Städte in der Frühen Neuzeit - Ulrich Rosseaux - E-Book

Städte in der Frühen Neuzeit E-Book

Ulrich Rosseaux

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Beschreibung

Die Stadt der Frühen Neuzeit war der Motor der Wirtschaft und des Fortschritts, sie war kulturelles Zentrum und Heimstätte des sich entwickelnden Bürgertums. Aufbauend auf einer systematischen Darstellung der frühneuzeitlichen städtischen Demographie und der verschiedenen Stadttypen behandelt Ulrich Rosseaux all diejenigen entscheidenden Vorgänge, die die weitere Entwicklung von Bürgertum und Stadt bis ins 19. Jahrhundert hinein am nachhaltigsten geprägt haben. Er zeichnet die Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik nach, schildert das Verhältnis von Stadt, Kirche und Religion sowie von Stadt und Umwelt und behandelt abschließend ausführlich das alltägliche Leben in der Stadt. Die frühneuzeitliche Stadt ist ein überreicher Kosmos, dessen Strukturen hier klar und anschaulich offen gelegt werden.

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Ulrich Rosseaux

Städte in der Frühen Neuzeit

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Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-534-16674-9© 2006 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Einbandgestaltung: schreiberVIS, SeeheimeBook ISBN 978-3-534-71535-0 (epub)Als epub veröffentlicht 2010.

www.wbg-wissenverbindet.de

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Innentitel

Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Geschichte kompakt

I. Einleitung

II. Städtewesen und urbane Demographie

1. Quantitative Aspekte der Städtelandschaft in der Frühen Neuzeit

a) Verstädterung

b) Einwohnerzahlen

2. Urbane Demographie

a) Quellen und methodische Probleme

b) Geburten, Hochzeiten, Tod

c) Zuwanderung

d) Demographische Krisen

3. Städtetypen

a) Reichsstädte und Autonomiestädte

b) Residenzstädte

c) Bergstädte

d) Universitätsstädte

e) Exulantenstädte

f) Festungsstädte

g) Idealstädte

h) Kurorte

III. Wirtschaft – Gesellschaft – Politik

1. Wirtschaftliche Strukturen

a) Handel

b) Handwerk

c) Neue Gewerbezweige

2. Soziale Strukturen

a) Bürger und Einwohner

b) Reichtum und Armut

c) Randgruppen und Minderheiten

3. Politik

a) Institutionen und politische Verfahren

b) Konflikte und Unruhen

c) Politische Festkultur

IV. Stadt und Religion

1. Stadt und Reformation

a) Die Reformation als „urban event“?

b) Reformation in den Reichs- und Autonomiestädten

c) Landstädtische Reformation(en)

d) Städte ohne Reformation

2. Zwischen Konflikt und Koexistenz

a) Auf dem Weg zur konfessionell homogenen Stadt

b) Mehrkonfessionelle Städte

V. Stadt und Umwelt

1. Stadtbild und Architektur

a) Das städtische Umland

b) Befestigungsanlagen

c) Häuser und Straßen

2. Ökologie und Gesundheit

a) Wasser und Energie

b) Öffentliche Hygiene

c) Gesundheitsfürsorge

d) Rauch, Gestank und andere Emissionen

VI. Leben in der Stadt

1. Zeitstrukturen

a) Kalender und Jahreslauf

b) Uhren und Zeitrechnung

c) Tag und Nacht

2. Wohnen – Nahrung – Kleidung

a) Wohnkultur

b) Essen und Trinken

c) Kleidung

3. Unterhaltung, Erholung und Vergnügen

a) Jahrmärkte, Schützenfeste, Karneval

b) Musik und Tanz

c) Theater

d) Schaustellungen

e) Spaziergänge, Ausflüge, Bäder: Erholung und Vergnügen im städtischen Umland

VII. Bibliographie

Register

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Geschichte kompakt

Herausgegeben von

Kai Brodersen, Gabriele Haug-Moritz, Martin Kintzinger, Uwe Puschner

Herausgeber für den Bereich Frühe Neuzeit:

Gabriele Haug-Moritz

Berater für den Bereich Frühe Neuzeit:

Rainer A. Müller, Anton Schindling, Siegried Jahns

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Geschichte kompakt

In der Geschichte, wie auch sonst,

dürfen Ursachen nicht postuliert werden,

man muss sie suchen. (Marc Bloch)

Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.

Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen des Mittelalters und der Neuzeit verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.

Die Autorinnen und Autoren sind jüngere, in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.

