Traumwelten der Extase - Kastor Aldebaran - E-Book

Traumwelten der Extase E-Book

Kastor Aldebaran

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Arbeitslos und unzufrieden mit mir und der Welt, schlitterte ich in ein Projekt, das mich über Wochen beschäftigte, obwohl in der Realität wesentlich weniger Zeit verging. Ob im Wilden Westen, dem alten Ägypten, einer Mangawelt oder an anderen Orten, ich hatte die Chance sie zu erkunden und mich dort auszuleben.

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Kastor Aldebaran

Traumwelten der Extase

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Impressum

 

Traumwelten der Ekstase

 

 

 

Kastor Aldebaran c/o Block Services Stuttgarter Str. 106 70736 Fellbach

 

[email protected]

 

Cover Gestaltung: Kastor Aldebaran

 

 

Homepage: http://www.kastor-aldebaran.com/

 

Auf meiner Homepage, einmal pro Monat, nach Anmeldung, einen kostenlosen Newsletter inclusive einer exklusiven Kurzgeschichte, nicht im Internet zu bekommen.

 

You Tube: https://www.youtube.com/results?search_query=kastor+aldebaran

 

Kapitel 1

„DAS LEBEN IST SCHEISSE!“

Weil nicht jeder was mit dieser Überschrift anfangen kann und nicht unterstützt, werde ich es aus meiner Sicht erzählen.

Um diese noch präziser auszudrücken, sollte ich eher sagen, dass mein Leben Scheiße ist. Gut, das war nicht immer so, im Gegenteil, doch seit einem halben Jahr kann ich das nicht anders sagen. Bis vor einem halben Jahr hatte ich noch einen Beruf, den ich ausführen durfte. Kein guter Job, doch ich hatte einen. Bedenkt man, dass nur noch zehn Prozent der Menschen auf dieser Erde Arbeit haben, ist das nicht schlecht.

Einen Monat nach dem Jahrhundertwechsel 2200 hat es mich erwischt. Eigentlich hatte ich es gut verstanden, mich aus der Schusslinie zu bringen, aber das hat nichts mehr geholfen. Dabei hat es nicht an mir gelegen. Kollege Roboter hat sich meine Arbeit geschnappt und erledigt diese jetzt um das Zwanzigfache schneller, als ich es konnte. So ein Mist, ich hätte nicht gedacht, dass sie es schaffen würden, die Dinger in der Art zu programmieren. Aber aus einem mir nicht erfindlichen Grund haben sie es doch geschafft.

Die Kündigung kam überraschend. Ich hatte nicht damit gerechnet.

Ich weiß es noch gut, als wenn es heute Morgen gewesen wäre. Ich kam zur Arbeit und wollte mich an meinen Schreibtisch setzten, als ich bemerkte, dass dieser nicht mehr da war und das war noch nicht alles. In dem Büro, in dem ich zuletzt alleine gesessen hatte, war nichts mehr drin. Man hatte alles, wirklich alles, demontiert und rausgeschleppt. Sogar die zwei Nägel, die ich in die Wand geschlagen hatte, um Bilder daran aufzuhängen, waren nicht mehr vorhanden. Das lag vielleicht daran, dass zwei Roboter dabei waren, den Raum neu zu streichen.

Ich ging zu meinem Vorgesetzten und fragte nach, wo ich ab jetzt arbeiten würde. Mir war noch nicht aufgegangen, dass ich überhaupt nicht mehr arbeiten sollte.

Mein Chef sah mich mitleidig an und erklärte mir die Sache ruhig und emotionslos.

Eine Stunde später stand ich mit einer Tüte in der Hand, auf der Straße und trug darin meine wenigen Habseligkeiten nach Hause.

Das war das Ende. Ich brauchte nicht lange darüber nachdenken, ob ich noch einmal arbeiten würde. Ich war 47 Jahre jung oder alt, je nachdem wie man das sah. Für jemanden der, sagen wir Mal, einen einfachen Job gehabt hatte, war das recht alt. Ich machte mir darüber keine Illusion, dass ich niemals einen neuen Job bekommen würde. Da sollte es mir nicht anders ergehen, als den vielen Milliarden anderen Menschen auf dieser Erde.

Klar, keiner musste Arbeiten, wobei ich meine letzte Stelle nicht als Freizeitbeschäftigung verstanden haben will. Geld gibt es nicht mehr, aber immerhin bekam man durch eine solche Tätigkeit ab und zu eine immaterielle Vergünstigung. Dies konnte bedeuten, dass man ein neues Produkt eher bekam als alle anderen oder Ähnliches.

Damit war seitdem Schluss. Was blieb war meine zwei Zimmer, 45 qm kleine Wohnung, so viel zu essen oder trinken, wie man wollte und jede Menge Multimedia. Doch wovon man noch mehr hatte, war Zeit. Zeit ohne Ende. Unendlich viel Zeit. Viel zu viel Zeit.

Am Anfang war es noch interessant. War ich zuvor nach acht Stunden Arbeit erschlagen, war es wenige Tage später nicht mehr so. Jetzt war man vom Nichtstun erschlagen. Dabei hätte ich mir das zuvor nicht erträumen lassen.

Durch den Wegfall meiner Arbeit verschwand die Regelmäßigkeit in meinem Leben. Ich musste nicht mehr zu einer bestimmten Zeit aufstehen oder schlafen gehen. Also sah man bis zum Morgen ein paar Sendungen, die man gar nicht sehen wollte, doch was sollte man sonst machen. Man konnte nicht mehr schlafen, da man bis zum Mittag ruhte und je länger man einnickte, umso später konnte man erst einschlafen.

Ein Kreislauf, der einen zu einem seltsamen Lebenswandel verhalf.

Schon zwei Monate später wurde mir dieser Tagesablauf zuwider. Ich bemerkte sowohl meinen körperlichen als auch geistigen Verfall. Nur noch in der Wohnung rumzusitzen und auf den Bildschirm zu glotzen war nicht das, was ich mir von dem Rest meines Lebens wünschte.

Also stellte ich meinen Tagesablauf um. Punkt acht Uhr aufstehen, vor dem Mittag zwei Stunden spazieren gehen, mit kleinen Aufenthalten zwischendurch. Dann zum Mittag, was Vernünftiges kochen und genießen. Zwei Stunden später ins Fitnesscenter um den verlotterten Körper auf trab zu bringen. Abends was Leckeres zu sich nehmen und nur noch die Sendungen schauen, die ich einen Tag zuvor ausgesucht und programmiert hatte. Die Fernsteuerung lag so weit weg wie möglich. Irgendwann schaltete sich der Fernseher von selber aus und ich ging ins Bett, ohne noch einmal durch sämtliche Programme zu zappen.

Das Ganze hatte nur einen Haken. Dies waren die kleinen Aufenthalte, die meinen morgendlichen Spaziergang unterbrachen. Diese sich immer länger hinziehenden Pausen, machte ich in zwei verschiedenen Kaffees. Hier gab es neben den leckersten Kaffeekreationen noch andere nette Sachen. Kuchen war eine der Möglichkeiten. Komischerweise war gerade diese Möglichkeit nicht gut für mich. Aus einem mir nicht mehr ergründlichen Grund, probierte ich ein Stückchen Kuchen am Morgen, was ich normalerweise niemals gemacht hätte. Und was soll ich sagen, es schmeckte mir. So verschwand schon nach einer Stunde spazieren gehen, mein erstes Stückchen Schwarzwälder Kirschtorte in mir. Nach ausreichender Verdauungsruhe, schleppte ich mich zu dem zweiten Geschäft und war der Meinung, dass noch ein zweites Stück Kuchen, vorzugsweise mit viel Butter, gut für mich wäre. Besonders wenn man diese Stücke mit viel Sahne darauf und eine weitere Portion Sahne im Kaffee verzehrte.

Gegen elf bis zwölf Uhr schleppte man sich nach Hause und war dort angekommen der Meinung, dass es zum Mittag ein kleiner Snack tat. Also hier noch eine kleine bis mittelgroße Pizza. Dass einem diese Kombination natürlich quer im Magen hing und man zum Trainieren keinen Antrieb mehr fand, war klar. Also hing man erneut vor dem Bildschirm und hatte die Fernsteuerung in der Hand. Diese hatte es auf unerklärliche Weise auf den Wohnzimmertisch geschafft und sich von dort aus in meine Hand geschummelt. Da sie schon einmal da war, konnte ich sie auch benutzen.

So war mein anfänglich gut gemeinter Tagesablauf, von mir selber, durchkreuzt worden.

Die nächsten Tage wurde es nicht einfacher. Hatte ich auf der Arbeit noch Kollegen gehabt, mit denen man sich ab und zu unterhalten konnte, was dies jetzt nicht mehr gegeben. Doch genau das war es, war mir fehlte. Zwischenmenschliche Kommunikation. Die Wärme einer Stimme, die an mein Ohr drang. Doch ich war alleine.

Ich gehörte leider nicht zu denen, die sich morgens im Spiegel mochten. Wenn überhaupt, hatte ich ein durchschnittliches Aussehen und war leider nicht gerade der Macher. Ich schwamm lieber in der Masse mit und verschmolz mit dieser. Eine Partnerschaft in dem Sinne, war mir nicht gegeben. Schüchtern würde ich sagen. Ich schaffte es nicht, auf die Menschen zugehen zu können. Wenn überhaupt, kommunizierte ich außerhalb meiner Arbeit über Rechner. Ein Chat war was Tolles. Man konnte wer sein, der man nicht war, denn es merkte ja niemand. Zumindest die erste Zeit nicht. Erst wenn man sich persönlich getroffen hätte, wäre einiges aufgefallen, was nicht gestimmt hatte. Aber gerade das vermied ich. Gut, ich machte mich nicht zum Supermann, doch mein Netzauftritt war dicker aufgetragen.

