Sprachförderung für ein- und mehrsprachige Kinder - Wiebke Scharff Rethfeldt - E-Book

Sprachförderung für ein- und mehrsprachige Kinder E-Book

Wiebke Scharff Rethfeldt

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Beschreibung

Mit Sprache entdecken, beschreiben und gestalten Kinder und Bezugspersonen ihre Umgebung. Wie die Sprache ein- und mehrsprachiger Kinder von der Geburt bis zu 9 Jahren gefördert werden kann, zeigt dieser praxiserprobte Leitfaden. Der kompetenzorientierte und kultursensible Sprachförderansatz "MehrSprachInterAktion" beinhaltet nicht nur grammatische Förderbereiche, sondern auch Sprachverständnis, Wortbedeutung, Kommunikation u.a. Das Buch beschreibt die wesentlichen Meilensteine der ein- und besonders der mehrsprachigen Entwicklung. Zu den jeweiligen Entwicklungschritten werden passende Strategien sowie praktische Ansätze und Spielideen für die Sprachförderung vorgestellt. Ein hilfreicher Begleiter für ErzieherInnen und LehrerInnen, die mit ein- und mehrsprachigen Kindern arbeiten - auch für Kinder mit Migrations- und Fluchterfahrung geeignet! Die 3. Auflage wurde aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht.

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Wiebke Scharff Rethfeldt

Sprachförderung für ein- und mehrsprachige Kinder

Ein entwicklungsorientiertes Konzept

Unter Mitarbeit von Bettina Heinzelmann3., aktualisierte Auflage

Mit 3 Abbildungen und 8 TabellenMit Online-Materialien

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof. Dr. phil. Wiebke Scharff Rethfeldt, Logopädin und Systemische Beraterin, ist Professorin für Logopädie an der Hochschule Bremen.

Bettina Heinzelmann, M. Sc., ist Lehrlogopädin an der Staatlichen Berufsfachschule für Logopädie in Regensburg und Doktorandin an der Universität Osnabrück.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03211-2 (Print)

ISBN 978-3-497-61755-5 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61754-8 (EPUB)

3., aktualisierte Auflage

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von © iStock.com/skynesher

Satz: Sabine Ufer, Leipzig

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort zur ersten Auflage

Vorwort zur dritten Auflage

1Sprache ist Kommunikation

1.1Was Sprache ist und warum sie gefördert werden sollte

1.2Sprache als Erwerbsaufgabe für das Kind

1.3Voraussetzungen für den Spracherwerb

1.4Mehrsprachige Kinder

Welche Rolle spielt das Alter beim Erwerb einer weiteren Sprache?

Wie wichtig ist die Unterscheidung zwischen simultanem und sukzessivem Mehrspracherwerb?

Profil des kindlichen Mehrsprachgebrauchs

1.5Mehrsprachige familiäre Erziehung

Was passiert, wenn mehrsprachige Eltern für die Interaktion mit ihrem Kind eine Sprache verwenden, die sie weniger gut beherrschen?

Was können Eltern tun, um den Spracherwerb ihres Kindes zu unterstützen?

1.6Sprachförderung

Störungen der Sprachentwicklung

Das Konzept „MehrSprachInterAktion“

2Entwicklung und Sprache von o bis 3 Jahren – Kleinkind

2.1Meilensteine der Sprachentwicklung

Das Spiel und seine Bedeutung für die entwicklungsorientierte Sprachförderung im Alter von 0 bis 3 Jahren

2.2Sprachmischungen

Ab wann wissen mehrsprachige Kinder, welche Sprache sie verwenden müssen?

2.3Sprachförderstrategien

Welche Sprachmerkmale, Verhaltensweisen und Haltungen der Bezugspersonen wirken sprachförderlich?