Kai Brodersen

Gabriele Haug-Moritz

Martin Kintzinger

Uwe Puschner

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I. Einleitung

Das Heilige Römische Reich sei ein Land, in dem es fast unzählbar viele Städte gebe, schrieb der Theologe und Humanist Johannes Cochlaeus (1479 – 1552) in seiner 1512 veröffentlichten „Brevis Germanie descriptio“, und brachte damit seine Bewunderung für die reiche und vielgestaltige Städtelandschaft Deutschlands um 1500 zum Ausdruck. Lobende und bewundernde Äußerungen über die Gestalt der deutschen Städte finden sich auch in vielen Reiseberichten des 16. Jahrhunderts. Der Italiener Antonio de Beatis, der als Sekretär und Begleiter eines Kardinals in den Jahren 1517 und 1518 Oberitalien, Südwestdeutschland, die Niederlande und Nordfrankreich bereiste, fand Augsburg „groß“ und „reich an schönen Plätzen, Straßen und Häusern“, in Nürnberg faszinierten ihn die dort gehandelte Waren sowie die zahlreichen in- und ausländischen Kaufleute, in der „volkreichen Stadt“ Straßburg bewunderte er das Münster und die vielen wasserführenden Gräben und Kanäle, die ihn an Venedig erinnerten, und von Köln war er begeistert, weil es an Größe, Einwohnerzahl und architektonischer Beschaffenheit der Häuser alle anderen Städte übertraf, die er in Deutschland gesehen hatte. Charakteristisch am Bericht de Beatis‘ ist die Hervorhebung der großen süd- und (süd-)westdeutschen Reichsstädte, die für ihn wie für viele andere Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts die Spitze der deutschen Städtehierarchie in jener Zeit darstellten.

Im 18. Jahrhundert hatte sich diese Einschätzung geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Namentlich in den Reiseberichten der Aufklärung kamen die ehemals gerühmten Reichsstädte des deutschen Südens und Westens meist nur noch schlecht weg. Dies galt um so mehr, wenn sie wie Köln als Hort eines intoleranten Katholizismus galten oder wie Augsburg in einem starr geregelten und peinlich zu beachtenden System konfessioneller Parität lebten, das in den Augen eines aufgeklärt denkenden Menschen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kaum anders denn als seltsam und antiquiert erscheinen mochte. Ansonsten fiel den politisch interessierten Zeitgenossen am Ende der Frühen Neuzeit zum Stichwort Reichsstadt noch das Wort Schulden ein, denn die Mehrzahl dieser Kommunen schleppte eine mehr oder minder respektable Last noch zu tilgender Kredite mit sich herum. Der Jurist und Verfassungsrechtler Johann Jacob Moser (1701 – 1785) hielt dazu spöttisch fest, dass die Verschuldung vermutlich das einzige Merkmal sei, dass die ansonsten so heterogene Gruppe der Reichsstädte gemeinsam habe.

Stark in den Vordergrund gerückt waren stattdessen die Haupt- und Residenzstädte der großen deutschen Territorien, allen voran Wien und Berlin, aber auch Dresden, München, Hannover oder Stuttgart, sowie die Hafen- und Handelsstadt Hamburg. In dieser Verschiebung der urbanen Entwicklungsdynamik spiegelten sich exemplarisch zwei für die Frühe Neuzeit charakteristische Prozesse wider. Zum einen manifestierte sich im Aufstieg der politischen Kapitalen der Erfolg des frühmodernen Staates, dem es durch den Ausbau der Bürokratie und des Rechtssystems, dem Aufbau eines stehenden Heeres und der Konzentration eines Großteils staatlicher Macht in der Hand des Fürsten immer besser gelungen war, die Ansprüche konkurrierender Institutionen – zu denen im politischen System des Alten Reichs eben auch die Reichsstädte gehörten – abzuwehren und stattdessen die eigenen Interessen durchzusetzen. Durch die Verdichtung der Staatlichkeit gewannen die Haupt- und Residenzstädte eine soziale, ökonomische und kulturelle Attraktivität, die in zunehmendem Maße Menschen anzog: Es kamen Beamte, Offiziere, Künstler, Handwerker, Gelehrte und nicht zuletzt zahlreiche Angehörige dienender Berufe, um am Hof oder in dessen Umfeld ihr Glück zu suchen. Zum anderen war die positive Entwicklung Hamburgs – in geringerem Maßstab galt dies auch für Bremen – das Ergebnis jener langfristigen Umorientierung der Weltwirtschaft nach der Entdeckung Amerikas und dem europäischen Ausgreifen in den asiatisch-pazifischen Raum. Die von Süden nach Norden verlaufende alte Hauptachse des europäischen Handels, die den Mittelmeerraum mit Mittel- und Nordeuropa verband, verlor allmählich an Bedeutung. Stattdessen etablierte sich zunehmend eine neue, auf den Atlantik und die ökonomischen Möglichkeiten in Übersee hin orientierte Hauptachse. Einem ähnlichen relativen Bedeutungsverlust wie das Mittelmeer unterlag mit der Ostsee auch das andere europäische, Binnenmeer‘, das noch im Spätmittelalter das ökonomische Gravitationszentrum Nordeuropas gebildet hatte. Die Stagnation und der allmähliche relative Abstieg Lübecks, das um 1500 noch zu den vier größten Städten im Reich gehört hatte, war das Sinnbild dieses Prozesses auf der stadtgeschichtlichen Ebene.

