Spiel im Nebel - Henrike Jütting - E-Book

Spiel im Nebel E-Book

Henrike Jütting

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Beschreibung

Ein abgelegener Gasthof im nebligen Münsterland ... Über Nacht verschwindet die dreizehnjährige Tochter der Eigentümer spurlos. Zu dieser Zeit nehmen dort gerade die Ensemblemitglieder des Münsteraner Theaters Kolibri an einem Seminar für Konfliktbewältigung teil. Gemeinsam mit ihrer Intendantin Saskia Erler sind sie die einzigen Gäste im Haus. Trotz intensiver Suche bleibt das Kind verschwunden. Als Saskia Erler sechs Monate später tot in ihrer Wohnung im Südviertel aufgefunden wird, sieht es zunächst wie ein Selbstmord aus. Schon bald aber entpuppt sich die Tat als heimtückischer Mord. Für die Ermittlerinnen Katharina Klein und Eva Mertens wirft das ein ganz neues Licht auf die zurückliegenden Geschehnisse: Stehen der Mord und das verschwundene Kind miteinander in Verbindung?

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Von der Autorin bisher bei KBV erschienen:

Villa 13Schatten über der Werse

Henrike Jütting wurde 1970 in Münster geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und studierte dann in Bremen Soziologie und Kulturwissenschaften. Anschließend promovierte sie in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und arbeitete in Bremen, Brüssel und Celle.

Seit 2005 lebt sie mit ihrer Familie wieder in ihrer Heimatstadt Münster. 2017 erschien ihr erster Krimi unter dem Titel Schweigende Wasser.

Nach Villa 13 und Schatten über der Werse wird die beliebte Reihe um die Münsteraner Kommissarin Katharina Klein nun mit Spiel im Nebel fortgeführt.

HENRIKE JÜTTING

SPIEL IM NEBEL

Originalausgabe

© 2022 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim

www.kbv-verlag.de

E-Mail: [email protected]

Telefon: 0 65 93 - 998 96-0

Umschlaggestaltung: Ralf Kramp unter Verwendung

von © mollphoto - stock.adobe.com

Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln

Druck: CPI books, Ebner & Spiegel GmbH, Ulm

Printed in Germany

Print-ISBN 978-3-95441-603-5

E-Book-ISBN 978-3-95441-614-1

Für meinen Bruder Johannes

Wir spielen alle.Wer es weiß, ist klug.

Arthur Schnitzler(1862-1931)

Inhalt

Prolog

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

15. KAPITEL

16. KAPITEL

17. KAPITEL

18. KAPITEL

19. KAPITEL

20. KAPITEL

21. KAPITEL

22. KAPITEL

23. KAPITEL

24. KAPITEL

25. KAPITEL

26. KAPITEL

27. KAPITEL

28. KAPITEL

29. KAPITEL

PROLOG

Seit vier Monaten, zwei Wochen und drei Tagen wusste Saskia Erler, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Sie saß am Küchentisch, starrte gedankenverloren auf den Bildschirm ihres Laptops und erinnerte sich an den Tag, an dem sie die Diagnose bekommen hatte.

Bauchspeicheldrüsenkrebs.

»Kommt statistisch gesehen relativ selten vor, und wenn, dann eher bei älteren Menschen«, hatte ihr Dr. Leipold in seiner aufgeräumten Art versichert.

Saskia hatte sich gefragt, was der Internist ihr mit dieser Information sagen wollte. Sollte sie jetzt stolz sein? Hieß das, sie war etwas Besonderes? Herzlichen Glückwunsch, Frau Erler! Sie sind zwar noch keine fünfzig, aber Sie haben es trotzdem geschafft, an dieser seltenen Krebsart zu erkranken!

Den Rest der ärztlichen Ausführungen hatte sie nur noch gedämpft wahrgenommen. Eine dicke, watteartige Wand hatte sich zwischen den Arzt und sie geschoben. »Bauchspeicheldrüsenkrebs wird oft erst sehr spät erkannt«, erläuterte Dr. Leipold. »Das ist in Ihrem Fall leider auch so. Der Krebs ist nicht mehr lokal begrenzt, sondern bereits in den Magen und Darm hineingewachsen. Ich will ganz ehrlich sein, Frau Erler, die Prognose ist nicht sehr gut.«

Für die Frage, die Saskia daraufhin wie ein Düsenjet durch den Kopf schoss, musste sie etwas Anlauf nehmen. »Wie lange habe ich noch?« Das Entsetzen verzerrte ihre Worte ein wenig.

»Maximal sechs Monate. Wir können Sie leider auch nur noch palliativ behandeln.«

Von diesen prognostizierten sechs Monaten waren jetzt gute viereinhalb um, aber Saskia hatte nicht das Gefühl, dass es mit ihr zu Ende ging. Im Gegenteil. Es ging ihr besser als vor der Prognose.

Bevor man dem Krebs auf die Spur gekommen war, hatte sie häufig an einem heftigen Druck im Oberbauch gelitten. Oft hatte sie kaum geschlafen, geschweige denn etwas essen können. Zunächst war eine Entzündung der Magenschleimhaut angenommen worden, sodass man ihr ein gängiges schmerz- und entzündungshemmendes Mittel verschrieben hatte. Geholfen hatte das nicht. Inzwischen bekam sie eine auf sie abgestimmte Schmerztherapie, die gut anschlug. Außerdem nahm sie jeden Abend mindestens zwei Schlaftabletten, die sie noch vor 22 Uhr in eine tiefe und traumlose Nachtruhe schickten.

Vor ihrer Erkrankung hatte sie sich häufig mit stressbedingten Ein- und Durchschlafproblemen rumgeschlagen. Das war nun vorbei. So gesehen hatte der Krebs auch etwas Gutes, dachte Saskia manchmal in einem Anflug von Sarkasmus.

Doch bei allem Unglück hatte sie auch etwas Glück. Der Tumor hatte zwar gestreut, verengte aber weder den Gallengang noch den Magenausgang, was die Schmerzen erheblich vergrößert hätte. Da es ihr also einigermaßen gut ging, war sie bislang noch in der Lage, sich zu Hause eigenständig zu versorgen. Unterstützt wurde sie von ihrer Nachbarin und Freundin Raquel und von Frau Decker, einer Mitarbeiterin des Palliativnetzes Münster. Raquel sah sie täglich, Frau Decker kam dreimal in der Woche.

In den ersten Wochen nach der Diagnose war Saskia in eine Art Schockstarre gefallen. Mit Hilfe der psychologisch geschulten Frau Decker gelang es ihr aber, diesen Zustand nach einer Weile hinter sich zu lassen.

»Informieren Sie Ihr Ensemble und den Vorstand des Theaters über Ihre Krankheit und arbeiten Sie, solange es Ihnen möglich ist«, hatte Frau Decker ihr geraten, die schnell durchschaut hatte, dass die Arbeit als Intendantin am Theater Kolibri Saskias Lebensmittelpunkt war.

