Spur ohne Ausgang - René Bote - E-Book

Spur ohne Ausgang E-Book

René Bote

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Beschreibung

Dass in der Nacht das Küchenzelt geplündert wurde, haben die Betreuer des Sommerlagers sich ausgedacht, das ist Sofia sofort klar. Aber eine spannende Schnitzeljagd wird es trotzdem werden und es gibt nur einen Wermutstropfen: Sofia wird ausgerechnet mit Milan in eine Gruppe gelost, mit dem sie gleich am ersten Tag aneinandergeraten ist. Doch als aus dem erdachten Abenteuer plötzlich Ernst wird, müssen sie zusammenhalten, und das scheint nicht nur schlecht zu sein.

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Seitenzahl: 63

Veröffentlichungsjahr: 2025

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„Boah, pass doch auf, verdammt!“ „Sorry!“, antwortete Sofia automatisch, noch ehe sie wusste, was überhaupt passiert war. Sie hatte nicht auf den Weg geachtet und war über irgendetwas gestolpert.

Das Hindernis war ein Rucksack, der auf der Wiese stand, sah sie, als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Mit dem rechten Fuß hatte sie ihn getroffen und umgeworfen. Der Verschluss war offen, ein Teil des Inhalts herausgefallen: Kleidung, ein Kulturbeutel, Campinggeschirr.

Es war der erste Tag des Sommerzeltlagers, das Sofias Heimatstadt alljährlich veranstaltete. Vor einer halben Stunde waren sie mit dem Bus auf dem Zeltplatz im Sauerland angekommen, 45 Jungen und Mädchen zwischen 9 und 13 Jahren und acht Betreuer. Es hatte eine kurze Einweisung gegeben, nun waren alle mit den Zelten beschäftigt.

Sofia würde während der Zeit im Lager zwölf werden und gehörte damit schon zu den Älteren; die Zwölf- und Dreizehnjährigen waren deutlich in der Minderheit. Sie hatte schon mehrere Kinderfreizeiten mitgemacht, die erste mit neun, aber es war ihr erstes Zeltlager. Ihre Mutter hatte die Idee aufgebracht, als im Frühjahr die Frage aufgekommen war, ob Sofia wieder mit einer Gruppe wegfahren sollte und wenn ja, wohin.

Das Zelt würde sie sich mit fünf anderen Mädchen teilen. Eines davon war Franka, ihre Klassenkameradin und schon seit dem Kindergarten beste Freundin. Auch Sofias Cousine Alexandra war für das Zeltlager angemeldet worden, sie war zehn und machte zum ersten Mal so eine Freizeit mit. Die anderen drei Mädchen kannte Sofia nicht; Marisa und Ayleen waren wohl etwas älter als sie und schienen sich untereinander zu kennen, Liv kannte offensichtlich niemanden von den anderen.

Sie hatte aber Erfahrung mit Zelten, auch mit dem Typ, der hier verwendet wurde. Wenn Sofia es richtig verstanden hatte, war sie bei den Pfadfindern und hatte sich für die Fahrt angemeldet, weil ihre Pfadfindergruppe in diesem Jahr keine machte. Den Betreuern war das sehr recht, so hatten sie sich mehr um andere kümmern können, die Hilfe beim Aufstellen ihres Zeltes benötigten.

Inzwischen stand das Zelt der Mädchen, sie hatten auch geklärt, wer wo schlafen würde. Große Diskussionen hatte es nicht gegeben, so, wie es bis jetzt aussah, würden sie gut miteinander auskommen.

Jetzt wollte Sofia rasch zur Toilette. Unmittelbar nach der Ankunft hatte sie sich das verkniffen, weil nach knapp zwei Stunden Busfahrt natürlich sehr viele dorthin gegangen waren. Das Häuschen, in dem die Toiletten, Wasch- und Duschräume untergebracht waren, war etwas versteckt, eine Reihe übermannshoher Büsche ließ nur das Spitzdach sehen. Sofia hatte im Laufen geschaut, wo genau der Durchgang war, und dabei den Rucksack auf dem Boden völlig übersehen.

Hastig bückte sie sich, um den Rucksack wieder aufzurichten und die herausgefallenen Sachen zurückzulegen. Doch der Besitzer des Rucksacks, ein blonder Junge, der auch zu den Älteren hier gehörte, schob sie zur Seite. „Lass!“, sagte er. „Das mache ich lieber selber!“ „Entschuldige“, versuchte Sofia zu beschwichtigen. „Ich wollte doch nur …“ „Ja, ja!“, unterbrach der Junge sie. „Pass lieber auf, wo du hintrittst!“

Na toll, ging es Sofia durch den Kopf, man konnte sich auch anstellen. „Dann bist du der Superheld, der noch nie im Leben gestolpert ist?“, sagte sie sarkastisch. „Da musst du natürlich jede Chance nutzen, zu üben, wie man danach wieder Ordnung macht. Sag Bescheid, wenn du mal Hilfe brauchst, damit ich dir dann nicht in die Quere komme!“

Damit ließ sie den Jungen stehen. Was bildete der sich ein! Klar, es war ihr Fehler gewesen, dass der Rucksack umgefallen war, aber deswegen musste man doch nicht gleich so pampig reagieren! Ein Missgeschick konnte jedem einmal passieren, und es war doch nichts kaputtgegangen dabei! Sie versuchte, die Sache schnell abzuhaken, aber ihre gute Laune hatte für den Moment einen Dämpfer bekommen.

