Weil Verzeihen glücklich macht - Marietta Brem - E-Book

Weil Verzeihen glücklich macht E-Book

Marietta Brem

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Beschreibung

Wir lernen die Geschichte kennen, die einmal dazu führen wird, dass es, viele Jahre später, zur Gründung von 'Sophienlust' kommen wird. Der Weg dahin schildert eine ergreifende, spannende Familiengeschichte, die sich immer wieder, wenn keiner damit rechnet, dramatisch zuspitzt und dann wieder die schönste Harmonie der Welt ausstrahlt. Das Elternhaus Montand ist markant – hier liegen die Wurzeln für das spätere Kinderheim, aber das kann zu diesem frühen Zeitpunkt noch keiner ahnen. Eine wundervolle Vorgeschichte, die die Herzen aller Sophienlust-Fans höherschlagen lässt. »Du musst dir keine Sorgen machen, Angela. Ich übernehme morgen deine ersten beiden Stunden. Geh in aller Ruhe zum Zahnarzt.« Eva Montand packte ihre Bücher in die Tasche und machte den Reißverschluss zu. Angela Kroner, ihre nette Kollegin, die bereits mit einem Bein in der Rente stand, atmete erleichtert auf. »Es ist ja nicht so, dass ich Schmerzen hab. Aber seit zwei Wochen plage ich mich mit meinem Zahnersatz herum, der an einer Stelle angebrochen ist. Ich trau' mich kaum, etwas anderes als Brei zu essen.« Sie lachte, doch es klang ziemlich kläglich. »Vielleicht kann ich mich irgendwann revanchieren.« »Musst du nicht«, antwortete Eva nur und hob die Hand zum Abschied, ehe sie an ihr vorbei das Klassenzimmer verließ, in dem die Kollegin die letzte Stunde Biologie unterrichten sollte. »Das regnet zum Steinerweichen«, rief Eva ihr zu, dann marschierte sie davon. Sie freute sich darauf, gleich nach Hause zu fahren und dort etwas Leckeres zum Essen zu zaubern, dass sie bereits am frühen Morgen vorbereitet hatte. Als sie das Schulgebäude verließ, lief ihr ein unangenehmer Schauder über den Rücken. Es war nicht nur nass, sondern auch ziemlich kalt. Für diese Jahreszeit war es etwas ungewöhnlich, dass die Temperaturen noch einmal so in den Keller fielen, doch ganz sicher hatte es das in der Vergangenheit auch gegeben. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch, als sie zum Parkplatz lief. Natürlich hatte sie wieder einmal den Schirm vergessen.

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Sophienlust, wie alles begann – 18 –

Weil Verzeihen glücklich macht

Wird Daniel seinen Stolz überwinden?

Marietta Brem

»Du musst dir keine Sorgen machen, Angela. Ich übernehme morgen deine ersten beiden Stunden. Geh in aller Ruhe zum Zahnarzt.« Eva Montand packte ihre Bücher in die Tasche und machte den Reißverschluss zu.

Angela Kroner, ihre nette Kollegin, die bereits mit einem Bein in der Rente stand, atmete erleichtert auf. »Es ist ja nicht so, dass ich Schmerzen hab. Aber seit zwei Wochen plage ich mich mit meinem Zahnersatz herum, der an einer Stelle angebrochen ist. Ich trau’ mich kaum, etwas anderes als Brei zu essen.« Sie lachte, doch es klang ziemlich kläglich. »Vielleicht kann ich mich irgendwann revanchieren.«

»Musst du nicht«, antwortete Eva nur und hob die Hand zum Abschied, ehe sie an ihr vorbei das Klassenzimmer verließ, in dem die Kollegin die letzte Stunde Biologie unterrichten sollte. »Das regnet zum Steinerweichen«, rief Eva ihr zu, dann marschierte sie davon. Sie freute sich darauf, gleich nach Hause zu fahren und dort etwas Leckeres zum Essen zu zaubern, dass sie bereits am frühen Morgen vorbereitet hatte.