Mit der Zeit stellte ich fest, dass mir der persönliche Kontakt fehlte. Im Netz konnte man Ärger aus dem Weg gehen, draußen in der Realität nicht. Einfach abschalten war da nicht drin, wie beim Rechner. Das soll nicht heißen, dass ich Ärger mochte. Aber es war die Realität, vor der man nicht weglaufen konnte.

Von Tag zu Tag wurde es langweiliger. Ich hatte viel vorgehabt, wenn ich Zeit gehabt hätte, aber das war abgefrühstückt und es wunderte mich, wie wenig Zeit ich dafür gebrauch hatte. Ich hätte es locker neben der Arbeit schaffen können.

Also saß ich da und konnte mit meiner Zeit nichts anfangen. Kein Film mehr, den ich noch nicht gesehen hatte, ob im Fernsehen oder Kino, spielte keine Rolle.

Viele gingen zum Ausgleich in Sportvereine, was für mich nicht infrage kam. Bewegung war nichts für mich. Das hatte ich inzwischen festgestellt. Sport ohne Bewegung konnte ich nicht entdecken.

Es war zum Verzweifeln. Jetzt wusste ich, warum sich viele Menschen das Leben nahmen. Die Werte in den Statistiken stiegen von Jahr zu Jahr. Um es ehrlich zu sagen, war es nur ein statistischer Wert und es gab niemanden, der sich darum kümmerte. Einer der gesprungen war oder sich sonst wie das Leben genommen hatte, war nur einer weniger. Einer weniger, für den gesorgt werden, musste. So gesehen ein Glücksfall, der gegen die Überbevölkerung gesetzt werden konnte.

Eigentlich ein trüber Gedanke, aber nicht schlecht. Vielleicht hätte ich es auch gemacht, immerhin sah meine Zukunft nicht sonderlich rosig aus. Aber ich tat es nicht, denn um ehrlich zu sein, hatte ich Angst davor. Schmerzen waren nicht mein Ding und ich befürchtete was falsch zu machen. Nicht auszudenken, wenn ich länger als nötig gebaumelt, daneben geschossen oder die Dosis nicht gestimmt hätte. Einmal davon abgesehen, dass ich nicht wusste, wie man einen Knoten knüpfte, woher ich eine Waffe bekommen sollte oder welche Medikamente ich nehmen musste. Also auch eine Sackgasse.

Was nun? Die Decke über den Kopf ziehen und tun, als wenn man nicht da wäre? Auch keine Lösung. Da kam mir der Zufall zwischen meine trüben Gedanken. Gerade als ich auf dem tiefsten Punkt angekommen war, flatterte mir etwas ins Haus, woran ich noch nicht gedacht hatte.

Vor einigen Tagen hatte ich mich voller Übermut über Mail in eine Liste eintragen lassen und stellte mich sozusagen als Versuchskaninchen zur Verfügung. Es war aus Verzweiflung geschehen, doch ich hatte nicht im Geringsten daran gedacht, dass sich jemand daraufhin, an mich wenden würde.

Ich bekam eine Mail zurück, worin stand, dass ich für ein Experiment infrage käme. Wenn ich Interesse hätte, könnte ich mich melden und man würde mir sagen, worum es ging. Der Absender war irgendeine Organisation, die ich nicht kannte. Sah jedoch offiziell und staatlich aus.

Sofort quälte ich das Netz, wurde jedoch nicht schlauer. Die Informationen, die ich entnehmen konnte, zielt darauf hin, dass das Netz nichts Konkretes wusste. Es deutete jedoch auf ein Institut hin, was sich mit Neurobiologie beschäftigte. Welche Richtung konkret, konnte ich nicht ableiten. Irgendetwas mit Nervenzellen.

Na toll, was sollte ich jetzt machen. Ich hatte ein Angebot bekommen was zu tun und jetzt wusste ich nicht, ob ich es annehmen sollte. Immerhin wusste ich nicht, was es war. Von einer Probezeit oder Ähnlichem, war nicht die Rede gewesen. Friss oder stirb.

Ganz ehrlich, ich bin kein wirklicher Draufgänger in meinem Leben gewesen und sah mir normalerweise alles aus allen möglichen Winkeln an, bevor ich es tat. Diesmal hatte ich die Option nicht. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Ja oder nein. Mehr wurde nicht angeboten.

Genau diese Art hatte mich dazu gebracht, alleine zu sein. Eine Frau fürs Leben fand ich nie, denn ich versuchte alle Eventualitäten abzuwägen und das brauchte so viel Zeit, bis ich mich entschloss, dass sich die Angebetete bis dahin einem anderen zugewendet hatte.

Zu meinem Glück stand in der Mail nichts von einer zeitlichen Begrenzung. Ich musste mich also nicht gleich entscheiden. Das machte mir die Sache auf den ersten Blick leichter. Doch um es ehrlich zu sagen, war das Gegenteil hier der Fall. Ich konnte mich nicht entscheiden. Also setzte ich mich an meinen Rechner und recherchierte ohne Erfolg weiter.

Da ich es nicht herausbekommen konnte, war für mich, als sicherheitsbewussten Menschen, die Antwort klar.

Auf ein solches Ding würde ich mich nicht einlassen.

Also öffnete ich die Mail, die eine Antwortfunkion hatte.

Ja und nein standen direkt untereinander und mein Finger auf dem Bildschirm, wanderte in Richtung Nein. Doch gerade, als ich drücken wollte, musste ich niesen und mein Finger fuhr etwas weiter nach vorne. Weit genug, um die Oberfläche zu berühren. Leider hatte sich mein Finger dabei leicht verzogen und lag unmissverständlich auf der Antwort JA.

Ich sah ungläubig auf meinen Finger und die Antwort, die sofort kam.

„Danke, dass Sie sich für uns entschieden haben. Wir erwarten sie in zwei Tagen an unserem Standort. Sie brauchen nichts weiter mitbringen außer ihre Gesundheitskarte und einen Ausweis. Vielen Dank!“

Ich suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit des Stornos meiner Antwort, konnte sie nicht finden. Selbst als ich versuchte eine E-Mail an das Institut zu schicken, blieb mein Storno unbeantwortet. Stattdessen kam eine Nachricht, dass die E-Mails in drei Tagen ausgelesen werden würden.

Na toll, bis dahin musste ich längst dort sein.

Zuerst entschied ich für mich, den Termin platzen zu lassen. Immerhin konnte man mich zu nichts zwingen. Doch schon am nächsten Tag wandelte sich meine Meinung, denn spätestens, als ich den Fernseher anmachte, wurde mir erneut bewusst, was mich erwartete, wenn ich diese Chance nicht nutzte. Ödnis bis ans Ende meines Lebens. Hier hatte ich die Chance endlich aus meinem Schneckenhaus heraus zu kommen. Wenn ich diese Chance jetzt nicht nutzte, würde ich mir selber nicht mehr in die Augen sehen können.

Auch wenn es mir schwerfiel, ich buchte eine Fahrt zum Ort des Treffens. Packen musste ich nicht. Die beiden geforderten Dinge hatte ich immer dabei.

Früh am Morgen des zweiten Tages, ging es los. Ich war tot müde, denn die Nacht hatte ich zu schlecht geschlafen. Mir waren massenhaft Gedanken durch den Kopf gegangen, über die ich nicht einschlafen konnte.

Da die Fahrt mehrere Stunden dauern würde, sagte ich Bescheid, dass man mich bitte wecken sollte, sobald ich am Zielort angekommen war. So konnte ich jetzt meinen Kopf beiseitelegen und schaffte es zu schlafen. Dies verkürzte mir, auf angenehme Weise, die langweilige Zeit der Hinfahrt.

Man musste mich nicht wecken. Ich wachte eine halbe Stunde vor Ankunft auf. Meine innere Uhr hatte mich nicht in Stich gelassen.

Endlich war ich am Zielort angekommen. Hier stieg ich aus und sah zu meiner Verwunderung eine Frau am Bahnhof stehen, die ein Schild hochhielt, auf dem das Institut stand. Ich ging auf sie zu und fragte sie, ob sie auf jemanden wie mich warten würde. Sie holte einen Zettel auf der Tasche und verglich sie mit meinem Namen. Dann nickte sie, meinte, dass sie auf noch mehr Menschen wartete.

Es war nett, abgeholt zu werden. Genau nach meinem Geschmack.

Es stellte sich heraus, dass noch fünf weitere Personen, zwei Männer und drei Frauen, angekommen waren, die das gleiche Schreiben wie ich bekommen hatten. Es waren also noch mehrere verrückt genug gewesen, auf JA zu drücken. Beruhigend, dass ich die Entscheidung nicht als einziger getroffen hatte.

Unsere kleine Gruppe verließ schweigend den Standort und wenig später, saßen wir in einem Fahrzeug, welches uns zum Institut brachte.

Auf dem Weg kamen wir ins Gespräch. Es war interessant zu erfahren, wer die anderen waren, brachte uns in der Vermutung dessen, was kommen würde jedoch nicht weiter. Keiner wusste mehr als die anderen und diejenige, die uns abgeholt hatte, wusste von nichts. Zumindest sagte sie das, was wahrscheinlich stimmte. Sie gehört nicht zum Institut.

Dann kamen wir an. Irgendwie war ich enttäuscht, denn es war ein einfacher viereckiger Kasten mit einer Glasfront, wie es sie zu Tausenden gab.

Was hatte ich mir auch darunter vorgestellt. Ich kann es nicht mehr sagen. Vielleicht irgendetwas anderes. Was das sein sollte, konnte ich nicht definieren.

An diesem verglasten Bau, war ein großer würfelförmiger Anbau zu erkennen, der nach außen hin keine Fenster zu haben schien, ähnlich wie ein Hochregallager.

Wir stiegen aus und unsere Begleitperson brachte uns durch eine Drehtür in das Innere des Gebäudes.

Eine kalte, triste Umgebung erwartete uns und das Einzige was Wärme verströmte, war eine Art Tresen, der als Rezeption fungierte. Ähnlich einem Hotel gingen wir dort hin und wurden erneut auf einer Liste abgestrichen, nachdem unsere Papiere kontrolliert worden waren. Dann verabschiedete sich unsere Begleitperson und verschwand durch die Drehtür.