Saskia hatte Frau Deckers Rat befolgt. Seit sie die Leitung des Zimmertheaters übernommen hatte, stand sie zwar nicht mehr selbst auf der Bühne, hatte aber mit administrativen Aufgaben und der Planung und Umsetzung der Spielzeiten und Stücke genug zu tun.

Nach und nach hatte sich ihre anfängliche Schwermütigkeit und Lethargie in einen unbändigen Aktionismus verwandelt. Wie schon in den Jahren zuvor widmete Saskia ihre ganze Kreativität und ihr Organisationstalent dem Kolibri.

Zumindest war das bis vor Kurzem so gewesen. Nun hatte sich noch etwas anderes in Saskias Fokus geschoben, und wieder hatte Frau Decker dazu den Anstoß gegeben.

Frau Decker war eine mittelgroße Frau mit kräftigem Busen und starken Oberarmen. Ihr Haar war rot gefärbt und wuchs am Haaransatz grau nach. Sie hatte eine erfrischende, zupackende Art und eine gesunde Einstellung zum Tod. Letzteres waren ihre eigenen Worte. Saskia hatte während ihres Besuchs beim Palliativnetz Münster auch die Kolleginnen von Frau Decker kennengelernt. Zwei etwas entrückt wirkende Frauen, deren esoterische Lebenseinstellung man schon von ihrer Kleidung ablesen konnte. So war Saskia heilfroh gewesen, dass es Frau Decker gewesen war, die am nächsten Tag bei ihr geklingelt hatte – und nicht eine der beiden vergeistigten Batiktanten.

Während Frau Deckers Besuchen, bei denen sie meistens starken Espresso tranken und Frau Decker auf dem Balkon eine Zigarette nach der anderen rauchte, plauderten sie über dieses und jenes. Bei einem dieser Gespräche erzählte Frau Decker von einem Mann, den sie vor einigen Jahren begleitet habe und der seine verbleibende Lebenszeit dazu genutzt habe, seinen Sohn aus erster Ehe ausfindig zu machen. »Ich nenne das ›die Seele frei machen‹«, sagte Frau Decker. »Ballast abwerfen, um die letzte Reise so unbeschwert wie möglich antreten zu können. Vielleicht gibt es bei Ihnen ja auch noch etwas, wovon Sie sich befreien wollen.«

Bei diesen Worten zog sich in Saskias Brust etwas zusammen. Allerdings gab es da etwas. Etwas, wogegen die Suche nach einem verlorenen Sohn ein Klacks war. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es genau das war, was sie jetzt noch vom Leben wollte: die Zeit nutzen, um ihre Seele frei zu machen.

Sie hatte sich genau überlegt, wie sie vorgehen würde. Hatte sich einen Plan zurechtgelegt, den sie Schritt für Schritt abarbeiten würde. Saskia war eine große Freundin von Handlungsplänen. Genauso machte sie es, wenn sie am Anfang einer neuen Inszenierung stand. Ziel definieren, Arbeitsschritte formulieren, Abfolge festlegen … loslegen. Hatte sie einmal einen solchen Plan erstellt, hielt sie sich akribisch daran. Viel Spielraum für Unwägbarkeiten und Improvisation gab es dann nicht mehr. Sie war der strukturierte Typ und benötigte für erfolgreiches Arbeiten ein Gerüst, an dem sie sich entlanghangeln konnte.

Saskia schob den Stuhl zurück und stand auf. Ihr Blick blieb an einer der vier gerahmten Schwarz-Weiß-Fotografien hängen. Sie zeigten mehrere Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne, die durchtrainierten, sehnigen Körper auf verschiedene Weise verbogen, die Arme anmutig nach oben oder zur Seite gestreckt. Eine der Tänzerinnen war sie selbst. Die Aufnahme war zwölf Jahre zuvor gemacht worden und stammte noch aus der Zeit, als Magdalena Kaiser das Kolibri geleitet hatte. Ein Lächeln huschte über Saskias Gesicht. An dem selbstgeschriebenen Stück aus dem Bereich experimenteller Tanz hatten sich die Geister geschieden. Es gab herausragende Kritiken, aber auch bitterböse Zerrisse. Ihrem Stammpublikum hatte es auf jeden Fall gefallen, und das war das Einzige, was für Magdalena gezählt hatte. Sie hatte immer gesagt: »Wenn wir nur Lob ernten, dann sind wir im Mainstream angekommen … und da wollen wir nicht hin!«

Saskia betrachtete sich genauer auf dem Foto. Sie fand, dass sie sich in den zwölf Jahren gar nicht so sehr verändert hatte. Sie trug ihr Haar immer noch raspelkurz und färbte es weißblond. Sie hatte immer noch die typische Figur einer professionellen Tänzerin. Feingliedrig, schmal gebaut, kaum Oberweite und kaum Po. Wahrscheinlich wog sie jetzt sogar noch weniger als damals.

Saskia ging zum Kühlschrank und nahm eine Karaffe mit Zitronenwasser heraus. Sie goss etwas davon in ein Wasserglas und trat hinaus auf den Balkon.

Die laue Abendluft fühlte sich an wie eine Umarmung. Nachdem der Juni eher durchwachsen gewesen war, präsentierte sich sein Nachfolger von der besten Seite. Seit einer Woche herrschte schönstes Sommerwetter. Im Innenhof hüpften Amseln im Geäst der Kastanien herum und hatten mit ihrem Abendkonzert begonnen.

Saskia stellte sich an die Balkonbrüstung. Von ihrer Nachbarin, der alten Frau Schöne, wehte der betäubende Duft der Petunien zu ihr herüber. Saskia warf einen Blick auf die üppige Pracht in Weiß und Lila. Etwas Farbe würde ihrem Balkon auch guttun. Aber alle Versuche in diese Richtung waren jedes Mal gescheitert. Im vorherigen Jahr hatte Raquel ihr einen Topf mit Lavendel geschenkt. »Der übersteht auch kürzere Dürreperioden, falls du mal vergisst, ihn zu gießen«, hatte Raquel erklärt. »Er ist ein Überlebenskünstler.« Doch alles, was nach einigen Wochen von ihm übrig geblieben war, waren ein paar vertrocknete Stängel. Saskia hatte den Topf inzwischen in die hinterste Ecke geschoben. »Tut mir leid«, hatte sie zerknirscht zu Raquel gesagt, als diese empört auf die kläglichen Überreste ihres Geschenks gedeutet hatte, »ich habe einfach kein Händchen für Pflanzen.«

Mit einem Mal überkam Saskia eine tiefe Traurigkeit. Das Gefühl hüllte sie komplett ein. Dies würde ihr letzter Sommer sein. Die Erkenntnis legte sich wie Blei auf ihr Gemüt. Auch wenn Dr. Leipold seine Prognose bei ihrem letzten Besuch noch mal revidiert hatte – »vielleicht bleibt Ihnen doch etwas mehr Zeit. Der Tumor ist in den letzten sechs Wochen nicht gewachsen« –, den nächsten Sommer würde sie definitiv nicht mehr erleben.

