Sprachförderung im Unterricht der Sekundarstufe 1 - Markus Spreer - E-Book

Sprachförderung im Unterricht der Sekundarstufe 1 E-Book

Markus Spreer

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Beschreibung

Im Unterricht der Sekundarstufe kommt sprachlichen Fähigkeiten eine Schlüsselrolle zu, da die sprachlichen Anforderungen steigen. Beispielsweise stellt der wachsende Fachwortschatz junge Menschen vor besondere Herausforderungen. Dieses Buch gibt einen Überblick über mögliche sprachliche Barrieren in der Schule, die Jugendliche mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) oder Sprachbeeinträchtigungen bewältigen müssen. Auch die Auswirkungen auf das gesamtschulische Lernen werden thematisiert. Konkrete Diagnose- und Unterstützungsmöglichkeiten sowie vielfältige Praxisideen am Beispiel einzelner Fächer regen Lehrkräfte an, einen sprachsensiblen und sprachförderlichen Unterricht zu gestalten.

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Markus Spreer • Anja Theisel

Sprachförderung im Unterricht der Sekundarstufe 1

Mit 27 Abbildungen und 20 Tabellen

Mit einem Beitrag von Katharina Weiland und Illustrationen von Christine Pitzer

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof. Dr. Markus Spreer ist Sprachheilpädagoge und lehrt und forscht am Institut für Förderpädagogik an der Universität Leipzig.

PD Dr. Anja Theisel ist Sprachheilpädagogin und leitet das Seminar für Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte – Abteilung Sonderpädagogik in Heidelberg.

Im Ernst Reinhardt Verlag ebenfalls erschienen:

Spreer, M.: Diagnostik von Sprach- und Kommunikationsstörungen im Kindesalter. Methoden und Verfahren (2018; ISBN 978-3-8252-4946-5)

Hinweis: Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03216-7 (Print)

ISBN 978-3-497-61806-4 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61807-1 (EPUB)

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Cover: gestaltet auf der Grundlage einer Illustration von Christine Pitzer

Illustrationen im Innenteil: Christine Pitzer

Satz: Bernd Burkart; www.form-und-produktion.de

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort

1Sprache und Kommunikation im Unterricht der Sekundarstufe

1.1Bedeutung von Sprache und Kommunikation im Lehr-Lern-Setting

1.2Sprachliche Herausforderungen im Unterricht

1.3Sprachliche Heterogenität

1.4Sprach-/Lernbarrieren

1.5Sprachliche Unterstützung als Aufgabe aller Fächer

1.6Nachteilsausgleich

1.7Übergang/Vorbereitung Berufsausbildung

2Lernausgangslage ermitteln

2.1Diagnostische Erfassung sprachlicher Kompetenzen

2.2Methoden der Erfassung sprachlicher Kompetenzen

2.2.1Kriteriengeleitete Beobachtung im Unterricht

2.2.2Einsatz von Screening- und Testverfahren

2.3Interdisziplinäres Vorgehen

2.4Schwerpunkt: Mehrsprachigkeit

2.5Einschätzung kontextbezogener Faktoren

3Sprachverstehen

3.1Theoretischer Hintergrund

3.2Diagnostik

3.2.1Beobachtung

3.2.2Testverfahren

3.3Unterstützung & Förderung

3.3.1Prinzipien der Förderung

3.3.2Lehrersprache

3.3.3Gesprächsführung

3.3.4Handlungsbegleitendes Sprechen

3.3.5Gezielte Interventionen

4Aussprache

4.1Theoretischer Hintergrund

4.2Diagnostik

4.3Unterstützung & Förderung

5Wortschatz

5.1Theoretischer Hintergrund

5.2Diagnostik

5.2.1Beobachtung

5.2.2Befragung

5.2.3Testverfahren

5.3Unterstützung & Förderung

6Grammatik

6.1Theoretischer Hintergrund

6.2Diagnostik

6.2.1Beobachtung

6.2.2Testverfahren

6.3Unterstützung & Förderung

6.3.1Prinzipien der Förderung

6.3.2Gezielte Interventionen

7Pragmatik-Kommunikation

7.1Theoretischer Hintergrund

7.2Diagnostik

7.2.1Beobachtung

7.2.2Testverfahren

7.3Unterstützung & Förderung

7.4(Selektiver) Mutismus

8Redefluss

8.1Theoretischer Hintergrund

8.2Diagnostik

8.3Unterstützung & Förderung

8.3.1Stottersymptomatik

8.3.2Poltersymptomatik

9Lesen

9.1Theoretischer Hintergrund

9.2Diagnostik

9.2.1Beobachtung

9.2.2Testverfahren

9.3Unterstützung & Förderung

9.3.1Leseflüssigkeit

9.3.2Leseverstehen

9.3.3Lesemotivation

9.3.4Lesesozialisation

10Schreiben (Von Katharina Weiland)

10.1Rechtschreibung

10.1.1Theoretische Grundlagen

10.1.2Diagnostik

10.1.3Unterstützung & Förderung

10.2Texte verfassen

10.2.1Theoretische Grundlagen

10.2.2Diagnostik

10.2.3Unterstützung & Förderung

11Sprachförderung im Fachunterricht

11.1Deutsch

11.2Fremdsprachen

11.3Mathematik

11.4Naturwissenschaften

11.5Gesellschaftswissenschaften (Beispiel Geschichte)

11.6Sport

11.7Musik

11.8Kunst

12Übersichten zu Praxismaterialien, Links, Organisationen

12.1Übersicht der diagnostischen Materialien

12.2Weiterführende Literatur

12.3Weiterführende Informationen und Materialien

12.4Anlaufstellen und Kontakte

Literatur

Vorwort

Sprache gilt als „Schlüssel zur Welt“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017) und sprachliche Kompetenzen als „Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe“ (König/Friederich 2014, 9). Dabei ist die Sprachentwicklung, der Auf- und Ausbau sprachlicher Fähigkeiten, als komplexer, vielschichtiger Prozess zu verstehen und stets im Kontext der Gesamtentwicklung zu sehen.