Als sie das Schulgebäude verließ, lief ihr ein unangenehmer Schauder über den Rücken. Es war nicht nur nass, sondern auch ziemlich kalt. Für diese Jahreszeit war es etwas ungewöhnlich, dass die Temperaturen noch einmal so in den Keller fielen, doch ganz sicher hatte es das in der Vergangenheit auch gegeben.

Fröstelnd zog sie die Schultern hoch, als sie zum Parkplatz lief. Natürlich hatte sie wieder einmal den Schirm vergessen. Gerade als sie auf die Straße hinaus fahren wollte, entdeckte sie eine einsame Männergestalt, die ihr bekannt vorkam. Sie musste nicht lange überlegen, der Name fiel ihr ziemlich schnell ein. Es war Daniel Abel, ihr neuer Nachbar, der vor einem knappen Jahr in das schöne Einfamilienhaus am Ende der Straße eingezogen war. Sie hatte noch nicht viel mit den Leuten geredet, doch seine Frau Petra, die sie einige Male beim Einkaufen getroffen hatte, war ihr als sehr freundlich in Erinnerung geblieben.

Sie hielt unmittelbar neben dem Mann an, kurbelte das Fenster herunter und grüßte ihn. »Hallo Herr Abel, haben Sie auch den Schirm vergessen? Mich hat es vorhin bereits gehörig eingeseift. Möchten Sie mitfahren? Ich bin ebenfalls auf dem Weg nach Hause.«

Erschrocken drehte sich der Mann zu ihr um. »Ich … Eigentlich wollte ich …« Er schwieg einen Moment lang, dann nickte er. »Sehr gerne, Frau Montand. Ich bin nicht nur ohne Schirm unterwegs, sondern auch ohne Auto. Meine Frau hat es heute Morgen gebraucht, deshalb bin ich mit dem Bus gefahren.« Mit einem lauten Seufzer ließ er sich auf den Beifahrersitz fallen. »Ohne Auto ist man in unserer einsamen Gegend völlig aufgeschmissen.«

»Da haben Sie Recht«, pflichtete sie ihm bei. »Dennoch möchte ich nirgends anders wohnen als hier. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich nur Natur. Und morgens vom Gesang der Vögel geweckt zu werden, ist das Schönste, was ich mir vorstellen kann.« Eva geriet ins Schwärmen.

»Das stimmt schon.« Daniel Abel zwang sich zu einem fröhlichen Lächeln, doch Eva sah aus dem Augenwinkel heraus, dass es irgendwie misslang. Die ganze Zeit über hatte sie schon so ein komisches Gefühl, als hätte der Mann eine schwere Last, die er mit sich herumtrug und über die er nicht reden konnte oder wollte.

»Alles in Ordnung?«, fragte sie vorsichtig.

Der Mann zuckte sichtlich zusammen. »Wie meinen Sie das?«, stotterte er. »Was sollte nicht in Ordnung sein?«

»Entschuldigung«, sagte Eva leise und konzentrierte sich nun wieder auf den spärlichen Verkehr. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich hatte nur plötzlich das Gefühl, als würde Sie ein Kummer drücken. Doch das geht mich natürlich nichts an«, wiegelte sie ab. »Fühlen Sie sich inzwischen wohl in unserer Straße? Sie leben ja schon seit einem Jahr hier.«

Daniel zog hörbar die Luft ein. »Ja, es geht so«, antwortete er ausweichend. »Wir haben nur wenige Kontakte nach außen. Petra, meine Frau, arbeitet stundenweise von zu Hause für einige Tageszeitungen, bearbeitet da die Kalenderblätter, und ansonsten ist sie sehr beschäftigt, aus unserem Sohn Sven einen anständigen jungen Mann zu machen.« Er lachte etwas zu laut.