Sprachlehrstrategien

2.4Förderansätze und Spielideen

3Entwicklung und Sprache von 3 bis 6 Jahren – Vorschulkind

3.1Meilensteine der Sprachentwicklung

3.2Sprachvorbild

Das Sprachvorbild der Bezugsperson als Förderansatz

3.3Strategien älterer Kinder beim Deutscherwerb

3.4Sprachsozialisation und Elternkooperation

Zur Bedeutung des familiären Lernumfeldes — Home Learning Environment

Kultursensible Sprachförderung

3.5Förderansätze und Spielideen

4Entwicklung und Sprache von 6 bis 9 Jahren – Schulkind

4.1Meilensteine der Sprachentwicklung

Phonologische Bewusstheit

4.2Sprachentwicklung und Entwicklung der Literalität

Sprachkompetenz und Lerntransfer

Von der Umgangssprache zur Schriftsprache — „Alltagsdeutsch“ und „Bildungsdeutsch“

4.3Zur Entwicklung von Biliteracy

4.4Eine weitere Sprache ab 6 Jahren

Je früher desto besser? Je später desto anders!

4.5Förderansätze und Spielideen

4.6Das Sprachenporträt

Literatur

Sachregister

Online-Material

Leserinnen und Leser dieses Buches können sich die von Prof Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt entwickelten Fragenbögen zum kindlichen Mehrsprachgebrauch unter

www.logo-com.netflogo-com.net/Veroffentlichungen.html

herunterladen. Eine Kopiervorlage für die Silhouette zum Anfertigen eines Sprachenportraits gibt es auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter

http://www.reinhardt-verlag.de

.

Vorwort zur ersten Auflage

Die Erfahrungen aus langjähriger Praxis-, Fortbildungs- und Lehrtätigkeit im Bereich der kindlichen Sprachentwicklung und deren Störungen, der Sprachförderung und Mehrsprachigkeit zeigen wiederholt auf, dass viele Missverständnisse kursieren, unterschiedlich motivierte Herangehens- und Sichtweisen den jeweiligen Förderansatz bestimmen und die Fachwelt zum Thema „Mehrsprachigkeit“ von einem Konsens noch immer entfernt ist.

Auch zeigt sich, dass die Förderung von Sprache noch allzu häufig auf die Förderung der deutschen Grammatik reduziert wird sowie bei mehrsprachigen Kindern nicht Sprachfähigkeit, sondern lediglich Deutschkenntnisse im Vordergrund stehen. Praktikern ist es in Anbetracht des zunehmend sprachlich und kulturell diversen Arbeitsalltags somit oftmals erschwert, sich im Dschungel der unterschiedlichen Theorien, entsprechenden Empfehlungen und verschieden ansetzenden Fördermaßnahmen zurechtzufinden, um tatsächlich geeignete Methoden abzuleiten.

Mit diesem Buch soll daher ein praxisorientierter und -erprobter Ansatz zur fundierten Sprachförderung ein- und mehrsprachiger Kinder vorgestellt werden. Dabei konzentriert sich der kompetenzorientierte Ansatz „Mehr-SprachInterAktion“ vielmehr auf kommunikative als auf sprachstrukturelle Förderbereiche, um somit erstmals auch Impulse für die Förderung der erstsprachlichen Kompetenzen mehrsprachig aufwachsender Kinder zu geben. Deren Bedeutung für die Sprachentwicklung und den Erwerb der Bildungssprache Deutsch wird bislang noch zu häufig unterschätzt. So bleibt der vorliegende Sprachförderansatz auch nicht auf den vorschulischen Altersbereich begrenzt. Vielmehr berücksichtigt er die Entwicklung und somit die Förderung der kindlichen Sprachentwicklung sowohl vorher als auch über den Elementarbereich hinaus.

Das vorliegende Buch versteht sich dabei als Praxisleitfaden mit fundiertem Theorie-Unterbau für die Altersgruppen 0 - 3, 3 - 6 und 6 - 9 Jahre. Wichtigste aktuelle Erkenntnisse sollen anschaulich beschrieben und hieraus individuell gestaltbare, praxisrelevante Fördermaßnahmen abgeleitet werden können. Die Praxisvorschläge stellen ein auf die jeweilige Altersgruppe abgestimmtes Angebot dar, das erweitert, modifiziert und den jeweiligen Bedarfen angepasst werden kann. Das Konzept und die Ideensammlung selbst erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind vielmehr als Methodenvorschlag auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse und systemisch orientierter Sichtweise in einem soziokulturell dynamischen Bedingungsgefüge zu verstehen.