Aufgrund der starken Interdependenz mit anderen Entwicklungsbereichen beeinflussen die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes beispielsweise auch dessen kognitive und sozial-emotionale Entwicklung – und damit die Bildungsprozesse sowie die soziale und gesellschaftliche Teilhabe des Kindes (Rißling et al. 2016). Auch der Aufbau einer persönlichen und gesellschaftlichen Identität ist in besonderer Weise an die Sprachbeherrschung geknüpft (Hasselhorn/Sallat 2014).

Aus diesem Grund ist die Berücksichtigung sprachlicher Kompetenzen in allen Unterrichtsfächern sowie im schulischen Kontext insgesamt zentral, nicht nur in der Primarstufe, sondern bis zum Übergang in die berufliche Bildung. Auch wenn der Sprachentwicklungsprozess vordergründig abgeschlossen zu sein scheint, dauert er bis ins Jugendalter an. Dabei steigen die sprachlichen Anforderungen mit zunehmender Komplexität der fachlichen Inhalte im Bildungsprozess, und damit bis in die Sekundarstufe hinein, an. Das Wissen darum ist in den letzten Jahren, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Schülerinnen und Schülern (SuS) mit Migrationshintergrund, gestiegen. Zunehmend beschäftigen sich die Fachdidaktiken, ausgehend von den curricularen bildungssprachlichen Anforderungen im Unterricht, mit der Konzeption eines sprachsensiblen Fachunterrichts, der grundsätzlich für alle SuS von Relevanz ist. Außerdem entwickelt der Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Konzepte und Methoden zu Adaptionsmöglichkeiten in der unterrichtlichen Gestaltung für SuS mit heterogenen sprachlichen Lernvoraussetzungen.

Vor dem Hintergrund der (sprachlichen) Unterstützungsbedarfe von SuS mit Sprachbeeinträchtigungen gibt es in der Sprachheilpädagogik eine lange Tradition, sprachliche Lernvoraussetzungen der SuS im Bildungsprozess zu berücksichtigen und so schulisches Lernen (wie z. B. den Schriftspracherwerb) zu ermöglichen und darüber hinaus Unterricht auch therapeutisch zu nutzen (Baumgartner 2006). Die dabei von den verschiedenen Disziplinen bislang beschriebenen Methoden und Vorgehensmöglichkeiten weisen deutliche Überschneidungen auf. So finden sich Zusammenstellungen von sprachsensiblen Unterrichtspraktiken (Wildemann/Fornol 2020), die sich des Repertoires der aktuellen fachdidaktischen Diskurse genauso bedienen wie der Erkenntnisse aus dem Bereich DaZ (z. B. mit der Methode des Scaffoldings). Bastians (2018b) dokumentiert in ihrer Gegenüberstellung von sprachsensiblem Fachunterricht und sprachheilpädagogischem Unterricht ebenfalls entsprechende Überschneidungsbereiche. Allerdings sind sowohl die Forschungsbemühungen als auch der fachwissenschaftliche Diskurs zwischen den Disziplinen bisher wenig vernetzt. Deshalb ist es ein Anliegen der vorliegenden Publikation, Erkenntnisse aus den oben beschriebenen Forschungsbereichen zusammenzuführen und für die Nutzung in der Praxis zu integrieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Praxisbeispielen, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern versuchen, anhand einzelner Beispiele eigene Ideen anzuregen und in den Unterricht zu integrieren.

Bedeutsam ist, dass nicht nur der Deutschunterricht, sondern alle Unterrichtsfächer in den Blick genommen werden müssen, da beispielsweise die sprachlichen Anweisungen im Sportunterricht oder vorgelegte (dekontextualisierte) Quellen im Geschichtsunterricht ebenso herausfordernd für einzelne SuS sein können wie eine Gedichtinterpretation.

Um dies deutlich zu machen, werden nach einer grundlegenden Einführung zur Bedeutsamkeit von Sprache und ihren Herausforderungen im Bildungskontext (Kap. 1) wichtige Hinweise zur Erhebung der Lernausgangslage aufgezeigt (Kap. 2). Anschließend werden sowohl das Sprachverstehen (Kap. 3) als auch die mündliche Sprachproduktion auf den unterschiedlichen sprachlichen Ebenen (Kap. 4 – 7) sowie die Schriftsprache beleuchtet (Kap. 9 und 10). In diesen Kapiteln wird jeweils zuerst kurz der theoretische Hintergrund dargestellt, um darauf aufbauend diagnostische Hinweise zur Erfassung der Lernausgangslage im jeweiligen Bereich und Ideen zur Förderung im Unterricht aller Fächer zu geben.

Da diese Ideen grundsätzlich in allen Unterrichtsfächern Anwendung finden können, werden erst anschließend spezifische Herausforderungen sowie Praxisvorschläge für einzelne Unterrichtsfächer in Kapitel 11 thematisiert. In Kapitel 12 finden sich abschließend weiterführende Hinweise.

Wir danken insbesondere Dr. Katharina Weiland für ihren Beitrag zum Themenkomplex „Schreiben“ und Christine Pitzer, die ins Bild gesetzt hat, was sprachliche Beeinträchtigungen bzw. Hürden für die SuS bedeuten können.