Saskia schloss die Augen und sog die Luft tief in ihre Lungen. Mit Frau Decker hatte sie verschiedene Strategien erarbeitet, wie sie solchen Gefühlsattacken begegnen konnte. »Denken Sie dann an etwas Schönes, Tröstliches. Sie sind eine hervorragende Intendantin. Denken Sie an Ihre Erfolge.«

Saskia öffnete ihre Augen wieder. Sie durfte nicht zulassen, dass Angst und Trauer sie von hinten überfielen und zu Boden rissen. Sie hatte noch ihren Plan durchzuführen. Morgen würde sie dafür den ersten Schritt tun.

Saskia ließ ihren Blick über die Fassaden und Balkone der Nachbarhäuser schweifen. Überall herrschte abendlicher Friede. Die Studenten, die um sie herum wohnten und die normalerweise im Innenhof nicht zu überhören waren, waren alle unterwegs. Park, Kneipe, Promenade, Kanal – es gab viele Möglichkeiten, den Tag bei so einem Wetter ausklingen zu lassen. Genau diesen Frieden wollte Saskia, wenn es so weit war, auch in ihrem Inneren spüren. Dafür würde sie alles tun. Auch wenn sie damit ein Versprechen brach.

1. KAPITEL

Vier Tage später

Hallo KD! Ich habe doch gesagt, dass ich heute später komme.« Katharina Klein, Kommissarin bei der Kripo Münster, schirmte mit einer Hand ihre Augen gegen das Sonnenlicht ab und spähte ungeduldig die Straße entlang. Mit der anderen Hand hielt sie sich ihr Handy ans Ohr.

»Jaja, ich weiß.« Klaus-Dieter Franke, Katharinas Chef und Leiter des Kommissariats 11, klang ungeduldig. »Die Wohnungsbesichtigung. Aber ich befürchte, du musst das Klaas überlassen. Im Südviertel wurde eine Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden.«

»Kann nicht einer von den anderen …?«

»Eva habe ich bis jetzt nicht erreicht«, fiel KD Katharina ins Wort, »und Birgit ist heute früh erst beim Arzt.«

Katharina stieß einen Seufzer aus. Ihre beiden anderen Kollegen Tim Novak und Jörn Kuttner hatten ab dieser Woche Urlaub und waren beide schon mit ihren Familien auf dem Weg an die Ostsee. Diese chronische Unterbesetzung war jeden Sommer dasselbe.

Ein silberfarbener Audi A6 rauschte heran. Er kam direkt neben Katharina zum Stehen. Ein Mann um die dreißig, in schmal geschnittener Anzughose und kurzärmeligem Hemd, schwang sich aus dem Auto. Unter seinem Arm klemmte ein Macbook, in der Hand hielt er einen Kaffeebecher von Starbucks. Er lächelte Katharina und den anderen Wartenden professionell zu. Es war der Makler, der sich um gut fünfzehn Minuten verspätet hatte. Als er die Gruppe vor dem Haus begrüßte, entfernte sich Katharina ein paar Schritte und konzentrierte sich wieder auf das, was KD gerade sagte.

»Tut mir leid, aber du musst dich jetzt gleich auf den Weg machen. Vielleicht gibt es ja noch einen zweiten Termin.«

»Bestimmt nicht. Bei dem Andrang geht die Wohnung sicher heute Morgen noch weg. Aber egal. Wenn ich ehrlich bin, dann ist sie sowieso zu teuer für uns. Klaas ist deshalb auch gar nicht erst mitgekommen.« Katharina kickte mit der Fußspitze ein kleines Steinchen vom Bürgersteig. »Ich würde nur wirklich gerne wissen, warum die Leute alle so aufs Erphoviertel fixiert sind. Als gäbe es nicht auch noch andere nette Ecken in Münster.«

»Na, du bist gut. Ihr wollt ja auch unbedingt da wohnen bleiben. Aber jetzt zu der Toten. Ihr Name ist Saskia Erler. Sie wurde von einer Nachbarin aus dem Haus gegenüber leblos auf dem Sofa liegend aufgefunden. Die Adresse ist Augustastraße 77. Dritter Stock. Ich schicke Eva hinterher.« KD legte auf.

Katharina ließ das Handy zurück in ihre Umhängetasche gleiten. Das war typisch für ihren Chef. Er verzettelte sich nie in Nebensächlichkeiten.

Der Name Saskia Erler war Katharina nicht unbekannt. Sie war die Intendantin des Theaters Kolibri, eines kleinen alternativen Theaters im Süden von Münster. Katharina kannte sich in Münsters Kulturszene nicht besonders gut aus, aber ihre Mutter war eine begeisterte Theaterfreundin. Erst kürzlich hatte sie Katharina von einem Stück vorgeschwärmt, das sie im Kolibri gesehen habe. Dabei war auch der Name der Intendantin gefallen. Wenn Katharina sich richtig erinnerte, war ihre Mutter auch mal Mitglied des Trägervereins vom Kolibri gewesen oder war es sogar noch.

Katharina warf einen letzten Blick auf die hellblaue Fassade des mehrgeschossigen Stadthauses, das jetzt verlassen dalag. Der Makler war mit den Interessenten im Inneren verschwunden. Das Haus bildete eine Reihe mit anderen Häusern im Jugendstil und wurde von der Morgensonne schräg angeleuchtet. Es sah wunderschön aus. Katharina wandte sich ab. Klaas und sie würden schon noch eine gemeinsame Wohnung finden. Eine, die auch besser zu ihrem Budget passte.

Die Augustastraße lag im Südviertel, das mit den Stadtteilen Josef, Geist und Alter Schützenhof zum Stadtbezirk Mitte gehörte. Wie fast überall im Innenstadtbereich kam man auch hier schneller mit dem Rad als mit dem Auto voran. Katharina bog auf ihrem Mountainbike von der Friedrich-Ebert-Straße, einer Hauptverkehrsstraße, die direkt zum Bahnhof führte, in die Augustastraße ein. Es verschlug sie nicht allzu oft in den Süden von Münster, obwohl sie das Flair des traditionellen Arbeiterviertels sehr mochte. Es war immer noch vorhanden, auch wenn inzwischen viele Studenten und junge Familien das Bild prägten.

Die Augustastraße wurde auf beiden Seiten von Mietshäusern mit rot verklinkerter oder glatter Fassade gesäumt. Fast vor jedem Hauseingang drängten sich abgestellte Fahrräder. Katharina schob sich während des Tretens die Ärmel ihres Pullis bis zu den Ellenbogen hoch. Sie ärgerte sich, dass sie sich nicht luftiger angezogen hatte.

