Star Wars™ - Eine neue Dämmerung - John Jackson Miller - E-Book

Star Wars™ - Eine neue Dämmerung E-Book

John Jackson Miller

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Beschreibung

Tausende Generationen lang haben die Jedi-Ritter Ruhe und Ordnung in die Galaktische Republik gebracht. Doch sie wurden verraten – und die gesamte Galaxie musste einen hohen Preis dafür bezahlen. Nun hat Imperator Palpatine seine eigenen Vorstellungen durchgesetzt. Frieden durch brutale Unterdrückung, und Ordnung durch totale Kontrolle. Während der eiserne Griff des Imperators immer enger wird, haben andere bereits begonnen, seine Mittel und Motive zu hinterfragen. Und wieder andere, deren Leben durch Palpatines Machenschaften zerstört wurde, liegen bereits auf der Lauer, bereit, jederzeit anzugreifen …

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John Jackson Miller

EINE NEUE DÄMMERUNG

Roman

Deutsch

von Michaela Link

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Star Wars™ A New Dawn« bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

Copyright der Originalausgabe

© 2014 by Lucasfilm Ltd. & TM where indicated.

Excerpt from Star Wars: Lords of the Sith by Paul S. Kemp

Copyright © 2015 by Lucasfilm Ltd. & TM where indicated.

All rights reserved.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016

by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Rainer Michael Rahn

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft, nach einer Originalvorlage

Cover Art Copyright: © 2014 by Lucasfilm Ltd.

Jacket Design: Scott Biel

Jacket Art: Doug Wheatley

JvN · Herstellung: kw

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-19076-7V001

www.blanvalet.de

Für meine Mutter, die mich gelehrt hat,

Bücher und Filme zu lieben.

Es war einmal vor langer Zeit

in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Vorwort

Star Wars ist eine unglaublich kreative Galaxis, in der Geschichtenerzähler seit 1977 Jedi auf zahllose Missionen schicken, allerlei Planeten erkunden und versteckte Schätze entdecken. Ich bin mit der Original-Trilogie aufgewachsen, und im Laufe der Jahre habe ich die Bücher und Comics gelesen, die Spiele gespielt und mir die Neuveröffentlichungen angesehen. Und ich konnte es kaum glauben, als ich eines Tages im Kino saß und auf der Leinwand den Schriftzug »Episode I« las. Es war ein Tag, auf den ich sehr, sehr lange gewartet hatte. Ich habe mir alle Prequels gleich am Premierenabend angesehen und mich dafür, wie wir alle, in die Schlange gestellt, bin zu den »Midnight Madness«-Events gegangen, in deren Rahmen Star- Wars-Spielzeuge neu auf den Markt kamen, und mir gefiel die Community, die um das Star-Wars-Universum herum entstanden war, wirklich sehr gut.

Noch konnte ich nicht ahnen, dass ich, noch bevor der letzte der drei Prequel-Filme veröffentlicht wurde, nach Nordkalifornien ziehen und an der Seite des »Schöpfers«, George Lucas, an Star Wars: The Clone Wars arbeiten würde. Ich kam mir vor, als hätte ich bei einer Art Star-Wars-Lotterie gewonnen, aber ich spürte auch eine gewaltige Verantwortung gegenüber all den Menschen, die Star Wars liebten: die Verantwortung, meine Sache möglichst gut zu machen, damit das Ergebnis stimmte. Als nun meine persönliche Jedi-Ausbildung begann, hatte ich immer George in der Nähe, der mir die tiefgründigeren Fragen beantwortete und dafür sorgte, dass wir auf dem richtigen Weg blieben, dass wir Star Wars auch wirklich so Gestalt annehmen ließen, wie er sich das wünschte. Er pflegte mit mir und meiner Crew zu scherzen, und meinte, er habe uns nun die Wege der Macht beigebracht, sodass Star Wars eines Tages, wenn er in den Ruhestand gehe, auch ohne ihn weiterleben könne. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ihm je geglaubt haben – bis es dann wirklich passiert ist.

Also, wie geht es jetzt weiter? Und wie sorgen wir dafür, dass das Ergebnis stimmt? Sehr einfach, wir vertrauen der Macht und vertrauen einander. Wir sind als eine Gruppe zusammengekommen und haben die besten Talente an Land gezogen: Menschen, die, wie du und ich, Star Wars lieben und etwas immer Größeres daraus machen wollen. Die die spezielle Atmosphäre einfangen wollen, die Star Wars uns allen vermittelt und die uns alle inspiriert hat. In stärkerem Maße als zu jeder anderen Zeit, seit es Star Wars gibt, werden heute jeden Tag neue Star-Wars-Geschichten erzählt. Wichtiger noch, das alte Konzept dessen, was zum Kanon gehört und was nicht, besteht nicht mehr, und von jetzt an existieren unsere Geschichten und Figuren alle im gleichen Universum; die maßgeblichen Kreativkräfte, die an den Kinofilmen, Fernsehserien, Comics, Videospielen und Romanen arbeiten, sind zum ersten Mal in der Geschichte des Star-Wars-Universums kreativ miteinander verbunden.

Eine neue Dämmerung ist das Ergebnis dieser neuen Methode der Zusammenarbeit hier bei Lucasfilm. Als Leitende Produzenten von Star Wars Rebels haben Greg Weisman, Simon Kinberg und ich unseren Teil zur Geschichte und den Figuren beigetragen und dabei mit Autor John Jackson Miller zusammengearbeitet. Ich konnte sogar meinen Kommentar zum Aussehen von Kanan und Hera auf dem Cover abgeben – das mag manchen vielleicht als ein kleines Detail erscheinen, aber es war aufregend, daran mitzuwirken und zu wissen, dass die Figuren auch dem ursprünglichen Gedanken treu blieben. Ich hoffe sehr, dass die Leser und Leserinnen diese Geschichte genießen werden und dass sie zu einer Bereicherung ihrer Erfahrung und ihres Wissens hinsichtlich der Figuren von Star Wars Rebels wird. Es gibt immer noch zahllose Welten zu besuchen und unzählige fremde Lebensformen zu treffen, und mit all den unglaublichen Talenten, mit denen wir bei Lucasfilm arbeiten, liegt der zu beschreitende Weg klar und offen vor uns.