Die geschilderten Beispiele illustrieren zum einen, dass es bei der Betrachtung der deutschen Städte in der Frühen Neuzeit nicht nur um Stadtgeschichte im engeren Sinne geht, sondern dass sich in der Geschichte der Kommunen in den rund drei Jahrhunderten zwischen 1500 und 1800 immer auch allgemeine und über den städtischen Rahmen hinaus weisende Prozesse spiegeln und niederschlagen. Zum anderen verweisen sie darauf, dass die Frühe Neuzeit für die Städte im deutschsprachigen Raum eine Epoche war, die teilweise grundlegende Veränderungen mit sich brachte. Diese betrafen die politischen Funktionen der Kommunen im entstehenden frühmodernen Staat ebenso wie die Formen und kulturellen Praktiken der Lebensführung in den Städten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Allerdings vollzogen sich diese qualitativen Veränderungen über längere Zeiträume und vor dem Hintergrund einer sich im Hinblick auf ihre quantitativen Dimensionen und ihre sozioökonomischen Strukturen im Großen und Ganzen nicht wesentlich verändernden Städtelandschaft. Weil die deutschsprachige stadthistorische Forschung ihren zeitlichen und inhaltlichen Schwerpunkt jedoch traditionell im Mittelalter hatte und ihre Methodik und ihre auf rechts-, wirtschafts- und sozialhistorische Themen konzentrierten Forschungsstrategien anhand der Verhältnisse in dieser Epoche entwickelte, hat sie sich auch in der Frühen Neuzeit lange Zeit vornehmlich an diesem Themenkanon orientiert. Erforscht wurden daher bevorzugt quantifizierbare Aspekte der Städtelandschaft wie beispielsweise die städtischen Wirtschafts- und Sozialstrukturen, die Einwohnerzahlen und ähnliches mehr. Auf diese Weise gerieten zum einen die Kräfte der Beharrung sehr viel deutlicher in den Blick als die Wandlungsprozesse, durch die sich die frühneuzeitliche Stadtgeschichte mindestens ebenso auszeichnete, und zum anderen wurde der Wandel – sofern er wie im Fall der veränderten politischen Rolle der Kommunen dennoch behandelt wurde – als Niedergangsphänomen interpretiert.

Tatsächlich jedoch gilt es, das nicht selten unvermittelte Nebeneinander und die Gleichzeitigkeit von Veränderung und Konstanz als schlechthin charakteristisch für die Geschichte der deutschen Städte in der Frühen Neuzeit anzusehen. Die rund drei Jahrhunderte zwischen 1500 und 1800 lassen sich aus stadtgeschichtlicher Perspektive nur dann als eine einheitliche Epoche fassen, wenn man sie als eine Zeit der Transition zwischen dem Mittelalter und der Moderne begreift. Vieles von dem, was für die Städte in der Frühen Neuzeit typisch war, hatte mittelalterliche Wurzeln. Dies galt beispielsweise für die kommunalen Verfassungen oder die Organisationsformen des städtischen Handwerks. Solchen und anderen Elementen der Konstanz standen jedoch vielfältige und tiefgreifende Veränderungsprozesse in politischer, vor allem aber kulturell-lebensweltlicher Hinsicht gegenüber. Ein ökonomisch leidlich gut gestellter Stadtbewohner des ausgehenden 18. Jahrhunderts kleidete sich anders, aß anders und verhielt sich im Ganzen anders, als es sein Pendant etwa 300 Jahre zuvor getan hatte. Das Ausmaß der Veränderungen, welche die Städte im Laufe der Frühen Neuzeit erlebten, macht es daher unmöglich, die Bezeichnung frühneuzeitliche Stadt in dem Sinne zu verwenden, wie dies mit dem Begriff der mittelalterlichen Stadt geschieht. Während jener auf ein bestimmtes idealtypisches Ensemble von politischen, städtebaulichen und sozioökonomischen Phänomenen bezogen werden kann, die cum grano salis als charakteristisch für die Kommunen des Mittelalters gelten können, läuft angesichts des aus stadtgeschichtlicher Sicht transitorischen Charakters der Frühen Neuzeit jeder Versuch, den Terminus frühneuzeitliche Stadt vergleichbar jenem der mittelalterlichen Stadt mit Inhalt zu füllen, ins Leere. Spezifisch für die Städte in der gesamten Frühen Neuzeit ist – jenseits aller beharrenden Kräfte und Strukturen – allein der allmähliche Übergang vom Mittelalter zur Moderne. Die mittelalterlichen Elemente in den Kommunen verloren bis in die Zeit um 1800 mehr und mehr an Bedeutung und gleichzeitig etablierten sich neue Lebensformen und sozioökonomische Strukturen. Der damit einhergehende Wandel verlief jedoch mit einer Geschwindigkeit, die den aus heutiger Sicht langsamen Rhythmen der Vormoderne angemessen war, und unterschied sich insofern von den rasanten Veränderungsprozessen modernen Zuschnitts, die nicht nur, aber insbesondere die Städtelandschaft in Deutschland seit dem frühen 19. Jahrhundert radikal umformten.