Am Ende der Augustastraße war ein Streifenwagen halb auf dem Bürgersteig geparkt. Ein Notarztwagen stand direkt dahinter. Katharina ließ ihren Blick über das Haus mit der Nummer 77 gleiten. Den gesamten unteren Teil der Fassade zierte ein weißes, unleserliches Graffiti. Auch hier lehnten Fahrräder an der Hauswand. Angelockt durch das Polizeiauto hatten sich einige meist ältere Leute vor dem Haus versammelt und machten neugierige Gesichter.

Katharina stellte ihr Mountainbike zwischen zwei klapprigen Damenrädern ab. Sie sicherte es sorgfältig mit einem Bügelschloss. Münster war nicht nur Fahrradstadt Nummer eins, sondern deutschlandweit auch führend, was die Anzahl der täglichen Fahrraddiebstähle anging.

Kurz darauf stieg sie in den dritten Stock hoch. Im Hausflur war es angenehm kühl. Katharina, aufgeheizt durch das Fahrradfahren, fuhr sich mit der Hand durch ihre Haare. Seit Kurzem trug sie ihre ehemals halblangen, braunen Locken zu einem, wie die Friseurin es nannte, kurzen frechen Bob. »Steht Ihnen ausgezeichnet und unterstreicht Ihre Persönlichkeit«, hatte sie begeistert versichert, während Katharina mit unsicherer Miene an ihren Haarspitzen herumgezupft hatte. Es war der Vorschlag der Frisörin gewesen, mal etwas Neues zu probieren.

»Nett«, war alles, was Klaas zu der neuen Frisur gesagt hatte. Katharina hatte daraufhin gegrummelt, er müsse es mit den Komplimenten nicht gleich übertreiben.

»Macht dich auf jeden Fall jünger«, war der aufmunternde Kommentar ihrer Kollegin und Freundin Eva Mertens gewesen.

Katharina erreichte die angelehnte Tür zu Saskia Erlers Wohnung. Im Flur standen zwei junge Streifenbeamte. »Da geht’s lang«, sagte einer von ihnen beflissen und machte ein gewichtiges Gesicht.

Katharina betrat das Wohnzimmer. Die spärliche, aber geschmackvolle Möblierung täuschte darüber hinweg, dass der Raum nicht sonderlich groß war. »Guten Morgen.« Katharina kannte den Notarzt nicht und fügte deshalb hinzu: »Katharina Klein vom KK 11.«

Der Mann, der seitlich neben dem Sofa auf dem Parkettboden kniete, schaute nur kurz hoch und notierte dann weiter etwas auf seinem Klemmbrett. »Morgen. Max Kant.«

Katharina bemerkte die Schweißperlen auf der Stirn des Arztes. Kein Wunder. Trotz der gekippten Fenster war es warm in dem Raum. Südseite, dachte Katharina. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der toten Frau zu, die rücklings auf dem Sofa lag. Sie war barfuß, trug eine graue Jogginghose und ein weißes Top. Es war nicht zu übersehen, wie dünn, fast mager, Saskia Erler war. Brustkorb und Hüftknochen zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ihrer Kleidung ab. Ein Arm ruhte auf ihrem Bauch, der andere hing schlaff über der Sofakante. Wären da nicht der starre Ausdruck in ihren Augen und die Totenflecken auf ihren Armen gewesen, hätte man annehmen können, die Frau schlafe.

Katharinas Blick blieb an den beiden geöffneten Medikamentenpackungen hängen, die auf dem Wohnzimmertisch lagen. Daneben standen ein Glas und eine fast leere Wasserflasche. Bei den Medikamenten handelte es sich um Paracetamol und, wie Katharina vermutete, ein Schlafmittel. »Sieht ja ziemlich eindeutig nach einer Selbsttötung aus«, stellte sie fest.

Der Notarzt kam etwas umständlich auf die Füße. Mit dem Ellenbogen wischte er sich über die Stirn. Dr. Kant war mittelgroß und ziemlich massig. Sein T-Shirt spannte über einem stattlichen Bauch. Er hatte dichtes, dunkelblondes Haar und treuherzige, braune Augen. Man konnte ihn sich auch gut als Kinderarzt vorstellen, fuhr es Katharina durch den Kopf, er hatte etwas von einem Teddybären.

»Das dachte ich zunächst auch. Aber dann ist mir das hier aufgefallen.« Dr. Kant deutete auf den Mund-Nasen-Bereich der Toten.

»Was ist denn da?«

»Kommen Sie mal näher und schauen Sie von der Seite auf ihr Gesicht.«

Katharina trat näher an das Sofa heran. Augenblicklich drang ihr dieser einzigartige, süßliche Geruch nach Tod in die Nase, den sie vorher nicht so intensiv wahrgenommen hatte. Sie beugte sich vor. Der Arzt hatte recht. Jetzt erkannte sie eine lila-bläuliche Verfärbung der Schleimhäute. Auch auf der wächsernen Gesichtshaut lag ein leichter Schatten. »Das sind Anzeichen für Ersticken«, bemerkte Katharina. Sie richtete sich wieder auf. »Sind ihr die Tabletten im Hals stecken geblieben?«

»Nein. Der Rachen ist frei von Fremdkörpern. Das habe ich schon geprüft. Es gibt auch keine Einblutungen unter der Haut am Hals, was bedeutet, dass sie nicht erwürgt wurde.«

»Interessant.« Katharina betrachtete nachdenklich die Leiche. »Wenn tatsächlich Ersticken die Todesursache war, dann bleibt ja nur noch, dass jemand ihr die Atemwege verschlossen hat.«

Dr. Kant nickte. »Das muss wohl die Gerichtsmedizin klären. Aufgrund des Befundes kann ich jedenfalls keine eindeutige Todesursache festlegen.«

Katharina deutete auf die Tabletten. »Ist das ein Schlafmittel?«, vergewisserte sie sich.

»Ja. Und zwar ein sehr starkes. Bekommt man nicht rezeptfrei. Die Packungen sind beide fast leer. Aber wie gesagt, die Verfärbungen im Gesicht irritieren mich.»

»Okay«, sagte Katharina. Sie kramte ihr Handy hervor, um KD zu informieren.

Nachdem dieser von der Einschätzung des Notarztes gehört hatte, sagte er zu, sich um die Überführung der Leiche in die Gerichtsmedizin zu kümmern.

»Übrigens war die Tote schwer krank«, sagte Dr. Kant, während er seinen Arztkoffer zuschnappen ließ. »Ich habe mich kurz mit der Nachbarin unterhalten, die sie gefunden hat. Saskia Erler hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ihre Prognose war alles andere als gut.«

»Ah, das erklärt wohl, dass sie so extrem dünn ist.«

Der Arzt nickte. »Die Nachbarin sitzt übrigens in der Küche. Man sollte sie nicht zu lange alleine dalassen. Sie hat einen kleinen Schock. Ich habe ihr etwas zur Beruhigung gegeben.«

»Ich spreche sofort mit ihr. Können Sie schon etwas zum ungefähren Todeszeitpunkt sagen? Die Leichenstarre scheint ja bereits voll ausgeprägt zu sein, also muss ihr Tod mindestens sechs bis acht Stunden zurückliegen.«

»So ist es. Die Bildung der Leichenflecken dagegen ist noch nicht abgeschlossen. Daher würde ich den ungefähren Todeszeitpunkt zwischen 21 und 24 Uhr ansetzen. Eine genauere Angabe kann ich nicht machen.«

»Diese Nachbarin, hat sie die Tote berührt?«

»Ja. Sie waren eng befreundet. Als Frau Alvarez ihre Freundin leblos auf dem Sofa vorgefunden hat, hat sie sich auf sie gestürzt.«

Katharina nickte. Das war eine menschliche und verständliche Reaktion, aber für die Sicherung von Spuren, falls diese nötig werden sollte, ein Desaster.

