Ich liebe doch nur dich! - Marietta Brem - E-Book

Ich liebe doch nur dich! E-Book

Marietta Brem

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Beschreibung

Wir lernen die Geschichte kennen, die einmal dazu führen wird, dass es, viele Jahre später, zur Gründung von 'Sophienlust' kommen wird. Der Weg dahin schildert eine ergreifende, spannende Familiengeschichte, die sich immer wieder, wenn keiner damit rechnet, dramatisch zuspitzt und dann wieder die schönste Harmonie der Welt ausstrahlt. Das Elternhaus Montand ist markant – hier liegen die Wurzeln für das spätere Kinderheim, aber das kann zu diesem frühen Zeitpunkt noch keiner ahnen. Eine wundervolle Vorgeschichte, die die Herzen aller Sophienlust-Fans höherschlagen lässt. »Eben habe ich den Briefträger laufen sehen. Kannst du die Post reinholen, Denise?« Eva Montand wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Sie war jetzt Mitte vierzig, doch noch immer sah sie aus wie eine ganz junge Frau. Ihre Augen strahlten, und ihre vollen Lippen lachten gern. »Bei dem Wetter?« Denise verzog das Gesicht. Sie war ein hübsches Mädchen von gerade achtzehn Jahren, und an ihren geschmeidigen Bewegungen konnte man sehen, dass sie sehr gern tanzte. »Wenn du warten willst, bis die Sonne wieder scheint, werden wir die nächsten Tage wohl keine Post bekommen. Ich hoffe jedoch auf einen Brief meiner Großtante Elvira aus Kansas. Sie wollte mir alte Fotos schicken.« Eva marschierte zu Tür. »Dann gehe ich eben selbst.« Sofort war Denise an ihrer Seite. Sie hatte sich gerade noch das lange schwarze Haar zusammengebunden, weil es sie bei ihren Übungen störte. »Das war doch nur ein Witz, Mami. Natürlich hole ich die Post.« Lachend rannte sie aus dem Haus und den Weg zu Straße hinunter, wo sich neben dem Gartentor der Briefkasten befand. Gerade hatte es aufgehört zu regnen, doch die dicken schwarzen Wolken, die wieder über den Himmel jagten, kündigten bereits den nächsten Wolkenbruch an. Eilig holte Denise die Briefe und einige Werbekataloge heraus und blätterte sie durch.

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Sophienlust, wie alles begann – 6 –

Ich liebe doch nur dich!

Eine Beziehungskrise mit glücklichem Ausgang...

Marietta Brem

»Eben habe ich den Briefträger laufen sehen. Kannst du die Post reinholen, Denise?« Eva Montand wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Sie war jetzt Mitte vierzig, doch noch immer sah sie aus wie eine ganz junge Frau. Ihre Augen strahlten, und ihre vollen Lippen lachten gern.

»Bei dem Wetter?« Denise verzog das Gesicht. Sie war ein hübsches Mädchen von gerade achtzehn Jahren, und an ihren geschmeidigen Bewegungen konnte man sehen, dass sie sehr gern tanzte.

»Wenn du warten willst, bis die Sonne wieder scheint, werden wir die nächsten Tage wohl keine Post bekommen. Ich hoffe jedoch auf einen Brief meiner Großtante Elvira aus Kansas. Sie wollte mir alte Fotos schicken.« Eva marschierte zu Tür. »Dann gehe ich eben selbst.«

Sofort war Denise an ihrer Seite. Sie hatte sich gerade noch das lange schwarze Haar zusammengebunden, weil es sie bei ihren Übungen störte. »Das war doch nur ein Witz, Mami. Natürlich hole ich die Post.« Lachend rannte sie aus dem Haus und den Weg zu Straße hinunter, wo sich neben dem Gartentor der Briefkasten befand. Gerade hatte es aufgehört zu regnen, doch die dicken schwarzen Wolken, die wieder über den Himmel jagten, kündigten bereits den nächsten Wolkenbruch an.

Eilig holte Denise die Briefe und einige Werbekataloge heraus und blätterte sie durch. Ein Brief davon jedoch war nicht für ihre Eltern bestimmt. Die Empfängeradresse lautete auf Heike Sollner und war offensichtlich für ihre Nachbarn schräg gegenüber.