Der Übergangscharakter, den die Frühe Neuzeit für die Städte im deutschen Sprachraum besaß, spiegelt sich auch in der Antwort auf die Frage, was denn in diesem Zeitraum überhaupt als Stadt anzusehen ist. Zwar bietet die rechtliche Stadtdefinition, wonach eine Ansiedlung dann als Stadt gilt, wenn sie das Stadtrecht besaß, eine Grundlage, die bis zum Ausklang der Epoche tragfähig bleibt. Analog zu den Verhältnissen im Mittelalter war der Terminus Stadt auch in der Frühen Neuzeit in erster Linie ein rechtlicher Begriff und hing nicht etwa von der Größe eines Ortes ab. Gleichzeitig lässt sich jedoch beobachten, dass parallel zum Bedeutungsverlust der Autonomierechte der Städte im Laufe der Frühen Neuzeit auch die Kraft der allein juristischen Stadtdefinition nachlässt, während hingegen die Urbanität als Lebensform eine allmählich zunehmende definitorische Qualität erlangte. Städtisch zu sein, war demnach in wachsendem Maße davon bestimmt, einen spezifischen Lebensstil zu pflegen, der in dieser Form nur im Rahmen urbaner Verhältnisse möglich war. Hierzu zählten beispielsweise der Umgang mit der Zeit, der sich in den frühneuzeitlichen Kommunen von den Praktiken im ländlichen Raum deutlich unterschied, oder die Ernährungs- und Konsumgewohnheiten der städtischen Bevölkerung. In diesem Buch werden daher auch diese kulturell-lebensweltlichen Aspekte des Städtischen in der Frühen Neuzeit thematisiert.

Untersuchungsgebiet

Wenn in den bisherigen Ausführungen wahlweise von deutschen Städten, Städten in Deutschland oder auch Städten im deutschsprachigen Raum die Rede war, dann signalisiert bereits die Vielfalt der Begriffe, dass der zu beschreibende Sachverhalt nicht ganz unkompliziert sein kann. Tatsächlich lässt sich die räumliche Ausdehnung des Untersuchungsgebiets nur unvollkommen anhand der politischen Grenzen in der Frühen Neuzeit beschreiben. Die Gestalt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war um 1500 eine andere als 1648 oder 1803, auch umfasste es – zumindest de jure – lange Zeit Gebiete wie beispielsweise die Niederlande oder die Franche-Comté, die man nicht ernsthaft als deutsch bezeichnen kann. Auch wenn eine Kommune wie Besançon in der Wormser Reichsmatrikel von 1521 sogar als Reichsstadt aufgeführt wurde, wird sie in der vorliegenden Abhandlung daher ebenso wenig behandelt wie die Städte in den Niederlanden oder der Schweiz.

E

Wormser Reichsmatrikel

1521 auf dem Reichstag in Worms beschlossenes Verzeichnis, in dem der von jedem Reichsstand zu erbringende finanzielle Beitrag für die Aufstellung des Reichsheeres aufgelistet war. Diese Aufstellung der Steuer- und Heereskontingente blieb bis zum Ende des Alten Reiches in Gebrauch und avancierte zusätzlich zu einem wichtigen Instrument, um über die – nicht selten umstrittene – Frage der Reichsunmittelbarkeit eines Territoriums zu entscheiden.