Katharina wandte sich an die beiden Streifenpolizisten, die sich etwas verloren in der Tür herumdrückten. »Es wäre gut, wenn Sie beide nach unten gehen und dafür sorgen, dass der Auflauf vor dem Haus nicht zu groß wird.«

»Jau, machen wir.«

Es war nicht zu übersehen, dass die beiden Männer froh waren, endlich etwas zu tun zu haben. Kaum waren sie verschwunden, erschien Eva Mertens in der Tür. Eva hatte ihr hellblondes, langes Haar wie immer zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug einen Jeansrock und ein hellblaues T-Shirt, das die gleiche Farbe hatte wie ihre Augen. Sie grüßte und ließ den Blick routiniert über die Tote und durch das Zimmer gleiten. Katharina setzte sie in aller Kürze ins Bild.

»Wenn Mord«, sagte Eva, »dann wollte es wohl jemand als Selbstmord kaschieren. KD erwähnte eine Nachbarin, die das Opfer gefunden hat.« Sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter. »Sitzt sie in der Küche?«

Katharina nickte.

»Wir sollten uns schleunigst einen Eindruck von ihr machen«, drängte Eva. »Falls sich das hier als Mord herausstellt, dann ist sie wohl unsere erste Ansprechpartnerin. Auffindesituation und Umstände sprechen ja eindeutig für eine Beziehungstat.«

Im Flur verabschiedeten sie sich von Dr. Kant. Katharina öffnete die Küchentür. Sie betraten einen länglichen Raum mit einer cremefarbenen Einbauküche auf der linken und einem Tisch für vier Leute auf der rechten Seite. Herd und Arbeitsfläche sahen so aus, als hätte sich Saskia Erler zu ihren Lebzeiten nicht allzu oft etwas gekocht. Genau wie das Wohnzimmer hatte die Küche Stil, aber fast keine persönliche Note. Katharina ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie sich diesen Farbton auch für ihre zukünftige Küche vorstellen konnte. Sie verscheuchte diese Idee und konzentrierte sich auf die Frau am Tisch, die auf ihrem Daumennagel herumbiss. Die Kommissarinnen stellten sich vor.

»Raquel Alvarez«, sagte die Frau daraufhin. »Ich bin eine Nachbarin von Saskia und außerdem ihre Freundin.« Die dunklen, rot geränderten Augen füllten sich mit Tränen.

Katharina fiel auf, dass Frau Alvarez zwar sorgfältig lackierte Fingernägel hatte, ansonsten aber nicht weiter zurechtgemacht war. Ihre schweren, schwarzbraunen Haare waren zu einem lockeren Messy-Bun aufgetürmt. Sie war ungeschminkt, trug ein lilafarbenes Oversized T-Shirt und eine hellgraue Jogginghose. Das gleiche Modell wie das von Saskia Erler. An den Füßen hatte sie Flip-Flops.

Als hätte Frau Alvarez Katharinas Gedanken erraten, zog sie leicht verlegen an dem ausgeleierten Halsausschnitt ihres T-Shirts. »Entschuldigen Sie meinen Aufzug. Ich laufe normalerweise nicht so rum. Aber ich wohne direkt gegenüber und habe gerade Urlaub.«

Eva und Katharina nahmen gegenüber von Frau Alvarez Platz. »Sie müssen sich nicht entschuldigen«, sagte Eva. »Und wir möchten Ihnen sagen, dass es uns sehr leidtut, was mit Ihrer Freundin passiert ist.«

Frau Alvarez schlug die Augen nieder. »Ja, es ist entsetzlich«, murmelte sie. »Saskia war sehr deprimiert in letzter Zeit, aber ich hätte nie gedacht, dass sie so etwas tut. Einfach so zu gehen, ohne ein Wort.«

»Waren Sie sehr eng befreundet?«, fragte Eva behutsam.

Raquel Alvarez nickte so heftig, dass ihr voluminöser Haarknoten gefährlich ins Wanken geriet. »Vor zehn Jahren sind wir gleichzeitig hier in die Augustastraße gezogen. Saskia in dieses Haus, ich gegenüber. Wir haben uns beim Einzug auf der Straße kennengelernt und waren uns gleich sympathisch. Wir waren damals die Einzigen in der Nachbarschaft, die Mitte dreißig waren. Alle anderen waren entweder Studenten oder Rentner.« Frau Alvarez tupfte sich mit dem zerknüllten Papiertaschentuch in ihrer Hand die Augen. Ihr Blick verlor sich irgendwo zwischen Küchenzeile und Tür. »Es war so praktisch, sich einfach mal eben abends auf einen Wein zu treffen oder zusammen zu kochen. Ich habe das all die Jahre sehr genossen. Heute Morgen zum Beispiel, da waren wir zum Frühstück verabredet.«

»War das der Grund, warum Sie hierhergekommen sind?«, fragte Katharina.

»Ja, wir wollten uns einen schönen Vormittag bei mir auf dem Balkon machen. Saskia hatte sich heute auch einen halben Tag freigenommen. Ich habe auf sie gewartet. Als sie dann zehn Minuten über der Zeit war, habe ich sie angerufen, aber sie ist nicht an ihr Handy gegangen. Da habe ich mir Sorgen gemacht und bin rübergekommen.«

»Sie haben sich Sorgen gemacht, weil Ihre Freundin zehn Minuten über der Zeit war?«, hakte Katharina freundlich nach.

Raquel Alvarez lächelte traurig und fuhr sich mit der Hand über ihre markante, leicht gebogene Nase und das schmale Kinn. »Dazu muss man wissen, dass Saskia von der Sorte Mensch war, die eher fünf Minuten zu früh als drei Minuten zu spät kommen. Außerdem …« Sie brach den Satz ab.

»Ja?« Katharina sah ihre Gesprächspartnerin aufmunternd an.