Zuletzt muss ich dir, dem Leser, danken. Ob dieses Buch nun dein erstes Star-Wars-Abenteuer ist oder nur eines von vielen im Laufe der Jahre: Danke. Danke für deine Hingabe und Leidenschaft für die Star-Wars-Galaxis. Wegen Fans wie dir überall auf der Welt wird die Macht für immer mit uns sein.

Dave Filoni

Leitender Produzent und

Beaufsichtigender Direktor

von Star Wars Rebels

Über tausend Generationen hinweg haben die Jedi-Ritter mithilfe ihrer Verbindung zu jenem geheimnisvollen Energiefeld, das die Macht genannt wird, der Galaktischen Republik Frieden und Ordnung gebracht. Aber sie wurden verraten – und die ganze Galaxis hat den Preis dafür bezahlt. Das Zeitalter des Imperiums ist angebrochen.

Jetzt hat Imperator Palpatine, einst Kanzler der Republik und im Geheimen Sith-Adept, ein Jünger der dunklen Seite der Macht, der Galaxis seinen eigenen Frieden und seine eigene Ordnung gebracht. Frieden durch brutale Unterdrückung – und Ordnung durch eine immer stärkere Kontrolle des Lebens seiner Untertanen.

Aber noch während der Imperator seinen eisernen Griff verfestigt, haben andere begonnen, seine Methoden und Motive in Frage zu stellen. Und wieder andere, deren Leben durch Palpatines Machenschaften zerstört wurden, sind wie Blindgänger über die Galaxis verteilt – Bomben, die darauf warten, irgendwann hochzugehen …

Jahre zuvor …

»Ab nach Hause«, sagte Obi-Wan Kenobi.

Der Jedi-Meister warf einen vielsagenden Blick auf das Bedienfeld mit den blinkenden Lichtern zu seiner Rechten – und wandte sich dann wieder den aufmerksamen Schülern zu. Der Gang zwischen den turmhohen Computerreihen in der zentralen Sicherheitsstation war für Wartungsarbeiten durch ein paar Techniker bemessen, nicht für die Unterrichtung einer ganzen Horde junger Jedi. Trotzdem fanden sie alle Platz, in der Gegenwart ihres Lehrmeisters ängstlich darauf bedacht, einander nicht zu schubsen oder anzurempeln.

»Das ist die Bedeutung dieses Signals«, erklärte der bärtige Mann und drehte sich wieder zu der Konsole um. Reihen blauer Lichter funkelten in einem Meer grüner Anzeigen. Er legte einen Schalter um. »Ihr könnt es hier im Jedi-Tempel nicht hören oder sehen. Aber abseits von Coruscant, auf allen anderen Planeten in der Galaxis, würden die Mitglieder unseres Ordens nun die Nachricht erhalten: Kehrt sofort nach Hause zurück.«

Der junge Caleb Dume saß zusammen mit seinen Klassenkameraden auf dem Boden und hörte zu – aber nicht sonderlich aufmerksam. Seine Gedanken schweiften ab, wie so oft, wenn er sich vorzustellen versuchte, irgendwo in fernen Welten unterwegs zu sein.

Noch war er nur ein mageres, drahtiges Bürschchen – mit rötlicher Haut, blauen Augen und schwarzem Wuschelhaar. Er war noch keinem Mentor als Schüler zugewiesen. Aber eines Tages würde er dort draußen sein und zusammen mit seinem Meister in ferne, exotische Welten reisen. Sie würden den Bürgern der Galaktischen Republik Frieden und Ordnung bringen und das Böse besiegen, wo immer sie ihm begegneten.

Vor seinem geistigen Auge sah er sich selbst als Jedi-Ritter, wie er an der Seite der Klonkrieger der Republik gegen die feindlichen Separatisten kämpfte. Gewiss, Palpatine, der Kanzler der Republik, hatte versprochen, den Krieg bald zu beenden, aber niemand konnte so unhöflich sein, die Kämpfe beizulegen, ehe nicht auch Caleb seine Chance bekommen hatte.

Darüber hinaus wagte er zu hoffen, selbst einmal ein Jedi-Meister wie Obi-Wan zu werden und Ruhm und Ansehen als einer der weisesten Weisen des Ordens zu gewinnen. Dann würde er wirklich echte Großtaten vollbringen. Er würde gegen die Sith in den Kampf ziehen, das legendäre böse Gegenstück zu den Jedi.

Freilich hatte man von den Sith seit tausend Jahren nichts mehr gesehen und gehört, und er wusste auch von keinem Schatten, den ihre mögliche Rückkehr vorausgeworfen hätte. Aber in seinen ehrgeizigen Zielen unterschied sich Caleb eben in keiner Weise von den jungen Jedi um ihn herum, ganz gleich welchen Geschlechts sie waren und welcher Spezies sie angehörten. Die Fantasie eines Heranwachsenden kannte keine Grenzen.

Der Jedi-Meister mit dem sandbraunen Haar berührte das Bedienfeld aufs Neue. »Momentan befindet sich die Anlage im Testbetrieb«, erklärte Obi-Wan. »Daher wird niemand reagieren. Aber wenn es einen echten Notfall gäbe, könnten Jedi die Nachricht auf verschiedene Weise empfangen.« Er warf einen Blick in die Runde seiner Zuhörer. »Neben dem Alarmsignal selbst können noch weitere Elemente gesendet werden, detaillierte holografische Botschaften und Textnachrichten. Aber wie auch immer der Rundruf gestaltet ist, seine wesentliche Botschaft lautet …«

»Kommt nach Hause!«, riefen die versammelten Schüler.

Obi-Wan nickte. Dann sah er, dass jemand die Hand hob. »Der Schüler dort hinten«, sagte er und versuchte sich an den Namen zu erinnern. »Caleb Dume, richtig?«

»Ja, Meister.«

Obi-Wan lächelte. »Auch ich lerne immer noch dazu.« Die Schüler kicherten. »Du hast eine Frage, Caleb?«

»Ja.« Der Junge holte tief Luft. »Wo ist das?«

»Wo ist was?«

Die anderen Schüler lachten erneut, diesmal ein wenig lauter.

»Wo ist zu Hause? Wohin sollen wir kommen?«

Obi-Wan lächelte. »Nach Coruscant natürlich. Hierher, in den Jedi-Tempel.«

Der Lehrmeister wandte sich wieder dem Leuchtsignal zu, als er bemerkte, dass Caleb Dumes Hand schon wieder oben war. Caleb war nicht gerade der Typ Schüler, der in jeder Unterrichtsstunde in der ersten Reihe saß – niemand hatte Respekt vor einem Streber –, aber an übermäßiger Schüchternheit hatte er jedenfalls nie gelitten.