Gleichsam spiegelbildlich zu diesen Abgrenzungsproblemen nach Westen und Süden stellen sich nach Osten hin Schwierigkeiten, Städte wie Elbing, Danzig oder Königsberg einzuschließen, die in der Frühen Neuzeit sicherlich unter dem Begriff deutsche Städte subsumiert werden können, ohne jedoch jemals Teil des Alten Reiches gewesen zu sein. Ähnliches gilt, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen, für solche Kommunen, die wie Straßburg und die kleineren elsässischen Reichsstädte im Laufe des Untersuchungszeitraums aus dem Reichsverband ausschieden. Die pragmatische Lösung für die geschilderten Probleme besteht in einem Untersuchungsgebiet, dass im Kern den deutschsprachigen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches in den Grenzen von 1648 entspricht, das heißt ohne die spanischen und die Vereinigten Niederlande, die Herzogtümer Bar und Lothringen, die Franche-Comté und die Schweiz, zu dem aber die Kommunen im Elsaß – zumindest bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Reich – ebenso gerechnet werden wie die außerhalb des Reiches gelegenen deutschsprachigen Städte im Ostseeraum einschließlich jener im Herzogtum Preußen.

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II. Städtewesen und urbane Demographie

1. Quantitative Aspekte der Städtelandschaft in der Frühen Neuzeit

a) Verstädterung

Geringe Anzahl von Stadtneugründungen

In der älteren stadtgeschichtlichen Forschung gilt die Frühe Neuzeit in Deutschland gemeinhin als eine Epoche, in der im Bereich des Städtewesens keine großen quantitativen Veränderungen und insbesondere nur ein geringes Wachstum sowohl der Anzahl der Städte wie auch der Stadtbevölkerung insgesamt zu verzeichnen gewesen sei. Vor allem auf dem Gebiet der Stadtneugründungen ist in den drei Jahrhunderten zwischen 1500 und 1800 im Vergleich zur vorhergehenden Epoche in der Tat eine deutliche Abnahme zu konstatieren. Während in der mittelalterlichen Hochphase der Stadtgründungen gegen Ende des 13. Jahrhunderts über 200 Städte pro Jahrzehnt neu entstanden, sank diese Ziffer ab der Mitte des 15. Jahrhunderts auf durchschnittlich 10 Neugründungen binnen einer Dekade ab. Zu einer nennenswerten Belebung bei der Entstehung neuer Städte kam es erst wieder nach 1850. Insgesamt sind zwischen 1500 und 1800 in Deutschland vermutlich etwas mehr als 400 Kommunen neu gegründet worden. Dieses sogenannte Städtetal wird mit einem ausgangs des Mittelalters erreichten Sättigungsgrad in der Entwicklung der deutschen Städtelandschaft erklärt. Danach habe es in der Frühen Neuzeit kein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer quantitativ bedeutsamen Neubildung von Städten mehr gegeben. Die in dieser Epoche dennoch erfolgten Stadtgründungen bezogen sich ganz überwiegend auf Kommunen mit spezifischen Funktionen, wie beispielsweise Residenzstädte, Exulantenstädte oder Festungsstädte. Als Beispiele für diese Stadttypen seien Karlsruhe (gegründet 1715), Johanngeorgenstadt (gegründet 1654) und Saarlouis (gegründet 1680) genannt. Alles in allem kann die Gesamtzahl der deutschen Städte zu Beginn der Frühen Neuzeit mit 3500 veranschlagt werden, während um 1800 von knapp 4000 Kommunen auszugehen ist.

Dominanz der Klein- und Mittelstädte

Das Gros dieser Gemeinwesen entfiel auf Städte kleiner und mittlerer Größe. Es gehörte zu den charakteristischen Merkmalen des frühneuzeitlichen deutschen Städtewesens, dass einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Großstädten eine quantitativ erheblich bedeutsamere Schar von Mittel- und vor allem Kleinstädten gegenüberstand. Um 1500 besaßen knapp 3000 der insgesamt 3500 Städte weniger als 1000 Einwohner, einige hundert weitere bewegten sich im Bereich zwischen 1000 und 2000 Einwohnern. Auf 2000 bis 10 000 Bewohner kamen knapp 200 Kommunen und auf Bevölkerungsgrößen von mehr als 10 000 brachten es lediglich 26 Städte. Kategorisiert man die letztgenannten Kommunen in der Rubrik Großstädte, diejenigen Städte mit Einwohnerzahlen zwischen 2000 und 10 000 unter der Bezeichnung Mittelstädte und die übrigen als Kleinstädte, dann gehörten zu Beginn der Frühen Neuzeit über 90 Prozent aller deutschen Städte zu dieser letztgenannten Kategorie. Obschon sich um 1800 sowohl die Anzahl der Großstädte (61 gegenüber 26) als auch die der Mittelstädte (ca. 400 gegenüber knapp 200) merklich vergrößert hatte, hatten sich die Gewichte zwischen den Kategorien kaum verschoben. Mit rund 3000 Kommunen stellten die Kleinstädte mit bis zu 2000 Einwohnern nach wie vor die Masse aller Städte in Deutschland.