»Ich habe es schon dem Notarzt gesagt. Saskia war krank. Sie hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs und nicht mehr lange zu leben. Somit war ich sowieso immer in Sorge, dass sich ihr Zustand von jetzt auf gleich verschlechtern könnte.«

»Sie hatten vermutlich einen Schlüssel zur Wohnung?«

»Ja. Und Saskia zu meiner.«

Noch im Wohnzimmer hatten sich Katharina und Eva darauf verständigt, Raquel Alvarez nichts davon zu sagen, dass es sich möglicherweise um Mord handelte. Sie wollten zunächst die Ergebnisse der Obduktion abwarten. Trotzdem stellte Katharina schon mal die Frage, die möglicherweise schon bald für sie von Interesse sein könnte. »Wann haben Sie denn Frau Erler zum letzten Mal gesehen?«

»Gestern Nachmittag. Und wie gesagt, da wirkte sie, wie in den ganzen letzten Wochen, ziemlich niedergeschlagen und antriebslos.«

»Danach haben Sie sie nicht mehr gesehen?«

»Nein.«

»Was haben Sie gestern Abend gemacht?«, schaltete sich Eva ein.

Für einen Moment wirkte die Freundin des Mordopfers durch die Frage verunsichert. Aber dann gab sie bereitwillig Auskunft. »Nichts Besonderes. Ich war zu Hause und habe meine Netflix-Serie weitergeschaut. Gegen elf Uhr lag ich im Bett.«

Also kein Alibi, dachte Katharina. »Hat Frau Erler sehr unter ihrer Diagnose gelitten?«

»Ja klar. Stellen Sie sich vor, man sagt Ihnen, Sie haben nur noch ein halbes Jahr zu leben. Das ist doch schrecklich. Saskia war so tapfer. Aber vor allem in den letzten Tagen …« Frau Alvarez fing an zu schluchzen.

»Das bringt mich zu der Frage«, fuhr Katharina fort, »wer muss über ihren Tod benachrichtigt werden? Gibt es einen Partner? Familie?«

»Einen Freund hatte Saskia nicht. Wir sind beide seit Jahren Single. Familie hatte sie keine in Münster. Saskia kam aus dem Ruhrgebiet. Ihre Eltern sind schon vor einigen Jahren gestorben. Sie hatte nur noch eine jüngere Schwester, die in Bochum lebt. Aber sie hatte wenig Kontakt zu ihr. Eigentlich hat sie nur für ihre Arbeit gelebt.« Raquel Alvarez’ Gesicht hellte sich jetzt etwas auf. »Sie ist … also sie war die Intendantin des Theaters Kolibri«, erklärte sie, und ein Anflug von Stolz schwang in der Stimme mit. »Vielleicht kennen Sie es. Das kleine Theater am Wasserturm, direkt hier um die Ecke. Es hat in den letzten Jahren vom Münsteraner Publikum und von der Presse viel Aufmerksamkeit bekommen.«

Während Katharina bestätigend nickte, sagte Eva zögernd: »Gehört habe ich den Namen schon mal.«

»Da muss man auf jeden Fall Bescheid sagen. Die werden sich sonst wundern, wenn sie heute Nachmittag nicht erscheint. Und die Frau Decker vom Palliativnetz muss informiert werden. Sie hat Saskia in den letzten Wochen sehr intensiv begleitet.«

Katharina, die ihr Notizbuch vor sich liegen hatte, notierte sich den Namen der Schwester, der Bürokraft des Kolibris und schrieb noch Frau Deckers Namen auf. Dahinter setzte sie in Klammern das Wort Palliativnetz. »Gut«, sagte sie anschließend. »Ich brauche jetzt auch noch Ihren vollen Namen, Anschrift, Geburtsdatum und Beruf.«

»Raquel Maria Alvarez. Augustastraße 76. Geboren am 14. Mai 1976.«

Frau Alvarez gab außerdem an, als technische Zeichnerin für ein Architekturbüro am Ludgerikreisel zu arbeiten.

Eine Viertelstunde später standen Katharina, Eva und Frau Alvarez unten auf der Straße. Die beiden Streifenpolizisten hatten sich vor dem Eingang des Hauses postiert und forderten alle Passanten, die Anstalten machten, stehen zu bleiben, zum Weitergehen auf.

Frau Alvarez deutete auf das Haus gegenüber. »Da wohne ich. Gleich über dem Frisörsalon.«

»Salon Steffi«, las Eva vor und begutachtete das Schaufenster, in dem mehrere altmodische Trockenhauben auf Frisierköpfen thronten. »Originelle Deko.«

Raquel Alvarez deutete ein Lächeln an. »Von wegen Deko. Im Salon Steffi kommen solche Trockenhauben noch zum Einsatz.«

Bevor sich die Kommissarinnen von der Nachbarin und Freundin der Toten verabschiedeten, ermunterte Katharina sie, sich bei Ihnen zu melden, falls sie psychologische Unterstützung wünsche. »Bleiben Sie jetzt nicht alleine«, riet sie ihr und fügte hinzu: »Es kann sein, dass wir noch mal auf Sie zurückkommen. Sie fahren nicht weg in den nächsten Tagen, oder?«

Frau Alvarez schüttelte den Kopf, hob zum Abschied flüchtig die Hand und verschwand im Haus.

»Was hältst du von ihr?«, fragte Eva, die der dunkelhaarigen Frau nachgeschaut hatte.

»Erstens, sie hat kein Alibi. Zweitens, sie konnte ohne Schwierigkeiten die Wohnung betreten, und drittens, sie trauert aufrichtig um ihre Freundin.«

»Den Eindruck hatte ich auch. Ihre Trauer war auf keinen Fall gespielt. Sie kann einem leidtun.«

Ein Leichenwagen kam die Straße entlanggefahren. »Warten wir also die Obduktion ab. Dann werden wir ja sehen, ob wir uns mit Frau Alvarez noch mal eingehender werden beschäftigen müssen.«

2. KAPITEL

Ein halbes Jahr zuvor

Hartmut Korngut, Psychotherapeut und Coach für alternatives Konfliktmanagement, lenkte seinen orangefarbenen VW-Bus auf den Gästeparkplatz des Landgasthauses Am Nonnenbach. Er stieg aus, streckte sich und atmete tief ein und aus. Dabei hielt er die Augen geschlossen. Aus seinem Mund quollen weiße Wölkchen, die aussahen wie Wattebälle. Das bewusste Atmen, so predigte Hartmut den Teilnehmern seiner Seminare immer wieder, befreie Körper und Geist von Blockaden und helfe dabei, innere Spannungen zu lösen. Da die eiskalte Januarluft allerdings wie mit Nadeln in Hartmuts Lungenflügel stach, stellte er das bewusste Atmen schnell wieder ein. Er zog das Gummiband fest, das seine langen, eisgrauen Haare im Nacken zusammenhielt, und hob mit Schwung sein Gepäck aus dem Kofferraum.

Das Gasthaus Am Nonnenbach am Rande der Baumberge bestand aus zwei Fachwerkgebäuden aus dem 19. Jahrhundert, an denen der namensgebende Bach malerisch entlangplätscherte. Im Haupthaus wohnte das Ehepaar Förster mit ihrer Tochter Viola. Im Nebengebäude, einem ehemaligen Backhaus, waren im Erdgeschoss zwei Seminarräume und eine kleine Teeküche untergebracht. Im ersten Stock und unter dem Reetdach befanden sich die Gästezimmer. Die Försters beherbergten nicht nur Seminarteilnehmer, sondern immer wieder auch Touristen, die zu Fuß oder mit dem Rad in den Baumbergen unterwegs waren.

