Spieglein, Spieglein... 2 - Kastor Aldebaran - E-Book

Spieglein, Spieglein... 2 E-Book

Kastor Aldebaran

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Ein Spiegel, zwei Seiten. Die zweite Geschichte, die Fortsetzung über Christoph und Marie, die der mörderischen Familie, um Klara und ihrer Mutter Elisabeth entkamen.

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Kastor Aldebaran

Spieglein, Spieglein... 2

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BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Impressum

 

Spieglein, Spieglein... 2

 

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Kastor Aldebaran c/o Block Services Stuttgarter Str. 106 70736 Fellbach

 

[email protected]

 

Cover Gestaltung: Kastor Aldebaran

 

Bild: Pixabay.com

 

Pixabay License

 

Homepage: http://www.kastor-aldebaran.com/

 

Auf meiner Homepage, einmal pro Monat, nach Anmeldung, einen kostenlosen Newsletter inclusive einer exklusiven Kurzgeschichte, nicht im Internet zu bekommen.

 

You Tube: https://www.youtube.com/results?search_query=kastor+aldebaran

 

Inhalt zum ersten Teil

Ich erwarb einen Spiegel, entdeckte durch ihn hindurch in eine andere Welt zu kommen. Ein mörderisches Spiel begann um Lust, Liebe und Leidenschaft, überschattete von Geld und Macht. Klara auf der anderen Seite, beseelt von der Gier nach Gold, erklärte mir ihre Liebe, ihre Mutter gab sich mir hin, beflügelte aufgrund von großartigen Geschäften. Doch es war ein Spiel, aus dem ich als Verlierer gehen sollte. Ich sollte alles verlieren, sogar mein Leben. Als ich es mit der Hilfe von Marie, dem Hausmädchen durchschaute, entwickelte ich einen Plan, der mich reich und Klara und ihre Mutter arm machte. Ich zerstörte, was sie aufgebaut hatten, flüchtet zum Schluss mit Marie durch den Spiegel in meine Welt. Hier beginnt der neue Roman um den magischen Spiegel.

Kapitel 1

Das Geschrei von Klaras Vater verstummte und ich atmete tief durch, hielt dabei Marie in meinen Armen. Sie verhielt sich ruhig, trotz allem, was sie erlebt hatte. Es war still und dunkel um uns herum. Widerwillig ließ mich Marie los, als ich das Fenster öffnen wollte, um Licht in den Raum zu lassen.

Es blendete uns kurz, doch unsere Augen gewöhnten sich schnell daran.

Unsicher sah sich Marie um und wirkte ängstlich.

„Wo sind wir?“, fragte sie mich und ihre Augen wirkten größer auf mich, als ich es in Erinnerung hatte.

„Bei mir Zuhause, auf der anderen Seite des Spiegels, ich wohne hier!“, erklärte ich ihr und sie konnte es nicht glauben, obwohl sie selber erlebt hatte, dass sie hindurchgegangen war.

„Es sieht hier alles anders aus!“, meinte sie erstaunt und drehte sich im Kreis herum.

„Die Möbel, der Boden, selbst die Decke ist viel niedriger. Was ist das alles?“, fragte sie ungläubig und ich konnte mir gut vorstellen, wie es auf sie wirken musste. Alles war anders als bei ihr, wobei sie die großen Unterschiede noch nicht gesehen hatte. Was passierte erst, wenn sie mit den modernen Dingen unserer Welt konfrontiert wurde. Daher sagte ich mir, dass ich sie langsam darauf vorbereiten musste. Stückchen für Stückchen, der Schock würde sonst zu groß werden.

„Du bist in meiner Welt, dort wo ich geboren wurde. Vieles wird dir unbekannt vorkommen, anderes merkwürdig, aber ich glaube, du wirst es schaffen!“

Marie drehte sich ein weiteres Mal um die eigene Achse, trat auf meinen Kleiderschrank zu und strich mit einem Finger darüber.

„Das ist kein Holz!“, bemerkte sie und ich nickte.

„Nein, ist es nicht!“, bestätigte ich ihr und sie drehte sich zu mir um.

„Darf ich hineinschauen?“, fragte sie.

„Du darfst alles machen, was du möchtest. Hier ist dein neues Zuhause und ich habe nichts vor dir zu verbergen!“

Sie öffnete den Schrank, sah sich meine Klamotten an, holte das eine oder andere Stück heraus und betrachtete es länger.

„Schöne Farben, aber den Schnitt kenne ich nicht. Trägt man so was bei euch?“

„Ja, für uns ist es normal. Du wirst dich auch anders anziehen müssen, um nicht aufzufallen!“

Marie hängte die Bekleidung zurück in den Schrank, stellte sich danach vor das Gegenstück des Spiegels, den sie kannte.

Kein Gold klebte mehr auf seinem Holzrahmen und er sah blind aus. Man konnte sich kaum darin sehen.

„Kann ich zurück?“, fragte sie mit einer traurigen Stimme, die mir ans Herz ging.

„Ich weiß es nicht!“

Erst jetzt ging ihr richtig auf, was passiert war und ich konnte von hinten sehen, wie ihr Körper durchgeschüttelt wurde, als sie ihren Tränen freien Lauf ließ. Sofort rannte ich auf sie zu, drehte sie zu mir um und hielt sie eine lange Zeit in den Armen, streichelte ihr sanft über die Haare, während ihr Kopf an meiner Brust lag.

„Was wird nun werden?“, hörte ich sie verzweifelt und berechtigt fragen.

Ich wusste es nicht genau, hatte bei der Aktion nicht über die Folgen nachgedacht. Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf und ich konnte mir gut vorstellen, dass meine Sorgen größer waren als ihre. Marie wusste nicht, was auf sie zukam.

„Ganz ruhig!“, flüsterte ich ihr zu, um sie zu besänftigen. Die Wirkung setzte allmählich ein und Marie entspannte. Ihr Kopf löste sich von mir und sie sah mich mit vertränten Augen an.

„Wir werden das schon schaffen!“, ließ ich folgen und Marie schnieft.

„Ich muss ihnen vertrauen. Sonst gibt es hier niemanden, an den ich mich wenden kann!“

Damit hatte sie recht, trotzdem ließ ich eine Antwort offen. Ich wollte Marie nicht verschrecken.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Marie und ich fand, dass ein gutes Essen viel aufwog.

Ich nahm Marie an die Hand, ging mit ihr in die Küche, wo sie den nächsten Schock erlebte. Alles war fremd, sie kannte keines der Geräte, überhaupt war Elektrizität für sie unbekannt. Daher spielte es keine Rolle, ob dort eine Mikrowelle stand, ein Backofen oder Mixer. Mit großen Augen sah sie sich um, wagte es nicht eines der Geräte anzufassen.