In einer Ecke waren standen mehrere Sessel und wir wurden angewiesen, dort auf Weiteres zu warten.

Gut, wir hatten sowieso nichts anders zu tun. Also gingen wir dort hin und unterhielten uns dort weiter. Zwischendurch brachte man uns noch etwas zum Trinken, was wir dankend annahmen. Zu essen wäre ebenfalls nicht schlecht gewesen, doch das gab es nicht.

Je länger wir uns unterhielten, umso vertrauter wurde wir sechs miteinander. Ich will nicht sagen, dass wir uns in der kurzen Zeit anfreundeten, aber es war unterhaltsam. Dabei versuchen wir heraus zu bekommen, warum ausgerechnet wir sechs hier waren. Was hatten wir gemeinsam.

Das Einzige war uns verband war die Tatsache, dass wir alle vor Kurzem unsere Arbeit verloren hatten, soweit bekamen wir es heraus. Sonst hatten wir nichts miteinander zu tun. Selbst die Jobs, die wir vorher gehabt hatten, waren unterschiedlich gewesen.

Also warteten wir auf das, was da kommen sollte. Zuerst hatten wir den Eindruck, als wenn man uns vergessen hatte, aber nachdem einer von uns sich an der Rezeption gemeldet und nachgefragt hatte, wurde uns versichert, dass wir bald abgeholt würden.

Was immer die Menschen im Institut unter dem Wort „bald“ verstanden, war es nicht meine Definition. Noch drei Stunden saßen wir dort und wussten bald nicht mehr, was wir uns noch erzählen sollten. Aber zum Glück lagen noch ein paar, wenn auch ältere, Zeitschriften herum. So verging die restliche Zeit ruhig.

Erst eine längere Zeit später kam ein Mann fast zu uns gerannt, der wie der Prototyp eines Wissenschaftlers aussah. Die Haare standen ihm zu Berge, eine dicke Hornbrille, mit noch dickeren Gläsern, verunzierte sein Gesicht und der offene, weiße Kittel, tat sei Übriges.

„Entschuldigung meine Damen und Herren, ich hoffe sie mussten nicht zu lange warten. Man hat mir nicht gesagt, dass sie da wären!“

Das Murren auf die Frage des langen Wartens, was wir von uns gaben, überhörte er.

„Bitte kommen sie mit. Ich bringe sie zu ihren Unterkünften, damit sie sich frisch machen können. Der Tag war sicher für sie anstrengend und lang!“

Damit hatte er recht, das Warten war sehr anstrengend und lange gewesen.

Er führte uns zwei Stockwerke höher. Hier sah es weniger nach einem wissenschaftlichen Institut aus, eher nach einem Hotel. Dicker Teppich dämpfte die Schritte und die Türen rechts und links vom Korridor hatten Nummern. Ich musste grinsen, als ich bemerkte, dass sie ungeraden Zahlen von elf auf fünfzehn übersprangen. Aberglaube an einer Stätte des Wissens. Wohl eher eine Art Voraussicht auf eventuelle Gäste.

Unsere Zimmer langen nebeneinander und mit dem Hinweis, dass es in zwei Stunden in der Kantine Abendessen gab, betraten wir die angewiesenen Zimmer.

Ich war angenehm überrascht. Hatte ich mit etwas wie einer Jugendherberge gerechnet, war das Gegenteil der Fall. Schlaf und Wohnzimmer, eine geräumige Nasszelle, wenn auch ohne Fenster, erwarteten mich. Alles sah neu aus und auch der Geruch, der mir in die Nase stieg, war in der Richtung. Entweder hatte man die Räume kürzlich renoviert, oder erst eingerichtet. Sie passten nicht in das Gebäude.

Das Bad war gut bestückt. Kuschelige große Handtücher, Hygieneartikel, die man brachte, inclusive einer nagelneuen, eingeschweißten elektrischen Zahnbürste. In einem Schrank im Schlafzimmer, hingen mehrere, nach Trainingsanzügen aussehende Kombinationen, in verschiedenen Größen. Dazu Sportschuhe in ebenfalls fünf verschiedenen gängigen Größen. Für Unterwäsche war ebenso gesorgt worden. Mehr brauchte man nicht, wenn man nicht gerade im Urlaub war.

Die zwei Stunden bis zum Abendessen verbrachte ich mit Duschen und Fernsehen. Danach schlüpfte ich in einen der Anzüge und machte mich fertig. Ich fand, dass es das Richtige sein würde, und musste grinsen, als ich auf den Flur trat. Die anderen hatten denselben Gedanken gehabt. So standen wir alle sechs gleich gekleidet da und marschierten, wie eine in Uniformen steckende kleine Armee, in Richtung Kantine.

Wo die war, hatten wir in einer Information, an der Eingangstür der Zimmer gelesen.

Wir fanden es trotzdem nicht gleich. Dieses Gebäude musste von jemandem konstruiert worden sein, der am Bau eines Labyrinths mitgewirkt hatte. Mehrfach mussten wir umdrehen und lachten bei dem Gedanken, dass wir nie wieder zurückfinden würden.

Die Kantine war eine weitere Überraschung. Es hatte nichts mit dem zu tun, was man sich darunter vorstellte. Eher eine Art Restaurant und die Auswahl war dementsprechend groß. Es war keiner bei uns dabei, der nichts Passendes gefunden hätte. Selbst Marion, eine von uns sechs, die eingefleischte Vegetarierin, was in sich nicht passte, fand, was sie für ihr Wohlbefinden brauchte.

Während wir am Essen waren, kam ein anderer Mitarbeiter des Instituts an unseren Tisch und gab uns jeweils einen Zettel, auf dem Stand, was uns morgen erwartete.

Ich sah schnell darüber hinweg und stellte fest, dass es sich um Standarduntersuchungen handelte, um den Allgemeinzustand des Körpers festzustellen. Dafür hatten wir eigentlich unsere Karten mitgebracht. Aber wenn sie es wollten, sollten sie es bekommen.

Etwas besonders konnte ich nicht entdecken. Also fragte ich den Mitarbeiter: „Und was kommt danach? Worum geht es überhaupt? Was ist, wenn wir körperlich nicht geeignet sind?“

Er verdrehte die Augen und meinte abweisend: „Wenn sie nicht geeignet sind, bauchten sie nicht zu wissen, worum es geht. Sind sie geeignet, wird man es ihnen früh genug sagen.“

Na, super Antwort. Man schien hier nicht viel davon zu halten, die Katze aus dem Sack zu lassen. Dabei hoffte ich nur, dass ich geeignet war. Sonst würde ich mich mein Leben lang fragen, was es gewesen war.

Die Zeiten auf dem Zettel waren früh. Die ersten Untersuchungen fingen morgens um sieben Uhr an und dann ging es bis um fünfzehn Uhr weiter. Danach war man sicher von Kopf bis Fuß durchgecheckt, soweit eine Standarduntersuchung es vermochte. Danach war um siebzehn Uhr eine Unterredung für uns alle angesetzt. Hier würde hoffentlich endlich gesagt werden, worum es ging.

Der Mitarbeiter verschwand, nachdem wir keine weiteren Fragen mehr hatten und wir aßen gemütlich weiter. Erst zwei Stunden später war ich zurück in meinem Zimmer. Sicher wären wir früher hier gewesen, doch wie vermutet, fanden wir nicht gleich den richtigen Weg. Zum Glück mussten wir alle Morgen zur gleichen Zeit, an einem bestimmten Ort sein. Somit war gewährleistet, dass wir entweder alle pünktlich oder zu spät kamen. Frühstücken würden wir nicht, denn wir sollten, wie es so schön hieß, nüchtern erscheinen. Na gut, einen Morgen würde ich das aushalten.

Der darauf folgende Tag, war mit Untersuchungen aller Art vollgestopft. Zuerst wurde unsere körperliche Verfassung unter die Lupe genommen. Dabei war ich froh, dass ich mich nicht hatte, zu sehr gehen lassen. Klar, der kleine Fettring um meine Hüfte, war nicht zu übersehen, doch ich war nicht mehr der jüngste. Warum also nicht.

Es wurde in dem Sinne nichts beanstandet, soweit ich das beurteilen konnte. Das wurde einem jedoch nicht mitgeteilt. Die an den Untersuchungen beteiligten Ärzte, waren anscheinend zur Verschwiegenheit verpflichtet oder wussten selber nicht, worauf es hinauslief. Schon nach dem zweiten Arzt, fragte ich nicht mehr nach dem Sinn und Zweck der Untersuchungen.

Das Einzige, was mich bei der ganzen Sache störte, war die Tatsache, dass man von jedem, wirklich jedem gepiekst wurde. Wenn ich was hasse, sind es Spritzen. Schon nach wenigen Stunden fühlte ich mich wie ein Nadelkissen und es hätte mich nicht gewundert, wenn aus den diversen Löchern in meiner Haut, Blut hervorgeströmt wäre.

Das war gegen Mittag endlich vorbei. Danach kamen die inneren Werte ans Tageslicht. Röntgen, Ultraschall und zum Schluss noch in den Tunnel. Hierbei wurde mein Kopf gescannt, wobei mir Fragen gestellt wurden, die ich mit einem Knopf in meiner Hand beantworten musste. Einmal drücken war ja, zweimal drücken nein. Wobei mir nicht aufging, was die Fragen sollten. Sie hatten mit dem Ganzen anderen nichts zu tun.

Die letzte Stunde verbrachte ich mit einem Menschen in einem karg eingerichteten Raum. Wir sprachen nur miteinander, wobei mir nach wenigen Minuten aufging, dass er ein Psychologe sein musste. Solche oder ähnliche Fragen stellte kein normaler Mensch. Ich war davon überzeugt, dass ich ein anderer Mensch war, als ich wieder herauskam, als der, der hineingegangen war. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich klar im Kopf wurde. Ich beschäftige mich noch immer mit seinen Fragen.