Alles in allem unterschied sich das Sommerlager gar nicht so sehr von denen, die Sofia schon kannte. Im Zelt zu schlafen, war ungewohnt, und in der ersten Nacht brauchte Sofia eine Weile, um einzuschlafen. Aber daran gewöhnte sie sich, und die Tagesabläufe waren kaum anders als in der Jugendherberge: Wecken, Fertigmachen, gemeinsames Frühstück, tagsüber verschiedene Unternehmungen, Abendessen, manchmal danach noch ein Singabend oder Lagerfeuer, und irgendwann Nachtruhe. Auch kleine Aufgaben gab es, die reihum gingen, Spüldienst und Mülldienst. Den Spüldienst kannte Sofia auch aus der Jugendherberge; allerdings war dort nur die große Spülmaschine befüllt und ausgeräumt worden, hier musste alles von Hand gespült und abgetrocknet werden. Doch irgendwie war das sogar ganz witzig, wenn sie zu viert an einem Tisch vor dem Küchenzelt standen und Geschirr und Besteck saubermachten.

Mit dem Jungen, dessen Rucksack sie am ersten Tag umgestoßen hatte, hatte sie wenig zu tun. Sie bekam mit, dass er Milan hieß, Tennis spielte und am Computer programmierte. Er hatte eine Schwester, Mara, die zu den Jüngsten im Lager gehörte. Zwei von den anderen Jungen kannte er wohl aus der Schule, wobei Sofia nicht erfuhr, ob sie in derselben Klasse waren, mit ein paar weiteren freundete er sich schnell an. So etwas aufzuschnappen, ließ sich kaum vermeiden, ansonsten interessierte Sofia sich nicht weiter für Milan und er sich umgekehrt augenscheinlich auch nicht für sie.

Der vierte Tag des Lagers, der Dienstag, begann mit einer Überraschung. Um viertel nach sieben, eine Viertelstunde vor der üblichen Zeit, weckten die Betreuer alle und riefen sie auf der Wiese vor den Zelten zusammen. Teils verschlafen, teils vor Schreck hellwach, versammelten sich die Jungen und Mädchen. Die meisten waren im Schlafanzug, ein paar hatten sich etwas übergeworfen oder sich eilig angezogen.

Sofia hatte sich beim Verlassen des Zeltes ein Haargummi gegriffen und band ihre langen, dunkelbraunen Haare zum Pferdeschwanz, während sie darauf wartete, dass die Betreuer erklärten, was los war. Sorgen machte sie sich nicht, es waren alle da, augenscheinlich niemand krank oder verletzt, und es roch auch nicht nach Feuer. Weil es nicht ihr erstes Sommerlager war, ahnte sie, dass das frühe und eilige Wecken Teil eines Abenteuerspiels war.

„Irgendjemand hat heute Nacht das Küchenzelt geplündert“, erklärte schließlich Janine, die als Lagerleiterin fungierte. „Alles ist weg, Töpfe, Vorräte, einfach alles. Bloß ein bisschen Mehl und Öl ist noch da.“

Nicht schlecht ausgedacht, dachte Sofia. Mit Mehl und Öl ließ sich ein einfacher Teig herstellen, und sicherlich würde auch noch rechtzeitig jemand Salz „finden“ oder etwas anderes, um ein bisschen Geschmack daran zu bringen. Zum Frühstück würde es also Stockbrot geben oder Fladen, und dann würden die Betreuer zur Schnitzeljagd blasen. Die Geschichte war leicht zu durchschauen, auch die Jüngeren würden bald merken, dass der Raub nur ausgedacht war, aber das würde den Spaß nicht schmälern.

Während die Kinder sich fertigmachten, bereiteten Silke und Armin, die über das Küchenzelt herrschten, aus den „von den Räubern zurückgelassenen“ Zutaten einen Brotteig vor. Einer der anderen Betreuer fachte das Lagerfeuer neu an und legte Stöcke bereit, die sicherlich nicht erst eben zurechtgeschnitzt worden waren.

Die Stimmung beim Frühstück war aufgeregt, vor allem bei den Jüngeren, aber nicht ängstlich. Entweder hatten auch die schon erkannt, dass das Abenteuer ausgedacht war, oder sie sahen nicht, warum ihnen der Diebstahl der Vorräte Angst machen sollte. Genau wusste Sofia es nur von Alexandra, die hatte sie gefragt, ob das echt war, und eine ehrliche Antwort bekommen. Dass sie Alexandra damit den Spaß verdorben hatte, glaubte Sofia nicht. Spannend zu werden versprach der Tag so oder so, ob die Betreuer sich das Ganze nur ausgedacht hatten, war zweitrangig.