Aufgeregt lief Denise mit der Post zurück ins Haus und übergab ihrer Mutter den ganzen Stapel. »Ich muss rasch zu Sollner-Freibergs, der Briefträger hat deren Post bei uns eingeworfen. Ich bin gleich wieder zurück.« Denise hauchte ihrer Mutter einen kurzen Kuss auf die Wange, dann lief sie leichtfüßig davon. Sie hatte mit Paar noch nicht viel Kontakt gehabt, denn die waren erst vor vier Monaten hier eingezogen. Obwohl die Familie aus der Ferne einen sympathischen Eindruck machte, schien sie keinen großen Wert auf eine gute Nachbarschaft zu legen. Zumindest hatte keiner von ihnen je Anstalten gemacht, mehr als einen höflichen Gruß mit den Nachbarn zu wechseln.

Gerade wollte Denise klingeln, da wurde die Haustür geöffnet. Heike Sollner, die offensichtlich gerade selbst ihre Post holen wollte, starrte Denise erschrocken an. »Wollen sie zu mir? Sie haben keinen Termin, oder?« Sie strich sich verlegen eine einzelne blonde Locke aus dem Gesicht, die ihrer Spange entkommen war.

Verwirrt schüttelte Denise den Kopf. »Termin, wofür?« Dann fiel ihr Blick auf das Schild unterhalb der Klingel. Jetzt wusste sie, was die Frage bedeuten sollte. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich … Ich wollte nur die Post bringen, die versehentlich in unserem Briefkasten gelandet ist.« Sie reichte Heike den Brief. »Ich bin Denise Montand von schräg gegenüber. Wir haben uns schon einige Male gesehen, doch für ein Gespräch hat die Zeit offensichtlich nie gereicht.«

»Nein, ich … wir haben immer viel zu tun. Außerdem geht es mir öfter nicht so gut, sodass ich nicht besonders gesprächig bin.« Sie fuhr mit der rechten Hand über ihren gewölbten Leib und seufzte dabei leise auf.

»Wann ist es denn so weit?« Natürlich hatte Denise gewusst, dass Heike ein Kind erwartete, doch dass es ihr dabei nicht gut ging, dass hatte sie eben erst erfahren. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich bitte wissen. Dafür sind wir ja Nachbarn.«

Heike blickte sie fast erschrocken an. Im ersten Moment wusste sie gar nicht, was sie antworten sollte. »Danke, es geht schon«, murmelte sie verwirrt und nahm Denise den Brief ab. »Ab nächste Woche schließe ich meine Praxis für zwei Monate. Ich will mich auf die Geburt vorbereiten und mich auch mehr um Sandra kümmern, meine kleine Tochter.«

»Darf ich Ihnen Sandra ab und zu abnehmen? Ich liebe Kinder und würde mich freuen, wenn ich eine Weile mit ihr spielen könnte. Ich bin jedes Wochenende zu Hause.« Vorsichtig schaute sich Denise um, in der Hoffnung, das kleine Mädchen irgendwo zu entdecken.

»Das ist sehr nett von Ihnen, Denise. Es ist durchaus möglich, dass ich in absehbarer Zeit auf Ihr Angebot zurückkomme. Hätten Sie Zeit und Lust, in den nächsten Tagen mit mir Kaffee zu trinken? Ich könnte für uns beide eine kleine Torte backen. Das kann ich ganz gut.« Sie lächelte und streckte Denise die Hand hin. »Ich bin Heike, und, bitte, du.«

Begeistert ergriff Denise ihre Hand. »Ich bin Denise, und auch du.« Sie strahlte ihre Nachbarin an. »Da bin ich ja richtig froh, dass der Postbote deinen Brief in unseren Briefkasten geworfen hat. Wer weiß, wie lange wir sonst noch aneinander vorbeigegangen wären, ohne uns kennen zu lernen.«

»Das stimmt. Seit ich verheiratet bin, sind mir meine Kontakte so ziemlich verlorengegangen. Wir wohnen bereits seit über einem Vierteljahr hier, aber ich kenne noch keine Menschenseele. Hätte ich nicht meine Praxis, würden meine Stimmbänder verrosten.« Sie versuchte ein Lachen, doch es klang nicht ganz ehrlich. »Mein Mann Lars ist der Meinung, dass es wahre Freundschaft nicht gibt. Er ist Rechtsanwalt, und ich vermute, dass er durch seinen Beruf ein überdimensionales Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen entwickelt hat. Ich habe jedoch nicht vor, seine Meinung zu meiner zu machen.« Heike lachte herzlich.