„Was ist das alles? Ich erkenne nichts wieder!“

Ich wollte ihr gerade antworten, als ein Auto vor dem Küchenfenster vorbei fuhr und Marie erschreckte.

Sie hob ihre Hände, hielt sie sich vor die Augen, als wenn sie nichts mehr sehen wollte.

„Wohin bin ich hingeraten!“, jammerte sie, krümmte sich und ich hatte die Befürchtung, dass sie zusammenklappen würde.

Ich nahm sie in meinen Arm, führte sie zum Küchentisch, zog einen Stuhl ab und ließ sie hinsetzten, hockte mich direkt vor sie hin.

„Marie!“, flüsterte ich ihren Namen, griff ihr dabei an die Hände und zog sie mit zärtlicher Gewalt vom Gesicht weg. Darunter befand sich ein Gesicht, das deutlich ausdrückte, wie verzweifelt sie war und das sie angst hatte.

„Hör mal, es ist alles nicht so schlimm. Du wirst das schon schaffen. Es wird nur eine Zeit lang dauern, bis du es verstehst, es als was Natürliches hinnimmst. Vertraue mir, dir wird nichts geschehen!“

Marie nickte, obwohl ich mir sicher war, dass sie nicht davon überzeugt war.

„Was möchtest du essen?“, fragte ich daher abweichend und sie sah sich unsicher um.

„Gibt es Brot?“

„Natürlich gibt es das. Was möchtest du drauf haben? Wurst, Käse, Marmelade oder was anderes?“

„Ein wenig Käse bitte!“

Ich ging zum Kühlschrank, holte die Zutaten heraus, machte ihr das Gewünschte und Marie sah mir dabei interessiert zu. Dabei hätte ich zu gerne gewusst, was sie dachte.

Zwei Minuten später war ich damit fertig und stellte es vor sie auf den Tisch.

„Etwas zu trinken?“

„Ja bitte. Wasser!“

„Ok, nichts Leichteres als das!“

Ich nahm eine Flasche Sprudelwasser, ein Glas und brachte es zu ihr, schenkte ihr das leicht perlende Getränk ein. Auch das kannte sie nicht.

„Guten Appetit!“, wünschte ich ihr und sie biss von der Scheibe ab, kaute geistesanwesend, während ihre Augen unruhig in der Küche herumwanderten. Die Eindrücke, die auf sie niederprasselten, waren zu viel auf einmal. Ähnlich, als wenn man durch eine Tür tritt und in eine Rokokokirche endet. Meistens wird man von dem vielen Gold und Verschnörkelungen erschlagen, wenn man es nicht gewohnt ist.

Es dauerte eine ganze Zeit, bis sie fertig war. Ob es ihr schmeckte, war nicht zu erkennen.

Danach sah sie mich komisch an und ich wusste nicht, was sie damit ausdrücken wollte.

„Kann ich dir helfen?“, fragte ich daher und sie schüttelte den Kopf. Trotzdem konnte ich erkennen, dass es nicht stimmte. Sie schlug mehrfach ein Bein über das andere, ein Zeichen, dass sie ein dringendes Bedürfnis hatte.

„Komm mit!“, meinte ich daher, nahm sie bei der Hand, führte sie ins Badezimmer und erklärte ihr, wie alles funktionierte. Marie schwieg, selbst als ich das Bad verließ und sie alleine ließ. Wenig später hörte ich die Spülung und wusste, dass sie es verstanden hatte.

Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis Marie zurückkam. Währenddessen saß ich in der Küche uns dachte über alles Mögliche nach, besonders was Marie anging und mir viel immer mehr ein, was sie lernen musste. Wenn ich daran dachte, wie lange es dauern konnte, bis sie andere Menschen verstand, würde eine Weile in Anspruch nehmen. Weitere tausend Dinge kamen mir in den Sinn und mir wurde angesichts dieser Aufgabe schwindelig.

Irgendwann kam Marie neugierig um die Ecke. Ihr Zustand schien sich zu normalisieren.

„Herr Christoph, wieso ist hier alles anders als bei uns?“, fragte sie mich, kam in die Küche und setzte sich mir gegenüber an den Tisch.

„Ich kann es dir nicht sagen. Der Seiten des Spiegels sind eben nicht gleich. Warum weiß ich nicht!“

„Kann ich irgendwann zurück?“, war die erneute Frage, die ich auch jetzt nicht beantworten konnte. Dabei kam mir eine Idee.

Wenn ich Marie den Spiegel geschenkt hatte, musste es möglich sein, ihn mit neuem Gold zu beschichten. Gelang es, konnte zumindest Marie in ihre Welt zurückkehren. Ein Versuch war es Wert.

„Vielleicht. Wir werden es ausprobieren. Aber nicht mehr heute. Ich bin müde!“

Marie nickte, die ganze Situation hatte auch sie mitgenommen und man konnte ihr ansehen, dass sie angeschlagen war, die Augen kaum offen halten konnte.

„Lass uns schlafen gehen!“, Morgen ist ein neuer Tag, den werden wir dafür nutzen, um einige Fragen zu klären.

„Vielleicht ist es das Beste!“, bestätigte sie mir und nickte zustimmend.

Wir erhoben uns und ich ging mit Marie zum Gästezimmer, machte die Tür auf und schaltete das Licht an, worüber Marie sehr verwundert war. Zu meiner Überraschung sagte sie nichts dazu, sie nahm es einfach hin, vielleicht eine Angewohnheit als Dienstmädchen. Zu viele Fragen waren manchmal nicht gut. Wie ich fand, eine gute Einstellung. Würde ich ihr alles erklären, konnte es Jahre dauern, bis sie die Hälfte verstanden hatte.

„Wir werden dir was zum Anziehen kaufen müssen. Mit deinem Kleid wirst du draußen auffallen!“, dachte ich laut nach und betrachtet sie von oben bis unten.

„Warum? Ist was mit meinem Kleid nicht in Ordnung?“, fragte sie ungläubig und drehte sich einmal im Kreis, sah dabei an sich herunter.

„Marie. Möchtest du über lange Zeit im selben Kleid rumlaufen? Du wirst nicht Morgen zurück auf der anderen Seite sein, vielleicht nie mehr!“, kam meine Gegenfrage und Marie sah es ein.

„Außerdem möchte ich, dass du gut aussiehst, wenn wir zusammen rausgehen. Die Mode hier ist vollkommen anders als bei euch. Wenn ich zu euch gekommen bin, habe ich mich vorher umgezogen, sah aus wie jetzt. Hier in meiner Welt trägt man andere Sachen!“

Marie sah auf, und man konnte erkennen, dass es zu viel für sie war. In ihre Augen traten Tränen, und als ich die Erste kullern sah, trat ich auf sie zu, nahm sie in den Arm und hielt sie fest, bis sie sich beruhigte.