Den anderen schien es nicht anders zu gehen. Sie kamen nacheinander aus anderen Räumen und sahen nicht glücklich aus. Auch sie beschäftigte was, was sie nicht mit den anderen Teilen wollten.

Jetzt wurden wir in einen Raum geführt und ein ebenfalls in einem weißen Kittel steckender Mensch, verkündete nach einer halben Stunde Wartezeit, das Ergebnis. Danach saßen wir noch zu viert in dem Raum. Zwei hatten es nicht geschafft.

Warum wurde uns auch dieses Mal nicht gesagt.

Jetzt wurde es spannend. Immerhin schienen wir tauglich für was zu sein, was die anderen beiden nicht konnten. Ob das gut war, konnte ich noch nicht beurteilen. Vielleicht wäre es besser gewesen, durchzufallen.

Erneut ließ man uns warten. Dabei kam es einem vor, als wenn dieses Warten zum Programm gehörte. Doch dann öffnete sich die Tür und ein Mann trat ein, der eher einem Manager glich, als einem Arzt. Er hatte einen gut sitzenden Anzug an, dem man ansehen konnte, dass er nicht von der Stange kam. Das restliche Outfit war ebenfalls nicht zu verachten. Er war noch jung und machte den Eindruck eines jungen, erfolgsverwöhnten Menschen, der glaubte, die Welt hätte auf ihn gewartet.

Er setzte sich zu uns und begann zu sprechen, wobei er sich ausdrückte, als wenn er Feststellungen traf und wir nur zuhören sollten. Fragen oder Ähnliches, würden bei ihm an der falschen Adresse sein. Ein Monolog war die Folge, wobei er einräumte, am Ende Fragen zu beantworten, sofern er diese beantworten könnte.

„Ich danke ihnen im Namen des Instituts und meiner Firma, dass sie sich freiwillig für ein Projekt von uns zur Verfügung stellen.

Sie haben sich sicher gefragt, worum es hierbei geht und das werde ich ihnen jetzt erklären.

Wie sie wissen, ist die Bevölkerungsdichte dieses Landes und der ganzen Welt so stark gestiegen, dass nicht mehr jedem eine Perspektive geboten werden kann. Die Unzufriedenheit darüber nimmt stark zu und wir haben alles in unserer Macht stehende erforscht, um diesem entgegen zu wirken.

Sie selber haben gerade in den letzten Wochen bemerken müssen, was es heißt, aus dem Kreislauf der Arbeit auszuscheiden und keine Chance auf Wiedereinstellung zu haben. Gerade sie sind in der Lage diese Situation zu begreifen. Aus diesem Grund haben wir sie ausgewählt. Sie werden etwas ausprobieren können, was später jedem zur Verfügung stehen wird, sofern er möchte.

Ich werde ihnen jetzt anschaulich machen, worum es geht.“

Mit diesen Worten verdunkelte sich der Raum und ein übergroßes Bild wurde an die Wand geworfen. Es zeigte diverse Grafiken und Tabellen, in denen aufgelistet wurde, wie enorm die Weltbevölkerung angestiegen war und wann der unvermeidliche Kollaps eintreten würde. Dabei war die folgende Grafik so abgestimmt, dass sich hierbei die beiden Linien der erwarteten Bevölkerungszahl, mit der Produktion von Lebensmitteln irgendwo überschnitt. Nach den Jahreszahlen unter der Grafik, war dies in Kürze zu erwarten.

Eine zweite Linie durchkreuzte die Bevölkerungszahl wesentlich früher und lag weit in der Vergangenheit. Diese bezeichnete die Menge von angebotener Arbeit und arbeitsfähigen Menschen.

Diesem folgte noch eine weitere halbe Stunde lang Grafik um Grafik, die ich ehrlich gesagt, nicht mehr aktiv aufnahm. Das, was mich wesentlich mehr interessierte war, woher der Typ diesen extrem kleinen Laserpointer hatte, mit dem er unentwegt auf irgendwelche Zahlen an der Wand zielte.

Wirklich schlauer wurde ich aus einem Vortrag nicht. Es war wenig Neues für mich dabei. Die Problematik war nicht neu und stand bereits vor meiner Geburt, auf dem täglichen Programm der Nachrichten. Wirtschaftsflüchtlinge kamen aus allen Ecken dieser Welt und ich war froh darüber, dass ich auf dieser Seite des Zauns geboren worden war.

Schon vor hundert Jahren hatte sich der Norden vom Süden abgeschottet, um seine eigenen Ressourcen zu schonen. Doch es war nur ein Aufschub für den Norden gewesen, keine Lösung.

Mit der Zeit wurde mir klar, worauf der Typ hinaus wollte. Doch wenn es eine Lösung gab, warum lag die in den Händen einer Firma und nicht bei der Regierung? Bei nationalen Interessen ging ich davon aus, dass dies so gemacht wurde.

Wo war die Lösung, ich konnte sie nicht sehen und ich fragte mich, was wir vier damit zu tun hatten. Gut, es waren zwei Geschlechter vorhanden, und wenn ich mir die anderen drei ansah, waren wir vier in einem unterschiedlichen Alter. So gesehen eine Miniauswahl, ein Durchschnitt einer Bevölkerung.

Während ich weiter vor mich hin grübelte, erschrak ich etwas, als das Licht anging und der Vortrag endete. Hätte mich der Vortragende jetzt gefragt, was er als Letztes erzählt hat, hätte ich ihn mit meiner Antwort enttäuscht. „Bla, bla, bla!“, hätte ich gesagt und ihm damit vor den Kopf gestoßen.

Dafür wurde es jetzt interessanter. Der trockene Teil war zu Ende.

„Wie sie gesehen haben!“, begann er erneut und nahm ein Schluck Wasser aus einem bereitstehenden Glas, „haben wir ein Problem und dieses muss beseitigt werden. Wie sie sicher verstehen und zu schätzen wissen, können wir nicht dabei gehen und die Menschen, die zu viel sind, beseitigen.“

Bei dieser Aussage grinste er und meinte, einen guten Scherz gemacht zu haben. Doch das müde Lächeln von uns, bewies das Gegenteil. Also besann er sich seines Vortrags und fuhr genauso trocken fort, wie zuvor.

„Die Firmengruppe, die ich vertrete, ist darum zu einem anderen Ergebnis gekommen. Wir werden den Menschen eine Alternative zu ihrem jetzigen Leben anbieten. Dies wird zwei Vorteile in sich vereinen. Zum einen wird der Verbrauch von Ressourcen vermindert und die Geburtenrate, geht für die am Projekt beteiligen, auf null herunter.“

Mir schossen auf einmal Bilder von Nussknackern vor die inneren Augen und ich verzog ein bitteres Gesicht, als ich ein ziehendes Gefühl in der Leistengegend verspürte. Hatte man uns wirklich hierher gebracht, um uns die Fruchtbarkeit zu nehmen. Eine Art Zwangssterilisation. Dafür hätten sie uns zuvor nicht so intensiv untersuchen müssen. Einmal davon abgesehen, dass zumindest zwei von uns nicht mehr in dem Alter waren, die sich nach Kindersegen verzehrten.

„Wir haben uns eine einfache Frage gestellt. Wann verbraucht der menschliche Körper am wenigsten Energie?“

Diese Frage ließ er jetzt einen Moment im Raum stehen, wobei ich mir sicher war, dass er die Antwort nicht von uns erwartete.

„Nach unseren Untersuchungen ist dies während des Schlafens der Fall!“

Ach, wäre ich nicht drauf gekommen. Wie lange, hatten wie viele Wissenschaftler gebraucht, um das rauszufinden. Sie hätten mich fragen können. Wäre einfacher und schneller gewesen. Auf die Antwort konnte man ohne aufwendige Experimente kommen.

„Also haben wir daran gearbeitet, einen menschlichen Körper in einen künstlichen Schlaf zu versetzen ohne das er wirklich schläft, sondern die Aufnahmefähigkeit des Gehirn erhalten bleibt!“

Das mit dem künstlichen Schlaf hätte er von mir bekommen können. So langsam ging mir der gestriegelte Typ, mit seinem Gelaber, auf den Sack. Ein großer Hammer hätte genügt und ich hätte ihm gezeigt, wie schnell man in Schlaf kommen konnte. Allerdings hätte er dabei an nichts mehr gedacht. Garantiert nicht! Das Erwachen wäre weniger schön geworden.

Ich hob meine Hand und streckte meinen Zeigefinger in die Luft, als wenn ich in der Schule wäre. Zuerst missachtete er meine Geste und wollte zu einem weiteren Monolog anstimmen, doch ich unterbrach ihn, indem ich jetzt penetrant mit den Fingern schnippte.

„Ja!“, sagte er leicht verärgert, aufgrund der Störung meinerseits.

„Es ist alles schön und gut was sie uns da erzählen!“, sagte ich mit einem leicht müde wirkenden Tonfall, „aber können wir jetzt nicht langsam zum Punkt kommen. Das muss sich in weniger als eintausend Sätzen erklären lassen. Machen sie es ganz einfach, sodass wir normalen Menschen es verstehen können, ohne studiert zu haben.“

Man konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Darauf schien er nicht vorbereitet zu sein, sondern hatte seine Rede minutengenau geplant. Es dauerte einen kleinen Moment, bis er sich gesammelt hatte.

„Wir haben ein Verfahren entwickelt, in dem sie in einen künstlichen Schlaf gebracht werden, wobei wir in der Lage sind, in ihrem Gehirn Bilder zu erzeugen. Wir haben zu diesem Zweck Szenarien entwickelt, in die sie eintauchen können. Somit befinden sie sich, während sie schlafen, in einer von ihnen gewählten Welt, in der sie sich frei bewegen können. Sie werden den Unterschied zum jetzt und hier nicht wahrnehmen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie in dieser anderen Welt nicht sterben. Dies geschieht erst in dem Moment, in dem ihr Körper und somit ihr Gehirn stirbt.“

Mein erster Gedanke war: „Warum nicht gleich so!“ Danach überschlugen sich diese in meinem Denkkasten.

