Stadtentwicklung und Denkmalpflege - Carolin Stoeppel - E-Book

Stadtentwicklung und Denkmalpflege E-Book

Carolin Stoeppel

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Beschreibung

Lüneburg blickt mit seinen kleinen Gassen, Backsteingiebeln und beeindruckenden Baudenkmalen auf eine über 780 Jahre alte Stadtgeschichte zurück. Es ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, dass die Altstadt heute so gut erhalten ist. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Stadt vor immensen Herausforderungen: Absenkungen des Bodens führten zu Gebäudeschäden, zunehmende Verkehrsaufkommen belasteten die Innenstadt und steigende Bevölkerungszahlen führten zu einem nie dagewesenen Wohnraummangel und hygienischen Missständen. Weiten Teilen der Innenstadt, darunter jahrhundertealten Bauwerken, drohte der Abriss. Um dies zu verhindern, formierte sich in den 1970er Jahren der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V. (ALA). Die Autorin begibt sich auf die Suche nach den Spuren, die der ALA durch sein Wirken in Lüneburg hinterlassen hat und geht der Frage nach, welchen Einfluss Bürgerengagement auf Stadtentwicklung ausüben kann.

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Inhalt

Vorwort

Einleitung

1.1 Fragestellung

1.2 Wissenschaftliche Einordnung

1.3 Aufbau der Arbeit

Stadtentwicklung und Denkmalpflege nach 1945

2.1 Stadtentwicklung und Denkmalpflege auf Bundes- und Länderebene

2.2 Stadtentwicklung und Denkmalpflege in Lüneburg

Abgrenzung der historischen Altstadt Lüneburgs

3.1 Geographische Lage

3.2 Besiedelung und Siedlungskerne Lüneburgs

3.3 Entstehung der Stadt

3.4 Entwicklung der Stadt

Herausforderungen für Lüneburg in der Nachkriegszeit

4.1 Bausubstanz

4.2 Bevölkerungsentwicklung

4.3 Wohnbestand

4.4 Hygienische Zustände

4.5 Verkehr

4.6 Senkungserscheinungen

Lüneburger Stadtentwicklungskonzepte der Nachkriegszeit

5.1 Der Generalbebauungsplan für Lüneburg

5.2 Generalverkehrsplan von 1966/1967

5.3 Folgen

Der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V. (ALA)

6.1 Entstehung des ALA

6.2 Ziele und Auffassungen des ALA

6.3 Entwicklung des ALA

6.4 Tätigkeiten des ALA

Einflüsse des ALA

7.1 Neue Stadtentwicklungskonzepte in Lüneburg

7.2 Einflussnahme des ALA auf praktischer Ebene

7.3 Einflussnahme auf politischer Ebene

7.4 Einflussnahme auf populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene

7.5 Einflussnahme auf handwerklicher Ebene

Fazit

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Quellenverzeichnis

Anhang

Vorwort

Es ist knapp 50 Jahre her, dass Altstadthäuser, ja Altstädte an sich als überkommen, rückständig, dem modernen Wohnstandard nicht angepasst und letztlich weithin als abrisswürdig angesehen wurden. In besonderem Maße galt das für die Westliche Altstadt von Lüneburg, weil salztektonische Senkungen und Verschiebungen des Untergrundes zu erheblichen baulichen Schäden geführt hatten. Die Nostalgiewelle hat es dann geschafft, binnen einer Dekade die gesellschaftliche Perspektive grundlegend umzukehren – das Alte galt plötzlich als heimelig, vielgestaltig, gerade nicht nur funktional und gerastert wie die moderne Architektur und deshalb als erhaltenswert. Bezogen auf Altstädte und ihre (Objekt- statt Total-)Sanierung wurde das Städtebauförderungsgesetz und die darin festgeschriebene staatliche finanzielle Förderung zum wohl wichtigsten Institutionalisierungselement dieses Umschwunges. Aber es waren nicht nur Bund, Länder und Kommunen, die fortan den Erhalt der historischen Substanz der Stadt- und Ortskerne verfolgten, sondern auch viele private Hausbesitzer/innen. Man darf wohl rückblickend feststellen, dass sie den neuen Trend früher als die Bau- und Stadtplanungsämter aufgriffen und selbst mitprägten. Nicht selten blieb dieser Vorsprung über lange Zeit erhalten, denn vielfach bemühten sich die Privatsanierer nicht nur um den Fassadenerhalt, sondern auch um die Wahrung oder Wiederherstellung des Inneren eines Gebäudes. Und sie taten dies in einer Weise, welche auf das jeweilige Gebäude und seine ganz spezielle Entwicklung individuell abgestimmt war, anstatt Lösungen zu bevorzugen, die lediglich einen Altstadt-Durchschnitt widerspiegeln oder womöglich sogar nur „auf alt getrimmt waren“. Als eines von vielen Kuriosa mag dafür in den 1990er Jahren der Ansatz genannt sein, seitens der Stadtplanung in Lüneburg eine Altstadtlaterne Marke Düsseldorf einzuführen. Wenn, wie in Lüneburg oder auch in Lübeck, sich diese Privatsanierer in einem Verein oder einer Initiative zusammenschlossen, vermochten sie nicht nur stärker und mit öffentlicher Resonanz gegenüber der jeweiligen Kommune aufzutreten, sondern auch Finanzen zu bündeln, Kenntnisse auszutauschen, Hausmaterialien aus nicht zu verhindernden Abbrüchen zwecks Einsatz bei Renovierungen zu retten u. v. m. Bezogen auf die Laternenfrage gelang es, einen eigenen Lüneburger Typ zu recherchieren und ihn letztlich auch durchzusetzen.