Von Bergen im eigentlichen Sinn konnte man bei dem Höhenzug westlich von Münster kaum sprechen, aber für das ansonsten flache Münsterland war diese alte Kulturlandschaft etwas Besonderes.

Hartmut hatte das Gasthaus einige Jahre zuvor durch Zufall entdeckt. Seitdem bot er hier regelmäßig Wochenendseminare an, denn die urige Atmosphäre des Hauses, die Ruhe und die Natur bildeten die perfekte Umgebung für die konstruktive Bearbeitung von Konflikten. Das Anwesen lag direkt an dem Waldgebiet Hengwehr und war ungefähr fünf Kilometer von Nottuln entfernt, einer Gemeinde im Kreis Coesfeld.

Hartmut hatte das Backhaus noch nicht ganz erreicht, als sich die Tür öffnete und eine junge Frau, mit Putzeimer und Lappen in der Hand, aus dem Haus trat. Agnes Förster war klein und von kräftiger Statur. Auf ihren Wangen lag ein gesunder, rosiger Schimmer. Hinter ihrer Brille blitzten muntere, blaue Augen. Hartmut lächelte seiner Gastgeberin entgegen. Er mochte Agnes sehr. Sie war freundlich und hilfsbereit, ohne dass es aufgesetzt wirkte. Man nahm ihr die Freude, ihren Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, ohne Weiteres ab.

»Ach, hallo, Hartmut«, rief sie ihm entgegen. »Du bist schon da? Ich bin mit den Zimmern noch gar nicht fertig.«

»Hallo, Agnes.« Hartmut hielt nicht viel vom Siezen, und so hatte er dem Ehepaar Förster, genau wie er das mit den Teilnehmern seiner Seminare zu tun pflegte, direkt zu Anfang das Du vorgeschlagen. »Kein Stress. Ich erwarte meine Leute erst um elf Uhr, aber du weißt ja, ich brauche immer etwas Vorlauf. Kann ich denn schon in den Seminarraum?«

»Das ist kein Problem«, sagte Agnes. Sie hielt dem Coach die Tür auf. »Komm rein. Der Kamin ist schon an. Es ist alles für euch vorbereitet.« Wie immer hatte sie ein Lächeln auf den Lippen, aber Hartmuts geschultem Blick entging nicht, dass um ihren Mund herum ein angespannter Zug lag.

Hintereinander betraten sie den Raum Gartenblick. Terracottafarbene Steinfliesen, rustikale Holzbalken und der offene Kamin schufen eine behagliche Atmosphäre.

Agnes deutete auf ein antikes Sideboard an der Wand neben dem Kamin. »Kaffee und schwarzen Tee habe ich schon gekocht. Wenn ihr Nachschub braucht, einfach Bescheid sagen.«

Hartmuts Blick streifte die beiden Warmhaltekannen, die aufgestapelten Tassen und den Teller mit Keksen. Er sah zu Agnes hinunter. »Perfekt.« Er zog eine Thermoskanne hervor, die er sich unter den Arm geklemmt hatte. »Du weißt ja, ich trinke nur meinen eigenen Tee.« Er blinzelte Agnes zu, die halbherzig zurücklächelte.

»Ich mache dann mal weiter. Ich wollte gerade einen neuen Staubsaugerbeutel von drüben holen.« Sie strich sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haares hinters Ohr.

»Ist alles in Ordnung, Agnes?«, fragte Hartmut mit gerunzelter Stirn.

Für einen Moment zögerte seine Gastgeberin mit der Antwort. Dann sagte sie: »Ja, alles gut. Ich bin nur etwas müde.«

Hartmut, der eine ausgeprägte Antenne für die Befindlichkeiten anderer Menschen hatte, nahm ihr das nicht ab. Er fand, dass Agnes weniger müde, sondern eher bedrückt wirkte, aber er wollte nicht weiter nachbohren. Er beließ es bei einem verständnisvollen Nicken und ging hinüber zu der Glasfront, die freien Blick in den Garten gewährte. Vor den bodentiefen Fenstern stand ein Tisch, um den sechs Stühle gruppiert waren. Er legte seinen Aktenkoffer darauf ab, ließ mit einem hellen Klack-Klack die Verschlüsse aufschnellen und holte die Seminarunterlagen hervor.

Hartmut war nicht nur Psychotherapeut und Coach für alternatives Konfliktmanagement, sondern auch ausgebildeter Heilpraktiker und Yogalehrer. Bei seinen Seminaren ließ er immer Aspekte aus beiden Bereichen einfließen. Mit diesem interdisziplinären Ansatz hatte er gute Erfahrungen gemacht.

Seine Gedanken wanderten zu Saskia Erler, der Intendantin des Theaters Kolibri. Sie hatte im Dezember per Mail Kontakt zu ihm aufgenommen. Danach hatten sie miteinander telefoniert, und Saskia hatte ihm geschildert, warum sie sich an ihn gewandt hatte.

Für Hartmut war schnell klar gewesen, wo das Problem lag. Als alternatives Kammertheater mit Wurzeln, die bis in die Achtzigerjahre zurückreichten, hatte sich das Kolibri jahrelang auf die Fahne geschrieben, Hierarchien flach zu halten und Entscheidungsprozesse unter der Einbeziehung aller Beteiligten anzustreben. In der Praxis führte das regelmäßig zu nervenaufreibenden Sitzungen, die nicht selten ergebnislos endeten. Saskia, die zunächst als Schauspielerin Teil des Ensembles gewesen war, bekam 2012 von der Gründerin des Theaters die Leitung übertragen. Sie hatte bald die Nase voll von den »Kaffeerunden, bei denen jeder seinen Senf dazugibt«, und berief sich auf die Satzung des Trägervereins. Dort war in Paragraf 3, Abs. 1 festgehalten, dass die Leitung sich bei wichtigen Entscheidungen, die der Weiterentwicklung und damit dem Wohl des Theaters dienten, lediglich mit dem Vorstand des Vereins einig werden müsse. Da Saskia die produktive Arbeit des Theaters zunehmend in Gefahr sah, machte sie immer öfters von Paragraf 3 Gebrauch. Sehr zum Missfallen ihrer Kollegen, von denen einige sie das offen spüren ließen.

Für Hartmut war eine solche Problematik nichts Neues. Er hatte oft mit Mitarbeitern von Vereinen, Initiativen oder Einrichtungen zu tun, die externe Unterstützung benötigten, weil unklare Strukturen sie fortwährend ausbremsten. Er erklärte Saskia, dass er auch in ihrem Fall sicher sei, etwas zu einer besseren Arbeitsatmosphäre beitragen zu können. Nachdem er seinen Kalender studiert hatte, teilte Hartmut der Intendantin mit, dass er in den kommenden drei Monaten nur noch ein Wochenende im Januar anbieten könne. Daraufhin entschied Saskia, das Theater Anfang des Jahres für ein Wochenende zu schließen – und buchte ein Seminar.