»Wie alt ist Sven?«

»Er wird nächsten Monat fünf, doch er ist in der Entwicklung seinem Alter um einiges voraus. Das ist Petra zu verdanken. Sie behandelt unseren Sohn wie einen ganz normalen Menschen. Wir lehnen es ab, ein Kind mit Wortneuschöpfungen zu überfluten. Sven hat von Anfang an an unserem Familienleben teilgenommen, aber nicht als ein Kind, das von nichts eine Ahnung hat und dem man alles vorkauen muss. Er war auch nicht ein kleiner Erwachsener, sondern irgendwie etwas zwischendrin. Doch es ist ihm sehr gut bekommen. Er steht mit beiden Beinen gut im Leben.«

»Das habe ich bemerkt«, sagte Eva freundlich. »Ich habe Ihre Frau und Sven einmal beim Einkaufen getroffen. Der Junge wirkt sehr vernünftig, aber auch lebensfroh und tut nichts, was er nicht sollte. Das hat Ihre Frau sehr gut hingekriegt.«

»Ja, Petra ist eine wunderbare Frau. Ich wollte, ich könnte ihr gerecht werden. Doch ich bin …« Er brach ab und drehte sein Gesicht schnell zur Seite, als hätte er etwas Wichtiges am Gehweg entdeckt.

Eva spürte, dass irgendwo in dieser Richtung die Probleme ihres Nachbarn lagen. Doch noch einmal danach fragen, wagte sie nicht. Sie wollte nicht neugierig erscheinen oder gar aufdringlich. »Wir haben unsere Tochter Denise ähnlich erzogen. Sie war immer ein sehr verständnisvolles Mädchen, und jetzt, da sie eine erwachsene Frau ist, macht sie uns nur Freude. Es ist etwas Wunderbares, Kinder zu haben«, fügte sie glücklich hinzu.

»Ja, das ist es.« Daniel griff nach seiner Aktentasche und presste sie sich vor die Brust. »Sie können mich an Ihrer Garage aussteigen lassen. Den Rest laufe ich gern nach Hause. Es ist ja nicht mehr weit und der Regen hat ebenfalls aufgehört.« Er blickte verstohlen auf seine Armbanduhr.

»So, wir sind da.« Eva hielt an und wartete, bis Daniel aus dem Auto war. Ehe er die Tür wieder zumachte, streckte er den Kopf noch einmal ins Wageninnere. »Vielen Dank fürs Mitnehmen. Vielleicht kann ich mich nächstes Mal dafür revanchieren«, sagte er zum Abschied lachend, dann warf er die Tür zu und ging mit festen Schritten davon.

»Seltsam«, murmelte Eva vor sich hin und schaute ihm nach, so lange sie ihn sehen konnte. »Mein Bauchgefühl hat mich noch selten getäuscht. Sollte es dieses Mal der Fall sein?« Sie schüttelte ein wenig den Kopf. »Nein, ist es nicht. Der Mann schleppt einen Kummer mit sich herum, über den er nicht reden kann oder will. Wenn ich ihm nur helfen könnte.« Sie fuhr das Auto in die Garageneinfahrt und stieg aus.

»Da bist du ja, Mamsi.« Denise hatte offensichtlich bereits auf ihre Mutter gewartet. »Wir hatten heute früher Schluss. Irre ich mich oder hattest du einen Mitfahrer?«

»Herr Abel stand im Regen, als ich nach Hause fahren wollte. Also hab ich ihn mitgenommen.« Sie nahm ihre Tasche und marschierte auf ihre Tochter zu. »Ein seltsamer Mann«, sagte sie leise. »Irgendwas ist mit ihm.«