Was hatte er gesagt? Hatte ich mich da verhört? Auch wenn ich nach meinem ermessen verstanden hatte, was er gesagt hatte, wollte ich es nicht glauben.

„Da sie sicher noch darüber nachdenken wollen und sich Fragen auftun werden, bitte ich sie diese miteinander abzustimmen und den Projektleitern mitzuteilen. Sie werden die Fragen beantworten. Ich selber bin dazu nicht in der Lage, da mir die medizinische Kompetenz fehlt. Hierzu wird am frühen Abend noch eine Veranstaltung stattfinden!“

Danach gab er jedem von uns Schreibsachen, verabschiedete sich und ließ uns mit unseren Gedanken alleine.

Es herrschte kurz eine gespenstische Ruhe. Immerhin musste man sich über die Tragweite des Gesagten bewusst werden.

Die Lösung sah also so aus, dass man grob gesagt, die Menschen stapelte, mit dem nötigsten versorgte und damit jede Menge von Allem sparte. Weniger Wohnraum wurde gebraucht, die Aufnahme von Nahrungsmitteln, konnten ebenfalls auf ein Minimum gesenkt werden. Nützliches Nebenprodukt war, dass die Menschen nicht mehr zueinanderfanden, sprich, es wurden keine neuen Menschen mehr gezeugt. Drei riesige Fliegen mit einer Klappe.

Doch wo lag das Risiko für uns. Ungefährlich war es sicher nicht. Wenn man sich vorstellte, was man mit unseren wehrlosen Köpern anstellen konnte, wurde einem anders. Vielleicht stellte man die Versorgung des Körpers ein und man verhungerte, während man gerade im Traum, im Schlaraffenland wandelte.

Dies schien mir die größte Sorge zu sein. Man gab sein Leben in die Hände anderer, auf die man sich verlassen können musste.

Wir berieten uns gegenseitig in der Gruppe und kamen im Kern auf dieselben Sorgen. Vor allem kam die Frage auf, was war, wenn man nicht mehr wollte. Konnte man später noch aus dem Projekt aussteigen oder musste man darin verbleiben. Verpflichtete man sich für das Leben oder für eine bestimmte Zeit.

Diese beiden Fragen kristallisierten sich heraus: Welche Garantie gab es für den Erhalt des Körpers und konnte man aus dem Projekt aussteigen.

Um neunzehn Uhr waren wir zur Stelle. Dieses Mal waren die Anwesenden die, die man erwartet hatte. Wissenschaftler. Auch wenn sie keine Kittel trugen, konnten sie ihre Familienzugehörigkeit nicht verleugnen. Normal zu sprechen, war ihnen abhandengekommen.

Die Antworten auf unsere Fragen fielen dementsprechend umständlich aus.

Garantien konnten sie nicht geben. Auf unvorhergesehenen Störungen, wie Erdbeben, hatten sie keinen Einfluss, aber die Sicherheitsvorkehrungen waren so streng, dass sie dieses soweit ausschlossen. Eine Abschaltung wäre möglich, aber bei der Tragweite der Folgen nicht zu überblicken. So gesehen blieb ein Restrisiko übrig. Ein hundertprozentiges Ausschließen konnte nicht gegeben werden.

Schon komisch, dass ich mir die Antwort schon ausgemalt hatte. Was hätten sie sonst sagen sollen.

Kapitel 2

Nach dem Frühstück des nächsten Tages, wurden wir zu der eigentlichen Einrichtung geführt. Es war der würfelförmige Kasten, den wir bereits von außen gesehen hatten. Hinein kamen wir durch eine Luftschleuse, in der wir duschen mussten. Danach bekamen wir eine sterile Bekleidung, die was von Krankenhaus hatte. Nicht so peinlich, wie die Leibchen die man sonst bekam, aber das seltsame, verwaschene Blau war das gleiche. Es hätte ein OP-Kittel sein können. Unser Einheitsdress bestand aus Hose und einer Art Shirt, ähnlich einem Trainingsanzug.

Als wir fertig waren, gingen wir durch eine weite Luftschleuse und blieben erstaunt stehen.

Gebäude sehen von draußen nicht so groß aus, und wenn man darin steht, wird einem erst bewusst, wie groß sie wirklich waren. Hier war es ähnlich. Da es keine Wände in dem Sinne gab, wirkte alles wesentlich voluminöser, als man gedacht hätte. Was in dem Gebäude war, erinnerte mich erneut an ein Hochregallager. Darin standen überall gleich aussehende, längliche Kisten von zwei Metern länge, die mich im ersten Moment an Särge erinnerten. Der Unterschied war darin zu sehen, dass an einem Ende Fenster eingebaut, keine Deckel darauf waren und Kabel sowie Schläuche aus einem Loch in der Seite hervorschauten.

Direkt vor uns, war in einem Halbkreis, die Kontrolleinheit aufgebaut worden, vor der zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, auf Drehstühlen saßen und die Instrumente kontrollieren. Dabei hatte alles das Aussehen wie die Kommandozentrale eines Raumschiffes. Mehrere Monitore zeigen an, was gerade vor sich ging und diverse kleine Lämpchen leuchteten auf.

Die Frau am Pult drehte sich zu uns um und kam auf uns zu.

„Willkommen, mein Name ist Monika. Ich bin unter anderem für die Sicherheit hier in dem Gebäude zuständig. Sozusagen ihre Leibwächterin!“

Sie lachte einmal bei diesem Wortwitz auf, was ihr jedoch im Hals stecken blieb, als sie unsere ausdruckslosen Gesichter sah.

„Ich wurde gebeten, ihnen soweit alles zu zeigen und ihre Fragen zu beantworten.

Wie sie gesehen und gemerkt haben, legen wir großen Wert auf ihre Sicherheit. Jeder der diesen Teil des Gebäudes betritt, muss zuvor die Prozedur über sich ergehen lassen, welche sie bereite hinter sich haben. So wollen wir das mögliche Eindringen von Krankheitserregern auf ein Minimum senken. Des weiteren herrscht in dieser Halle ein leichter Überdruck. Dies soll verhindern, dass bei einer Beschädigung, Luft von außen eindringt. Außerdem können wir über die Druckluftanzeige erkennen, ob die Hülle beschädigt wurde. Ein Druckabfall würde sofort Alarm auslösen.

Diese Steuereinheit hier ist eine von drei. Zwei weitere befinden sich außerhalb dieses Gebäudes, im Institut selber. Eine ständige Bereitschaft von sechs Personen wird gewährleistet.

Dieser Komplex, den wir als Einheit bezeichnen, hat ein Fassungsvermögen von 10000 Plätzen, ist noch um neun Einheiten erweiterbar. Allerdings ist dies eine Forschungseinheit und dient alleine der Sammlung von Erfahrungen. Trotzdem soll diese Einheit in wenigen Monaten ausgelastet werden.

Zu diesem Zweck sind sie hier. Sie sind die ersten Probanden, die wir hier versorgen werden. Zum Teil wird es an ihnen liegen, ob weitere Einheiten gebaut werden oder das Projekt aufgelöst wird. Mit ihnen zusammen werden wir in den nächsten Tagen noch weitere Plätze belegen, sodass wir bald mit 100 Plätzen, einen Testlauf, unter realistischen Bedingungen fahren können.

Kommen sie bitte mit. Ich werde ihnen einen der Plätze vorstellen!“

Etwas abseits war eine der Kisten aufgestellt worden, auf die wir jetzt zusteuerten. Wir standen darum herum und sie erklärte erneut.

„Hier sehen sie einen Standardbehälter, der für sie infrage kommt. Wir haben noch Spezielle, die aber in der Funktion identisch sind, aber für andere Körpermaße konzipiert wurden. Sie selber haben Standardmaße und dies ist einer der Gründe, warum sie ausgewählt wurden!“

Erst jetzt fiel mir auf, dass wir alle gleich groß waren und in etwa gleich schwer waren.

„Die Innenauskleidung besteht aus einem atmungsaktiven Überzug, der auf einem Gelkissen schwimmt, der den Druck ihres Gewichts gleichmäßig verteilen soll, um das Durchliegen zu verhindern. Außerdem wird diese Einheit mehrmals täglich zu beiden Seiten gekippt.

Die technischen Einrichtungen bestehen aus Elektroden zur Messung ihrer Körperfunktionen, zum Beispiel des Herzschlags. Über einen Schlauch werden sie direkt mit den entsprechenden Nährflüssigkeiten versorgt. Die Kontrolle ihres Gewichts, zeigt uns die Aufnahmemenge an. Sie erhalten ausschließlich Nahrung ohne Ballaststoffe. Ihre ausschließlich flüssigen Ausscheidungen, werden über Katheder abgeführt!“

Dann ging die Frau zum Kopfende, an dem ein gitterartiges Etwas befestigt war.

„Diese ist das Kernstück des Ganzen. Diese Maske wird ihrem Kopf angepasst und über diese wird ihr Gehirn angeregt. Wenn sie genau hinsehen, werden sie Tausende kleine Elektroden erkennen, über die sie mit den entsprechenden Impulsen versorgen werden. Diese Impulse sind ebenfalls dafür verantwortlich, dass sie in eine Art Narkose verfallen. Sie bekommen keine chemischen Stoffe gespritzt, sondern wird alles über diese Maske gesteuert!

Haben sie noch Fragen?“

Um ehrlich zu sein, war ich mit dem Gesehenen noch so beschäftigt, dass ich keine hatte. Es klang alles einfach und logisch. Auch die anderen meldeten sich nicht. Man konnte ihnen ansehen, dass sie ebenfalls beeindruckt waren und noch mit dem Verdauen der Informationen, beschäftigt waren.