„Wir werden das zusammen schaffen, glaube es mir. In ein paar Tagen sieht vieles anders aus. Bis dahin haben wir es nicht mehr weit. Vertraue mir einfach!“

Marie ließ von mir ab, schniefte einmal mit der Nase und setzte sich auf das Bett.

„Schön weich!“, murmelte sie und strich über die Bettdecke, beugte ich herunter und roch daran.

„Riecht nach Blumen!“, meinte sie wie abwesend und lächelte mich an.

Ich nickte, ging zum kleinen Kleiderschrank, der an der gegenüberliegenden Wand stand, in dem ich Bettwäsche und Nachtbekleidung aufbewahrte.

Hier holte ich einen Pyjama heraus, der für mich gedacht war. Ein Nachtkleid, wie es Marie kannte, hatte ich nicht. Als ich es ihr auf das Bett legte, sah sie es argwöhnisch an.

„Hosen?“, fragte sie mich und rümpfte ihre niedliche Nase.

„Du wist dich wundern. Bei uns tragen viele Frauen Hosen und das nicht nur zur Nacht!“

Marie hob ihren Kopf und schüttelte ihn, wollte es mir nicht glauben.

„Ich schwindel nicht. Hier fahren Kutschen auch ohne Pferde, du hast es selber gesehen!“, erklärte ich ihr und sie war trotzdem nicht davon überzeugt.

„Es muss für heute gehen. Anders habe ich nicht und es ist zu spät, um Besorgungen zu machen. Bitte zieh es an. Ich komme gleich zurück, wenn du fertig bist!“

Ich verließ den Raum, ging ins Wohnzimmer und verbrachte die nächste viertel Stunde damit, aus dem Fenster zu sehen. Danach ging ich zurück, und sah Marie im Bett liegen. Das Oberteil hatte sie angezogen, die Hose nicht. Sie hing über einem Stuhl.

„Hosen sind für Männer!“, gab sie zurück und ich konnte einen Tonfall erkennen, der mich an Trotz erinnerte.

„Wie du möchtest. Ich hoffe, es ist sonst alles in Ordnung? Ich schlafe gegenüber dem Waschraum, falls was ist, komm herüber. Ich wünsche dir eine gute Nacht und schlaf schön!“

Marie nickte mir zu und schloss demonstrativ ihre Augen. Ich machte die Lampe aus und lehnte die Tür nur an, damit sie nicht den Eindruck bekam, eingeschlossen zu sein.

Selber gähnte ich, ging mit schleppenden Schritten in mein Schlafzimmer, war innerhalb kürzester Zeit ausgezogen und schlüpfte unter die Decke. Zuerst dachte ich, dass ich nach diesem aufregenden Tag nicht einschlafen könnte, doch das erwies sich als Trugschluss. Keine halbe Stunde später gelangte ich in die Traumwelt.

Irgendwann in der Nacht, es war dunkel, wachte ich auf und starrte an die Decke. Mein Radiowecker zeigte mir an, dass es früher Morgen war und ich drehte mich entsprechend wohlig um. Doch diesmal konnte ich nicht einschlafen, lag eine ganze Weile wach. Jetzt meldete sich bei mir ein dringendes Bedürfnis, dem ich nachgeben musste. Also stand ich schwerfällig auf, schlurfte zum Bad und ließ der Natur freien Lauf. Danach wollte ich zurück in die kuschelige Wärme meines Bettes, als ich aus dem Gästezimmer eine Stimme hörte. Ich konnte nicht verstehen, was gesagt wurde, doch dass sie von Marie kam, war eindeutig.

Leise schlich ich mich zu ihrer Tür, zog sie langsam und geräuschlos auf.

Deutlich konnte ich Maries Kopf erkennen und musste lächeln. Sie musste irgendwann aufgestanden sein, hatte sich ihre Haube wie eine Nachtmütze aufgesetzt und die Stimme kam von ihr. Sie sprach im Schlaf, leider nicht deutlich genug um einzelne Worte zu verstehen. Um die Akustik zu verbessern, schlich ich mich ins Zimmer, stand an ihrem Bett und sah auf sie herunter.

Es gelang mir genauso wenig wie von der Tür aus. Dafür nuschelte sie zu sehr. Trotzdem blieb ich für eine kurze Weile stehen, betrachtet sie von meinem Platz aus.

Kapitel 2

Als ich aufwachte, war ich darüber überrascht, dass ich Geräusche aus der Küche hörte. Verwundert stand ich auf, um nachzusehen, was dort los war. Als ich die angelehnte Tür öffnete, sah ich Marie, wie sie am Waschbecken stand und dabei war das Geschirr abzuwaschen, das wir am Abend hatten stehen lassen. Dazu hatte sie ihr Kleid angezogen, und ich sah ihr dabei einen kleinen Moment zu. Sie war sorgfältig bei der Arbeit, behandelte das wenige Porzellan wie rohe Eier, wenn sie diese mit einer Bürste säuberte.

„Was machst du da?“, fragte ich sie nach einer Minute und hatte dabei vergessen, dass sie mich nicht gesehen hatte. Sie erschreckte sich gewaltig, drehte sich mit einem Ruck um und konnte den nassen Teller nicht festhalten, den sie gerade abwusch. Mit Schwung glitt er ihr aus den Fingern schien den Bruchteil einer Sekunde in der Luft zu hängen und fiel danach herunter. Marie versuchte ihn aufzufangen, doch sie schaffte es nicht, berührte dabei den Rand und ließ den Teller herumwirbeln. Mit einem lauten Scheppern prallte er auf die Fliesen und zersprang in tausend Teile.

Marie blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die vielen Einzelteile.

Ich kam auf sie zu, wollte Schaufel sowie Besen holen, um es notdürftig zu beseitigen. Dabei fiel mir auf, dass Marie weiterhin auf die Scherben starrte und mit dem Kopf schüttelte.

„Bitte Herr Christoph schimpft nicht mit mir. Ich habe es nicht gewollt!“, drang eine zitternde Stimme in meine Ohren ein und ich blieb stehen, als Marie ihren Kopf hob und mich ängstlich ansah.

„Alles gut, nichts passiert. Es ist ein Teller, kein Weltuntergang!“, meinte ich, ging zum Wandschrank in der Küche und holte Schaufel und Handfeger. Damit bewaffnet ging ich vor Marie in die Hocke und wollte es wegmachen, als Marie sich herunterbeugte und mir beides aus der Hand riss.

„Das ist keine Arbeit für meinen Herrn. Ihr werdet nicht wegmachen, was ich verbrochen habe. Bitte schlagt mich nicht dafür!“

Ich stand auf, sah, wie Marie statt meiner die Scherben auffegte und sie mit hängendem Kopf zum Mülleimer brachte. Es klirrte ein letztes Mal, als sie hineinfielen. Danach drehte sich Marie zu mir um, mochte mir nicht in die Augen sehen.