»Ach Mamsi, du spürst schon wieder Kummer und Verzweiflung bei deinen Mitmenschen. Damit machst du dir das Leben unnötig schwer. Vielleicht hatte er nur Ärger im Büro oder mit seiner Frau. So etwas soll vorkommen«, sagte Denise lächelnd und nahm ihre Mutter in die Arme. »Ich hab mir erlaubt, schon mal mit dem Gemüse anzufangen. Deinem Einkauf nach hattest du vor, uns heute eine Salat-Bowl zu kredenzen.«

»Kluges Mädchen«, stellte Eva fest und tippte ihrer Tochter mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. »Wir sind uns so ähnlich, mein Schatz, dass wir meistens schon im ersten Moment spüren, wie es dem anderen geht.« Sie blinzelte die aufsteigenden Glückstränen weg. »Und jetzt an die Arbeit. Wenn dein Vater aus der Praxis kommt, sollte das Essen auf dem Tisch stehen. Schneidest du das Obst? Ich übernehme das Gemüse.«

Denise nickte zustimmend. Dann begann sie, einen roten Apfel in kleine Stückchen zu zerschneiden. Sie liebte es, der Mutter beim Essenzubereiten zur Hand zu gehen. Da konnte sie für eine Weile sogar ihren Kummer mit Thomas vergessen. Thomas … ihr Herz blutete, wenn sie an ihn dachte. Seit ihrem letzten Gespräch hatten sie sich kaum gesprochen. Und wenn dann funkte Irina gehörig dazwischen. Selbst wenn sie nicht körperlich anwesend war, so stand sie immer zwischen ihnen. Doch Denise war nicht bereit, sich das Leben vermiesen zu lassen. Wenn Thomas nicht wusste, was er wollte, dann musste sie eben für sich selbst entscheiden. Doch das war gar nicht so einfach, irgendwie hing sie ja doch an ihm …

*

»Brauchst du heute das Auto, Liebes?« Daniel Abel stand im Badezimmer und schrubbte seine Zähne mit der neuen blauen Zahnbürste. »Ich könnte mit einem Kollegen fahren, der würde mich an der Bushaltestelle abholen.«

Lächelnd kam Petra, seine bildhübsche Frau, ins Badezimmer und lehnte sich an den Türrahmen. »Was ist los, Daniel? Du bist in letzter Zeit so großzügig mit dem Auto. Hast du womöglich ein schlechtes Gewissen.« Sie lachte übers ganze Gesicht. Es sollte offensichtlich ein Scherz sein.

Daniel jedoch zuckte innerlich zusammen und konnte sich mit letzter Kraft eine böse Antwort verkneifen. »Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich hab keine Affäre, wenn du das denkst. Ich fahre morgens ins Büro, und du weißt, dass ich abends immer pünktlich wieder zu Hause bin.«

Petras Lachen erlosch. »Entschuldigung«, murmelte sie verwirrt. »So war das nicht gemeint. Es sollte ein Witz sein. Ich weiß doch, dass ich mich immer auf dich verlassen kann. Wir haben uns bei der Hochzeit versprochen, dass wir immer ehrlich miteinander sind. Darauf verlasse ich mich. Nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass du auf meine harmlose Bemerkung so beleidigt reagierst.« Sie drehte sich um und wollte die Treppe wieder hinunter.

»Bitte bleib.« Mit zwei großen Schritten war Daniel bei ihr. Sein Mund war verschmiert von der Zahncreme, die er auch im Mund hatte. Entsprechend undeutlich klang seine Sprache.

Petra schaute ihn lange an, dann begann sie zu lachen. »Du siehst aus wie ein Clown mit der Zahncreme«, japste sie. »Da haben wir uns wohl beide irgendwie missverstanden.« Sie schob ihn ins Badezimmer zurück und wartete, bis er seine Morgenaktivität beendet hatte. Dann legte sie ihm von hinten ihre Arme um den Hals. »Alles wieder gut?«, fragte sie zärtlich an seinem Ohr.