»Ja, Caleb?«

»Warum …« Dem Jungen versagte die Stimme, und seine Gefährten quittierten das mit leisem Kichern. Er funkelte die anderen böse an und unternahm einen neuen Anlauf: »Was könnte Euch dazu bringen, alle Jedi gleichzeitig hierher zurückzurufen?«

»Eine sehr gute Frage. Wenn man sich hier umsieht, sollte man meinen, wir hätten alle Jedi, die wir brauchen!« Obi-Wan grinste die Meister der Schüler an, die ihnen vom geräumigeren Kontrollraum aus zusahen. Aus dem Augenwinkel bemerkte Caleb unter ihnen auch Depa Billaba. Die braunhäutige, dunkelhaarige Frau hatte Interesse daran gezeigt, ihn als ihren Schüler anzunehmen – und nun musterte sie ihn mit ihrem gewohnten, überaus geduldigen Gesichtsausdruck aus der Ferne: Worauf willst du hinaus, Caleb?

Caleb wäre in diesem Moment am liebsten im Erdboden versunken – da richtete Obi-Wan das Wort direkt an ihn. »Warum sagst du es mir nicht, Caleb: Aus welchem Grund bestünde denn deiner Meinung nach Anlass, alle Jedi des Ordens zurückzurufen?«

Als ihm bewusst wurde, dass alle ihn anschauten, begann Calebs Herz heftig zu pochen. Für gewöhnlich machte der Junge sich keine Gedanken darüber, dass er sich vielleicht in Schwierigkeiten bringen konnte, weil er seinen Standpunkt deutlich vertrat – seine Kameraden kannten ihn gar nicht anders. Aber heute waren Schüler anwesend, die er noch nie zuvor gesehen hatte, darunter auch ältere – ganz zu schweigen von den Jedi-Meistern. Und jetzt hatte Caleb unvermittelt eine Gelegenheit bekommen, vor aller Augen ein Mitglied des Hohen Rates zu beeindrucken.

Natürlich war es eine ebenso gute Gelegenheit, sich zu blamieren. Es gab so viele Möglichkeiten …

Etwa, weil es eine Fangfrage war.

»Ich weiß, warum Ihr sie zurückrufen würdet«, verkündete Caleb schließlich. »Weil das Unerwartete eingetreten ist!«

Die anderen brachen in schallendes Gelächter aus, jeder Anschein von respektvoller Disziplin war nach Calebs Worten verflogen. Aber Obi-Wan hob die Hände. »Das ist so ziemlich die beste Antwort, die ich je gehört habe«, stellte er fest.

Die Gruppe beruhigte sich, und Obi-Wan fuhr fort: »Die Wahrheit ist, meine jungen Freunde, dass ich es einfach nicht weiß. Ich könnte euch von den vielen Malen im Laufe der Geschichte des Ordens erzählen, dass Jedi nach Coruscant zurückgerufen worden sind, um es mit der einen oder anderen Bedrohung aufzunehmen. Das waren Zeiten großer Gefahr, die zu großen Heldentaten geführt haben. Vieles davon ist die reine Wahrheit, bei anderem handelt es sich um Legenden, die Wahrheiten enthalten, doch alles kann euch etwas lehren. Jocasta, unsere Bibliothekarin, wird euch bestimmt helfen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.« Er rieb die Hände aneinander. »Aber keine zwei dieser Ereignisse waren gleich – und wenn das Signal erneut gesendet wird, wird der Grund dafür wieder einzigartig sein. Ich hoffe, dass das niemals notwendig sein wird, aber es gehört zu eurer Ausbildung, dass ihr die Möglichkeit kennt. Also merkt euch, wenn ihr das Signal erhaltet, dann …«

»… kommt nach Hause!«, sagten die Kinder, Caleb eingeschlossen.

»Sehr gut.« Obi-Wan deaktivierte das Signal und schritt durch die Menge zum Ausgang. Die Schüler standen auf und marschierten in den Kontrollraum hinaus, um ihren gewöhnlichen Unterricht fortzusetzen. Die Exkursion in dieses Stockwerk des Jedi-Tempels war vorüber.

Caleb stand ebenfalls auf, aber er blieb noch in dem Gang zurück. Die Jedi lehrten ihre Schüler, die Dinge von allen Seiten zu betrachten, und ihm kam der Gedanke, dass es bestimmt noch eine weitere Seite dessen gab, was man ihnen gerade gezeigt hatte. Mit gerunzelter Stirn wollte er abermals die Hand heben. Dann begriff er, dass er der Letzte im Raum war. Niemand beachtete ihn.

Bis auf Obi-Wan, der in der Tür stand. »Was gibt’s?«, rief der Meister über den Lärm der anderen hinweg. Hinter ihm verstummten die Schüler und blieben stehen. »Was willst du sagen, Caleb?«

Überrascht darüber, bemerkt worden zu sein, schluckte Caleb. Er sah Meisterin Billaba die Stirn runzeln, zweifellos weil sie sich fragte, was ihr impulsiver Schülerkandidat wohl jetzt schon wieder im Sinn hatte. Es war an der Zeit, endlich den Mund zu halten. Aber wie er nun so ganz allein in dem Gang zwischen all den leuchtenden Lichtern stand, konnte er keinen Rückzieher mehr machen. »Dieses Leuchtsignal. Es kann jede Nachricht aussenden, nicht wahr?«

»Hm, na ja«, sagte Obi-Wan. »Nein, für normale Verwaltungsbelange nutzen wir es nicht. Als Jedi-Ritter – und ich hoffe sehr, dass ihr eines Tages alle welche sein werdet – bekommt man andere Anweisungen jeweils persönlich und mit weniger dramatischen Methoden der …«

»Könnt Ihr Eure Leute auch wegschicken?«

Dem einen oder anderen in der Gruppe blieb vor Überraschung die Luft weg. Obi-Wan sah den Jungen an. Auch wenn er mitten im Satz unterbrochen worden war, wirkte er nicht verärgert. »Wie bitte?«