„Marie bitte!“, fing ich an und suchte nach Worten, „Du bist nicht meine Angestellte, ich nicht dein Herr oder sonst was. Ich bin Christoph, nichts anderes. Was kaputt gegangen ist, kann man einfach ersetzten. Es macht nichts, wirklich nicht!“

Langsam hob Marie ihren Kopf und sie sah mich ungläubig an.

„Aber das war Porzellan!“, gab sie zurück.

„Na und? Spielt keine Rolle. Du bist in einer anderen Welt, deine Maßstäbe gibt es hier nicht mehr. Glaub es mir!“

„Dann werdet ihr mich nicht bestrafen?“, fragte Marie skeptisch zurück, sie konnte nicht glauben, was ich gesagt hatte.

„Nein, werde ich nicht. Ich habe keinen Grund dazu. Ich werde dich nicht schlagen, weder jetzt, noch sonst irgendwann. Bitte setzt dich hin!“

„Herr Christoph!“, kam zögerlich zurück und Marie sah auf einmal weg, ohne dass ich den Grund erkennen konnte.

„Was ist?“, fragte ich zurück, konnte den Grund nicht erkennen.

„Ihr habt nichts an!“, flüsterte Marie eingeschüchtert und ich sah an mir herunter.

Es stimmte nicht, ich hatte mir nach dem Aufstehen eine Shorts übergezogen, mehr nicht. Ich lief morgens meistens in der Form herum, manchmal sogar nackt. Ich hatte nicht daran gedacht, dass Marie vieles anders betrachtete. Einzig, wenn ich frühstückte, zog ich vorher ein T-Shirt über. Essen mit freiem Oberkörper ging gar nicht.

Ich sah an mir herunter, lächelte und ging wortlos aus der Küche, zog mich entsprechend an und kam zurück. Der Blick von Marie änderte sich kaum. Eine Bekleidung, wie ich sie trug, war ihr nicht bekannt. Bequem, wie es war, hatte ich mir einen Jogginganzug übergezogen, der mich soweit bedeckte, wie es für sie vorteilhaft war. Dass sie den Schnitt, diese Art nicht kannte, war eine andere Sache.

Auch hierzu gab ich keinen Kommentar ab, würde ihr die Fragen beantworten, die sie hatte, ansonsten wäre es einfach zu viel. Wortlos stellte ich Brotbretter auf den Tisch, holte ein Toastbrot und das entsprechende Gerät dazu. Alles andere, dass wir brauchten, kam hinzu, und als ich die ersten Scheiben im Toaster versenkte, sah mir Marie interessiert zu. Kurz hielt sie eine Hand über die Schlitze der Öffnungen und zog sie schnell zurück, als sie die Hitze spürte. Als die Scheiben heraussprangen, erschreckte sich Marie gewaltig und zuckte zusammen.

„Herr Christoph. Ihre Welt ist komisch. Ich verstehe sie nicht!“, meinte sie und sah dabei zu, wie ich die Scheiben auf unsere Better verteilte, selber Butter und Marmelade nahm und sie sorgfältig auf dem Brot verteilte.

„Iss!“, forderte ich sie freundlich auf und lächelte sie an.

Diesen Teil bekam sie ohne Anweisung hin. Wenig später, als sie den Geschmack geprüft hatte, wurde sie mutiger, kaute mit Vergnügen auf dem Brot herum.

„Schmeckt wunderbar!“, gab sie von sich, während sie dabei zusah, wie die nächsten Scheiben im Toaster verschwanden. Mit großen Augen verfolgte sie, wie die Rinde dunkler wurde, jauchzte auf, als das Brot aus den Schlitzen sprang. Sie hatte sich in kürzester Zeit daran gewöhnt. Dies ließ darauf hoffen, dass es mit vielem anderen genauso sein würde.

Marie hatte großen Hunger, schaufelte sich mehr in den schmalen Körper als gedacht.

„Was zu trinken?“, fragte ich sie, nachdem ihr das Schlucken schwerfiel.

„Ja bitte, Wasser!“, wünschte sie sich und ich musste lächeln.

„Wasser trinkt das Vieh. Ich habe was Besseres für dich!“

Ich erhob mich, nahm eine große Tasse, schüttete Milch hinein und machte sie in der Mikrowelle warm. Danach brachte ich sie an den Tisch, stellte eine Dose mit Cacao daneben und steckte einen Löffel hinein.

Marie verfolgte alles mit großen Augen, besonders als ich drei gehäufte Löffel von dem dunklen Pulver in die Milch rührte, die sich sofort entsprechend verfärbte.

„Wenn du es kräftiger und süßer haben möchtest, nimm mehr!“

Marie sah in die Tasse, beugte sich herunter und roch an der Flüssigkeit.

„Ist das Schokolade?“, fragte sie ungläubig und ihre Augen weiteten sich, als ich nickte.

„Ja, Schokolade, Cacao genannt. Trinken hier viele Menschen!“

Marie hob die Tasse an, nippte an dem Getränk und ich meinte, die Sonne auf ihrem Gesicht aufgehen zu sehen. Sofort nahm sie einen tieferen Schluck, trank die Tasse zur Hälfte leer und rang nach Atem, als sie diese absetzte.

„Herr Christoph. Ihre Welt muss unheimlich reich sein, dass viele Menschen sich so was leisten können. Es schmeckt wunderbar süß und lecker!“

„Wieso. Hast du noch nie Cacao getrunken oder Schokolade gegessen?“, fragte ich neugierig und Marie wurde verlegen.

„Einmal. Als Fräulein Klara ein paar Stücke davon auf ihrem Tisch stehen hatte. Ich habe mir eines davon genommen!“, meinte Marie und man konnte ihr ansehen, dass es ihr unangenehm war, davon zu erzählen. In ihren Augen musste es ein Verbrechen sein, immerhin hatte sie gestohlen.

„Und? Hat es geschmeckt!“, fragte ich neugierig, um von dem Umstand abzulenken.

Marie sagte nichts dazu, nickte stattdessen heftig mit dem Kopf und bekam süße, rötliche Bäckchen.

„Dann muss ich dir wohl Schokolade kaufen!“, erklärte ich und Marie blinzelte mich an.

„Wenn sie das für mich machen würden, wäre es ein großes Geschenk für mich, mehr als ich mir jemals vorstellen konnte!“

Ich nickte ihr zu, aß gemütlich und ausgiebig zu Ende, trank danach eine Tasse Kaffee, stellte dazu die Maschine an. Marie verfolgte auch das mit großem Interesse, stellte keine Fragen dazu. Als ich ihr eine Tasse davon anbot und sie davon probierte, schüttelte sie sich vor Ekel.