Verstädterungsgrad

Berücksichtigt man die kleinen und mittleren Städte bei der Berechnung des Verstädterungsgrades, so ergibt sich, dass in der Frühen Neuzeit ungefähr ein Viertel aller Deutschen in einer Stadt lebte. Um 1800 waren dies rund 7 Millionen Menschen. Beschränkt man sich hingegen auf die Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern dann ergeben sich geringere Quoten und Zahlen: Um 1500 machten die knapp 500 000 Bewohner der 26 deutschen Großstädte rund 3 Prozent der Bevölkerung aus und um 1800 lebten 1,7 Millionen Menschen in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern, was einer Quote von 5,4 Prozent entsprach. Hinter den globalen Zahlen der Verstädterung verbergen sich allerdings erheblich regionale Unterschiede. Vor allem der an Städten arme Nordosten Deutschlands wartete mit unterdurchschnittlichen Raten auf. In Ostpreußen stagnierte der Anteil der Stadtbevölkerungsanteil an der Gesamtbevölkerung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei etwa 20 Prozent und in Pommern ging er im gleichen Zeitraum auf 23,5 Prozent zurück. Demgegenüber lebten in Württemberg bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts knapp 30 Prozent aller Einwohner in einer Stadt und bis um 1800 hatte sich dieser Anteil auf mehr als 50 Prozent erhöht. In Sachsen lag der Verstädterungsgrad in der Mitte des 18. Jahrhunderts bei 36,5 Prozent, im zentralen erzgebirgischen Bergbaugebiet rund um die Städte Annaberg, Schwarzenberg und Marienberg wurden mitunter sogar Quoten von mehr als 50 Prozent erreicht.

Verstädterung im europäischen Vergleich

Von solchen Spitzenwerten einmal abgesehen, nahmen sich die deutschen Verstädterungsquoten in der Frühen Neuzeit im europäischen Vergleich nicht sonderlich imposant aus. In Norditalien, Belgien und den Niederlanden war der Anteil der Stadtbevölkerung während der gesamten Frühen Neuzeit deutlich höher als in Deutschland. In den genannten Ländern und Regionen lebten bereits um 1550 zwischen 15,1 (Norditalien) und 22,8 Prozent (Belgien) der Gesamtbevölkerung in Städten mit über 10 000 Einwohnern, während die deutsche Vergleichszahl bei 3,8 Prozent lag. Im Laufe der Frühen Neuzeit nahm der großstädtische Bevölkerungsanteil vor allem in den Niederlanden (1800: 28,8 Prozent) und in Belgien (1800: 18,9 Prozent) noch zu – in Norditalien ging er dagegen leicht zurück (1800: 14,3 Prozent) – so dass sich trotz eines leichten Wachstums auch in Deutschland (1800: 5,5 Prozent) an diesen Verhältnissen bis 1800 nichts Wesentliches geändert hatte. Aufgrund einer raschen Zunahme der großstädtischen Bevölkerung seit dem 17. Jahrhundert war deren Anteil am Ende der Frühen Neuzeit auch in Frankreich (1800: 8,8 Prozent) und vor allem in England (1800: 20,3 Prozent) höher als in Deutschland, wobei dieses Wachstum allerdings zu einem gehörigen Maß auf das Konto der beiden Hauptstädte Paris und London ging. In der Mitte des 18. Jahrhunderts behaupteten die beiden Metropolen in der Tabelle der bevölkerungsreichsten Städte Europas mit 676 000 (London) beziehungsweise 560 000 (Paris) Einwohnern unangefochten die Plätze eins und zwei. Für diesen relativen Rückstand Deutschlands bei der Urbanisierung können zwei Ursachen angeführt werden. Zum einen erfassen die für Europa vorliegenden Statistiken lediglich die größeren Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern, so dass im europaweiten Vergleich streng genommen lediglich die Vergroßstädterung gemessen wird. Die für das deutsche Städtewesen so typische große Zahl kleinerer und mittlerer Städte geht in diese Berechnungen hingegen nicht ein.