„Gut, wenn sie keine Fragen mehr haben, können sie jetzt in die nächste Abteilung gehen. Die wird für sie genauso interessant sein!“

Wir wurden an der anderen Seite der Luftschleuse von einer weiteren Frau abgeholt und trabten einträchtig hinter ihr her. Daraufhin wurden wir in einen gemütlich eingerichteten Raum gebracht, dessen Inventar hauptsächlich aus bequemen Sesseln bestand.

Wir lümmelten uns hinein und warteten auf das, was kommen sollte.

Relativ bald, was ungewöhnlich war, kam ein junger Mann in dem Raum, der mehrere Mappen unter dem Arm hielt. Er stellte sich als unser Reiseführer vor, was ich als merkwürdig empfand. Wenig später wusste ich, warum er sich so nannte.

„Ich wünsche ihnen einen wunderschönen, guten Tag!“, kam er mit einem Lächeln herein, was mich an einen Animateur in einem Club erinnerte und genauso führte er sich auf.

„Ich habe ihnen das zurzeit noch bescheidene Programm unseres Hause mitgebracht, aus dem sie auswählen können, welches Ziel sie gerne hätten. Unsere Kreativabteilung hat sich viel Mühe gegeben die entsprechenden Welten so naturgetreu zu gestalten, wie es geht. Jede ist mehrfach geprüft, aber es können Fehler auftreten. Sollten sie einen finden, wäre es für uns hilfreich, wenn sie sich diesen merken könnten. Sobald sie erwachen, kümmern wir uns darum.“

Um ehrlich zu sein, sein anhaltendes, falsches, wie angetackert wirkendes Lächeln, ging mir auf die Nerven. Zum Glück würde er uns nicht in die Welten folgen. Hoffte ich zumindest. Er wäre mein erstes Opfer gewesen.

„Es gilt zu beachten, dass zur Zeit nur Soloreisen anbieten können, in den sie ausschließlich von computergenerierten Avataren umgeben sind. Eine neue Version ist bereits vorhanden, aber noch nicht einsatzbereit. Mit ihr wird es möglich, mehrere von Menschen gesteuerte Avatare miteinander agieren zu lassen.

Ich lasse sie jetzt alleine, damit sie sich das Angebot anschauen können, was wir ständig erweitern werden!“

Dann verschwand er und ich war mir sicher, dass er mir nicht fehlen würde.

Das Angebot war wirklich übersichtlich, aber es war so breite gefächert, dass für jeden was dabei war. Es konnte eine geschichtliche Welt sein, eine im Hier und Jetzt oder in der Zukunft. Fantasie war genauso vertreten. Dabei konnte man sich aussuchen, was man sein wollte. Von Prinzessin für die Damen, bis zum Ritter für die Herren. Natürlich auch König oder Königin. Wobei das bei mehreren menschlichen Avataren schwer werden würde, wenn jeder meinte, der König sein zu wollen.

Ich fand sofort meinen ersten Favoriten. Das würde ich zum Anfang gerne ausprobieren. Ein Jugendtraum, den ich mir erfüllen wollte. Ich füllte ein beiliegendes Formular aus, in dem man angeben konnte, was und wo man sein wollte.

Eine Stunde später kam der junge Mann zurück, den ich in mein Herz geschlossen hatte. Gut, dass ich mir mit ihm, kein Zimmer teilen musste. Das wäre schief gegangen.

Er nahm die Bögen entgegen, schaute darüber hinweg, ob alles korrekt ausgefüllt worden war, wie gewünscht.

Seine Mine verriet, dass er zufrieden mit dem war, was er sah. Er nickte und wandte sich erneut an uns.

„Wir werden das Programm morgen starten. Bitte sein sie pünktlich um acht Uhr an der Schleuse. Wir möchten sie spätestens um neun Uhr auf Reise schicken. Da wir viele kostspielige Vorbereitungen zu erledigen haben, wüssten wir gerne, ob jemand unter ihnen ist, der den Versuch jetzt abbrechen möchte. Es ist die letzte Gelegenheit!“

Keiner meldete sich. Um ehrlich zu sein, waren wir wahrscheinlich alle so neugierig auf das, was kommen würde, dass wir nicht mehr Nein sagen konnten. Mir ging es so. Ausprobieren wollte ich es auf alle Fälle.

Die Nacht über schlief ich wenig. Ich war viel zu aufgeregt und mir schossen Gedanken durch den Kopf, die ich nicht verdrängen konnte. Dabei beruhigte mich, dass ich bald längere Zeit schlafen würde.

Früh war ich auf und machte mich fertig. Leider zu früh und die Zeit verrann in einer anderen, wesentlich langsameren Dimension. Als ich mich endlich aufmachen konnte, war ich nicht verwundert, dass die anderen vor der Luftschleuse warteten. Es war ihnen nicht anders als mir gegangen.

Doch wir wurden von der Luftschleuse weggeholt und in einen anderen Raum gebracht. Von diesem Raum gingen mehrere Türen ab durch die jetzt jeder einzeln ging. Wir wünschten uns zum Spaß noch jeder eine gute Reise.

Hinter dieser Tür befand sich eine Nasszelle, in der ich mich entkleidete und gründlich säuberte. Eine weitere Tür ließ mich hindurch, als eine Lampe darüber von Rot auf Grün umsprang. Nackt, wie ich war, ging ich durch die Tür und wurde von zwei männlichen Personen in Empfang genommen, die aussahen, als wenn sie an einem OP-Tisch standen.

Grüner Kittel, weiße Hose und Schuhe, dazu Käppi und Mundschutz.

„Bitte hineinlegen!“, meinte der eine und ich stieg in die Kiste. Zuerst hatte ich gedacht, dass der Innenraum kalt wäre, als wenn man in ein unbenutztes Bett stieg, aber dem war nicht so. Das Gel war vorgewärmt und es fühlte sich weich und nachgiebig an, als ich hineinstieg.

Dann legte ich mich der Länge nach hinein und empfand es als angenehm, da es nirgends drückte und man sich vorkam, als wenn man auf einer Wolke schwebte. Zumindest stellte ich mir das in der Art vor.

Danach wurde eine leichte Decke über meinen Körper gelegt, was ich als angenehm empfand. Jetzt fühlte ich mich nicht mehr so verletzlich.

Als Nächstes bekam ich die Maske auf, die man uns am Tag zuvor angepasst hatte. Sie passte wie angegossen und man konnte die einzelnen Druckpunkte auf der Kopfhaut fühlen.

So vorbereitet wurde ich durch eine wesentlich kleinere, kreisrunde Luftschleuse in den eigentlichen Komplex geschoben. Hier empfingen mich zwei weitere Mitarbeiter, die mich zu einem der Hochregale, wie ich sie nannte, schoben. Die Kiste mit mir darin, wurde in das Regal übertragen und das Letzte was ich sah war, als sie die Kabel der Maske mit einer Steckverbindung am Regal verbanden.

„Gute Reise!“, war das Letzte, was eine der beiden Personen sagte, dann verschwamm meine Umwelt. Das Letzte was ich noch dachte war: „Gut, das sie mir das mit dem Katheder erspart haben.“ Dann wurde alles blau vor meinen Augen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war ein seltsames, hell strahlendes Blau, was mich auf einen weißen, strahlenden Punkt leitete. Ich flog darauf zu, über einen Boden, der Ähnlichkeit mit einer Wasseroberfläche hatte. Um den weißen Punkt verliefen, streben nach oben und es erinnerte mich an eine Höhle, auf deren Ausgang man zusteuerte.

Kapitel 3

Ich saß auf einem Pferd. Das war merkwürdig, da ich noch niemals auf einem gesessen hatte. Doch das Pferd stand nicht, sondern setzte einen Huf vor den anderen. Wie man das nennt, kann ich nicht sagen, wahrscheinlich Schritt.

Es war ein seltsames Gefühl in einem Sattel auf diesem Pferd zu sitzen, denn vom Reiten hatte ich keine Ahnung. Somit hatte es was Erschreckendes, denn mir wurde erst jetzt bewusst, wie hoch man auf einem solchen Tier saß. Es sah höher aus, als ich es mir vorgestellt hatte.

Ich ließ das Tier, mit locker gehaltenen Zügeln, weiterlaufen und sah mich um.

Eine triste Einöde war um mich herum und es sah wie Wüste aus. Hier und da ein Kaktus oder verdorrtes Grün, was darauf wartete, endlich Regen zu bekommen. Sonst nur Steine und Geröll, zwischen denen sich hier und da, Sand abgelagert hatte.

Unter mir, gut zu erkennen, eine staubige Straße, die aus festgetretenem Sand bestand, in den sich Spurrillen eingegraben hatten.

Ein leichter Wind war zu spüren und es war warm, aber nicht unangenehm.

Jetzt sah ich an mir selber herunter. Eine sandbraune Stoffhose, mit unvermeidlichen Stiefeln in den Steigbügeln. Ein schwarzes Hemd über einer Weste aus ebenfalls sandbraunen Stoff. Am Gürtel, der gleichzeitig ein Patronengurt war, zwei silbrig blinkende Colts im Halfter. Zum vollkommenen Bild gehörte natürlich der unvermeidliche Stetson.

Klischee. Aber warum nicht? Ich hatte bereits als Kind Western geliebt und da lag die Auswahl nicht weit weg.

Ich zog an den Zügeln und das Tier hielt an. Dann stieg ich wie selbstverständlich ab und sah mir den Sattel genauer an. Seitlich war eine Wasserflasche angebracht, von deren Inhalt ich gleich einen Schluck nahm.

Ich hätte es lassen sollen. Das Wasser war genauso warm wie die Umgebung. Kein Genuss, außer man war kurz vor dem Verdursten.

Weiter angebracht war noch ein Gewehr und zwei Satteltaschen, hinter dem Sattel eine zusammengerollte Decke.

In den Satteltaschen war nicht viel drin, wobei mir das Wichtigste sofort in die Hände viel. Ein Bündel Dollarnoten und ein Beutel mit Münzen verschiedener Größe. Also war fürs erste gesorgt und ich musste mir darum keine Gedanken machen.