„Cacao ist definitiv besser für dich!“, erklärte ich und Marie war davon schnell überzeugt.

Nach dem Frühstück überlegte ich, was wir machen könnten. Sofort kam mir der Spiegel in den Sinn. Um eine Theorie zu testen, holte ich meine Restbestände an Blattgold. Mit Marie zusammen gingen wir in mein Schlafzimmer und ich erklärte ihr, was ich ausprobieren wollte.

Als Erstes versuchte ich es und kam zu demselben Ergebnis wie vor Tagen. Es haftete nicht, fiel sofort ab und blieb auf dem Boden liegen.

Danach sollte Marie es ausprobieren und nach meinen Anweisungen, schaffte sie es. Ohne Schwierigkeiten blieb es am Rahmen kleben, als wenn es nicht anders sein konnte. Dabei spielt es keine Rolle, wie geschickt sich Marie anstellte. Wie von selbst fand das Blattgold die unbedeckten Stellen, wurde geradezu angezogen. Nach wenigen Minuten hatte Marie meine Reste verbraucht und ich sah es mir genau an. Es sah an der Stelle makellos und wie neu aus. Darum beschloss ich sofort, neues Gold zu besorgen, um den Rest zu vollenden.

Ich sah Marie an und überlegte, ob ich sie in den schützenden vier Wänden lassen, oder sie in die moderne Welt entführen sollte. Beides hatte seine Risiken.

Ich kam zum Schluss, dass es besser war, wenn ich bei ihr war. Also musste sie mitkommen. Zum Glück war der Juwelier, bei dem ich vorher eingekauft hatte, nicht in der Innenstadt, sondern in einer Seitenstraße, bis zu der wir es ohne große Überraschungen schaffen konnten. Auf dem Weg dorthin gab es mehrere Boutiquen, in denen wir für Marie was zum Anziehen finden würden.

Also zog ich mich vernünftig an, während ich Marie ins Badezimmer schickte. Sie mit der Haube mitzunehmen war unmöglich. Daher sollte sie ihre Haare in Ordnung bringen.

Sie wollte sich zuerst nicht von der Kopfbedeckung trennen, also musste ich deutlicher werden und setzte einen Ton auf, der keine Abweichung von meiner Ansicht zuließ. Marie ging unter gemurmeltem Protest ins Bad und ich zog mich straßentauglich um.

Es dauerte eine viertel Stunde, bis Marie vor mir stand und sich ihrer Kopfbedeckung entledigt hatte. Ich mochte ihre haselnussbraunen Haare, die in die Freiheit entlassen, leichte Wellen oder Locken aufwiesen. Sie flossen über ihre Schulter bis über einen Teil des Rückens, und ich fragte mich, wie sie es schaffte, sie unter der Kappe zu verbergen.

„Wunderschön!“, murmelte ich, trotzdem konnte Marie es hören und schlug ihre Augen verlegen nieder, jedoch nur kurze Zeit. Danach betrachtete sie mich aufmerksam, hatte mich zuvor niemals in meiner angelegten Kleidung gesehen. Jeans, sportliche Treter und dazu ein Poloshirt, waren alles Dinge, die sie nicht kannte.

„Sie sehen seltsam aus!“, entfuhr ihr und ihre Neugierde stieg merklich.

„Hier ist das vollkommen normal, und wenn wir rausgehen, wirst du es sein, die auffällt und nicht ich!“

Marie verzog ihre Stirn in Runzeln, konnte es sich nicht vorstellen, dass sie anders aussah, als die anderen. Für sie war es normal ein bodenlanges Kleid aus derbem Stoff zu tragen, darüber eine helle Schürze, die vor Verschmutzung schützte. Ihre schwarzen Schnürschuhe, die sie darunter trug, waren nicht zu sehen.

„Lass uns los!“, meinte ich und machte die Tür auf. Ihr alles zu erklären, würde zu lange dauern.

Neugierig trat sie aus dem Haus, sah sich für einen Moment unsicher um, bis ich mich bei ihr einhakte und sie Richtung Straße zog. Hier war wenig los, somit wurde sie nicht gleich mit dem nächsten Auto konfrontiert. Das kam wenige Minuten später.

Ich möchte hier nicht alles aufzählen, was Marie die nächsten zwei Stunden Neues sah, es wäre zu viel, doch ich kann sagen, dass alle paar Meter etwas Neues auf sie wartete. Zuerst frage sie danach, später ließ sie es bleiben, sonst wären wir niemals angekommen.

Das Blattgold ließ sich schnell besorgen, für Marie Passendes zum Anziehen zu finden, wurde umso schwieriger. Hosen gingen nicht, nichts auf der Welt hätte sie in die Beinkleider getrieben. Sie sah diese skeptisch an, schüttelte heftig ihren Kopf und ließ sie links liegen. Bei den Kleidern konnte ich Interesse erkennen. Sie wunderte sich über die Muster und Farben, wurde zu meiner Überraschung von kräftigen Farben angezogen.

Die Angestellte in der Boutique hatte ihre Freude daran, uns zu bedienen. Wir brauchten mehrere Kollektionen und anscheinend war sie an dem Umsatz beteiligt. Das Einzige was sie wunderte war, wie wir miteinander sprachen. Die junge Frau war nicht dumm und merkte schnell, was es mit unserer Sprache auf sich hatte. Auch wenn sie uns bei der Geschwindigkeit nicht verstand, in der wir uns unterhielten, vermutete sie das Richtige.

„Ich möchte ja nicht neugierig sein!“, wandte sie sich an mich, während sie Marie ein anderes Kleid zur Anprobe reichte, „Aber warum sprechen sie rückwärts?“, vollendete sie ihren Satz, der ihre ungebremste Neugierde anzeigte.

Ich lächelte sie an, suchte währenddessen nach einer Erklärung, obwohl es sie nichts anging.

„Wir üben für einen Wettbewerb!“, kam letztendlich dabei heraus und sie nickte.

„Ich glaube, sie werden gewinnen. Besser habe ich es noch nie gehört. Es klingt für mich perfekt!“

„Vielen Dank, wir haben lange dafür geübt!“

Sie nickte, schüttelte mit mir den Kopf, als Marie mit dem neuen Kleid aus der Kabine kam. Es saß nicht, unterstützte ihre Figur bedingt.

„Neeeee!“, entfuhr es uns beiden gleichzeitig und mussten darüber lachen. Marie fand es nicht lustig. Auch wenn sie am Anfang mit großem Enthusiasmus mitgemacht hatte, ermüdete es sie schnell und hatte keine Lust mehr.

Wir blieben, bis wir fünf Kollektionen ausgesucht hatten, und ich bezahlte mit meiner Kreditkarte. Danach verließen wir den Laden, wobei Marie eines der neuen Kleider trug. Draußen angekommen wurde ihre Laune besser und sie hüpfte in einem gepunkteten Sommerkleid auf dem Bürgersteig herum, wirbelte um die eigene Achse.