»Könnt Ihr Eure Leute auch wegschicken?«, wiederholte Caleb und zeigte auf die Bedienelemente für das Leuchtsignal. »Ihr könnt alle Jedi gleichzeitig hierher zurückrufen. Könntet Ihr auch alle warnen, sich von hier fernzuhalten?«

Aufgeregt flüsterndes Stimmengewirr erfüllte den Raum hinter Obi-Wan. Meisterin Billaba trat in den Computerraum, offensichtlich um dem peinlichen Moment ein Ende zu machen. »Ich glaube, das ist jetzt genug, Caleb. Entschuldigt uns, Meister Kenobi. Wir wissen, wie kostbar Eure Zeit ist.«

Doch Obi-Wan sah sie nicht an. Auch er hatte jetzt den Blick nachdenklich auf das Leuchtsignal gerichtet. »Nein, nein«, sagte er schließlich und gestikulierte den anderen, ohne sich umzudrehen. »Wartet bitte noch einen Moment.« Er kratzte sich am Hinterkopf und wandte sich wieder der Gruppe zu. »Ja«, fuhr er leise fort. »Es könnte wohl auch dazu genutzt werden, um die Jedi zu warnen, sich von hier fernzuhalten. Von hier zu fliehen.«

Unter den Schülern brachen sofort heftige Diskussionen aus.

Jedi sollten fliehen?

Jedi liefen nicht weg! Jedi stürzten sich in die Gefahr!

Jedi hielten die Stellung, Jedi kämpften!

Die anderen Meister kamen herein und gaben Obi-Wan ein Zeichen. »Schüler«, sagte ein Älterer. »Es gibt keinen Grund, um …«

»Keinen von uns erwarteten Grund«, fiel ihm Obi-Wan ins Wort und streckte den Zeigefinger in die Höhe. Er suchte Calebs Blick. »Nur das, was unser junger Freund gesagt hat: das Unerwartete.«

Schweigen senkte sich über die Gruppe. Caleb, der zögerte, noch etwas zu sagen, überließ es einem anderen Schüler, das zu fragen, was er dachte. »Was dann? Wenn Ihr uns alle fortschickt, was dann?«

Obi-Wan überlegte einen Moment lang, dann wandte er sich den Schülern zu und schenkte ihnen ein warmes, aufmunterndes Lächeln. »Dann ist es genauso wie auch sonst immer. Ihr werdet eurem Befehl folgen – und auf den nächsten warten.« Er hob die Arme, ein Zeichen, dass sie entlassen waren. »Danke, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.«

Die Schüler verließen rasch den Kontrollraum, immer noch ins Gespräch vertieft. Caleb blieb zurück und sah Obi-Wan hinterher, wie er durch eine andere Tür verschwand. Sein Blick wanderte wieder zu dem Leuchtsignal.

Er konnte spüren, dass Meisterin Billaba ihn beobachtete. Er blickte zurück und sah sie allein in der Tür warten. Das Stirnrunzeln war aus ihrem Gesicht verschwunden; ihre Augen waren warm und liebevoll. Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. Er gehorchte.

»Mein junger Stratege hat wieder nachgedacht«, bemerkte sie, als sie in den Aufzug traten. »Noch irgendwelche weitere Fragen?«

»Auf den nächsten Befehl warten.« Caleb blickte zu Boden und sah ihr dann ins Gesicht. »Was ist, wenn dieser Befehl nicht mehr kommt? Dann weiß ich nicht, was nun zu tun ist.«

»Vielleicht wirst du es wissen.«

»Vielleicht aber auch nicht.«

Sie musterte ihn nachdenklich. »In Ordnung, vielleicht wirst du es nicht wissen. Aber alles ist möglich«, fügte sie hinzu und legte ihm den Arm auf die Schulter, als sich die Aufzugstür wieder öffnete. »Vielleicht wirst du die Antwort auf irgendeine andere Weise erhalten.«

Caleb wusste nicht, was das bedeutete. Aber es war nun mal Meisterin Billabas Art, in Rätseln zu sprechen, und wie immer vergaß er dieses Rätsel sogleich wieder, als er nun das Stockwerk betrat, in dem die jungen Jedi trainierten. Jeden Tag waren hier die mächtigsten Krieger der Galaxis versammelt, um die nächste Generation zu unterrichten: in Lichtschwertkampf, Akrobatik, Nahkampf, sogar im Steuern von Raumschiffen, wozu Simulatoren eingesetzt wurden. In jeder erdenklichen Disziplin also, in der eine Verbundenheit mit der geheimnisvollen Macht, dem Energiefeld, aus dem alle Jedi Kraft und Stärke schöpften, hilfreich sein konnte.

Und jene, die Caleb hier sah, waren nur ein winziger Bruchteil des Jedi-Ordens, der überall in der bekannten Galaxis über Außenposten und Agenten verfügte. Sicher, die Galaktische Republik lag gegenwärtig mit den Separatisten im Krieg, aber die Jedi hatten über tausend Generationen hinweg Bedrohungen abgewehrt. Wie könnte es irgendjemand oder irgendetwas mit ihnen aufnehmen?

Caleb erreichte einen Raum, in dem seine Klassenkameraden bereits eifrig dabei waren, Übungskämpfe mit Holzstäben auszufechten. Einer seiner regelmäßigen Trainingspartner, ein rothäutiger Humanoide, empfing ihn an der Tür, die Trainingswaffe in der Hand. Er war im Kontrollraum auch dabeigewesen. »Willkommen, junger Meister Großer Ernst«, grüßte er feixend. »Was war das vorhin mit Meister Kenobi?«

»Vergiss es«, sagte Caleb, schob sich an ihm vorbei und griff nach seiner eigenen Trainingswaffe. »Nichts von Bedeutung.«

»Warte, warte!« Der andere Junge reckte seine freie Hand in die Höhe und ahmte Calebs Art nach, sich zu melden, wenn er Fragen stellen wollte. »Ähm! Ähm! Ähm! Nehmt mich dran!«

»Ja, ja, du solltest dich jetzt lieber konzentrieren, Freundchen, weil ich dir nämlich gleich eine ordentliche Tracht Prügel verpassen werde!« Lächelnd machte sich Caleb an sein Übungsprogramm.

HIERSPRICHTOBI-WANKENOBI:

STREITKRÄFTEDERREPUBLIKWURDEN

GEGENDIEJEDIGEWANDT,

MEIDETCORUSCANT, LASSTEUCHNICHTAUFSPÜREN,

BLEIBTSTARK,

MÖGEDIEMACHTMITEUCHSEIN.