Noch während sich die beiden unterhielten, fing es wieder an zu regnen. Im Moment fielen nur einzelne Tropfen, doch die dunklen Wolken am Himmel verhießen nichts Gutes. »Willst du reinkommen?«

Denise stimmte spontan zu und folgte ihrer Nachbarin ins Haus. Interessiert betrachtete sie die Bilder, die am Treppenaufgang an der Wand hingen. »Sind das Urlaubsbilder von euch?«

»Leider nein.« Heike schenkte Denise ein trauriges Lächeln. »Lars mag nicht so gern wegfahren. Wir waren noch nie im Urlaub. Er ist da ein bisschen … besonders.«

»Irgendwie kann ich ihn schon verstehen«, murmelte Denise und folgte Heike ins Wohnzimmer. »Ich verreise auch nicht so gern. Meine Mutter sagt immer, wir haben es hier so wunderschön. Schöner kann es an keinem Ort der Welt sein, also warum sollen wir uns mit weniger zufrieden geben, als wir ohnehin haben?«

Abrupt blieb Heike stehen und schaute Denise ins Gesicht. Sie wollte erforschen, ob das ein Scherz hatte sein sollen oder ob ihre Besucherin es wirklich ernst meinte. »Du glaubst, was du sagst, Denise, nicht wahr?«

»Warum sollte ich gegen meine Überzeugung sprechen?«

»Du hast schon recht, und deine Mutter ganz besonders. Mit diesem Gedanken tröste ich mich auch immer, wenn die Sehnsucht nach fernen Ländern kommt. Wir sind noch nicht lange hier eingezogen, es ist alles fremd und will erkundet werden. Wenn erst mein Kind geboren ist, werde ich wieder lange Spaziergänge in die Natur unternehmen. Das gibt mir immer sehr viel.«

»Oh, eine verwandte Seele«, stellte Denise begeistert fest. »Ich kenne wunderschöne Wege durch Wiesen, am Bach entlang, und einen traumhaft romantischen Wald haben wir auch ganz in der Nähe. Das kann ich dir alles zeigen, wenn du möchtest.«

»Klar möchte ich.« Heike war mindestens ebenso begeistert. »Es wird Sandra und auch mir guttun, wenn wir wieder mehr unterwegs sind. Möchtest du Kaffee oder Tee? Ich darf leider nur Tee, sonst steigt mein Blutdruck zu sehr an.«

»Ich mag Tee auch sehr gern«, versicherte Denise sofort. »Aber mach dir bitte keine Mühe, ich komme gerade vom Frühstück, hab diese Woche Ferien.«

»Oh, du gehst noch in die Schule? Gymnasium? Abi? Das hab ich zum Glück schon lange hinter mir.« Heike schmunzelte und legte ihre Hand auf den Bauch. »Gerade hat es sich bewegt.« Ihr Blick wurde weich und verträumt. »Es ist ein Wunder, wenn man in sich neues Leben spürt. Um nichts in der Welt möchte ich dieses Gefühl missen, wenn sich dieses noch unbekannte Wesen ganz vorsichtig bemerkbar macht oder manchmal vor Freude Purzelbäume schlägt. Willst du auch Kinder? Hast du schon einen Freund?«

Denise lachte verhalten. »So viele Fragen auf einmal«, antwortete sie. »Ich hab einen Freund, aber ob er einmal der Vater meiner Kinder wird, ist noch nicht entschieden. Ich mag Marcel, doch nach einer gemeinsamen Unternehmung bin ich auch ganz froh, wenn er wieder in seine eigene Wohnung geht. Andauernd mit ihm zusammen zu sein, das kann ich mir momentan nicht vorstellen. Und – ja – ich möchte auch mal Kinder haben, am besten eine ganze Fußballmannschaft.«

Beide Frauen lachten herzlich. Sie verstanden sich auf Anhieb wunderbar und merkten gar nicht, dass die Haustür geöffnet und dann mit Nachdruck geschlossen wurde. »Freut sich dein Mann auch auf sein zweites Kind?«, fragte Denise und nippte an ihrem Pfefferminztee.