„Danke Herr Christoph. Etwas Schöneres habe ich nie besessen. Einen solch feinen, leichten Stoff habe ich nie zuvor gehabt. Selbst Klara hat so etwas nicht!“

Ich sah Marie dabei zu, setzte ein leichtes Lächeln auf und freute mich für sie.

Zuhause angekommen zogen wir uns um und hocken wenig später vor dem Spiegel, um den Rahmen zu vervollständigen. Drei Stunden später, unterbrochen von kleinen Pausen, sah er wie neu aus.

Wir standen einen Moment davor und betrachteten unser Werk.

„Nicht schlecht!“, gab ich an und Marie nickte mir zustimmend zu.

„Dann wollen wir mal sehen, ob wir was erkennen können!“, meinte ich, machte eine Lampe an und verdunkelte den Raum. Beide stellten wir uns vor den Spiegel und ich knipste die Lampe aus. Sofort wurde es stockdunkel, und ich konnte nichts mehr sehen. Das Einzige was sich änderte war eine Hand, die nach meiner suchte. Ich nahm sie in meine, hielt sie mit vorsichtigem Druck fest.

Wir konnten nichts durch den Spiegel sehen, nur an den Rändern hatte ich den Eindruck, als wenn ein Schimmer von Licht durchdrang. Daher vermutete ich, dass entweder ein Tuch oder Ähnliches über den Spiegel gelegte worden war oder er verkehrt herum gegen eine Wand lehnte. Um es herauszubekommen, hätte Marie durch den Spiegel greifen müssen, doch das empfand ich als zu gefährlich. Außerdem wollte ich Marie nicht damit belasten.

„Hmmmm!“, meinte ich und verzog in der Dunkelheit eine Grimasse, die Marie nicht sehen konnte.

„Nichts zu sehen!“, vervollständigte Marie meine Aussage und ich spürte ihre Hand, die meine fester drückte als zuvor.

„Nein, nichts!“, gab ich zurück, drehte mich zum Lichtschalter um und machte die Lampe an.

Marie sah dabei verlegen auf unsere Hände herunter, die sich wie zuvor gegenseitig festhielten und keine Anstalt machten, sich zu trennen.

Es war eine seltsame Situation. Auch wenn ich bereits mit Marie geschlafen hatte, kam es mir unwirklich vor. Sie war dabei betrunken gewesen und ich war mir nicht darüber im Klaren, was davon in ihren Erinnerungen geblieben war und ich fragte mich, ob sie in diesem Moment daran dachte.

Um uns aus diesem Zustand zu befreien, zog ich meine Hand zögerlich aus ihrer heraus, lächelte sie dabei an und löste die Verdunkelung des Zimmers von dem Fenster.

„Lass uns was essen!“, meinte ich um unsere Gedanken auf eine andere Bahn zu lenken.

Marie nickte, kam mir hinterher, als ich zur Küche ging. Sie setzte sich an den Tisch und sah mir dabei zu, wie ich in meiner Tiefkühltruhe wühlte und zwei Pizzen hervorzog.

„Salami oder Thunfisch?“, fragte ich Marie, während ich sie aus der Verpackung pellte.

Sie konnte sich nicht entscheiden, daher ging ich es diplomatisch an und machte einen anderen Vorschlag.

„Gut, dann wird eben gerecht geteilt, jeder bekommt von beiden eine Hälfte!“

Marie nickte, blieb wie oft stumm. Es war einfach zu viel, was auf sie einstürmte, selbst die Dinge, die für mich selbstverständlich waren.

„In zehn Minuten sind sie fertig, dann können wir essen!“, erklärte ich, als ich sie in den vorgeheizten Backofen schob und durch das Fenster überprüfte, dass sie richtig lagen. Danach setzte ich mich zu Marie an den Tisch und sah sie durchdringend an, griff mit beiden Armen über den Tisch, nahm ihre Hände in meine und hielt sie für einen Moment fest.

„Du wirst lernen müssen, wie man hier spricht, sonst wirst du in dieser Welt niemals klarkommen!“, sagte ich mit einer ruhigen Stimme zu ihr und sie sah mich mit großen Augen an.

„Ja Herr Christoph, ich werde es versuchen. Aber seid mir bitte nicht böse, wenn ich es nicht schnell genug lerne. Alles hier ist für mich so ungewohnt, und ich kann vieles nicht begreifen. Vor wenigen Stunden war ich nichts anderes als ein einfaches, ungebildetes Hausmädchen, und jetzt bin ich hier bei ihnen und verstehe die Welt nicht mehr!“, sagte sie leise zu mir und ich konnte am leichten Zittern in ihrer Stimme erkennen, dass sie kurz davor war, Tränen zu vergießen.

„Ich habe auch eine ganze Zeit lang gebraucht, bis ich es konnte, das ist ganz normal. Aber du wirst es schon lernen, da bin ich mir ganz sicher. Du bist nicht dumm, nicht auf den Kopf gefallen. Und wenn es nicht in einer Woche geht, dann in einem Monat oder länger. Wir können uns Zeit nehmen, haben viel davon. Beruhige dich, es wird alles gut!“

In diesem Moment hörte ich die kleine Klingel vom Ofen, die mir anzweigt, dass sie Pizzen fertig waren. Ich lächelte Marie tröstend an, ließ sie danach los und ging, um unser Essen aus der Röhre zu ziehen.

Mit den Beiden auf Tellern, kam ich zurück zum Tisch, schnitt sie wie angekündigt in Hälften und schob Marie ihren Anteil herüber. Sie sah sich die dampfenden Fladen an und ich konnte erkennen, wie sie den Duft tief in ihre Nase sog.

„Riecht lecker!“, meinte sie und ich schmunzelte sie an.

„Man sagt, die Italiener haben sie erfunden, wobei das wohl nicht ganz stimmt!“

„Ah ha. Bei uns gibt es so was nicht!“

Marie nahm Messer und Gabel, schnitt sich ein kleines Stück ab und schob es sich prüfend in den Mund. Sofort war zu erkennen, dass es ihr schmeckte. Ein größeres Stück wanderte hinterher, wobei sie nicht darauf geachtet hatte, dass es in der Mitte heißer war als am Rand. Mit geöffnetem Mund, hechelnd nach Luft, wedelte sie mit ihrer freien Hand davor herum und versuchte es abzukühlen, ohne es auszuspucken.

„Langsam. Kälter wird es von alleine!“, meinte ich und amüsierte mich über Marie, die mit glasigen Augen vor mir saß und aufatmete, als das Stück für sie genießbar wurde.

Marie hatte Hunger, und ich sah mit großer Freude dabei zu, wie sie die Pizza bis auf den letzten Krümel verschlang und das Besteck auf den leeren Teller legte.