Leipzig und Heidelberg im Juli 2023Markus Spreer und Anja Theisel

1Sprache und Kommunikation im Unterricht der Sekundarstufe

1.1Bedeutung von Sprache und Kommunikation im Lehr-Lern-Setting

Unterricht bzw. Lehr-Lernsituationen sind als ein komplexes Zusammenspiel von kognitiven, sozialen, kommunikativen und emotional-affektiven Prozessen zu verstehen, wobei den kommunikativen Prozessen zwischen Lehrkräften und SuS sowie SuS untereinander eine Schlüsselrolle zukommt (Becker-Mrotzek/Vogt 2009). Kommunikation und Interaktion als „Herzstück des Unterrichts“ sind demnach zentral für die Gestaltung und somit für didaktische Überlegungen des Unterrichts (Kunter/Trautwein 2018; Schindler et al. 2019; siehe auch Sallat 2022). Dabei ist Sprache einerseits Voraussetzung für schulisches Lernen, andererseits bedeutet Lernen in allen Unterrichtsfächern auch Aneignung und Anwendung von Sprache (Ahrenholz 2010).

Über die Laut- und Schriftsprache im Unterricht werden Lernprozesse ausgelöst, getragen und reflektiert: Die Lehrkräfte geben sprachlichen Input, stellen Fragen, regen zum Nachdenken an oder formulieren konkrete Aufgaben. Über ihre laut- und schriftsprachlichen Äußerungen geben die SuS wiederum Informationen über ihren Wissens- und Erkenntnisstand, ihre Sichtweisen, Meinungen und Haltungen an die Lehrkräfte bzw. ihre Mitschülerinnen und Mitschüler (Kunter/Trautwein 2018; Schindler et al. 2019). Dabei verschmelzen digitale Medien immer stärker mit laut- und schriftsprachlichen Umsetzungen kommunikativer Prozesse und erweitern auch die Möglichkeiten des didaktischen Vorgehens.

1.2Sprachliche Herausforderungen im Unterricht

Sprachliches Lernen ist Grundbestandteil der Bildungs- bzw. Lehrpläne – vom Elementar- bis hin zum Sekundarbereich. Dabei findet sprachliches Lernen im schulischen Kontext nicht nur im Deutschunterricht statt, sondern prägt das Lernen in allen Unterrichtsfächern. Die Bildungsstandards der verschiedenen Fächer und nachgeordnete Lehr- oder Bildungspläne der einzelnen Bundesländer verdeutlichen die Präsenz bildungssprachlicher Anforderungen. Diese sind hochrelevant für den Bildungserfolg, da sie in den Lernaufgaben, den Lehrwerken der Verlage und anderem Unterrichtsmaterial sowie in Prüfungen breite Verwendung finden.

Bildungssprache

Bildungssprache meint dabei,

„dass sowohl fachliche als auch alltägliche Themen unabhängig von der Situation in eindeutiger Art und Weise, vollständig und in angemessener Form ausgedrückt werden. Dazu sind ein entsprechender Wortschatz (Eindeutigkeit, Situationsunabhängigkeit) und entsprechende grammatische Strukturen (angemessene Form) notwendig“ (Tajmel 2011, 11).

Die Bandbreite der in der schulischen Unterrichtspraxis vorkommenden bildungssprachlichen Termini (Tab. 1) zeigt sich beispielsweise in Präfixverben (z. B. aufweisen, vorgeben), Partikelverben (z. B. ersetzen, entsprechen), Nomina (z. B. Vorgang, Kriterien) oder weniger alltäglichen Adjektiven und Adverbien (z. B. jeweils, grundsätzlich) (Köhne et al. 2015, 90 f.).

Tab. 1: Gegenüberstellung ausgewählter Merkmale von Alltags- und Bildungssprache

Alltagssprache

Bildungssprache

■häufig mündlicher Sprachgebrauch

■einfache, teilweise unvollständige Sätze

■unpräziser Gebrauch von Wörtern

■kontextabhängig (situationsgebunden; gemeinsamer Kontext); Situationskontext unterstützt das Sprachverständnis

■dialogisch, persönlich

■beschränkter Wortschatz

■auch im mündlichen Sprachgebrauch finden sich die konzeptionellen Merkmale der Schriftlichkeit

■vollständige und komplexe Sätze

■präziser Gebrauch von Wörtern

■dekontextualisiert (situationsentbunden)

■monologhaft, unpersönlich

■umfangreicher Wortschatz

Genau hier setzt der sogenannte „sprachsensible Fachunterricht“ an (Leisen 2020). Diese Verschränkung von fachlichem und sprachlichem Lernen („sprachbezogenes Fachlernen“ bzw. „fachbezogenes Sprachlernen“; Leisen 2020) wird inzwischen von vielen Fachdidaktiken bearbeitet und es liegen umfangreiche Praxispublikationen für verschiedene Unterrichtsfächer vor (u. a. Abshagen 2015; Leisen 2020).

Beispiel: Operatoren

Im Kontext der Bildungssprache werden Operatoren als handlungsinitiierende Verben thematisiert, die bestimmte Tätigkeiten bei der Bearbeitung einer Aufgabe beschreiben. So wird die Bearbeitung einer Lernaufgabe initiiert, gelenkt und strukturiert. Es lassen sich dabei i. d. R. verschiedene Anforderungslevel zuordnen (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung 2004):

■Anforderungsbereich I: Das Wiedergeben/Beschreiben von Sachverhalten eines abgegrenzten Gebiets im gelernten Zusammenhang sowie die Reproduktion gelernter/geübter Arbeitstechniken und Methoden sind dem untersten Level zuzuordnen (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung 2004).