»Es gibt Scherze, die kann ich einfach nicht ausstehen. Zu oft bekomme ich solche Heimlichkeiten bei Kollegen mit. Ich mag das gar nicht mehr hören. Wozu heiraten die, wenn sie sich nach ein paar Wochen schon nach einer heimlichen Geliebten umsehen. Das ist doch widersinnig.« Man konnte ihm ansehen, dass er hinter dem stand, was er sagte.

»Ich versteh’ das auch nicht, doch man weiß nie, was in den Köpfen seiner Mitmenschen vor sich geht. Von der Straße aus kann man nur die Hausfassade sehen, weiß aber nicht, ob es drinnen gemütlich oder morsch und verfallen aussieht. Das hat mein Vater früher oft gesagt. Genauso verhält es sich bei dem Menschen. Man sieht den Kopf nur von außen.«

»Dein Vater ist ein kluger Mann«, stimmte Daniel zu. »Schade nur, dass wir so gar keinen Zugang zueinander haben.«

»Das liegt nicht nur an meinem Vater. Er hat dich von Anfang an akzeptiert, sogar sehr gemocht, dachte, er hätte jetzt einen Schwiegersohn, der einmal in seine Fußstapfen tritt. Du weigerst dich beharrlich, irgendwann die Firma zu übernehmen. Ich kann es nicht. Hab es nie gelernt und hatte auch nie interessiere daran. Das rächt sich jetzt. Und dann kamst du. Sogar aus derselben Branche wie er. Wärest der beste Nachfolger, den er sich wünschen könnte. Doch du willst nicht.«

Daniel ging mit gesenktem Kopf zum Esstisch, auf dem bereits die Kanne mit duftendem Kaffee stand. »Ich weiß, ich bin in den Augen deines Vaters ein Versager. Aber ich kann nichts dafür, dass es mir grundsätzlich widerstrebt, mich in ein gemachtes Nest zu setzen.«

»Das ist doch Blödsinn. Wir haben Glück, dass sie ihr Lebenswerk uns anvertrauen wollen. Mein Vater ist vierundsechzig. Meine Mutter Mitte fünfzig. Die beiden haben in ihrem Leben noch nicht viel gesehen, sondern immer nur gearbeitet und für die Firma gelebt. Die beiden möchten endlich ihr eigenes Leben haben, solange es ihnen noch gut geht! Meine Mutter würde gern reisen und Paps träumt davon, ihr diesen Wunsch endlich erfüllen zu können. Doch du machst ihm einen Strich durch die Rechnung, indem du dich weigerst, endlich Verantwortung zu übernehmen. Was müsste deiner Meinung nach geschehen, das dich umstimmen könnte?«

Daniels Gesicht wirkte jetzt so verschlossen wie das einer Schaufensterpuppe. »Nichts«, knurrte er zwischen seinen Zähnen hindurch. Das Thema hatten sie schon zu häufig diskutiert.

»Sturer Bock«, zischte Petra wütend und stürmte aus dem Esszimmer. Sie gebrauchte gewöhnlich nie Schimpfwörter, doch die Sorge um ihre Eltern machte sie manches Mal so wütend, dass sie ihn am liebsten bei den Schultern gepackt und geschüttelt hätte.

»Das hab ich gehört«, rief Daniel ihr nach und füllte seine Tasse mit gleichmütigem Gesichtsausdruck zum zweiten Mal mit Kaffee. »Komm zurück, Schatz, und lass uns nicht streiten. Das bringt doch nichts, sieh das doch endlich ein.«

Petra kehrte nach einer Weile tatsächlich ins Esszimmer zurück, setzte sich schweigend an den Tisch und füllte ihre Tasse ebenfalls mit Kaffee. Sie redete kein Wort mit ihm, tat, als sei er gar nicht anwesend. Doch in ihrem Kopf arbeitete es. Sie hatte gehofft, ihn endlich umstimmen zu können, doch ihre Bemühungen brachten nichts ein. Er wurde nur immer abweisender und zorniger, wenn es um dieses Thema ging.