Jedes Konzept, welches den Anspruch erhebt, sich in der Praxis bewährt zu haben, bedarf hierzu der Rückmeldungen derjenigen, die sich theoretisch damit auseinandergesetzt und es schließlich im Arbeitsalltag erprobt haben. So gilt unser Dank den bundesweiten Seminarteilnehmerinnen und — teilnehmern als Verantwortliche in Kindertagesstätten, Grundschulen, Sekundarstufe I und Förderschulen, Vorkursen, Starterklassen, frühkindlichen Präventionsprogrammen sowie dem Bereich der Frühförderung. Den multinationalen und mehrsprachigen Eltern sei für ihre wertvollen, offenen Rückmeldungen zur Umsetzung und Akzeptanz im kindlichen Lebensalltag gedankt.

Eine Übersetzung des im Rahmen des Sprachförderkonzeptes „MehrSprach-InterAktion“ entwickelten Profils zum kindlichen Mehrsprachgebrauch „Pro-Multi“ wäre ohne die mehrsprachigen und interkulturellen Kompetenzen von Nina Jordanova (), Peiping Lin (), Julia Vorrat () und Elvan Wegener (teşekkürle) nicht möglich gewesen. Frau Eva Maria Reiling vom Reinhardt Verlag hat das Projekt aufgenommen, Frau Christine Wiesenbach hat es bis zum Abschluss konstruktiv und sorgfältig begleitet. Hierfür sei beiden herzlich gedankt!

Wiebke Scharff Rethfeldt und Bettina Heinzelmann

Bremen im März 2016

Vorwort zur dritten Auflage

Die Redewendung, dass Kinder eine Sprache spielend lernen würden, ist Ausdruck einer häufigen Fehleinschätzung geworden.

Zwar wird Sprachförderung seit vielen Jahren ein großer Stellenwert zugesprochen. Jedoch zeigen mehrere Studien, dass verschiedene Konzepte institutioneller Sprachförderung ohne den erhofften Erfolg geblieben sind. Neben Beeinträchtigungen in der Sprachgesundheit sind es vor allem herausfordernde soziokulturelle Bedingungen im kindlichen Umfeld, die sich ebenfalls in der sprachlichen Entwicklung abbilden. Das heißt nur, weil ein Kind einer Sprache exponiert ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass es sprachkompetent wird und schließlich Lese- sowie Schreibfähigkeiten erwirbt, die für einen erfolgreichen Schulbesuch elementar sind.

Die mit dem Spracherwerb assoziierten Herausforderungen zeigen sich bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern in besonderem Maße.

So reicht eine mehrsprachige Umgebung allein nicht aus, damit ein Kind mehrsprachig wird. Denn, von einer Sprache umgeben zu sein oder sie über Medien zu (über)hören, schafft nicht das notwendige interaktive Lernerlebnis.

Wie der Einspracherwerb, ist auch Mehrspracherwerb weder einfach noch selbstverständlich. Der Erwerb einer einzelnen Sprache nimmt oftmals einen anderen und langsameren Verlauf, wenn Kinder zwei oder mehr Sprachen gleichzeitig erwerben. Denn sie erhalten in jeder ihrer Sprachen weniger Sprachanregung als einsprachig aufwachsende Kinder.

Da aber in unserer Gesellschaft zunehmend mehr Kinder mit mehr als einer Sprache aufwachsen; ist es wichtig zu wissen, wie ihre unmittelbaren Bezugspersonen sowie Entscheidungsträger und pädagogische Fachkräfte in Einrichtungen den Mehrspracherwerb von Kindern bestmöglich unterstützen können.

Schließlich bilden Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten wesentliche Voraussetzungen für Teilhabe und Bildung als zentrale Merkmale einer funktionierenden Gesellschaft.

