand, daß er lange genug still gewesen war. Mit beiden Händchen fuhr er seiner Mutter ins Haar.

Marion beachtete ihren Sohn nicht. Erregt trat sie noch einen Schritt näher. »Wie kommen Sie zu diesem Bild? Kennen Sie den Mann?«

»Nein«, sagte Günther erstaunt.

Die Frau wandte sich ihm zu. »Bitte, Sie müssen es mir sagen.« Da Jörg ihr nun ins Gesicht patschte, hielt sie die Arme des Kleinen fest. Diese Behandlung war. er nicht gewohnt. Lautstark fing er zu brüllen an.

»Was hat denn mein Kleiner?« Ahnungslos kam Holger heran.

»Da!« Marion atmete heftig. Erneut zeigte sie auf das Porträt. »Du kennst ihn doch auch.«

Holgers Unterkiefer klappte herunter. »Das ist doch nicht möglich«, meinte er nach einigen Sekunden verwirrt.

»Nicht wahr, Holger, er ist es.« Marion schrie es fast, denn sie mußte das Gebrüll ihres Sohnes übertönen.

»Unsinn.« Ihr Begleiter fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. Er zwinkerte, in der Hoffnung, die Gesichtszüge des Mannes auf dem Bild würden sich verändern. »Eine Ähnlichkeit, weiter nichts.«

»Nein!« Marion schüttelte den Kopf. Sie konnte den Blick nicht vom Gesicht des Mannes abwenden. Es war das Gesicht von Bernd Hauen, dem Vater ihres Sohnes.

»Jörg, komm zum Onkel.« Holger Viercke nahm Marton ihr Kind ab. Sie ließ es wortlos geschehen. Es war ihr auch egal, daß er noch immer wie am Spieß schrie.

»Sieh ihn dir doch an, Holger«, bat sie. »Es ist Bernd, ganz sicher. Es sind seine Augen, sein Mund.«

»Marion, das bildest du dir ein«, sagte der Mann rauh. »Eine gewisse Ähnlichkeit gut, aber mehr ist es auch nicht.« Er wandte den Blick vom Bild ab und begann, auf Jörg einzusprechen, dessen Weinen schließlich auch leiser wurde und dann plötzlich ganz aufhörte.

»Was sagst du nun?« Der Boutiquebesitzer wiegte Jörg hin und her. »Bin ich nicht ein ausgezeichneter Babysitter?«

Marion ging nicht darauf ein. »Dein Freund, er muß doch wissen, wen dieses Bild darstellt.«

»Dann mußt du ihn eben fragen«, brummte Holger. Er fühlte, daß das Schicksal nun seinen Lauf nahm.

Günther Förg war dem Gespräch schweigend gefolgt. Ganz begriff er noch immer nicht. »Das Bild habe ich einem jungen Künstler abgekauft. Noch ist sein Name unbekannt, aber ich glaube, in ein paar Jahren wird man von ihm sprechen.«

Marion hielt den Atem an, dann fragte sie: »Wie heißt der Mann?«

»Faber, Heino Faber. Er studiert noch. Soviel ich weiß, hat er sich mit seinem Vater überworfen und braucht Geld. Ich habe das Bild eigentlich nur gekauft, weil mir der Junge sympathisch war.«

Marion nagte an ihrer Unterlippe. Sie war enttäuscht. Der Name Faber sagte ihr nichts.

Holger dagegen war erleichtert. »Da siehst du es, eine zufällige Ähnlichkeit, mehr nicht. Dieser Hauen sah gut aus, aber das war auch schon alles.«

»Bitte!« Marion war den Tränen nahe. Sie hatte versucht, Bernd Hauen zu vergessen, es war ihr nicht gelungen. Jetzt, wo sie das Gefühl hatte, in seine Augen zu blicken, wurde die Vergangenheit wieder lebendig. Er war so liebenswert, so zärtlich gewesen.

»Marion, sei doch vernünftig. Du mußt diesen Mann endlich vergessen. Er ist deiner nicht wert. Er hat dich im Stich gelassen.«