Demographische Folgen des Dreißigjährigen Krieges

Zum anderen gilt es auf die demographischen Folgen des Dreißigjährigen Krieges hinzuweisen. Durch den Krieg und seine Begleiterscheinungen waren die städtischen Einwohnerzahlen teilweise erheblich reduziert worden, hinzu kamen die mittel- und langfristigen Auswirkungen des allgemeinen kriegsbedingten Bevölkerungsrückgangs, die zu einer zeitlich gegenüber dem übrigen Europa verzögerten Vergrößerung der Stadtbevölkerung führten. Freilich gilt es auch hier zu differenzieren: Für manche Kommune erwies sich der Dreißigjährige Krieg als demographische Katastrophe – so sank die Einwohnerzahl Magdeburgs von 40 000 auf 5000, diejenige Dortmunds reduzierte sich von 6500 auf 2000 und in Frankfurt an der Oder zählte man nach dem Krieg anstelle von einstmals 13 000 nur noch 2000 Einwohner. Hinzu kam eine ganze Reihe deutscher Großstädte, die infolge des Krieges auf rund die Hälfte ihrer ehemaligen Größe zusammengeschrumpft waren. Namentlich sind hier Augsburg (von 40 000 auf 20 000), Nürnberg (von 40 000 auf 25 000) und Mainz (von 20 000 auf 10 000) zu nennen. Demgegenüber gelang es anderen Städten, den Krieg in punkto Einwohnerzahl relativ unbeschadet zu überstehen. Dazu gehörten unter anderem Braunschweig, das einen Stand von 16 000 halten konnte, Frankfurt am Main mit einer geringfügigen Abnahme von 18 000 auf 17 000 oder Dresden, das sogar einen Zuwachs von 7000 auf 9000 Einwohner verzeichnen konnte. Hinzu kamen einige wenige Städte, die trotz oder in manchen Fällen auch wegen des Krieges ihre Bevölkerungszahl deutlich erhöhen konnten. Zu den markantesten Beispielen gehören Danzig, das sich von 50 000 auf 70 000 Einwohner vergrößerte, wobei es diesen Zuwachs nach dem Krieg auch rasch wieder einbüßte, und Hamburg, das mit einer dauerhaften Zunahme von 40 000 auf 78 000 Einwohner aufwartete. In diesen divergierenden Entwicklungen spiegelten sich nicht zuletzt die regional unterschiedlichen demographischen Folgen des Dreißigjährigen Krieges wider. Während der Westen und auch der Norden des Reiches in der Regel nur mäßig betroffen waren, wurden weite Teile in der Mitte und im Süden und dort vor allem die Durchzugs- und Quartiergebiete der Heere teilweise erheblich heimgesucht. Trotzdem lagen die Einwohnerverluste der Städte im Schnitt unter denen der ländlichen Gebiete. Günther Franz zufolge verloren die deutschen Kommunen während des Dreißigjährigen Kriegs bis zu einem Drittel ihrer Bewohner, wohingegen er die Verlustraten auf dem Land mit rund 40 Prozent bezifferte. Hier machte sich die Schutzfunktion der zum Teil stark befestigten Städte bemerkbar, die in den Zeiten des Krieges eine hohe Anziehungskraft ausübte. Trotz der enormen Verluste, die unter der städtischen Bevölkerung aufgrund der Kriegseinwirkungen und weitaus mehr noch infolge von Seuchenzügen und Hungerkrisen zu verzeichnen waren, konnten sich die Einwohnerzahlen der Kommunen durch den Zuzug aus ländlichen Gebieten und den Zustrom von Flüchtlingen zumeist wieder erholen und stabilisieren.