■Anforderungsbereich II: Dieser auf das unterste Level aufbauende Anforderungsbereich umfasst selbstständiges Erklären, Bearbeiten und auch Ordnen bereits bekannter Inhalte sowie angemessenes Anwenden gelernter Inhalte und Methoden auf neue Sachverhalte (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung 2004).

■Anforderungsbereich III: Dieser bezieht sich auf den reflexiven Umgang mit neuen Problemstellungen und den eingesetzten Methoden, um Begründungen, Folgerungen, Beurteilungen und Handlungsoptionen aufzuzeigen (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung 2004).

Es gibt inzwischen vielfältige Veröffentlichungen, die sich mit der Einübung der Bedeutung von Operatoren im unterrichtlichen Kontext beschäftigt haben und die auch in die Veröffentlichungen der Ministerien der Bundesländer sowie vieler Schulbücher Eingang gefunden haben. Beispielhaft werden hier die Operatoren in den Bildungsplänen des Landes Baden-Württemberg für unterschiedliche Bildungsgänge und Fächer dargestellt. Weitere Links zu Operatorenlisten finden sich in Kapitel 3.

Bildungspläne Baden-Württemberg:

■Sekundarstufe 1:https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW_ALLG_SEK1_RSYR_OP

■Gymnasium: https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/M/OP

■Sonderpädagogik: https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/10164496

Ausgehend von den curricularen bildungssprachlichen Anforderungen im Unterricht beschäftigen sich nicht nur die Fachdidaktiken mit der Konzeption eines sprachsensiblen Fachunterrichts, der grundsätzlich für alle SuS von Relevanz ist. Vor dem Hintergrund der (sprachlichen) Unterstützungsbedarfe von SuS mit sprachlichen Beeinträchtigungen gibt es in der Sonderpädagogik (bzw. Sprachheilpädagogik/Förderschwerpunkt Sprache) eine lange Tradition, sprachliche Lernvoraussetzungen der SuS im Bildungsprozess zu berücksichtigen und so schulisches Lernen (wie z. B. den Schriftspracherwerb) zu ermöglichen und darüber hinaus Unterricht auch therapeutisch zu nutzen (Baumgartner 2006).

Daneben entwickelt auch der Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Konzepte und Methoden zur unterrichtlichen Gestaltung für SuS mit heterogenen sprachlichen Lernvoraussetzungen.

Allerdings sind die fachlichen Diskurse der verschiedenen Disziplinen bislang wenig vernetzt (siehe auch Bastians 2018b), weshalb dieses Buch mit Blick auf die schulische Praxis eine Vernetzung der bisherigen Erkenntnisse anstrebt.

1.3Sprachliche Heterogenität

Die sprachlichen Lernausgangslagen, mit denen SuS in die Schule starten, sind äußerst heterogen (Werner/Theisel 2021). Dies trifft stets auch auf den Start in die Sekundarstufe zu. Vor dem Hintergrund zieldifferenter Beschulung, beispielsweise von SuS mit sonderpädagogischem Schwerpunkt Lernen im inklusiven Setting, weitet sich diese Spanne nochmals. Hierbei lassen sich allgemein folgende sprachliche Heterogenitätsdimensionen der SuS feststellen:

■(Erst-)Sprache(n),

■Spracherfahrungen,

■Kommunikationserfahrungen,

■Lesesozialisation,

■aktuelle sprachliche Kompetenzen,

■Verarbeitungsfähigkeiten und

■Lernvoraussetzungen in weiteren Bereichen wie Wahrnehmung, Motorik, Kognition sowie der Lernstand mit Blick auf unterschiedliche Inhalte.

Sprachebenen

Zur Beschreibung der sprachlichen Kompetenzen wird auf unterschiedliche sprachliche Ebenen Bezug genommen. Hierbei werden folgende Ebenen unterschieden:

■phonetisch-phonologische Ebene:

–Phonetik befasst sich mit den akustischen (physikalischen) und artikulatorischen (physiologischen) Eigenschaften der Laute.

–Phonologie beschäftigt sich mit der Funktion der Laute im Sprachsystem.

■semantisch-lexikalische Ebene:

–Semantik analysiert und beschreibt die Bedeutung von sprachlichen Äußerungen.

–Lexik befasst sich mit dem Wortschatz als Gesamtmenge aller Wörter einer Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt.

■syntaktisch-morphologische Ebene:

–Morphologie untersucht das Vorkommen und die Kombination der Morpheme bei der Wortbildung und ihre Stellung im Sprachsystem.

–Syntax bezeichnet die Lehre vom Satzbau und beschäftigt sich als Teil der Grammatik mit Mustern und Regeln, nach denen Wörter zu größeren funktionalen Einheiten zusammengefasst werden (Phrasen, Sätze).

■kommunikativ-pragmatische Ebene:

–Kommunikation beschreibt zwischenmenschliche Verständigung mittels verbaler, non- und paraverbaler Mittel wie Gestik, Mimik, Stimme u. a.

–Pragmatik beschreibt die Sprachverwendung (Kontextangemessenheit, Gebrauchsbedingungen).