Stufe 1

ZÜNDUNG

»Imperator stellt ehrgeizigen Plan zum Ausbau der imperialen Flotte vor«

»Graf Vidian mit der Macht der Sterne auf einer neuen Industrie-Inspektionsreise«

»Blindgänger aus Klonkriegen bleiben Anlass zur Sorge«

Schlagzeilen der Imperialen HoloNews

(Ausgabe Planet Gorse)

1. Kapitel

»Schallkollision!«

Der Sternzerstörer war erst einen Moment zuvor aus dem Hyperraum aufgetaucht; jetzt kam ein Raumfrachter direkt auf seine Brücke zugerast. Bevor die Schilde der Ultimatum hochgefahren oder die Geschütze schussbereit gemacht werden konnten, drehte das sich nähernde Schiff abrupt nach oben ab.

Rae Sloane beobachtete ungläubig, wie der unbotmäßige Frachter über das Sichtfenster ihrer Brücke hinwegraste und dann außer Sicht geriet. Doch er ließ von sich hören: Ein leises, kratzendes Knirschen zeigte an, dass er gerade die obere Rumpfkante des riesigen Raumschiffs gestreift hatte. Der frisch ernannte Kapitän blickte zu ihrem ersten Offizier hinüber. »Schäden?«

»Keine, Captain.«

Wenig überraschend, dachte sie. Das andere Schiff hatte es bestimmt schlimmer erwischt. »Diese Hinterwäldler führen sich auf, als hätten sie noch nie einen Sternzerstörer gesehen!«

»Das haben sie auch bestimmt noch nicht«, antwortete Commander Chamas.

»Sie sollten sich besser daran gewöhnen.« Sloane beobachtete den Schwarm von Transportschiffen, die sich vor der Ultimatum drängten. Ihr riesiges Sternenschiff der Imperium-Klasse war am Rand des ihnen zugewiesenen sicheren Korridors aus dem Hyperraum ausgetreten und dabei dem anscheinend größten Verkehrsstau im gesamten Inneren Rand gefährlich nahe gekommen. Sie wandte sich an die Dutzende von Crewmitgliedern auf der Brücke: »Gebt gut acht. Die Ultimatum ist zu neu, als dass wir sie mit Kratzern im Lack zurückbringen sollten.« Sie überlegte und kniff die Augen zusammen. »Sendet auf dem Kanal der Bergbaugilde eine Warnung. Dem nächsten Knallkopf, der uns näher kommt als einen Kilometer, verpassen wir einen Turbolaser-Haarschnitt.«

»Jawohl, Captain.«

Natürlich kannte Sloane dieses System ebenso wenig, wie die Leute hier einen Sternzerstörer kannten; sie war erst kurz vor Beginn des Erprobungsfluges der Ultimatum in den Kapitänsrang befördert worden. Die große, muskulöse, dunkelhäutige und schwarzhaarige Frau hatte von Beginn ihrer militärischen Laufbahn an außerordentliche Leistungen gezeigt und war schnell aufgestiegen. Allerdings hatte sie das Kommando auf der Ultimatum nur in Vertretung des eigentlich dafür vorgesehenen Kapitäns erhalten, der noch bis auf Weiteres dem Bauausschuss zugeteilt war – aber wer sonst hatte schon mit dreißig ein so großes Schiff befehligt? Sie selbst wusste es nicht, da die Imperiale Flotte seit nicht einmal zehn Jahren unter diesem Namen existierte, seit Kanzler Palpatine die verräterischen Jedi in die Knie gezwungen und aus der Republik das Galaktische Imperium geformt hatte. Umso besser wusste Sloane aber, dass die kommenden Tage darüber entscheiden würden, ob sie auf Dauer ein eigenes Schiff erhalten würde.

Dieses System hier, so hatte man sie informiert, war die Heimat von etwas sehr Seltenem: einem astronomisch wahrhaft ungleichen Paar. Gorse, jetzt gut sichtbar durch das Fenster ihrer Brücke, wurde seinem Ruf als vielleicht hässlichster Planet in der Galaxis durchaus gerecht. Da Gorse der Sonne seines Systems immer die gleiche Seite zuwandte, war diese Hälfte der dampfenden Schlammkugel immer so heiß wie ein Backofen. Nur die in ewiger Dunkelheit liegende andere Hälfte des Planeten war bewohnbar und beherbergte inmitten einer Landschaft von ausgedehnten Tagebauflächen eine riesige Industriestadt. Sloane konnte sich nicht vorstellen, auf einer Welt zu leben, auf der es niemals einen Sonnenaufgang gab – sofern man denn das Durchschwitzen einer endlosen, schwülwarmen Sommernacht überhaupt Leben nennen konnte. Rechts von dem Planeten hatte sie nun außerdem Cynda, den einzigen Mond von Gorse, im Blickfeld. Er war fast groß genug, um in den imperialen Verzeichnissen zusammen mit Gorse als Doppelplanet durchzugehen, und strahlte einen herrlichen silbernen Glanz aus. Cynda war genauso zauberhaft wie Gorse trostlos.

Aber Sloane interessierte sich nicht für den schönen Anblick oder für die Plackerei all der Verlierer unten auf Gorse. Sie wandte sich vom Fenster ab. »Stellen Sie sicher, dass die Konvois unseren Flugkorridor freihalten. Dann informieren Sie Graf Vidian, dass wir …«

»Vergessen Sie die alten Methoden«, blaffte eine tiefe Baritonstimme.

Die schroffe Äußerung ließ alle auf der Brücke zusammenzucken, denn sie hatten diese Formulierung zuvor schon gehört – allerdings kaum je in diesem Tonfall. Es war das Motto ihres berühmten Passagiers, das in viele Wirtschaftsprogramme aus den Tagen der Republik Eingang gefunden hatte und jetzt, nachdem er in den Dienst der Regierung getreten war, immer noch dazu diente, seine erfolgreichen Geschäftsmodelle durchzusetzen. Überall wurden die alten, noch aus der Zeit der Republik stammenden Methoden und Vorgehensweisen nun durch neue ersetzt. »Vergesst die alten Methoden« war in der Tat der aktuelle Slogan.