Nun erwartete Hartmut die Intendantin mit ihrem kleinen Ensemble, das aus drei Stammschauspielern und einer Bürokraft bestand. Die freien Schauspieler, die jeweils nur ein Engagement für eine Spielzeit hatten, wollte Saskia nicht mit in das Seminar einbinden. »Das wechselt zu häufig«, hatte sie erklärt, »und die sind auch nicht das Problem.«

Hartmut verteilte seine vorbereiteten Unterlagen. Losgehen würde es mit einem Warming-up, das es ihm ermöglichte, die fünf ein bisschen kennenzulernen und einen Eindruck davon zu bekommen, wie sie miteinander agierten. Wenn alles gut lief, dann konnten sie sich heute Nachmittag schon an die Methode der »Musterunterbrechung« herantasten. Dafür legte Hartmut nun mehrere Papierbögen und verschiedenfarbige Stifte auf den Tisch. Die Idee bei dieser Methode war, bei den einzelnen Teilnehmern bestimmte Verhaltensmuster aufzudecken und diese dann kritisch, aber konstruktiv zu beleuchten.

Der Höhepunkt des Seminars war für den Samstagabend geplant. Hartmut konnte auf viele Jahre Coaching zurückblicken und wusste aus Erfahrung, dass die Aktion, die er für den zweiten Abend des Seminars bereithielt, immer auch ein Experiment war. Es konnte ein voller Erfolg werden, und oft wurde es das auch. Aber es kam immer auch mal vor, dass die ganze Sache nach hinten losging. Aber selbst dann war sie für die Konfliktbearbeitung von Nutzen. Denn dann offenbarte sich glasklar, wo es noch Bedarf an Konfliktlösungen gab.

Hartmut ließ seinen Blick zufrieden über den Tisch wandern. Anschließend drehte er den Verschluss seiner Thermoskanne auf und goss etwas von dem heißen Lindenblütentee in den Becher. Mit dem Tee in der Hand stellt er sich ans Fenster. Als er vor der Tür Stimmen und Schritte hörte, wandte er sich um.

Es konnte losgehen.

3. KAPITEL

Es ist wirklich zum Verrücktwerden«, stöhnte Eva und schlug die Zeitschrift zu, in der sie geblättert hatte.

Es war inzwischen Spätnachmittag. Katharina und Eva saßen in ihrem Büro. Sie hatten eine Akte zum Todesfall von Saskia Erler angelegt und einen ersten Bericht geschrieben. Außerdem hatten sie das Theater, Saskia Erlers Schwester und die Sterbebegleiterin über den Tod informiert. Nun warteten sie auf das Ergebnis der Obduktion. Tatjana Peitz, die Gerichtsmedizinerin, hatte ihnen am Mittag versprochen, sich so schnell wie möglich mit einem Zwischenergebnis zu melden.

»Was ist denn?« Katharina schaute von ihrem Bildschirm hoch. Sie hatte die Website des Kolibri aufgerufen. Katharina war sich sicher, dass der Notarzt mit seiner Vermutung richtiggelegen hatte. Da konnte es nicht schaden, die Zeit zu nutzen, und sich mit Saskia Erlers Umfeld schon mal vertraut zu machen.

Wortlos hielt Eva Katharina eine Zeitschrift entgegen. Vom Titelbild strahlte ihr eine Braut in einem hautengen, bodenlangen Kleid entgegen.

»Ist etwas dabei?«, fragte Katharina.

Eva winkte ab. »Die Frage muss lauten: Ist etwas für mich dabei?« Sie deutete auf weitere Zeitschriften mit Brautmode, die sich neben der Tastatur ihres Computers stapelten. »Da sind jede Menge schöne Kleider drin, aber die sind alle so … so … so wahnsinnig eng geschnitten. Der Trend geht in dieser Saison eindeutig Richtung Schlauchkleid.« Sie seufzte tief und starrte trübsinnig auf den angebissenen Berliner, der vor ihr auf einem kleinen Teller lag.

»Dann schau dich doch noch mal im Internet um, oder wir gehen mal zusammen durch die Geschäfte. Das kann doch gar nicht sein, dass es nur einen Stil an Brautkleidern gibt.« Katharinas Blick glitt wieder zum Bildschirm.

Eva nickte dankbar. »Ja, lass uns mal zusammen shoppen gehen. Gott sei Dank, ist ja noch ein bisschen Zeit.«

Evas Hochzeit mit ihrem Freund Jesse war für September vorgesehen. Katharina, die den Gesamtschullehrer und alleinerziehenden Vater von drei Kindern sehr gut leiden konnte, freute sich sehr für Eva. Allerdings war sie der Meinung, dass Eva sich mit der Hochzeit und ihrem glühenden Wunsch, der Tag müsse perfekt und unvergesslich werden, schon jetzt überforderte. Das Thema hatte in den letzten Wochen so viel Raum eingenommen, dass Katharina das Wort Hochzeit und alles, was damit zusammenhing, kaum noch hören konnte. Sie war fast froh, dass mit der ungeklärten Todesursache im Fall Saskia Erler mal wieder etwas anderes in den Vordergrund gerückt war.

Katharina klickte auf die Fotos der Schauspieler und überflog die jeweiligen Kurzbiographien, die sich daraufhin öffneten. Als sie bei dem letzten Foto angekommen war, klingelte ihr Handy. Es war Tatjana. Katharina nahm das Gespräch entgegen und aktivierte den Lautsprecher.

»Ich habe alle meine anderen Analysen auf Stand-by gestellt«, erklärte Tatjana. »Wie immer, wenn ich jemanden von euch reinbekomme.«

»Du hast auf jeden Fall etwas gut bei uns«, sagte Katharina.

»Darauf komme ich zurück. Es gibt übrigens einen neuen, sehr schicken Italiener im Kreuzviertel. Vielleicht machen wir mal wieder einen Mädelsabend?«

»Unbedingt.« Katharina hörte, wie Tatjana auf ihren hohen Absätzen auf und ab ging. Sie konnte die Ärztin genau vor sich sehen. Bleistiftrock, Bluse, ein offener, weißer Kittel. Die eleganteste Gerichtsmedizinerin, die Katharina kannte.

Tatjana wurde sachlich. »Ihr bekommt Arbeit.« Sie raschelte mit mehreren Seiten Papier. »Ich habe Fasern in der Lunge des Opfers gefunden.«

»Saskia Erler wurde also erstickt?«

»So ist es. Sie weist keinerlei Abwehrverletzungen auf. Ich nehme an, dass sie im Schlaf überrascht wurde. Wir haben fremde DNA sichern können. Die könnte von der Nachbarin stammen, die sie gefunden hat. Das muss noch geklärt werden. Beim Todeszeitpunkt würde ich dem Kollegen zustimmen, der die Frau vor