Dann hörte ich Lärm von der Seite kommen. Zuerst vernahm ich das Getrampel von mehreren Hufen und sah eine Staubwolke auf mich zukommen. Wenig später erkannte ich eine Kutsche, die mit vier Pferden davor bestückt war. Sie fuhr in einem gemächlichen Tempo und es dauerte eine Weile, bis sie an mir vorbei fuhr.

Postkutsche dachte ich und musste sofort keuchen und spucken, als ich von der Staubwolke eingehüllt wurde. Also wurde man in diesen Welten, von den schlechten Dingen des Lebens, nicht verschont. Das musste ich mir merken.

Als sich der Staub gelegt hatte, klopfte ich mir diesen von der Kleidung und schwang mich zurück auf das Ross.

Ja, ich schwang mich darauf, als wenn ich in meinem Leben noch niemals anderes gemacht hätte. So selbstverständlich, als wenn ich in ein Auto einstieg. Wenn das so einfach ging, fragte ich mich, wie das mit dem Reiten selber war.

Es war herrlich. Selbst im rasenden Galopp, fühlte ich mich auf dem Rücken des Tieres wohl und konnte zwischen meinen Schenkeln die Kraft des Tieres spüren. Doch ich wollte es nicht zu lange galoppieren lassen. Ich wollte es nicht zu Schande reiten.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich mich in einer Simulation befand. Es war kein wirkliches Pferd. Trotzdem war mein Denken soweit damit verschmolzen. Sehr erstaunlich. Auf der anderen Seite, wenn mein Ross nicht mehr konnte, musste ich vielleicht laufen und wer wusste schon, wie weit es bis zur nächsten Stadt war. Wenn ich kein Pferd mehr hatte, war ich eventuell dazu verdammt, die nächsten Stunden zu Fuß zu laufen und das empfand ich nicht als erstrebenswert. Also ließ ich das Tier traben. Man war zwar nicht schnell, doch man kam ebenso an.

Die Sonne war im Begriff zu sinken, als ich vor mir die erste Siedlung sah. Nicht groß, aber groß genug, um alles vorzufinden, was man sich wünschte. Einige Hundert Meter zuvor, überspannte ein Holzschild die Straße mit der Aufschrift: „Herzlich willkommen in New Daisy City“!

Was mit dem alten Daisy City passiert war, konnte nicht sagen, interessierte mich nur am Rande. Es war ein Gedanke, der es nicht Wert war, weiter gedacht zu werden.

Langsam ritt ich in die Stadt hinein und sah mich um. Alles war vorhanden, was man für einen Western brauchte. Neben zwei Saloons die Gebäude für den Sheriff, das Gefängnis, den Barbier und zwei Hotels. Wofür man in diesem Ort zwei Hotels brauchte, war mir schleierhaft, aber warum nicht.

Also ritt ich zu einem dieser Hotels und sah mir die Menschen an. So und nicht anders hatte ich mir eine Westernstadt vorgestellt und ich war einer, der geradewegs hindurch ritt. Dabei wirkte es echt. Die Menschen verhielten sich, wie sie es in der Realität getan hätten. Sie plauderten miteinander, gingen einkaufen oder machten das, was man eben machte.

Am Hotel angekommen, nahm ich die Satteltaschen und das Gewehr herunter, und als wenn er darauf gewartet hatte, stand auf einmal ein kleiner Junge neben mir.

„Brauchen sie einen Unterstand für ihr Pferd Sir?“, fragte er mich und sah mich mit großen Augen an.

Ich nickte und er sah mich weiter an. Dann fiel mir ein, dass er dies nicht für umsonst machte. Also gab ich ihm eine kleine Münze aus dem Beutel. Er bedankte sich überschwänglich und ich wusste in diesem Moment, dass es viel zu viel gewesen war. Aber egal. Ich hatte noch mehr davon.

Er zog mit dem Pferd ab und ich betrat das Hotel.

Ein kleiner Tresen stellte die Rezeption dar, hinter der ein Mann mit Halbglatze stand, der mich aufmerksam musterte.

„Habt ihr ein Zimmer für mich?“, fragte ich ihn und er nickte.

Er schob mir ein offenes Buch entgegen, in das ich mich eintragen sollte. Ich schrieb meinen Namen hinein, oder besser gesagt den, den ich mir ausgedacht hatte. John Smith.

Der Mann hinter dem Tresen drehte das Buch in seine Richtung und las meinen Namen.

„Zimmer 21 Mister Smith. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserer Stadt!“

Ich nickte und stieg die Treppe in den zweiten und zugleich obersten Stock des Hauses. Die erste Tür auf der rechten Seite war meine und ich schoss auf.

Bett, Schrank, Tisch und Stuhl erwarteten mich in einem lieblos, aber sauber eingerichteten Zimmer. Das einzige, große Fenster, zeigte auf die Straße. Hier sah ich einen Moment hinaus, um die Stimmung auf mich wirken zu lassen. Dann legte ich mich auf das weiche Bett, denn ich merkte jetzt das erste Mal, dass ich müde war, sehr müde. Wahrscheinlich hatte ich meine Müdigkeit aus der Realität mit in die Fiktion geschleppt, denn die letzte Nacht, hatte ich nicht viel geschlafen.

Noch in meinen Klamotten steckend, schlief ich ein.

Als ich aufwachte, wusste ich zuerst nicht, wo ich war, denn es war dunkel geworden und in dem Zimmer brannte kein Licht.

Es war seltsam, dass man in meinem Zustand schlief. Damit hätte ich nicht gerechnet.

Nachdem ich um mich herum sah und feststellte, dass ich noch in der Simulation steckte, stand ich auf und sah ein weiteres Mal zum Fenster heraus.

Es war dunkel und die Straße war von wenigen Lampen erleuchtet, die es nicht schafften, diese annähernd zu erhellen. Trotzdem konnte man noch genug erkennen. Viele Menschen waren nicht mehr unterwegs.

Nun war ich in einem Western und fragte mich, was ich als Nächstes tun würde. Ehrlich gesagt hatte ich mir keine Gedanken drüber gemacht, was ich hier sollte.

Wie es aussah, hatte ich keinen Beruf, jedenfalls deutete nichts darauf hin. Eine besondere Persönlichkeit war ich auch nicht. Jedenfalls hatte ich das nicht angegeben. Auf dem Zettel hatte zwar was von diversen Revolverhelden gestanden, aber das hatte ich nicht gewollt. Ich wollte es nur einmal ausprobieren, denn ich hatte zuvor keine Vorstellung davon gehabt, wie realistisch hier alles war. Das konnte ich jetzt sagen, obwohl ich noch kaum was getan hatte. Wirklich beeindruckend.

Also stand ich auf und überlegte mir, was ich jetzt machen könnte. Dazu fiel mir nur eins ein. Saloon, was sonst. Immerhin würden sich dort die Menschen treffen, wenn sie nach der Arbeit etwas Zerstreuung suchten.

Ich verließ mein Zimmer und ging die Treppe herunter. Wie zuvor stand der Mann hinter dem Tresen und ich fragte ihn: „Welchen Saloon können sie empfehlen? Wo bekomme ich das beste Essen, wo ist am meisten los?“

„Mister, sehe ich aus, als wenn ich in einen Saloon gehen? Mein Weib würde mich lynchen, wenn ich unser sauer verdientes Geld dort hinbringen würde!“

Das sagte er laut, ungewöhnlich laut, als wenn es noch jemanden gab, der mit zuhörte. Danach zwinkerte er mit einem Auge und zeigte mir an, mit meinem Kopf näher zu kommen. Flüsternd und sich umschauend sagte er weiterhin: „Wenn ich sie wäre, würde ich ins River gehen. Große Steaks, gute Drinks, die hübschesten Mädchen!“

Kam hatte er das gesagt, ging eine Tür auf und eine älter wirkende Frau erschien. Sie sah mich abschätzend von oben bis unten an und ein feines Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit.

„Mr. Smith nehme ich an?“, fragte sie und ich nickte. „Mein Mann hat mir gesagt, dass sie unser Haus beehren. Wenn sie Wünsche haben, lassen sie es mich wissen. Ich werde tun, was ich für sie machen kann!“

Ich dankte ihr und gab den Schlüssel ab. Dann verließ ich das Haus und sah mich nach dem Saloon um.

Ob der Hotelmann einen Deal mit dem Saloon hatte und alle Gäste hierher schickte, konnte ich nicht sagen, aber als ich an der Schwingtür stand, schallten mir laute Stimmen und Gelächter entgegen. So gesehen, schien darin was los zu sein.

Als ich den Saloon betrat, war es genauso, wie man es aus Filmen kannte. Ein Klavierspieler quälte die Tasten eines eher alt wirkenden Instruments. Der Tresen ging eine ganze Wand entlang und im Raum selber, standen Tische mit jeweils vier Stühlen darum herum. Auf der anderen Seite, gegenüber dem Tresen, war eine Art Bühne, die noch mit einem schweren roten Tuch verhangen war.

Die Gerüche, die mir entgegenkamen, waren zweifelhafter Natur. Es war eine Mischung aus Tabakqualm, Schweiß und Essensgerüchen die mir dick, wie ein schwerer Nebel, entgegen kamen. Gewöhnungsbedürftig, doch nachdem ich die ersten fünf Minuten im Raum war, roch ich es nicht mehr.

Als Erstes ging ich zum Tresen und bestellte mir ein Bier. Klar, Whiskey wäre stilvoller gewesen, aber ich wusste nicht, wie sich virtueller Alkohol auswirkte. Von daher erst einmal Vorsichtiges herantasten. Dazu bestellte ich mir ein Steak, wobei der Wirt fragte, welche Größe es haben sollte.

„Groß!“, war meine Antwort und ich setzte mich, mit meinem gut eingeschenkten Bier, an einen der wenigen freien Tische. Von hier aus beobachtete ich die anderen Menschen in dem Saloon. An zwei Tischen wurde Poker gespielt, an mehreren anderen wurde sich unterhalten und getrunken. Das Stimmengewirr war laut, sodass der Klavierspieler kaum dagegen ankam. Sein Geklimper verschmolz mit den anderen Geräuschen zu einer Art Grundton, der die Atmosphäre des Etablissements ausmachte.