Über viele kleine und auch größere Aktivitäten und Einflussnahmen hat die Privatsanierer-Bewegung es in Lüneburg – und ganz gewiss nicht nur hier – geschafft, den Erhalt des Stadtzentrums entscheidend mitzuprägen. Aber wie genau, in welchem Umfang, in welchen Arten und Aktionen das geschehen ist, welche Konflikte dabei mit Politik und Planung auszutragen waren, darüber gibt es meist nur mündliche Berichte und keine schriftliche und wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Dies genau ist das Ziel und auch das Verdienst der vorliegenden Arbeit von Carolin Stoeppel, die mit einer umfangreichen, akribischen Recherche der Frage nachging, wie und wo der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt seine „Erhaltungsspuren“ im Stadtbild Lüneburgs hinterlassen hat. Möge die Studie inhaltlich und methodisch dazu anregen, dass auch andernorts das Wirken von Privatleuten im und für den öffentlichen Raum systematisch erfasst und ausgewertet wird, nicht allein, um die Akteure dadurch zu ehren, sondern vor allem, um aus den dabei zu registrierenden Erfahrungen zu lernen und die Einsicht zu vermitteln, dass Stadtgestaltung nicht allein eine Aufgabe institutionalisierter kommunaler Politik und Planung ist, sondern auf das Wirken vieler einzelner Personen für eine gute Bewältigung der Erhaltungsaufgabe angewiesen ist.

Peter Pez

Lüneburg, September 2016

1 Einleitung

1.1 Fragestellung

Lüneburg verzeichnet seit Jahren steigende Einwohnerzahlen (vgl. HANSESTADT LÜNEBURG 2015b) und Gästeankünfte (vgl. LÜNEBURG MARKETING GMBH 2014). Der Stintmarkt mit dem Alten Kran und seinen Schiffen, das Salzmuseum, die mittelalterlichen Backsteinbauten und vor allem die Westliche Altstadt – sie alle sind bedeutende Sehenswürdigkeiten und tragen zur Beliebtheit der ehemaligen Hansestadt bei. Nur selten wird darauf hingewiesen, dass viele davon heute nicht oder nicht mehr existieren würden, wenn es den Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V., kurz ALA, und dessen Gründervater, Curt Helm Pomp, nicht gegeben hätte.

Die Prägung Lüneburgs durch den Verein geht dabei weit über die offensichtlichen Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen hinaus und umfasst zahlreiche zusätzliche Ebenen der Einflussnahme.

Die vorliegende Arbeit befasst sich unter dem übergeordneten Thema ‚Stadtentwicklung und Denkmalpflege‘ mit der Frage, inwiefern das Bürgerengagement des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt e. V. die Entwicklung der historischen Altstadt Lüneburgs beeinflusst hat.

1.2 Wissenschaftliche Einordnung

Der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V. ist in der Lüneburger Bevölkerung nicht unbekannt und findet bei Bürgerversammlungen und Vorträgen zur Lüneburger Stadtentwicklung regelmäßig Erwähnung. Dennoch hat bisher – trotz der inzwischen über 40-jährigen Vereinstätigkeit – noch keinerlei systematische Auseinandersetzung mit dessen Geschichte oder Einflüssen auf die Entwicklung der historischen Altstadt Lüneburgs stattgefunden.