Kompetenzen auf diesen Ebenen sind nicht nur für die mündliche Kommunikation, sondern darüber hinaus im Bereich der Schriftsprache für Lesen und Schreiben bedeutsam. Kinder und Jugendliche mit Sprachentwicklungsstörungen (SES) sind oft von Einschränkungen auf mehreren der genannten Ebenen betroffen. So können semantisch-lexikalische Defizite z. B. mit Schwierigkeiten auf der kommunikativ-pragmatischen Ebene einhergehen.

sonder-pädagogischer Förderbedarf

Kinder mit sprachlichen Beeinträchtigungen, die Auswirkungen auf das schulische Lernen erwarten lassen, erhalten innerhalb des Schulsystems i. d. R. erst dann spezifische Unterstützungsmaßnahmen, wenn ein „sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich Sprache“, ein „sonderpädagogischer Unterstützungs- und Beratungsbedarf“ oder „Bildungsanspruch Sprache“ formuliert wird (Kultusministerkonferenz 2011). Die Anforderungen an die Feststellung und die Fortschreibung solch eines Bildungsanspruchs bzw. Unterstützungsbedarfs sind verschieden und werden in der Bundesrepublik Deutschland bundeslandspezifisch geregelt (Bundschuh/Winkler 2019; Petermann/Petermann 2006). Neben niederschwelligen Unterstützungsangeboten auf der einen Seite, die im Sinne einer sonderpädagogischen Grundversorgung umgesetzt werden, gibt es Bundesländer, bei denen erst dann, wenn ein Diagnostikprozess vollständig durchlaufen wurde (z. B. im Rahmen des sogenannten Feststellungsverfahrens eines sonderpädagogischen Förderbedarfs bzw. Bedarfs an sonderpädagogischen Bildungsangeboten) und ein entsprechendes sonderpädagogisches Gutachten diesen Bedarf für ein individuelles Kind dokumentiert und begründet hat, spezifische Unterstützungsmaßnahmen durch entsprechende Fachkräfte realisiert werden können (z. B. Sprachheilpädagoginnen und Sprachheilpädagogen).

Bevor ein sonderpädagogisches Angebot unterbreitet wird, ist i. d. R. nachzuweisen, dass ein alleiniges pädagogisches Unterstützungsangebot nicht ausreichend ist. Der zu beschreibende Förderbedarf wird zeitlich befristet angesetzt, muss diagnostisch begründet sein und ist mit der jeweiligen Schülerin bzw. dem jeweiligen Schüler sowie dem Umfeld gemeinsam abzustimmen. Entsprechende dynamische Anpassungen der Bedarfe und der daraufhin umzusetzenden Maßnahmen haben regelmäßig zu erfolgen. Darüber hinaus gibt es Bundesländer, die in der Sekundarstufe weder in der einen noch in der anderen Weise Unterstützung für sprachbeeinträchtigte Jugendliche zur Verfügung stellen. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass sprachliche Beeinträchtigungen zu Beginn, spätestens aber mit Ende der Primarstufe keine ‚Behinderung‘ des schulischen Lernens mehr darstellen. Vielfältige Forschungsergebnisse hingegen weisen bei einem bestimmten Prozentsatz der Betroffenen auf Persistenz der Störungen und weitreichende Folgen hin, da zugrundeliegende Sprachverarbeitungsmechanismen beeinträchtigt sind (Dockrell et al. 2009; Conti-Ramsden et al. 2017; Theisel/Wagner 2018).

Problematisch insbesondere mit Blick auf die Unterstützung in der beruflichen Bildung ist die Tatsache, dass sprachliche Beeinträchtigungen formal nicht als Behinderung anerkannt werden und so in der Regel auch kein Grad der Behinderung (GdB) ausgesprochen wird.

Mögliche sprachliche Unterstützungsbedarfe haben – je nach Ausprägung – unterschiedliche Auswirkungen auf das schulische Lernen der betreffenden SuS. Dies betrifft die rezeptiven und/oder expressiven sprachlichen Leistungen. In Tabelle 2 sind verschiedene sprachliche Anforderungen dargestellt, bei denen betreffende SuS häufig spezifische Unterstützung benötigen. Die benannten Unterstützungsbedarfe werden in den Kapiteln 3 bis 10 näher besprochen.

Tab. 2: Sprachliche Anforderungen im Unterricht (in Anlehnung an Sallat/Schönauer-Schneider 2015)

Sprachliche Anforderung im Unterricht

Förderbedarf im Bereich Sprache und Kommunikation

Aussprache

Wortschatz

Grammatik

Kommunikation

Hören

Redefluss

Phonetisch (Lautbildung)

Phonologisch (Lautverwendung)

Semantisch-lexikalisch (Wortschatz, Sprachverständnis)

Morphologisch-syntaktisch

Sprachhandeln (Pragmatik)

AVWS (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung)

Stottern

Poltern

Lesen & Schreiben lernen (Schriftspracherwerb)

(X)

X

X

Rechtschreibung

X

X

Vorlesen

X

X

(X)

(X)

mündliche Kommunikation verfolgen (Unterrichtsgespräch, Diskussionen)

X

X

(X)

X

mündliche Kommunikation – aktive Teilnahme (Unterrichtsgespräch, Diskussionen)

X

X

X

X

X

X

X

Verstehen verbaler Anforderungen

X

X

X

X

Verstehen von Texten

X

X

X

Erwerb und Verwendung neuer Begriffe/Fachwortschatz

X

X

X

X

Versprachlichen/Verschriftlichen von Sachverhalten

X

X

(X)

(X)

Nacherzählen/ Zusammenfassen (Narration)

X

X

X

(X)

(X)

Sprachförderbedarf im Kontext DaZ

Abzugrenzen von einem sonderpädagogischen Förderbedarf Sprache sind notwendige Unterstützungsbedürfnisse bei Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erlernen. So weisen die sprachlichen Fähigkeiten in der Zweitsprache Deutsch, die z. B. nicht der Altersnorm entsprechen, nicht zwangsläufig auf einen sonderpädagogischen Förderbedarf hin. Oft lassen die jeweiligen sprachlichen Kompetenzen einen bislang begrenzten Input oder eine geringe Kontaktzeit, bezogen auf die Zweitsprache Deutsch, erkennen (Kap. 2.4). Auch wenn viele der Jugendlichen in der Sekundarstufe ihre sprachlichen Kompetenzen zügig erweitern, sind die individuellen Lernvoraussetzungen in Bezug auf Sprachverstehen und -produktion im Unterricht zu berücksichtigen und vor allem zu fördern.