Innerhalb von sechs Jahren liegt mit diesem Buch nun die dritte Auflage des evidenzbasierten Förderkonzeptes „MehrSprachlnterAktion“ vor. Über die positiven Rückmeldungen zur Implementierung in die Praxis freuen wir uns sehr. Sie sind uns Motivation und zugleich Anspruch, das vorliegende Konzept stets auf Aktualität hin zu überprüfen.

Wiebke Scharff Rethfeldt und Bettina Heinzelmann

Bremen im September 2022

1Sprache ist Kommunikation

1.1Was Sprache ist und warum sie gefördert werden sollte

Sprache und gesellschaftliche Teilhabe

Eine gesunde Sprachentwicklung und eine erfolgreiche Sprachbildung sind optimale Bedingung dafür, dass Kinder in ihrer Welt wirken, diese begreifen und einen erfolgreichen Bildungsweg einschlagen können. So werden sie Teil der sie umgebenden Gesellschaft und können später sowohl persönlich als auch beruflich wirken. Dabei reichen die sprachlichen Fähigkeiten des Verstehens und Sprechens nicht aus — auch Lesen und Schreiben, also die Schriftsprache, sind eine wesentliche Voraussetzung, um als „vollwertiges“ Mitglied der Gesellschaft agieren zu können.

Folgen sozialer Beeinträchtigungen

Alle Kinder, d. h. sowohl einsprachige als auch mehrsprachige Kinder, deren Sprache schlechter als die der Peers ist, zeigen ein erhöhtes Risiko für soziale Beeinträchtigungen (Clegg et al. 2005), Verhaltensauffälligkeiten und psychiatrische Probleme (Conti-Ramsden et al. 2013; Snowling et al. 2006), ausbleibenden Schulerfolg (Durkin et al. 2012; Johnson et al. 2010) sowie zukünftige Arbeitslosigkeit und / oder ökonomische Benachteiligung (Parsons et al. 2011).

Viele Erwachsene wissen, dass Sprache ein zentraler Schlüssel für den Bildungserfolg und somit für den künftigen Verlauf des Bildungsweges eines Kindes mit entscheidend ist. Schlagwörter wie „Gesellschaftliche Teilhabe“ und „Chancengleichheit“ tauchen in diesem Zusammenhang ebenso auf wie „Sprachkompetenz“ und „Sprachförderung“.

Kinder wissen dies (noch) nicht. Die kindliche Perspektive auf Sprache ist eine vollkommen andere. Kinder sind von Natur aus neugierig und motivierte Sprachlerner. Sie sind innovativ, zeigen häufig kreative Wortneuschöpfungen und entwickeln ihre Sprachfähigkeiten fortlaufend weiter. Dies vor allem dann, wenn sie entdecken, dass sie mit dem Medium „Sprache“ als Ausdrucksmittel ihrer Wünsche und Intentionen auf das Verhalten anderer Menschen und die Umwelt Einfluss nehmen und wirken können.

Komponenten der Sprachentwicklung

Sprache selbst ist wie die Sprachentwicklung sehr dynamisch und äußerst komplex. Zur Beschreibung sprachlicher Kompetenzen lassen sich formalsprachliche Aspekte unterteilen. So werden im Deutschen folgende Komponenten unterschieden: Prosodie (Betonung und Rhythmus), Phonetik und Phonologie (Struktur, Kombination, Funktion und Bedeutung der Laute), Morphologie (Form und Bildung der Wörter), Syntax (Satzbau), Lexikon (aktiver und passiver Wortschatz), Semantik (sprachliche Bedeutung) und Pragmatik (sprachliches Handeln).

Zeitlich vor sowie parallel zur Entwicklung der expressiven (aktiven) Sprachfähigkeiten in den einzelnen Ebenen, entwickelt sich das Sprachverständnis, also die rezeptive (passive) Fähigkeit, Sprache zu entschlüsseln, zu verstehen und zu interpretieren.