Sloane wusste allerdings nicht recht, warum sie ihn gerade jetzt zu hören bekam. »Graf Vidian«, sagte sie und ließ ihren Blick von Tür zu Tür schweifen. »Wir machen gerade die von uns beanspruchte Sicherheitszone bekannt. Das ist das übliche Verfahren.«

Denetrius Vidian trat durch die von Sloane am weitesten entfernte Tür auf die Brücke. »Und ich sage Ihnen, vergessen Sie die alten Methoden«, wiederholte er, obwohl kein Zweifel bestand, dass jeder es schon beim ersten Mal verstanden hatte. »Ich habe gehört, dass Sie dem Bergwerksverkehr befohlen haben, Ihre Flugbahn zu meiden. Es wäre aber effizienter, wenn Sie sich aus dessen Flugkorridoren zurückziehen würden.«

Sloane versteifte sich. »Die imperiale Raumflotte weicht keinem Handelsverkehr aus!«

Vidian stampfte mit seinem metallenen Absatz auf das Deck. »Verschonen Sie mich mit Ihrem albernen Stolz! Wenn es nicht um das Thorilidium ginge, das in diesem System produziert wird, dürften Sie gerade mal einen kleinen Shuttle befehligen. Sie verlangsamen die Produktion. Die alten Methoden sind falsch!«

Sloanes Miene verfinsterte sich. Sie konnte es nicht ausstehen, auf ihrer eigenen Brücke derart herablassend behandelt und gerügt zu werden. Die Sache sollte besser wie ihre eigene Entscheidung wirken. »Es handelt sich hier um das Thorilidium des Imperiums. Machen Sie einen großen Bogen um die Frachtschiffe. Chamas, bringen Sie uns einen Kilometer weit weg von den Flugbahnen der Konvois und überwachen Sie sämtlichen Verkehr.«

»Zu Befehl!«

»So ist es richtig«, sagte Vidian. Jede einzelne Silbe wurde klar und deutlich ausgesprochen, mechanisch moduliert und verstärkt, sodass jeder ihn verstehen konnte. Gewöhnungsbedürftig fand Sloane allerdings, dass Graf Vidians Mund sich dabei nicht bewegte. Seine Äußerungen kamen aus einer speziellen Stimmprothese, einem Computer mit Lautsprecher, der in der silbernen Panzerung um seinen Hals verborgen war.

Sie hatte einmal die Stimme von Darth Vader gehört, dem obersten Gesandten des Imperators. Auch wenn sie elektronisch verstärkt wurde, ließ die viel tiefere Stimme des Dunklen Lords doch immer noch eine natürliche Färbung erkennen, die von dem herrührte, was unter seiner schwarzen Rüstung steckte – was immer das sein mochte. Im Gegensatz dazu hatte Graf Vidian in dem Bestreben, die am stärksten motivierende Stimme im Wirtschaftssektor zu besitzen, seine künstliche Stimme angeblich auf Grundlage einer Meinungsumfrage gewählt.

Und seit er vor einer Woche zusammen mit seinen persönlichen Beratern an Bord ihres Schiffes gekommen war, hatte Vidian ohne Bedenken stets so laut gesprochen, wie er es für notwendig hielt. Über die Ultimatum, über ihre Crew – und über sie.

Roboterhaft marschierte Vidian jetzt über die Brücke. Anders ließ es sich nicht beschreiben. Er war genauso ein Mensch wie Sloane, aber große Teile seines Körpers waren ersetzt worden. Seine Arme und Beine waren gepanzert und sollten erst gar nicht den Eindruck erwecken, als handele es sich um natürliche Gliedmaßen. Sein majestätischer weinroter Rock und der knielange schwarze Kilt waren seine einzigen Zugeständnisse an die für einen Industriebaron in den Fünfzigern übliche Kleidung.

Aber es war Vidians abschreckendes Gesicht, das am meisten Aufmerksamkeit auf sich zog. Nachdem er seine Gesichtsmuskeln aufgrund der gleichen Krankheit verloren hatte, der einst auch seine Glieder und Stimmbänder zum Opfer gefallen waren, hatte Vidian seine Züge mit einer synthetischen Haut überzogen. Und seine Augen waren künstliche Gebilde mit einer leuchtend gelben Iris in roten Augäpfeln. Diese Augen schienen für eine nicht menschliche Spezies bestimmt zu sein; Vidian hatte sie ausschließlich nach dem Gesichtspunkt ihres Leistungsvermögens ausgewählt. Das war für Sloane deutlich zu erkennen, als er nun aus dem großen Fenster schaute und Konvoi für Konvoi, Schiff für Schiff musterte und im Stillen das Gesamtbild analysierte, das sich ihm darbot.

»Wir hatten bereits eine Begegnung mit den Einheimischen«, sagte sie. »Vermutlich haben Sie den Aufprall gehört. Die Leute hier sind …«

»Desorganisiert. Genau darum bin ich hier.« Er drehte sich um und ging an der Reihe von Computerterminals und ihrem Bedienpersonal entlang, bis er die Strategiekonsole erreicht hatte, die alle Schiffe im Umkreis abbildete. Er schob sich an Cauley vorbei, dem jungen menschlichen Leutnant, und betätigte eine Kommandotaste. Dann trat Vidian von der Konsole zurück. Er fror förmlich ein und schien mit leerem Blick in den Raum hinauszustarren.

»Graf?«, fragte Cauley verunsichert.

»Ich habe die Ausgabe für Ihren Bildschirm zusätzlich in mein optisches Implantat geleitet«, antwortete Vidian. »Sie können mit Ihrer Arbeit fortfahren, während ich die Daten lese.«

Der strategische Offizier gehorchte. Bestimmt war er erleichtert, dass der Cyborg nicht die ganze Zeit hinter ihm stand und ihm über die Schultern sah, dachte Sloane. Vidians Methoden waren ohne Frage sonderbar, aber sie waren auch effektiv, und genau deshalb war er auf ihrem Schiff. Der einstige Unternehmer war jetzt des Imperators bevorzugter Experte für Effizienz.

Die Fabriken auf Gorse raffinierten Thorilidium, einen seltenen, strategisch wichtigen Stoff, der für eine Vielzahl von imperialen Projekten in gewaltigen Mengen benötigt wurde. Aber das Rohmaterial dazu kam mittlerweile von Cynda, Gorses’ Mond – daher die Vielzahl von Frachtschiffen, die auf der Route zwischen den beiden Himmelskörpern für Verkehrsstaus sorgten. Der Imperator hatte Vidian hierhergeschickt, um die Produktion zu steigern – eine Aufgabe, für die er wie kein Zweiter qualifiziert war.