b) Einwohnerzahlen

Ermittlung von Einwohnerzahlen

Bei Angaben zur Bevölkerungsgröße einzelner frühneuzeitlicher Städte, gilt es freilich stets die methodischen Probleme zu beachten, die mit der Erhebung der dazu erforderlichen Daten verbunden sind. Die Frühe Neuzeit gehört zu den sogenannten vorstatistischen Epochen, das heißt zu jenen historischen Zeitabschnitten, aus denen zwar eine Vielzahl von Quellenarten überliefert ist, die in irgendeiner Form statistische Informationen beinhalten, als Beispiele seien Steuerlisten, Kirchenbücher oder Musterungsrollen genannt, die aber modernen statistischen Anforderungen nicht entsprechen, und daher einer geeigneten quellenkritischen Aufbereitung bedürfen. Eines der häufigsten Probleme, die im Zusammenhang mit der Ermittlung von Bevölkerungsgrößen auftreten, ist der Umstand, dass die frühneuzeitlichen Erhebungen zumeist auf rechtlich definierte Personenverbände bezogen waren und nur die Angehörigen des jeweiligen Rechtskreises berücksichtigten. Bevölkerungszählungen, in denen alle in einer Kommune lebenden Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Stand, Bürgerrecht, Konfession, Beruf oder anderen Differenzierungskriterien berücksichtigt wurden, fanden in Deutschland erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts statt. Zuvor wurden oftmals lediglich die Haushalte oder die (männlichen) Haushaltsvorstände gezählt, häufig waren auch Erhebungen, bei denen allein die Inhaber des jeweiligen städtischen Bürgerrechts oder die Besitzer von Immobilien berücksichtigt wurden. Hinzu kamen die vor allem in Kriegszeiten durchgeführten Musterungen der männlichen wehrfähigen Bevölkerung, die gegebenenfalls zur Besetzung der Stadtmauern herangezogen werden konnte. Frauen, Kinder und Alte wurden bei diesen Erhebungen zumeist nicht erfasst, eine Ausnahme hiervon machten nur Zählungen von Hauseigentümern, in deren Rahmen meist auch weiblicher Immobilienbesitz berücksichtigt wurde. Ein weiteres statistisches Problem bilden die städtischen Minderheiten, die häufig nicht oder nur in gesonderten Erhebungen erfasst wurden. Genaue Angaben über die Einwohnerzahl einer Stadt sind daher eine seltene Ausnahme, Hochrechnungen oder Schätzwerte hingegen die Regel.

Rangfolge der größten deutschen Städte

Am Beginn der Frühen Neuzeit war Köln mit rund 45 000 Einwohnern die mit einigem Abstand größte Stadt im Reich, gefolgt von Nürnberg (36000), Breslau (25000), Lübeck (24000) und Regensburg (22000). Zur Gruppe der zehn einwohnerstärksten Kommunen gehörten außerdem noch Augsburg und Straßburg mit je 20 000 Einwohnern sowie Braunschweig, Bremen und Magdeburg, die es auf je 18 000 Köpfe innerhalb der Stadtmauern brachten. Dass sich unter zehn größten Kommunen im Reich mit Köln, Nürnberg, Lübeck, Regensburg, Augsburg und Straßburg allein sechs Reichsstädte befanden, verweist auf die Bedeutung, die diese Kommunen im Städtesystem des Reiches im frühen 16. Jahrhundert besaßen. Am Ende der Frühen Neuzeit bot sich hingegen ein verändertes Bild: An der Spitze der zehn einwohnerstärksten Städte in Deutschland befanden sich mit Wien (231000) und Berlin (150000) die Hauptstädte der beiden wichtigsten deutschen Territorien. Auf den Plätzen folgten Hamburg (100 000), Königsberg (59000), Dresden (55000), Breslau (54000), Frankfurt am Main (48000), Köln (42000), Danzig (40000) und Magdeburg (37000). Unter den Top Ten der deutschen Städte befanden sich im Jahr 1800 mit Frankfurt am Main, Köln und Hamburg nur noch drei Reichsstädte, die zudem – mit Ausnahme Hamburgs – im Verhältnis zu den größten Kommunen merklich an Bedeutung verloren hatten. Stattdessen hatten sich vor allem die Haupt- und Residenzstädte Wien, Berlin und Dresden in den Vordergrund geschoben. Hinzu kam Hamburg, das – obwohl es im 18. Jahrhundert nach einer jahrhundertlangen Auseinandersetzung über seinen rechtlichen Status doch noch offiziell zur Reichsstadt erklärt worden war – seinen Aufschwung mehr der Einbeziehung in das im Laufe der Frühen Neuzeit immer stärker florierende atlantische Handels- und Wirtschaftssystem verdankte. Ihre Einwohnerzahl vergrößert hatten auch Kommunen, die wie Königsberg oder Breslau als administrative und ökonomische Oberzentren einer ganzen Region fungierten, sowie das als Finanz- und Handelszentrum hervorgetretene Frankfurt am Main. Hingegen hatten Köln, Danzig oder Magdeburg trotz ihrer Platzierung unter den zehn größten Kommunen in Deutschland ihre ehemalige Größe nicht behaupten können. All diese Veränderungen waren der quantitative Ausdruck eines langfristigen Prozesses, in dessen Verlauf die politisch und ökonomisch einstmals dominierenden Reichsstädte an Bedeutung verloren hatten.

 

Tabelle 1: Einwohnerzahlen der wichtigsten deutschen Städte zwischen 1500 und 1800 (in Tausend).