Als Ergebnis eines optimalen Erwerbs aller Entwicklungsschritte und deren angemessener Kombination auf allen Ebenen zeigt sich die Sprachfähigkeit im Sinne von Sprachkompetenz eines Menschen.

kommunikative und repräsentative Funktion

Sprache ist vor allem ein Medium zur sozialen Kommunikation. Über Sprache können wir uns mit anderen Menschen verbinden und sie integrieren; wir können Sprache aber auch dazu verwenden, um andere auszugrenzen und ihre Gefühle zu verletzen. Wir treten miteinander in einen Dialog und sprechen miteinander, weil wir uns mitteilen oder etwas von anderen erfahren, weil wir andere überzeugen oder Einfluss nehmen wollen (kommunikative Funktion von Sprache). Mit Hilfe von Sprache können wir anderen abstrakte Inhalte wie unsere Gedanken, Gefühle, Absichten und Bedüfnisse vermitteln.

Sprache hat nicht nur einen Einfluss darauf, wie wir die Dinge um uns herum benennen, sondern auch, wie wir die Welt wahrnehmen und welches geistige Bild wir uns von der Welt machen (repräsentative Funktion von Sprache). Mit Hilfe von Sprache erzeugen wir Vorstellungen in den Köpfen anderer Menschen. Unser Sprachgebrauch sagt etwas über uns aus — er ist unsere verbale Visitenkarte.

Sprachfähigkeit vs Sprachkenntnisse

Sprache ist ein Begriff, der häufig pauschal für unterschiedliche Inhalte und Zielsetzungen verwendet wird. Dabei erfordert der Begriff „Sprache“ eine differenzierte Betrachtung. So wird im Deutschen nicht zwischen Sprache im Sinne von Sprachfähigkeit und Sprache im Sinne von Kenntnissen einer Einzelsprache unterschieden. Wer aber nicht zwischen Sprachfähigkeit und Sprachkenntnissen (wie Deutschkenntnissen) differenziert, wird in der Folge geneigt sein, sprachliche Förderziele auf formalsprachliche Bereiche zu reduzieren. Dabei ist Sprachfähigkeit viel mehr als Vokabelwissen und die regelrechte Aneinanderreihung bestimmter Wortformen zu einem Satzgefüge, überdies ist es auch die Fähigkeit, sich durch Kommunikation kompetent in der Gesellschaft und dem eigenen Lebensumfeld zurechtzufinden. Dennoch erhalten die Größe des Wortschatzes sowie grammatische Fähigkeiten in Krippen, Kindergärten sowie im Elementarbereich zunehmend mehr Gewichtung bei der Gestaltung von Lern- und Bildungsplänen.

Abb. 1: Verschiedene Bezüge des Sprachbegriffs

Sprache ist mehr als Deutschkenntnisse, somit bedeutet

Sprachförderung

mehr als die Förderung von Kenntnissen der deutschen Sprache. Diese Differenzierung ist ebenso von entscheidender Bedeutung, wenn es um Sprachförderung im Kontext von Mehrsprachigkeit geht.

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Zentrale Voraussetzungen zur Sprachentwicklung liegen im Gehirn, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die grundsätzliche Sprachfähigkeit Teil der genetischen Disposition ist. Wie sich das angeborene Talent entwickelt, hängt neben biologischen Reifungsprozessen jedoch stark von den Lebensbedingungen und Kommunikationssituationen, und somit vom kindlichen Umfeld, ab.

Bedeutung der Interaktion

Die unmittelbaren Bezugspersonen, zumeist die Eltern, haben einen entscheidenden, verantwortungsvollen Einfluss auf die Sprachentwicklung des Kindes. Ohne eine sozioemotionale Beziehung zu anderen Menschen und ohne deren sprachliche Anregung (Input) ist Sprachentwicklung nicht möglich. Denn Kinder entwickeln Sprache in der Interaktion mit ihren Bezugspersonen. Dabei verdeutlicht das Wort Interaktion, dass neben dem sozialen Wechselspiel zwischen dem Kind und einer weiteren Person (inter), ebenso das direkte Handeln und Erleben (Aktion), und demnach das gemeinsame Tun, einen wesentlichen Rahmen zur Förderung der sprachlichen Fähigkeiten bildet. Das gemeinsame Handeln stellt also die Grundlage einer kindgerechten Sprachförderung dar, die sich am kindlichen Entwicklungsprozess der Handlungsmöglichkeiten und Interessen orientiert.