»Ich bin sicher, dass er sich freut. Allerdings ist Lars ziemlich verschlossen und in sich gekehrt. Wirklich gesagt hat er nichts, doch er nimmt alles als Schicksal an und macht das Beste draus.«

»Das ist eine sehr gute Einstellung, finde ich«, lobte Denise lächelnd. »Wenn man solch einen Partner hat, kann man sich sicher fühlen. Er ist wie ein Fels in der Brandung, der immer da ist, wenn es schwierig wird.«

»Na ja, alles hat zwei Seiten«, antwortete Heike zögernd. »Es stimmt schon, er steht ganz fest an seinem Platz, hat seine Grundsätze und Regeln. Doch wenn etwas passiert, das nicht in diese Grundsätze passt, dann weiß ich nicht, wie er reagieren würde. Ich möchte es nicht ausprobieren.«

»Du hast Zweifel.« Denise lehnte sich im Sessel zurück. »Warum hast du ihn dann geheiratet?« Sie wunderte sich ein bisschen über die Offenheit ihrer Nachbarin. Immerhin hatten sie sich eben erst kennen gelernt, wobei sie sich natürlich noch nicht wirklich kannten, sondern sich im Moment lediglich beschnupperten.

»Wir sind nicht verheiratet, doch wir leben schon seit fast zehn Jahren zusammen. Ich bin zu ihm gezogen, nachdem meine Eltern bei einem Autounfall in Jugoslawien tödlich verunglückt waren. Dann kam Sandra, und wir waren eine kleine Familie in einer kleinen Stadtwohnung. Als sich das zweite Kind anmeldete, haben wir uns entschlossen, dieses Haus zu kaufen. Wir werden vermutlich nach der Geburt heiraten, damit alles seine Ordnung hat.«

»Da hattest du schlimme Schicksalsschläge zu verkraften«, stellte Denise nachdenklich fest. »Ich bewundere dich, dass du dennoch so beherzt dein Leben in die Hand nimmst.«

»Was bleibt denn anderes übrig?« Heike lachte leise, doch es lag keine Freude in ihrer Stimme. »Hätte ich damals Lars nicht gehabt, dann weiß ich nicht, wie es für mich ausgegangen wäre. Ich war gerade achtzehn geworden, und meine Eltern hatten mir außer der kleinen Eigentumswohnung nichts hinterlassen. Die haben wir verkauft und das Geld in dieses Haus gesteckt. Das war unser einziges Kapital. Doch ich will dich nicht zujammern, es hilft ja nichts. Man muss nach vorne sehen, das Beste draus machen und sich sagen, dass es halt so hat kommen müssen.«

Verwundert blickte Denise ihre neue Freundin an. »Dann glaubst du also dran, dass unser Leben vorbestimmt ist? Ich kann mir das nicht vorstellen, denn dann müssten wir uns ja nur gemütlich aufs Sofa setzen und abwarten, was noch so alles passiert. Ist das deiner Meinung nach der Sinn des Lebens?«

»Um Himmels willen, nein, das ist ganz bestimmt nicht meine Meinung. Ich denke, wir suchen uns unser Leben vor der Geburt aus, die Eltern, die positiven und die negativen Ereignisse als Eckpfeiler des Lebens, und das, was dazwischen liegt, dürfen wir selbst in einem gewissen Rahmen bestimmen, wenn die Zeit dafür da ist.«

»Dann ist uns also auch in die Wiege gelegt, welche Freunde wir haben, was für Beziehungen und mögliche Partner? Dürfen wir dann überhaupt darüber entscheiden, mit wem wir unser Leben verbringen möchten? Was, wenn der mögliche Partner das nicht so sieht? Wir sagen, das ist der Richtige, und der andere schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und läuft davon?«

Heike brach in helles Lachen aus. »Du bist ein Original, Denise. Schade um die Wochen, die ich schon hier lebe, ohne dich gekannt zu haben. Ich denke, wir werden sehr viel Spaß zusammen haben.« Sie wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht.