„Möchtest du noch eine?“, fragte ich nach, doch Marie strich sich über den Bauch und schüttelte ihren Kopf.

„Herr Christoph möchte mich wohl mästen? Nein danke, es reicht mir vollkommen. Aber ich glaube, ich könnte es öfters essen!“

Ich schmunzelte sie an und überlegte einen Moment.

„Ich glaube, du wirst unsere Sprache am besten lernen, wenn ich dich vor den Fernseher setzte!“, meinte ich und Marie sah mich erstaunt an.

„Was ist ein Fernseher?“, fragte sie mich neugierig.

„Komm mit!“, gab ich zurück, ging mit ihr ins Wohnzimmer, zeigte ihr, wohin sie sich setzten sollte, und machte den Apparat für sie an.

Eine neue Welt tat sich für sie auf und sie sah fasziniert auf die Mattscheibe, die ihr mehr von der Welt zeigte, in der sie jetzt lebte, als sie irgendwo anders hätte sehen können. Wie gebannt verfolgte sie die bewegten Bilder, auch wenn sie nicht verstand, worum es ging. Daher suchte ich einen Sender, der Dinge zeigte, die ihr vertrauter waren. Es musste zum Anfang kein Science-Fiction sein, sondern Filme, die geläufige Handlungen aufwiesen. Dazu setzte ich mich neben sie aufs Sofa, nahm die Fernsteuerung und zappte solange durch die Programme, bis ich Entsprechendes fand.

Marie verfolgte es mit großen Augen und mir war klar, dass ich sie überforderte.

„So, da haben wir es für dich!“, gab ich an, als ich eine Serie erkannte, die ein ganz normales Familienleben der letzten Jahrhundertwende zeigte.

Marie saß stocksteif auf dem Sofa und starrte auf die Mattscheibe, verstand nicht ein Wort von dem, was gesprochen wurde. Trotzdem konnte sie der Handlung folgen, was ich an der Mimik ihres Gesichts erkennen konnte.

„Warum machst du es dir nicht bequem?“, fragte ich sie und sie sah mich kurz unverständlich an.

„Lehne dich an, zieh deine Schuhe aus und leg die Beine hoch!“, erklärte ich ihr und sie kam meiner Aufforderung zögerlich nach.

„So ist es doch besser oder?“, fragte ich sie und konnte erkennen, wie sich ein schmales Lächeln auf ihren Lippen zeigte.

„Ja, ist es. Herr Christoph ist immer so freundlich zu mir. Danke dafür!“

Ich fragte mich innerlich, ob Marie es irgendwann schaffen würde anders mit mir zu sprechen. Sie blieb auf Distanz, war in ihrer Rolle als Hausmädchen gefangen. Vielleicht brauchte sie es auch als Anker, der sie mit ihrer alten Welt verband, ein kleines Stück Normalität, an dem sie sich festhielt.

Ich ließ es ihr, wollte sie nicht verbiegen. Wenn sie sich damit wohlfühlte, war es in Ordnung.

Während Marie fern sah, ging ich zurück in die Küche, räumte auf und kam mit einer kleinen Schale zurück, in der die Stücke von zwei Tafeln Schokolade lagen. Mit dieser zusammen setzte ich mich neben Marie und hielt ihr diese unter die Nase.

„Wie sieht es aus? Ein wenig Naschwerk für die Dame?“, sagte ich mit einer tieferen, leisen Stimme und erfreute mich daran, als Marie klar wurde, dass sie damit gemeint war. Mit zurückhaltender Geschwindigkeit angelte sie ein Stück aus der Schale und schob es sich genüsslich zwischen die Lippen.

Es sah aus, als wenn auf ihrem Gesicht die Sonne aufgehen würde, als sich der Geschmack in ihrem Mund breitmachte und sie die Aromen schmecken konnte.

Ich genoss es, stellte die Schale vor ihr auf den Tisch und nickte ihr auffordernd zu, um mehr zu nehmen. Marie verstand es sofort, griff zögerlich zu und es war mir eine Freude zu sehen, wie sehr ich sie mit dieser kleinen Sache verwöhnen konnte.

Stundenlang blieben wir vor dem Fernseher sitzen, schauten uns diverse Sendungen an und Marie war von dem Geschehen wie gebannt. Kein Wort kam über ihre Lippen, stattdessen schien sie mit den gezeigten Bildern zu verschmelzen. Besonders wenn Werbung kam, wühlte es sie auf. Diese kleinen Filmchen waren wie für sie gemacht. Die Produzenten hatten sehr darauf geachtet, dass jeder sie verstand, egal ob derjenige der Sprache mächtig war oder nicht. Selbst ohne Ton konnte man sie verfolgen und erkennen, worum es ging. Besonders Beautyprodukte interessierten Marie. Ob Liedschatten, Nagellack oder Lippenstift spielte keine Rolle. Sie waren ihr geläufig, doch nicht in der Art wir hier gezeigt wurde. Die Auswahl schien für Marie unendlich und ohne Grenzen zu sein.

„Das kann man alles kaufen?“, fragte sie mich ungläubig und ich bestätigte es ihr.

„Ja, alles und noch viel mehr. Wenn du möchtest, gehen wir davon einkaufen. Was hältst du davon?“

Marie sah mich zuerst ungläubig an, danach ließ sie einen kleinen Jubelschrei hören.

„Ja, bitte. Das wäre toll!“

„Gut, machen wir Morgen!“, bestätigte ich es und überlegte gleichzeitig, wo wir gefahrlos hingehen konnten. Um sie in die Stadt zu führen, war es zu früh. Zur Alternative stand eine kleine Parfümerie in der Nähe, die für Marie besser geeignet war.

Erst als es draußen dunkel war, und Marie mehrfach gähnte, schaltete ich den Apparat aus und sah sie kurz an.

„Lass uns schlafen gehen!“, forderte ich sie auf und Marie kam dem sofort nach. Keine viertel Stunde später lag ich in meinem Bett und kuschelte mich in meine Decke ein, schaltete das Licht aus.

Kaum hatte ich meine Augen geschlossen, hörte ich Stimmen, die langsam näher kamen. Sofort wurde ich hellwach, setzte mich auf und lauschte in die Dunkelheit.

„Nehmt den Spiegel von der Wand und bring ihn dorthin, wohin ich es euch gesagt habe!“, hörte ich deutlich die harte Stimme von Frau Elisabeth, die keinen Zweifel daran erkennen ließ, dass sie schlechte Laune hatte. Ich musste grinsen und sah gespannt zu meinem Spiegel.

Jetzt konnte ich erkennen, dass es tatsächlich ein Tuch war, das darüber gehängt worden war. Es fiel unbeabsichtigt vom Rahmen und sofort konnte ich erkennen, was sich in dem Raum abspielte.