Vidian war dafür bekannt, dass er aus jeder Welt das allerletzte Erg Energie, das allerletzte Kilogramm Rohstoff, das letzte Quäntchen an Fabrikproduktion herausquetschte. Er gehörte nicht zum engsten Beraterzirkel des Imperators. Noch nicht. Aber Sloane war klar, dass das bald der Fall sein würde, vorausgesetzt, er erlitt keinen Rückfall in jene Krankheit, die ihm Jahre zuvor so sehr zugesetzt hatte. Vidians Milliarden hatten ihm Jahre zusätzlichen Lebens erkauft – und er schien fest entschlossen, weder sich selbst noch irgendjemanden sonst auch nur einen Moment dieser Zeit vergeuden zu lassen.

Seit er an Bord gekommen war, hatte sie noch kein einziges Gespräch mit ihm geführt, bei dem er sie nicht mindestens ein Dutzend Mal unterbrochen hatte.

»Wir haben die hiesige Bergbaugilde auf Ihre Ankunft hingewiesen, Graf. Die Thorilidiumproduktion beläuft sich auf insgesamt …«

»… die Zahlen kommen bereits herein«, unterbrach sie der Graf, und mit diesen Worten machte er sich auf den Weg zu einem weiteren Datenterminal im rückwärtigen Bereich der Brücke.

Commander Chamas gesellte sich zu Sloane. Sie befanden sich ganz vorn, viele Meter vom Grafen entfernt. Chamas war Ende vierzig und auf der Karriereleiter inzwischen von einer ganzen Reihe jüngerer Offiziere überholt worden. Der Mann gab allzu viel auf Klatsch.

»Wissen Sie«, sagte Chamas leise, »dass er sich den Titel gekauft haben soll?«

»Überrascht Sie das? Alles an ihm ist künstlich«, flüsterte Sloane. »Der Schiffsarzt glaubt sogar, dass einige seiner Körperteile ganz absichtlich …«

»Sie verschwenden mit diesen Fragen Ihre Zeit«, bemerkte Vidian, ohne von dem Monitor vor sich aufzublicken.

Sloanes dunkle Augen weiteten sich. »Es tut mir leid, Graf …«

»Lassen Sie die Förmlichkeiten – und die Entschuldigungen. Beide machen wenig Sinn. Aber Ihrer Mannschaft tut es gut zu wissen, dass irgendjemand immer zuhört. Jemand, der vermutlich bessere Ohren hat als Sie.«

Selbst wenn der Betreffende sie in einem Laden kaufen musste, dachte Sloane. In den unförmigen, dicken und fleischigen Hautlappen, die einst Vidians Ohren gewesen waren, steckten spezielle Hörhilfen. Sie konnten offensichtlich alles hören, was sie sagte – und noch mehr. Sie trat zu ihm.

»Es ist genau das, was ich erwartet hatte«, stellte Vidian fest. »Ich habe dem Imperator gleich gesagt, dass es sich lohnen würde, mich hierherzuschicken.« Es waren bereits eine ganze Anzahl von allzu unproduktiven Welten, die für die Sicherheit des Imperiums maßgebliche Güter herstellten, der Zuständigkeit der örtlichen Gouverneure entzogen und Vidian unterstellt worden: Gorse war die bisher letzte in der Reihe. »Schlampige Arbeit mag für die Republik gut genug gewesen sein, aber das Imperium verwandelt Chaos in Ordnung. Was wir hier tun – und in Tausenden von sehr ähnlichen Systemen –, bringt uns unserem Endziel näher.«

Sloane dachte einen Moment lang nach. »Der Perfektion?«

»Den Absichten des Imperators, was immer sie sein mögen.«

Sloane nickte.

Ein blechernes Krächzen kam aus dem Lautsprecher an Vidians Hals, ein entnervendes Geräusch, das sie als seine Version eines verärgerten Seufzens zu deuten gelernt hatte. »Da ist ein Nachzügler, der den Verkehr in Richtung Mond aufhält«, bemerkte er und starrte ins Nichts. Sloane blickte auf den Bildschirm ihres strategischen Offiziers und erkannte, dass es sich um den Raumfrachter handelte, der zuvor mit ihrem Schiff zusammengestoßen war. Sie befahl, auf den Frachter zuzuhalten.

Der Frachter sprühte an der Unterseite Funken. Andere Raumschiffe gingen auf Abstand, da sie wohl befürchteten, der Frachter könne explodieren. »Nehmen Sie Funkkontakt zu dem Frachter auf«, sagte sie.

Eine quäkende, nicht menschliche Stimme antwortete. »Hier ist die Cynda Dreaming. Wir bitten um Entschuldigung, dass wir Sie eben gestreift haben. Wir hatten nicht erwartet …«

Sloane kam gleich zur Sache. »Was haben Sie geladen?«

»Im Augenblick nichts. Wir waren unterwegs, um eine Ladung Thorilidium vom Mond zu den Calladan-Chemiewerken auf Gorse zu bringen.«

»Kann Ihr Schiff in diesem Zustand überhaupt Fracht transportieren?«

»Wir müssen zuerst eine Reparaturwerkstatt ansteuern, um uns ein Bild zu verschaffen. Ich weiß nicht, wie schlimm der Schaden ist. Es könnte zwei, drei Monate dauern, bis …«

Vidian ergriff das Wort. »Captain, nehmen Sie dieses Schiff ins Visier und feuern Sie.«

So, wie er das sagte, klang es fast gelangweilt – allerdings verriet Vidians Tonfall ohnehin selten echte Gefühle. Der Befehl erschreckte Chamas dennoch. Er stand vor seinen Waffenoffizieren und wandte sich hilfesuchend an den Captain.

Der Pilot des Frachters, der die zweite Stimme gehört hatte, klang nicht weniger überrascht. »Ich bitte um Entschuldigung … ich habe das nicht verstanden. Haben Sie gerade …«

Sloane sah Vidian kurz an, dann wandte sie sich ihrem Ersten Offizier zu. »Feuer.«

Der Kapitän des Frachters klang schockiert. »Was? Das kann nicht Ihr …«

Diesmal unterbrachen ihn die Turbolaser der Ultimatum. Orangefarbene Energie schoss durch den Weltraum und verwandelte die Cynda Dreaming in ein Chaos aus Flammen.