So begleiten Bezugspersonen in der Interaktion mit Kleinkindern häufig das an das Hier und Jetzt gebundene gemeinsame Handeln sprachlich, bevor sie mit älteren Kindern über etwas sprechen, und damit Sprache losgelöst vom Kontext (abstrakt) im Dialog mit dem Kind unter Bezug auf nicht direkt stattfindende Handlungen anwenden.

Meilensteine

Kinder entwickeln ihre Sprachfähigkeit demnach im Zusammenspiel der sozial-kommunikativen, kognitiven und sprachlichen Entwicklung. Die sprachliche Entwicklung beruht dabei genauso auf Reifungsprozessen wie auch auf Erkenntnisprozessen, die vom Umfeld des Kindes beeinflusst werden können (Kap. 1.2). Dies spiegelt sich in der individuell sehr unterschiedlichen Sprachentwicklung bei Kindern wider, obgleich es bestimmte „Meilensteine“ der Sprachentwicklung gibt, die zu bestimmten Zeitpunkten in der kindlichen Entwicklung erreicht werden. So produziert eine Vielzahl von Kindern erste Wörter im Alter von ca. zwölf Monaten; das Wort selbst und die Häufigkeit der Äußerungen aber variieren stark.

soziokulturelle Komponente

Aufgrund des starken Einflusses des Umfeldes hat Sprache eine starke soziokulturelle Komponente. Sie ist eine kulturelle Fähigkeit, in deren Entwicklungsbedingungen man hineingeboren und von der man geprägt wird. Unser Sprachverhalten erwerben wir von unseren Bezugspersonen, die uns ihre Einstellungen, Auffassungen und Haltungen größtenteils unbewusst, aber oft auch bewusst vermitteln („Das sagt man aber nicht!“).

Sprache ist auch Ausdruck ihrer Zeit. So sind heutzutage im deutschen Wortschatz zahlreiche Lehnwörter und Anglizismen wie Box oder cool zu finden. Wörter kommen („krass“) und gehen auch wieder („Nietenhose“), so wie die Menschen, die sie verwenden. Dies trifft nicht nur auf Wörter, sondern auch auf Elemente der Grammatik wie des Satzbaus oder des Kasus zu („weil ich hab kein Geld mehr“). Sprache unterliegt dem zeitlichen Wandel.

Identität

Sprache ist also mehr als ein Medium zur Kommunikation. Sie spiegelt gesellschaftliche Bedingungen wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, einer Gesellschaft, einem Volk wider und vermittelt damit das Gefühl von Identifikation. Zugleich stellt sie durch Wortwahl, regionale Färbung, Betonung und Modulation ein individuelles Persönlichkeitsmerkmal dar. Sprache ist neben der persönlichen Visitenkarte also zugleich Ausweis kultureller Identität.

Sprachprestige

Es gibt zahlreiche Einzelsprachen (sog. Sprachcodes), die ebenfalls leben und sterben können, und die je nach Sprachprestige gesellschaftliche Wertschätzung oder Diskriminierung erfahren. Dass Sprachen wie Englisch als Zweitsprache seit langer Zeit „in“ und Chinesisch „im Kommen“ ist, belegen nicht zuletzt die entsprechenden Angebote in Kindertageseinrichtungen, während z. B. bilinguale deutsch-polnische Krippen hierzulande noch unterrepräsentiert sind.

Deutsch in Deutschland (und anderen deutschsprachigen Ländern) verstehen, sprechen, lesen und schreiben können — das ist im Zeitalter der Migration im Einwanderungsland Deutschland (sowie auch in Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz) nicht mehr selbstverständlich. In der Europäischen Union mit 24 gleichberechtigten Amtssprachen lautet die Devise „Mehrsprachigkeit ist Bildungsziel“ (2015). Die (Bildungs-)Politik steht vor der schwierigen Aufgabe, sprachliche Vielfalt als Bildungsziel und zugleich Zuwanderern Deutsch als wichtige Sprache zu vermitteln, deren Beherrschung — auch als Schriftsprache — die Voraussetzung für Chancengleichheit und eine aktive Teilhabe an einem friedlichen gesellschaftlichen Zusammenleben ist.