sprachliche Schwierigkeiten im Fachunterricht

Leisen (2011, 16) skizziert mögliche sprachliche Schwierigkeiten von DaZ-Lernenden im Fachunterricht:

■Vermischung von Alltags- und Fachsprache,

■Suche nach (Fach-)Begriffen,

■begrenzter (Fach-)Wortschatz,

■eher kurze Antworten, Ellipsen statt ganzer Sätze,

■unstrukturierte und unpräzise Formulierungen,

■Schwierigkeiten, Sätze zu Ende zu führen,

■fehlerhafte Verwendung von fachlichen Sprachstrukturen,

■lehrerzentrierte Kommunikation (hören und sprechen),

■Anwendung von Vermeidungs- oder Ausweichstrategien,

■Vermeidung von zusammenhängendem und diskursivem Sprechen und

■Schwierigkeiten beim Lesen von Fachtexten.

1.4Sprach-/Lernbarrieren

Sprachliche Barrieren für schulisches Lernen können folglich auf unterschiedlichen Ebenen auftreten, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Einerseits können die Inhalte (z. B. Lesetexte oder Aufgabenstellungen) in Abhängigkeit von ihrer sprachlichen Komplexität Barrieren darstellen, andererseits können diese durch die Art und Weise der Vermittlung durch die Lehrperson bzw. durch die (sprachlichen) Lernvoraussetzungen der SuS entstehen. Da Unterricht immer innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen stattfindet, zu denen beispielsweise die Raumakustik sowie der Klassen- und Schulkontext gehören, können diese ebenfalls zu Barrieren werden. Aus diesem Grund ist bei der Planung von Unterricht, Diagnostik und Förderung immer das Zusammenspiel der Faktoren zu berücksichtigen. Anhand eines an Ruth Cohn angelehnten Schaubilds zur themenzentrierten Interaktion (Cohn/Farau 2008) lässt sich das veranschaulichen (Abb. 1).

Abb. 1: Mögliche Sprach-/Lernbarrieren (selbst erstellt zu Cohn/Farau 2008)

Kontext-orientierung

In Anlehnung an Sallat (2022) können im Sinne einer „Kontextorientierung” der sprachlichen Unterstützung folgende Zusammenhänge unterschieden werden, die für die sprach- und kommunikationsbezogene Analyse und Planung von Unterricht relevant sind:

■medialer Kontext (verwendete Unterrichtsmedien/Lehr-Lern-Materialien und ihre Handhabung, z. B. Arbeitsblätter, Software, Tafelbilder),

■räumlicher Kontext (verschiedene Kommunikationsräume mit unterschiedlichen Eigenschaften, u. a. Größe, Akustik),

■sozialer Kontext (verschiedene Kommunikationspartner und -partnerinnen, u. a. Peers, Lehrkräfte, und Sozialformen, Partner- vs. Gruppenarbeit),

■Sachkontext (Unterrichtsfach mit dem jeweiligen Thema),

■kognitiver Kontext (u. a. Komplexität der Aufgabenstellung, notwendige Arbeitsgedächtniskapazität),

■lautsprachlicher Kontext (unterschiedliche Kommunikationsformen, u. a. Vortrag, Dialog, Diskussion) und

■schriftsprachlicher Kontext (u. a. Tafelbild, Arbeitsblätter, unterschiedliche Textsorten).

Entsprechende diagnostische Fragestellungen, deren Beantwortung vorwiegend über Beobachtungen und Analysen von Aufgaben bzw. Unterrichtsmaterialien ermöglicht wird, bieten i. d. R. wichtige Impulse für die individuelle Unterstützung der SuS (Kap. 2).

1.5Sprachliche Unterstützung als Aufgabe aller Fächer

Betrachtet man die möglichen Barrieren (Abb. 1), gibt es verschiedene Ansatzmöglichkeiten für die Förderung in den einzelnen Fächern – aufseiten der Inhalte, der SuS sowie der Lehrperson.

Unterrichtsplanung

Bei der Planung von Unterricht ist die Analyse von Medien und Materialien sowie die Auswahl von Inhalten zentral. Aus sprachheilpädagogischer Sicht kommt es darauf an, mögliche Sprachbarrieren vor der Durchführung des Unterrichts zu identifizieren und entsprechende didaktische Konsequenzen für den Unterricht mit der jeweiligen Lerngruppe bereits in der Unterrichtsvorbereitung zu berücksichtigen.

Grundlage hierfür ist eine Unterrichtsplanung, die Beobachtungen zulässt bzw. gezielt einplant und Lernprozesse sichtbar macht. Diese Beobachtungen können durch Hospitationen anderer Lehrkräfte, Schulbegleitungen u. a. ergänzt werden. So können Lernsetting und Lernende aus einer anderen Perspektive und in einem anderen Fachkontext erlebt werden. Ausgangspunkt für die individuelle Unterstützung von SuS im Unterricht ist die Berücksichtigung der sprachlichen Voraussetzungen auf allen oben genannten Ebenen.

Heidelberger Kriterienkatalog

Auf Grundlage eines mehrmodularen Konstrukts kommunikativer Kompetenzen (Efing 2014) wurde für die Sekundarstufe der Heidelberger Kriterienkatalog entwickelt, der für die Entwicklung und Analyse von Lehrwerken und Materialien in der Sekundarstufe hilfreich sein kann (Werner/Biela 2022). Zwei Kompetenzebenen finden dabei Berücksichtigung (siehe auch Werner/Theisel 2021):

1.die Sprachsystemkompetenz, die morphologisch-syntaktische sowie lexikalisch-semantische Aspekte auf Wort- und Satzebene umfasst, und

2.die Text-, Diskurs- und Strukturierungskompetenz, die die Strategien zur Texterschließung und -produktion erfasst.