Denise lachte mit, obwohl ihre Frage eigentlich ernst gemeint war. Doch für ein erstes Zusammensitzen waren solche schweren Themen vermutlich nicht geeignet, also lachte sie mit.

Beide merkten nicht, dass hinter ihnen jetzt die Tür geöffnet wurde. »Euch geht es ja gut. Was gibt es denn zu lachen? Ich sehe nichts.« Eine eigentlich angenehme Männerstimme unterbrach die fröhliche Stimmung.

Heike drehte sich erschrocken um, das Lachen gefror auf ihrem Gesicht. »Du bist schon da? Ich hatte dich noch gar nicht erwartet.« Sie machte einen schuldbewussten Eindruck, obwohl dafür gar kein Grund vorlag.

»Das sehe ich. Während ich schufte wie ein Irrer, lässt du es dir mit deiner Freundin gut gehen.« Die Missbilligung lag auf seinem Gesicht wie eine Maske.

»Das ist Denise, sie wohnt schräg gegenüber. Sie hat die Post gebracht, die der Briefträger versehentlich bei ihnen eingeworfen hat.«

»Ah, das ist ja mal eine Ansage. Ich werde mich gleich morgenbei der Post beschweren. Da wird das Porto ohnehin fast monatlich teurer, und dann sind sie nicht einmal in der Lage, ihre Arbeit ordentlich zu machen. Das geht so nicht.« Unwirsch drehte er sich um und verließ das Wohnzimmer. »In einer Viertelstunde will ich mein Essen, ich hab nachher noch zu arbeiten.« Krachend flog die Tür hinter ihm zu.

Denise zuckte zusammen. »Das ist … dein Mann?«, fragte sie verwirrt. Nach Heikes Erzählung hatte sie ihn sich ganz anders vorgestellt.

»Ja, das war Lars«, gab Heike bedrückt zu. »Ich weiß nicht, was er hat. Früher war er ganz anders. Er hat sich erst verändert, seit wir hierhergezogen sind. Vielleicht fühlt er sich auf dem Land nicht wohl, weil er ein Stadtmensch ist.«

»Das hätte er dir aber sagen können, ehe ihr eure Zelte in der Stadt abgebrochen habt«, wandte Denise ein. Sie sprach ganz leise, weil sie Angst hatte, er könne sie hören. Sie erhob sich. »Ich gehe besser, sonst gibt es noch mehr Ärger.«

»Es tut mir leid«, murmelte Heike, den Tränen nahe.

»Muss es nicht. Es ist in Ordnung. Ich verstehe ihn ja. Er hat eine schwere Arbeit. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, Menschen vor Gericht zu vertreten, von deren Unschuld man womöglich manchmal nicht ganz überzeugt ist. Wir können ja ein anderes Mal reden. Sag mir Bescheid, wann wir uns sehen können, entweder bei dir oder bei mir. Meine Mami würde sich ganz bestimmt freuen, wenn sie eine Weile auf Sandra aufpassen darf, während wir es uns bei einem Tee gemütlich machen.«

»Ist das dein Ernst?« Die Trauer in Heikes Blick verschwand. Sie begleitete Denise noch zur Haustür, dann reichte sie ihr die Hand. »Danke«, flüsterte sie, »dass du mir eine Freundin sein willst.«

»Ich freu mich auf unsere Freundschaft«, antwortete Denise, dann lief sie rasch davon. Sie hatte Angst, diesem Lars noch einmal unter die Augen zu treten. Er mag mich nicht, stellte sie bei sich fest, als sie über die Straße lief. Aber nach allem, was Heike erzählt hatte, mochte er niemanden, vermutlich nicht einmal sich selbst.

*

Heike Sollner stand im Schlafzimmer und versuchte sich zu konzentrieren. Sie wollte endlich ihre Tasche packen für den Tag, an dem sie vermutlich überraschend ins Krankenhaus musste. Es war nicht mehr lange hin bis zur termingerechten Geburt ihres Kindes. Allerdings hielten sich Babys nur selten an den Termin, den der Arzt ausgerechnet hatte. Das wusste Heike nur zu genau, denn auch Sandra, ihre Fünfjährige, war drei Wochen zu früh auf die Welt gekommen.