Etwas später kam mein Essen und ich wusste sofort, warum der Hotelmann was von großen Steaks gesagt hatte. Das Ding auf meinem Teller hing über den Rand hinweg und ließ die Beilagen wirklich nur als Beilagen erscheinen. Ein wahrer Fleischberg schwamm dort in seinem eigenen Saft und wartete darauf, von mir vertilgt zu werden.

Das Bier zuvor hatte gut geschmeckt, was war dann erst mit dem Fleisch. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die Simulation dazu fähig war, solche Genüsse zu erzeugen.

Also stach ich mit der Gabel hinein und wusste bereits in diesem Moment, dass das Fleisch auf den Punkt gebraten war.

Der erste Happen war eine Offenbarung. Butterzart, saftig und mit einem Geschmack, dass ein wirkliches Stück Fleisch kaum erreichen konnte.

Ich ließ es mir schmecken und wurde davon satt. Hatte ich zuvor noch einen knurrenden Magen gehabt, bekam ich wirklich ein Völlegefühl. Wirklich erstaunlich.

Alles zu schaffen, war nicht möglich, aber das, was zurückging, war nicht viel. Zufrieden ließ ich mich gegen die Stuhllehne sinken und genoss mein Bier. Dazu hatte ich mir noch einen Whiskey zur Verdauung bestellt.

Dieser kam prompt in einem sauberen Glas. Schon einmal nicht schlecht. Ich setzte das Glas an und nahm einen Schluck. Dann verdrehte ich die Augen und hätte das Zeug am liebsten ausgespuckt. Scharf, sehr scharf war das Zeugs, Feuerwasser wie aus dem Bilderbuch. Wenn man nur den verblendeten Whiskey unserer Zeit kannte, dann war das hier wirklich der Wilde Westen. Daran musste man sich erst gewöhnen und ich wusste nicht, ob ich das konnte. Also würgte ich mir den Rest noch hinein und fühlte die vulkanische Hitze, die sich in meinem Bauch breitmachte.

Eins musste man dem Zeugs allerdings lassen. Es räumte im Magen auf, zumindest hatte ich den Eindruck. So gesehen nicht schlecht. Trotzdem wollte ich mich lieber an Bier halten. Das war kühl und nicht so aggressiv.

Während ich mich jetzt in die Lehne des Stuhls zurücksinken ließ, sah ich mich in meiner unmittelbaren Umgebung um. Die weiteren Tische waren fast alle besetzt. An den meisten Tischen wurde geplaudert oder gepokert. Zumindest sah es aus, als wenn dieses Spiel gespielt wurde und ich nahm mir vor, irgendwann eine Runde zu riskieren. Im realen Leben hatte ich ebenfalls gerne gespielt. Nicht gut, jedoch weniger verloren als gewonnen. Von daher war meine Bilanz nicht übel. Ob ich es hier gegen die Spieler, und damit dem Computer aufnehmen konnte, wusste ich nicht.

Sicherlich würde eine Zufallsroutine dafür sorgen, dass es interessant werden würde.

In diesen Gedanken versunken hörte der Klavierspieler auf, die Tasten zu quälen. Der Wirt verließ den Tresen und ging zur Bühne herüber. Wenig später stand er leicht erhöht vor uns und verlangte nach Ruhe, die ihm widerwillig gewährt wurde. Doch ein paar Minuten später ,war endlich Ruhe. Zumindest wurde nicht mehr geredet. Nur gelegentliches Rülpsen oder andere Geräusche drangen noch an mein Ohr.

Während der Wirt seine Finger an einem mitgebrachten Handtuch abwischte, sah er mit seinen aufmerksamen Augen in die Runde, sog die verqualmte Luft tief in seine Lungen und sprach mit lauter Stimme zu uns.

„Sehr geehrte Herren!“

Er ließ die Damen aus. Es waren keine da.

„Es ist mir eine große Freude, ihnen ankündigen zu können, dass ich keine Kosten und Mühen gescheut habe, um ihnen heute eine Sensation anbieten zu können!“

Hierbei hielt er erneut mit der Ansprache auf, um die Spannung zu steigern.

Mit noch lauterer und eindringlicher Stimme fuhr er fort.

„Aus dem weit entfernten New York direkt zu uns. Die Showattraktion des Jahres.“

Eine erneute kleine Pause, mit einem Rundblick durch den Saal.

„Die Jenny Girls mit ihrem neuen Programm. Ein Glanzstück der Unterhaltung!“

Ich fand, dass er langsam übertrieb, aber da es nichts kostete, konnte es nur gefallen. Was sollte man verlangen für lau. Also setzte ich mich so hin, dass ich alles im Blickwinkel hatte. Zum Glück war zwischen mir und der Bühne nur ein Tisch, und da diese erhöht war, konnte ich meinem Blick freien Lauf lassen.„Bitte begrüßen sie Jenny und ihre Damen mit einem donnernden Applaus.“

Damit verneigte er sich und verließ schnell die Bühne.

Der Klavierspieler stimmte leise Töne an, die zuerst nicht passen wollte, doch dann zog sich der Vorhang beidseitig zur Seite weg und auf der Bühne stand eine aufregende Frau in einem tiefroten, weiten Kleid, welches durch schwarze Applikationen abgesetzt war. Schwarze überlange Handschuhe und ebenfalls schwarze Schnürstiefel vervollständigten das Bild der Garderobe. Ihre Haare waren zu einem kleinen Turm aufgesteckt worden, unter dem ein stark geschminktes, hell wirkendes Gesicht zum Vorscheinen kam.

So wie es aussah, war dies Jenny. Im ersten Augenblick wirkte sie jung, doch wenn man genauer hinsah, konnte man erkennen, das sie versuchte ihr wirkliches Alter unter der Schminke zu verbergen. Trotzdem sah sie toll aus. Nur der mehr als rote Lippenstift, trat zu stark hervor.

Jenny machte zwei kleine Schritte an den Rand der Bühne und sah zum Klavierspieler herüber. Sie nickte ihm zu und er begann, ein anderes Stück zu spielen.

Jenny begann zu singen und es haute mich um. Rau wie nach zwanzig Whiskey und ebenso vielen Zigarren, klang ihre Stimme und schmirgelte über mein Trommelfell. Dabei lief mir ein Schauer über den Rücken, denn eine Stimme wie diese, wühlte mich auf. Ich mochte es unheimlich gerne, wenn Frauen wie ein Reibeisen klangen, und war sofort Feuer und Flamme für ihre Darbietung.

Es war ein ruhiges Stück, was durch Jennys rauchige Stimme, noch einen anderen Ausdruck bekam. Es klang verrucht, um nicht zu sagen, erotisch. Zuerst stand sie nur auf der Bühne und sah in die Runde, doch dann bewegte sie sich auf die dreistufige Treppe zu, die auf die Bühne führte. Hier angekommen, hob sie ihr tiefrotes, vorne kürzeres Kleid so hoch, dass man bis kurz über ihre Knie sehen konnte. Der hintere Teil des Kleides zog sie, wie eine kurze Schleppe, hinter sich her.

Elegant und leicht seitlich, schwebte sie die wenigen Stufen herunter und schritt gemächlich zuwischen den Tischreihen hindurch. Dabei streifte ihre behandschuhte Hand, öfter wie zufällig, über die Rücken und Schultern mehrere Männer, die sie von unten her ansahen, wobei anhimmeln der bessere Ausdruck gewesen wäre.

Weiter ging sie durch die Reihen, und da sie keine ausließ, kam sie bald bei mir vorbei. Da ich alleine an meinem Tisch saß, fiel ihre gesamte Aufmerksamkeit auf mich. Sie strich mir sanft über die Haare, beugte sich zu mir herunter und hauchte mir die nächsten Worte ihres Liedes, direkt in die Ohren.

Sofort kam mir ihr Duft in die Nase. Ein Gemisch von Puder und einem schweren, süßen Parfüm, kam mir entgegen und raubte mir beinahe die Sinne. Jeder andere Duft hätte ihr nicht besser gestanden, davon war ich überzeugt und ich holte mehrmals tief Luft, um ihn mir einzuprägen.

Jenny erhob sich und da Platz an meinem Tisch war, drehte sie sich um, lehnte sich neben mir gegen die Kante, setzte sich fast darauf, während sie sich noch mit einer ihrer Hände auf meiner Schulter abstützte.

Das Lied wurde eindringlicher, kam zum Finale und ich spürte die Emotionen, die dieses Stück in ihr auslöste. Ihre Finger gruben sich stärker in meine Schulter, als es normal gewesen wäre. Genauso hob sie die Lautstärke an und wurde rauer.

Das Lied hatte von einer unerfüllten Liebe gehandelt, denn als die beiden Protagonisten des Stücks sich endlich fanden, sich ihre Zuneigung gestanden hatten, wurden sie wieder getrennt. Er wurde erschossen, sie bei dem Versuch, ihm zur Hilfe zu eilen, ebenfalls. Beide starben Hand in Hand, während sich ihre Lippen, ein erstes und letztes Mal trafen.

Kaum war Jennys Stimme verklungen, herrschte einen Moment vollkommene Stille. Niemand hätte an dieses Ende gedacht. Doch dann setzte ein Johlen und Klatschen ein. Die Männer würdigten das Lied damit und verlangten nach einer Zugabe.

Jenny winkte ab, sie verlangte mit einer entsprechenden Geste nach Ruhe, die sich langsam einstellte. Sie sah in die Runde, fixierte mehrmals die Augen der um sie Sitzenden.

Tief holte sie Luft und meinte mit einer höheren, weiblicher klingenden Stimme: „Ich danke euch Jungs. Ich hoffe, wir können euch mit unserem weiteren Programm Freude machen. Begrüßt mit mir den nächsten Programmpunkt. Ich präsentiere euch meine Mädels!“