Lehrwerke bzw. Unterrichtsmaterialien werden mit Blick auf Erschließungs- und Produktionsstrategien, die stärker auf den Kompetenzaufbau fokussieren, sowie auf Merkmale der Textgestaltung, die den Fokus auf kompensatorische Maßnahmen legen, analysiert (Tab. 3). Operationalisiert werden sie über eine 10-Felder-Matrix mit insgesamt 56 Items. Einerseits werden Merkmale der Textgestaltung berücksichtigt, andererseits soll der sprachliche Kompetenzaufbau gezielt durch die Vermittlung entsprechender Erschließungs- und Produktionsstrategien unterstützt werden.

Tab. 3: Struktur des Heidelberger Kriterienkatalogs

Kriterium/Ebene

Sprachsystemkompetenz: morphologisch-syntaktisch

Sprachsystemkompetenz: lexikalisch-semantisch

Text-, Diskurs- und Strukturierungs-kompetenz

Wortebene

Items 1–3

Items 4–11

Satzebene

Items 12–15

Textebene

Items 16–24

sprachliche Textgestaltung

Items 25–31

Items 32–37

Items 38–43

multimodale Textgestaltung

Items 44–46

Items 47–50

Items 51–56

Tabelle 4 gibt einen Einblick in einzelne Items, die die sprachliche Textgestaltung durch Leitfragen und deren Konkretisierung auf den genannten Ebenen in den Blick nehmen.

Sowohl die sprachliche Textgestaltung auf Form- und Inhaltsebene als auch die multimodale Textgestaltung, d. h. die Gestaltung von Grafiken, Bildern, das Seitenlayout, Schriftgröße etc. werden dabei berücksichtigt.

Das gesamte Kriterienraster kann unter folgendem Link kostenfrei abgerufen werden: https://www.cornelsen.de/produkte/kriterienkatalog-sprachsensibilitaet-arbeitsblatt-1100015641.

Tab. 4: Kriterienkatalog „Sprachsensibilität“. 56 Items zur Prüfung von Unterrichtsmaterialien und Lehrwerken. Erarbeitet von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (Birgit Werner) und der Fachredaktion des Cornelsen Verlags (Gabriele Biela) unter Mitwirkung von Christian Efing, Rebecca Höhr, Anja Theisel und mit Unterstützung von Astrid Deseniss, Eva Franz und Annika Hörenberg. Cornelsen Verlag, Berlin 2020.

Kompensatorische Maßnahmen

weitestgehend vorhanden, d. h. es muss als durchgängiges Prinzip in allen Materialien erkennbar sein

Kriterium

Ebene

Item

Sprachliche Textgestaltung

A1

Sprachsystemkompetenzmorphologisch-syntaktisch

L

Leitfrage: Wird fachsprachliche Syntax nur dann verwendet, wenn sie funktional ist?

25

Werden mehrteilige Verbalphrasen und doppelte Verneinungen weitgehend vermieden?

26

Werden Konjunktive und Genitivketten weitgehend vermieden?

27

Werden Passivkonstruktionen weitgehend vermieden?

28

Werden komplexe mehrteilige Attribute vermieden?

29

Ist die Syntax vollständig und werden uneingeleitete Nebensätze vermieden?

30

Werden komplexe Wort- und Satzkonstruktionen weitgehend vermieden?

31

Werden nominalisierte Verben und Adjektive weitgehend vermieden?

A2

Sprachsystemkompetenzsemantischlexikalisch

L

Leitfrage: Wird fachsprachliche Lexik nur dann verwendet, wenn sie funktional ist?

32

Sind die innerhalb des Textes verwendeten Wörter eindeutig?

33

Wird für ein Referenzobjekt immer derselbe Begriff verwendet?

34

Werden nur gängige/übliche Abkürzungen verwendet?

35

Gibt es jeweils eine Hauptaussage pro (Neben-)Satz?

36

Werden abstrakte Funktionswörter und Begriffe, wo möglich, vermieden bzw. erklärt?

37

Werden Operatoren eindeutig und konsequent verwendet und klar voneinander abgegrenzt?

Abstraktions-ebenen

Außerdem sind die verschiedenen Abstraktionsebenen, die durch das EIS-Prinzip (enaktiv, ikonisch, symbolisch; Bruner 1974) bekannt sind, zu berücksichtigen. Sie werden in Abbildung 2 noch um zwei Ebenen erweitert und bringen entsprechende sprachliche Codierungen mit sich (Leisen 2011). Die Berücksichtigung dieser Abstraktionsebenen bietet vielfältige Möglichkeiten der Differenzierung und individuellen Unterstützung.

Abb. 2: Darstellungsformen und Abstraktionsebenen im Fachunterricht (in Anlehnung an Leisen 2011, 8)

Textoptimierung

Für die gegebenenfalls notwendig werdende Adaption von Lehr- und Lernmaterialien an die Zielgruppe (z. B. Anpassung von Texten, Visualisierungen) liegen neben dem oben genannten Kriterienkatalog vielfältige Kriterien vor (z. B. sprachlich optimierte Lesetexte, Mayer 2015; textoptimierte Lese-/Fach-Texte in mehrsprachigen und inklusiven Lerngruppen, Bastians 2018a).