In letzter Zeit sind einige Publikationen unter Beteiligung von Mitgliedern des Vereins erschienen, die sich zumindest teilweise mit dieser Thematik auseinandersetzen. So wurde beispielsweise zum 80. Geburtstag Curt H. Pomps im Jahr 2013 ein Buch von Dr. Werner H. PREUSS1 herausgegeben, welches Beiträge von Weggefährten des Vereinsgründers enthält. Inzwischen gibt es auch ein von den Vorständen des ALA veröffentlichtes Buch über die historische Lüneburger Altstadt2, das neben detaillierten Darstellungen wichtiger Bauwerke auch Informationen über den Verein und dessen Einflüsse enthält. Eine systematische und wissenschaftliche Aufarbeitung der Aktivitäten und Verdienste des ALA ist bisher allerdings – obwohl es an der Leuphana Universität Lüneburg bis vor kurzem im Bachelorstudiengang der Kulturwissenschaften die Vertiefung Baukultur gab3 – unterblieben.

Die Gründung des ALA ist im Zusammenhang mit Stadtentwicklungskonzepten zu sehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland entstanden sind und für die damalige Zeit typisch waren. Zum übergeordneten Thema der Stadtentwicklung und Denkmalpflege nach 1945 gibt es zahlreiche, unter anderem vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) in Auftrag gegebene Veröffentlichungen. Im Gegensatz dazu ist das Thema Stadtentwicklung und Denkmalpflege in Bezug auf Lüneburg deutlich schlechter erforscht und dokumentiert. Ein in diesem Kontext sehr interessantes Werk ist das 2001 im Rahmen eines umfassenden Projekts entstandene und von Dr. Werner H. PREUSS herausgegebene Buch ‚Stadtentwicklung und Architektur – Lüneburg im 20. Jahrhundert‘4. Es behandelt verschiedene Epochen des vergangenen Jahrhunderts und enthält zahlreiche Berichte von Zeitzeugen und Experten. Diese schließen jedoch aufgrund der Vielzahl von Autoren und der voneinander unabhängigen Texte nicht immer nahtlos aneinander an. Eine systematische Zusammenstellung der verschiedenen Lüneburger Stadtentwicklungskonzepte und -pläne der Nachkriegszeit liegt noch nicht vor.

Untrennbar mit den Stadtentwicklungskonzepten Lüneburgs verbunden sind die Auswirkungen von Senkungserscheinungen, die Mitte des 20. Jahrhunderts besonders stark ausfielen. Einer der wenigen Wissenschaftler, die sich in letzter Zeit ausführlich mit dem Phänomen der Senkung in Lüneburg auseinandergesetzt haben, ist der an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätige Professor für Geowissenschaften, Prof. Dr. Frank SIROCKO. Auf seiner Internetseite veröffentlichte dieser sehr detailliert seine im Rahmen eines Projekts gewonnenen Erkenntnisse (vgl. SIROCKO 2014). Interessant sind in Bezug auf das Thema Senkungsgebiet auch die Aufsätze von Dipl.-Ing. Werner-Axel HOFMANN (vgl. HOFMANN 1999; HOFMANN 2001), der von 1970 bis 1999 als technischer Angestellter im Baudezernat der Stadt Lüneburg für das Senkungsgebiet der Westlichen Altstadt zuständig war (vgl. PREUSS 2001a, 259).

Zur Abgrenzung der historischen Altstadt berührt die vorliegende Arbeit auch historische Grundlagen zur Siedlungsgeschichte. Wegweisend hierzu war eine im Jahr 1964 geschriebene und 1969 veröffentlichte siedlungsgeographische Untersuchung von Imme FERGER5, allerdings stützt sie sich fast ausschließlich auf Erkenntnisse, die sich aus der Siedlungsstruktur ergeben. Tiefergehendes Wissen kann nur durch archäologische Ausgrabungen erreicht werden, welche derzeit jedoch noch nicht erfolgt zu sein scheinen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Um die Einflüsse des ALA auf die Entwicklung der historischen Altstadt Lüneburgs zu untersuchen, werden im ersten Teil der Arbeit die zum Verständnis der Rahmenbedingungen und Stadtentwicklungskonzepte notwendigen Informationen aufgearbeitet.