Damit wird deutlich, dass auch die Förderung von Sprache insgesamt vielfältig ist, und alle Kinder — ganz gleich ob ein- oder mehrsprachig — auf dem Weg, ein aktiv teilhabendes Mitglied unserer Gesellschaft zu werden, eine entwicklungsorientierte gesamtsprachliche Förderung bzw. Sprachenförderung erfahren sollten. Zum Angebot einer altersgruppenspezifischen Förderung finden sich Hinweise in den entsprechenden nachfolgenden Kapiteln.

1.2Sprache als Erwerbsaufgabe für das Kind

Begriffe

Das Wort „Sprachentwicklung“ verdeutlicht, dass das Kind bereits angelegte Potenziale mitbringt, die reifen und im wechselseitigen Zusammenspiel mit der Umwelt weiterentwickelt werden. Als Ergebnis dieser vielfältigen Reifungs- und Erkenntnisprozesse entwickelt und verfügt das Kind zunehmend über nichtsprachliche sowie sprachspezifische Strategien, mit deren Hilfe es allmählich die Regeln zum Sprachgebrauch erwirbt.

Das Wort „Spracherwerb“ verdeutlicht, dass, neben der Umwelt, vor allem dem Kind zur Bewältigung dieser Aufgabe eine aktive Rolle zukommt. So gilt es, sich das Produkt Sprache als Kompetenz (anzuwendendes Wissen) sowohl in Form als auch in Funktion aktiv anzueignen.

Komponenten der Sprache

Um das zu erwerbende Gesamtsystem Sprache mit seinen einzelnen grundsätzlichen Komponenten, die wiederum ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten haben, übersichtlich darzustellen, wird eine kurze Produktbeschreibung in Tabellenform vorgenommen (Tab. 1). Jede dieser Komponenten hat in Abhängigkeit der betreffenden Einzelsprachen eine andere oder eigene Funktion. Anhand ausgewählter Beispiele unterschiedlicher Sprachen wird deutlich, dass die jeweilige Sprache, den Erwerb (sprach-)spezifischer Regeln voraussetzt.

Tab. 1: Grundlegend zu erwerbende Komponenten der Sprachen und ihre Funktionen

Insgesamt ist die Entwicklung der Sprache auf sämtlichen relevanten Ebenen ein komplexes Bedingungsgefüge. Ihre Bewältigung stellt eine fortlaufende und komplexe Erwerbsaufgabe dar. Insofern sind auch im Rahmen der Sprachförderung sämtliche Komponenten der jeweiligen Einzelsprache zu berücksichtigen.

impliziter Spracherwerb

Diese Art der Betrachtung geschieht aus der Erwachsenenperspektive heraus. Wie eingangs beschrieben, erwerben Kinder Sprache in den ersten Jahren nicht bewusst (explizit). Sie entwickeln und entdecken ihre Sprache(n) vielmehr unbewusst (implizit) in der alltäglichen Interaktion und in alltäglichen Handlungen, die von Bezugspersonen sprachlich begleitet werden. Zur Aufnahme (Intake) dieses sprachlichen Inputs, braucht das Kind nicht nur ein gesundes Gehör. Sein Gehirn bearbeitet die sprachlichen Informationen induktiv, d. h. es erkennt und vergleicht unbewusst sprachliche Regelmäßigkeiten der Umgebungssprache(n), speichert sie und leitet daraus Regeln für die weitere Anwendung ab — es lernt. Der Spracherwerb erfordert demnach Bezugspersonen, die gemeinsam mit dem Kind handeln, diese Handlungen sprachlich begleiten und somit interaktive Lerngelegenheiten schaffen.

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Die

Pragmatik

wurde, ähnlich wie die Prosodie, in vielen Konzepten zur Sprachförderung bislang vernachlässigt. So stehen auch heute noch primär grammatische Fähigkeiten im Fokus der Förderung von

Deutsch als Zweitsprache