Um allein sprachliche Anforderungen zu reduzieren, findet im Berufsbildungsbereich die inzwischen verbreitete, sogenannte Textoptimierung Anwendung (z. B. textoptimierte Prüfungen, Wagner/Schlenker-Schulte 2015; https://www.ifto.de). Indem mögliche sprachliche Barrieren kriteriengeleitet im Vorfeld minimiert werden, wird sichergestellt, dass die Fachkompetenz der Jugendlichen bei der Bearbeitung dieser Texte/Aufgaben zum Tragen kommt.

Grundsätzliche Unterstützungsmöglichkeiten für SuS mit Förderbedarf in Schule und Unterricht haben Theisel & Glück (2012, 27) zusammengestellt (die jeweiligen Umsetzungsbeispiele finden sich in den Kapiteln 3 bis 11):

■Analyse des Unterrichtsstoffes bezüglich der sprachlichen Anforderungen und Lernmöglichkeiten,

■Anpassung der Medien/Materialien,

■regelmäßige Diagnostik,

■Schaffung eines wertschätzenden sprachlich-kommunikativen Milieus,

■Sicherung des Sprachverständnisses/Monitoring des Sprachverstehens,

■gezielter Einsatz der Lehrersprache/Einsatz von Modellierungstechniken,

■Stärkung des Selbstwertgefühls,

■Strukturierungshilfen für Abläufe und Inhalte,

■metasprachliche Reflexion,

■sprachbegleitende Hilfen und

■besondere Gestaltung der Interaktion.

Die benannten Bereiche zielen sowohl auf universelle als auch auf individuelle Präventionsmaßnahmen für SuS. In der Adaption und spezifischen Gestaltung können sie jeweils auf spezifische, indizierte Interventionsbedarfe einzelner SuS zugeschnitten werden.

Qualitätsmerkmale des Unterrichts

Qualitätsmerkmale eines solchen Unterrichts mit SuS mit sprachlichen Beeinträchtigungen sind u. a.

■diagnostische Fundierung und Strukturierung,

■Differenzierung und Schülerorientierung,

■semantisch-kognitive Sicherung der Inhalte,

■der Einsatz sprachbegleitender Hilfen,

■die Ermöglichung positiver Kommunikationserfahrungen sowie

■Wertschätzung und Würdigung von Redebeiträgen (Theisel 2014).

digitale Tools

Digitalität bietet in den Bildungskontexten besondere Unterstützungsmöglichkeiten. So liegen vielfältige digitale Lehr-Lern-Formate vor, um SuS Inhalte zu vermitteln, gemeinsam in den Austausch zu treten und Interaktionen zu ermöglichen. Diese didaktisch gewinnbringend einzusetzenden Tools ermöglichen häufig individuelle Lernarrangements mit individuellem Feedback (siehe beispielsweise Schulz et al. 2022).

Sprachsensibel ausgerichteter Fachunterricht bietet eine gute Grundlage für schulisches Lernen – auch von SuS mit sprachlichem Förderbedarf sowohl in inklusiven Settings als auch an exklusiven Lernorten. Dem notwendigen individuellen Unterstützungsbedarf eines Schülers bzw. einer Schülerin kann allerdings i. d. R. erst entsprochen werden, wenn darüber hinaus, entsprechend der individuellen Förderplanung, (zusätzliche) Adaptionen der Unterrichtsinhalte bzw. eingesetzten Methoden (inklusive spezifischem Einsatz von Lehrersprache) vorgenommen werden (Spreer 2020). So kann der sprachliche Input, den SuS erhalten, (noch weiter) an ihre sprachlichen Lernvoraussetzungen angepasst werden, beispielsweise in Bezug auf den verwendeten Wortschatz und/oder die grammatische Komplexität. Erst dieses hochadaptive individuelle Vorgehen ermöglicht es, die situativen Anforderungen passgenau zu gestalten. Einem „Ausklinken“ oder „Abkoppeln“ der SuS aus dem Lernprozess mit gegebenenfalls einsetzenden entsprechenden Verhaltensweisen kann so vorgebeugt werden (Spreer 2020).

1.6Nachteilsausgleich

Sind individuelle Unterstützungsmaßnahmen nicht ausreichend, besteht die Möglichkeit, dass von den Personensorgeberechtigten ein Nachteilsausgleich bzw. Notenschutz beantragt wird. Für jedes Bundesland gelten hier unterschiedliche Regelungen, die jeweils geprüft werden müssen. Es wird dabei stets auf das Grundgesetz Artikel 3 verwiesen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Für den Bereich der Leistungsfeststellung ist grundsätzlich zwischen Notenschutz und Nachteilsausgleich zu unterscheiden:

■Notenschutz:

–Verzicht auf prüfungsrelevante Inhalte,

–wird im Zeugnis vermerkt.

■Nachteilsausgleich:

–Änderung der Rahmenbedingungen von Leistungserbringungen (z. B. Zeitzugaben),

–wird nicht im Zeugnis vermerkt.

Diese Maßnahmen haben eine begrenzte Gültigkeit und sind fortlaufend zu dokumentieren bzw. zu prüfen.

Maßnahmen des Nachteilsausgleichs

Beispiele für Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und Notenschutzes im Bereich Sprache und Kommunikation sind (in Anlehnung an Reber/Schönauer-Schneider 2020, 25):

■zeitliche Modifikation von schriftlichen Arbeiten,

■zeitliche Modifikation von mündlichen Arbeiten,

■Modifikation der Aufgabenstellungen,

■Modifikation mündlicher Leistungen und

■Verzicht auf die Bewertung mündlicher Leistungen.

Gerade auch vor dem Hintergrund des Fremdsprachenunterrichts sollte dies unter besonderer Berücksichtigung der mündlichen Sprachproduktion in den Blick genommen werden.

1.7Übergang/Vorbereitung Berufsausbildung