Den Anfang dieser Arbeit macht Kapitel 2 mit dem allgemeinen Thema der Stadtentwicklung und Denkmalpflege nach 1945. Dabei wird in Kapitel 2.1 aufgezeigt, wie sich die diesbezügliche Situation in der Bundesrepublik auf gesetzlicher und praktischer Ebene darstellte und darstellt und welche Entwicklungen mit der Zeit eintraten und in den Fokus rückten. Anschließend werden in Kapitel 2.2 die diese Thematik berührenden Strukturen in der Lüneburger Stadtverwaltung näher betrachtet. Um den im Thema enthaltenen Begriff der ‚historischen Altstadt‘ in Bezug auf Lüneburg zu konkretisieren sowie deren Grenzen darzustellen und zu begründen, wird in Kapitel 3 auf die siedlungsgeographische Geschichte Lüneburgs eingegangen. In Kapitel 4 werden die Herausforderungen betrachtet, mit denen sich die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert sah, bevor Kapitel 5 die daraus resultierenden Stadtentwicklungskonzepte aufzeigt, die starken Widerstand hervorriefen und letztlich zur Entstehung des ALA beitrugen. Kapitel 6 setzt sich mit der Gründung des Vereins auseinander und erläutert dessen Ziele, Entwicklung und vor allem Aktivitäten.

Basierend auf den in diesen Kapiteln dargestellten Informationen widmet sich Kapitel 7 der eigentlichen Fragestellung. Dabei wird in Kapitel 7.1 zunächst beleuchtet, welche Stadtentwicklungskonzepte es zeitgleich zu den Aktivitäten des ALA gab. Diese sind insofern von Bedeutung, als dass auch sie größtenteils zum Ziel hatten, der Zerstörung der historischen Altstadt Einhalt zu gebieten. Kapitel 7.2 untersucht die Einflussnahme des ALA auf praktischer Ebene und schließt mit einer Visualisierung in Form einer kartographischen Darstellung ab. Kapitel 7.3 befasst sich mit der Einflussnahme des ALA auf politischer Ebene, die nicht ohne Weiteres im Stadtbild erkennbar und somit deutlich schwerer messbar ist, deswegen aber nicht weniger bedeutend ist. Kapitel 7.4 behandelt die Einflussnahme auf populärwissenschaftlicher sowie wissenschaftlicher Ebene, bevor Kapitel 7.5 die Einflussnahme auf handwerklicher Ebene darlegt. Das Fazit schließlich fasst die Erkenntnisse dieser Untersuchung zusammen.

1PREUSS, Werner H. (Hg.) (2013): ‚… danke, ich muss noch arbeiten!‘ Curt Helm Pomp. Ein Leben für den Denkmalschutz. Husum.

2ARBEITSKREIS LÜNEBURGER ALTSTADT E. V. (Hg.) (2013): Lüneburg. Die historische Altstadt. Husum.

3Die Vertiefung Baukultur wurde 2015 mit der Vertiefung Kulturraumentwicklung zur neuen Vertiefung Stadt- und Kulturraumforschung zusammengelegt.

4PREUSS, Werner H. (Hg.) (2001): Stadtentwicklung und Architektur – Lüneburg im 20. Jahrhundert. Husum.

5FERGER, Imme (1969): Lüneburg – Eine siedlungsgeographische Untersuchung. Bonn/Bad Godesberg.

2 Stadtentwicklung und Denkmalpflege nach 1945

2.1 Stadtentwicklung und Denkmalpflege auf Bundes- und Länderebene

2.1.1 Gesetzliche und organisatorische Grundlagen

Der Denkmalschutz fällt in Deutschland unter die Kulturhoheit der Bundesländer. Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz (NDSchG) wurde am 30. Mai 1978 verabschiedet und zuletzt am 26. Mai 2011 geändert.

Gemäß § 19 Abs. 1 NDSchG obliegen die Aufgaben der unteren Denkmalschutzbehörde den Gemeinden, die auch die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahrnehmen, und im Übrigen den Landkreisen. Die oberste Denkmalschutzbehörde ist nach § 19 Abs. 1 NDSchG das zuständige Fachministerium.

Demnach ist das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im vorliegenden Fall die oberste Denkmalschutzbehörde (vgl. NLD 2015). Es führt die Fachaufsicht über die unteren Denkmalschutzbehörden, d. h. Gemeinden mit eigener Bauaufsicht oder die Landkreise, die wiederum als Schnittstelle zur Bevölkerung fungieren (vgl. NLD 2015).