Frau Elisabeth stand zwei Meter davon entfernt, und ihr Gesichtsausdruck war mit dem zu vergleichen, als wenn sie in eine Zitrone gebissen hätte. Zusätzlich hielten sich zwei kräftig aussehende Männer im Raum auf, die seitlich am Spiegel standen und ihn von der Wand hoben.

Das Bild schaukelte hin und her, als er aus dem Raum getragen wurde, um ihn wenig später an anderer Stelle hinzustellen.

Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, wohin er gebracht wurde. Als die Träger ihn an seinen Bestimmungsort lehnten, war klar zu sehen, dass er in Maries ehemaligem Zimmer stand. Ihr schmales Bett und der kleine, einfache Schrank im Hintergrund, zeigten es mir deutlich an.

Die beiden Männer verließen den Raum, Frau Elisabeth nicht sofort. Sie stellte sich einen Meter entfernt davor, stemmte ihre Hände in die Hüfte und hielt ihren Kopf schräg gelegt, sah dabei aus, als wenn sie nachdachte.

„Wenn sie mich hören, Herr Christoph, dann können sie sich sicher sein, dass ich sie bis an ihr Lebensende verfluchen werde. Das könnten sie mir glauben!“, giftete sie mir entgegen und ihr Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck des Hasses. Gleichzeitig ließ sie einen Fuß vorschnellen und trat gegen den Rahmen des Spiegels.

Danach drehte sie sich mit einer schnellen Bewegung um und verschwand aus dem Raum, ohne den Spiegel zu verhängen.

Ich blieb für einen Moment im Bett sitzen und ein ausgeprägtes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Mit diesem ließ ich mich zurück in mein Kissen sinken und schlief für drei Stunden ein, danach wachte ich auf und konnte an meiner Uhr erkennen, dass es mitten in der Nacht war.

Das Bild im Spiegel hatte sich nicht verändert, trotzdem hatte mich irgendwas geweckt. Mein Schlaf war nie tief, geschah etwas, das nicht normal war, wachte ich sofort auf.

Ich lauscht in die Dunkelheit, konnte nichts Außergewöhnliches feststellen. Daher ging ich davon aus, dass ich mich getäuscht hatte, schloss meine Augen und wollte einschlafen, als ich hörte, was mich geweckt hatte.

Es waren leise Schreie, die an meine Ohren drangen und ich versuchte sie zu orten. Mehrmals drehe ich meinen Kopf hin und her, suchte nach der Quelle der Töne.

Aus dem Spiegel kamen sie nicht, sondern kamen über den Flur in mein Zimmer, und mir wurde klar, dass sie von Marie stammen mussten. Sofort stand ich auf, zog mir eine Pyjamahose über und ging auf leisen Sohlen zu Maries angelehnter Tür, klopfte leise dagegen, um festzustellen, ob sie wach war. Die Antwort darauf war ein neuer Schrei, der hier lauter klang als in meinem Zimmer. Besorgt um Marie, öffnete ich die Tür und sah hinein.

Marie schien zu schlafen, doch ihr Kopf flog hin und her. Wahrscheinlich hatte sie einen Albtraum, der ihren Körper durchschüttelte.

Leise betrat ich den Raum, hörte sie Worte murmeln, die ich nicht verstand und trat an die Seite ihre Bettes, sah auf sie herunter.

Kaum stand ich dort, schreckte sie hoch, saß stocksteif im Bett und schrie erneut. Dieses Mal lauter als zuvor. Es weckte sie selber auf. Ihre Augen öffneten sich und sie erschrak fürchterlich, als sie mich neben ihrem Bett erkannte.

„Herr Christoph, es ist alles so schrecklich, ich kann nicht mehr!“, stammelte sie und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.

Ich setzte mich auf den Bettrand und nahm eine ihrer Hände in meine. Sie war kalt und ich konnte durch sie spüren, wie Marie stark zitterte.

„Ganz ruhig!“, flüsterte ich ihr zu und versuchte sie mit meiner Stimme zu beruhigen.

„Was ist schrecklich?“, fragte ich nach wenigen Sekunden, als sich Maries Zustand verbesserte. Das Zittern verringerte sich und aus ihrem Körper schwand langsam die Anspannung.

„Bei ihnen ist alles anders, nichts ist mir mehr vertraut. Ich möchte nicht mehr hier sein, auch wenn sie sehr freundlich zu mir sind!“

In meinem Herzen konnte ich Marie verstehen. Sie war im Prinzip nicht freiwillig bei mir und innerlich war mir klar, dass sie nicht hierbleiben konnte. Wir mussten einen Weg finden, sie in ihre Welt zurückzubringen. Doch einfach durch den Spiegel zurück, ging nicht. Mir war klar, dass Klara und frau Elisabeth sie nicht begeistert empfangen würden. Es musste eine andere Möglichkeit geben.

„Wenn du das möchtest, werden wir einen Weg finden!“, antwortete ich Marie und sie nickte.

„Aber es wird etwas dauern. Mir wird sicher was einfallen!“

Als ich aufstehen wollte, hielt mich Marie zurück.

„Herr Christoph, lassen sie mich bitte nicht alleine. Ich habe Angst wieder schlecht zu träumen!“, meinte Marie und ihre Stimme zeigte diese gut an.

„Aber dir kann hier nichts passieren!“, versuchte ich sie zu beruhigen, doch ihre zitternde Stimme sagte anderes aus.

„Ich weiß, trotzdem kann ich nichts dagegen machen. Ich weiß, dass ich kein Auge zutun werde, wenn ich alleine gelassen werde!“

Ich überlegte einige Sekunden lang.

„Und was hast du gemacht, wenn du schlecht geträumt hast, als du bei Frau Elisabeth gewesen warst?“, fragte ich sie und Marie sah mich seltsam, vielleicht verlegen an.

„Das kann ich euch nicht sagen!“, begann sie zu flüstern, als wenn es ein großes Geheimnis sein würde.

„Wieso nicht?“, hakte ich nach, und meine Stimme verriet die Neugierde in mir.

Marie sah sich um, als wenn sie befürchtete, dass uns jemand belauschen könnte oder eine andere Person im Raum wäre. Erst danach sah sie mich kurz an, senkte ihren Kopf und konnte keine Silbe über die Lippen bringen. Es schien ihr peinlich zu sein.

„Du musst es mir nicht sagen. Aber vielleicht kann ich dir helfen?“

Marie verzog ihre Lippen zu einem schmalen Lächeln, das mich überraschte.

„Wenn es sehr schlimm war, bin ich früher zu Klara geschlichen und mit in ihr Bett geschlüpft!“

Ich hob erstaunt meine Augenbrauen und sah Marie längere Zeit an, die ihren Kopf gesenkt hielt.