2.1.2 Stadtentwicklung und Denkmalpflege im Wandel

Die westdeutsche Stadtentwicklung und Denkmalpflege der Nachkriegszeit lässt sich zwar nicht allgemeingültig beschreiben (vgl. RULAND 2011, 183), allerdings sind aufgrund der gleichgelagerten Problemstellungen und Entwicklungen in den unterschiedlichen Städten zahlreiche Parallelen erkennbar.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren die deutschen Städte mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert, wobei die Wohnungsnot eines der größten Probleme war. Neben den vor allem in Großstädten vorhandenen großflächigen Zerstörungen durch Bombardements – und damit fehlendem Wohnraum für Einheimische – mussten zusätzlich zahlreiche Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten untergebracht werden (vgl. BBR 2000, 45). In vielen Städten war der Wohnraummangel so groß, dass einander fremde Menschen gezwungen waren, sich eine Wohnung zu teilen (vgl. BBR 2000, 46). Die Städte standen vor der Aufgabe, die Wohnungsnot durch schnelle und zweckmäßige Bauvorhaben zu lindern (vgl. BBR 2000, 46). Die damit in Verbindung stehenden Neubauprojekte waren von den bereits in den 1920er Jahren entstandenen Ideen der Funktionsteilung und der aufgelockerten Stadt geprägt (vgl. BBR 2000, 46).

In den 1960er Jahren führte eine erstarkende Wirtschaft zu erhöhtem Güterverkehr sowie zu steigendem Wohlstand der Bevölkerung, der vielen Haushalten erstmals ermöglichte, sich einen eigenen PKW zu leisten (vgl. BBR 2000, 47). Um den daraus resultierenden zusätzlichen Verkehr aufzunehmen, wurden existierende Straßen verbreitert und neue Straßen gebaut (vgl. RULAND 2011, 184).

Durch steigende Bevölkerungszahlen und den gestiegenen Wohlstand wuchs der Bedarf an Wohnraum weiter (vgl. BBR 2000, 47). Die Stadtentwicklung konzentrierte sich daher insbesondere auf den Wohnungsneubau und flächenhafte ‚Sanierungen‘ durch Abriss und Neubebauung mit ganzen Wohnblöcken (vgl. BBR 2000, 49–50). Oftmals machte diese Entwicklung auch vor den Innenstädten nicht Halt, wodurch zahlreiche historische Stadtstrukturen für immer verloren gingen (vgl. BBR 2000, 50). Der Verfall des alten Baubestands wurde durch ausbleibende Restaurierungsmaßnahmen noch verstärkt und wohlhabendere Bevölkerungsschichten zogen in die Neubausiedlungen (vgl. RULAND 2011, 184). Dies führte dazu, dass viele Innenstädte sich entweder zu Problemgebieten oder zu reinen Verkehrs- und Einkaufszentren entwickelten (vgl. RULAND 2011, 184).

Mit der Zeit stieß diese Art der Stadtentwicklung zunehmend auf Widerstand in der Bevölkerung, die ein Umdenken und einen anderen Umgang mit dem Wohnungsbestand forderte (vgl. BBR 2000, 49). Insbesondere in den zentrumsnahen Stadtvierteln begannen die Bewohner in den 1970er Jahren, sich zusammenzuschließen und gegen die Sanierungspraxis zu wehren (vgl. RULAND 2011, 184). In mehreren Städten kam es zu Hausbesetzungen und zur Gründung von Bürgerinitiativen, die Anspruch auf mehr Mitsprache erhoben (vgl. BIEBER 1973) und – auch in Bezug auf den Denkmalschutz – Einfluss auf die Politik auszuüben versuchten (vgl. POMP 2001b, 2).

Ungefähr zeitgleich dazu begann auch in der Fachöffentlichkeit ein Umdenken. So stand beispielsweise der im Mai 1971 in München stattfindende Deutsche Städtetag unter dem Motto ‚Rettet unsere Städte jetzt‘ (vgl. BMVBS 2011, 19).

Proteste und neues Denken zeigten letztlich Wirkung: Die Kommunen rückten von Flächenabrissen ab und wandten sich verstärkt der bestandserhaltenden Erneuerung zu (vgl. TILLE/PRÖMMEL 2008, 7).