Sloane sah zu, wie die anderen Schiffe des Konvois rasch ihre Flugbahnen änderten. Ihre Schützen hatten gute Arbeit geleistet und das Schiff auf eine Weise zerstört, die das Risiko für in der Nähe befindliche Schiffe minimiert hatte. Alle Frachter hatten jetzt ihr Tempo erhöht.

»Sie müssen verstehen«, sagte Vidian und drehte sich zu ihr um. »Ersatz für einen Frachter mitsamt Crew lässt sich in diesem Sektor in …«

»… drei Wochen beschaffen«, führte Sloane seinen Satz zu Ende. »Und das sind natürlich weniger als zwei Monate.« Sie sehen, ich habe Ihre Berichte ebenfalls gelesen.

So musste man diesen Auftrag angehen, begriff sie. Vidian mochte merkwürdig sein – was machte das schon? Der Weg zum Erfolg bestand darin herauszufinden, was der Imperator und jene wollten, die in seinem Namen sprachen, und dann genau das zu tun. Vidians Anweisungen zu diskutieren war reine Zeitverschwendung und rückte sie nur in ein schlechtes Licht. Das war das Geheimnis, um im Dienst voranzukommen: sich immer auf die Seite dessen zu stellen, was ohnehin passieren würde.

Sloane verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Wir werden dafür sorgen, dass die Konvois ihr Tempo verdoppeln, und jedes Schiff, das sich weigert, zur Rechenschaft ziehen.«

»Es betrifft nicht nur den Transport«, stellte Vidian klar. »Es gibt auch Probleme auf dem Boden, sowohl auf dem Planeten als auch auf dem Mond. Die Überwachung meldet Unruhen unter den Arbeitern sowie Proteste wegen der Sicherheits- und Umweltbedingungen. Und immer passiert etwas Unerwartetes.«

Sloane verschränkte die Arme noch fester. »Die Ultimatum steht Euch zur Verfügung, Graf«, antwortete sie. »Dieses System wird tun, was Ihr – was der Imperator – von ihm verlangt.«

»Ja, das wird es«, bestätigte Vidian, dessen Augen blutrot aufleuchteten. »Genau das wird es.«

Hera Syndulla sah aus der Ferne zu, wie die im All verstreuten Überreste des Frachters verbrannten. Keine Bergungsschiffe waren in Sicht. Überlebende waren so unwahrscheinlich, dass niemand sich die Mühe machte, nach welchen zu suchen. Sie sah nur die anderen Konvois, die nun einen Bogen um die Trümmer machten.

Sie alle gehorchten der Peitsche des Meisters.

So sieht also Barmherzigkeit in Zeiten des Imperiums aus, dachte sie. Die Imperialen selbst kannten keine Gnade; und jetzt steckte ihr Mangel an Fürsorglichkeit allem Anschein nach auch die Übrigen an.

Die grünhäutige Twi’lek in ihrem Tarnkappen-Raumschiff glaubte jedoch nicht, dass dem wirklich so war. Die Leute waren im Wesentlichen anständig … und eines Tages würden sie sich gegen ihre ungerechte Regierung erheben. Aber das würde nicht jetzt geschehen und gewiss nicht hier. Es war zu früh, und auf Gorse gab es kaum noch ein politisches Bewusstsein. Es ging auf ihrer Reise nicht darum, Kämpfer zu rekrutieren. Nein, zunächst einmal wollte sie sich einfach einen Überblick verschaffen, wozu das Imperium in der Lage war – ein Projekt, das der allzeit neugierigen Hera sehr entgegenkam. Und Graf Vidian, diese Wunderwaffe des Imperators, forderte eine gründlichere Überprüfung geradezu heraus.

In den vergangenen Wochen hatte der für die Optimierung der Abläufe zuständige Mann des Imperiums eine verheerende Schneise durch den gesamten Sektor geschlagen – zur »Verbesserung der Effizienz«. Von drei Welten, die er zuvor besucht hatte, hatten Gesinnungsgenossen von Hera im HoloNetz davon berichtet, dass das Maß des Leidens unter Vidians elektronischen Augen unerträgliche Dimensionen angenommen habe. Dann waren diese Leute einfach verschwunden. Das hatte Heras Interesse angestachelt, und als sie vom Besuch des Grafen auf Gorse erfahren hatte, hatte sie sich entschieden hierherzukommen.

Sie hatte noch eine Verbindungsperson auf Gorse, und die hatte zugesagt, ihr jede Menge Informationen über das Regime zu verschaffen. Diese Informationen würde sie sich auch besorgen. Doch zuerst wollte sie erst einmal Vidian unter die Lupe nehmen, und die Bergbauwirtschaft des Systems, die für ihre gesetzlosen Zustände berüchtigt war, hielt für sie eine Vielzahl von Möglichkeiten bereit, nahe an ihn heranzukommen. Das Durcheinander der industriellen Abläufe war das ideale Lockmittel für Vidian, und es bot ihr zugleich eine hervorragende Tarnung, um seine Methoden zu studieren.

Imperator Palpatine hatte zu viele Günstlinge mit großer Macht und hohem Einfluss. Es lohnte sich herauszufinden, ob Vidian wirklich so außerordentlich war, bevor er noch höher aufstieg.

Es war Zeit, ihre Position zu verlassen. Sie wählte das Transpondersignal eines Schiffes aus dem Konvoi aus. Einen Knopfdruck später war ihr Schiff dieses andere Schiff – jedenfalls für jeden, der den Verkehr zu überwachen versuchte. Mit erfahrener Leichtigkeit reihte sie den Frachter in die chaotische Flut von Lastträgern ein, die den Mond ansteuerten.

Keiner dieser Leute kann auch nur ansatzweise ordentlich fliegen, dachte sie. Es war nur gut, dass sie wirklich nicht auf der Suche nach Mitstreitern war. Sie hätte hier wahrscheinlich niemanden gefunden, der ihrer Zeit wert gewesen wäre.

2. Kapitel

»Pass doch auf, du Idiot!«

Als Kanan Jarrus den massigen Thorilidiumtransporter direkt auf sich zukommen sah, ließ er das Reden und riss seinen Frachter abrupt herum. Er verschwendete keine Zeit auf den Gedanken, das größere Schiff könne vielleicht in dieselbe Richtung abdrehen wollen: Er nutzte seine Chance, solange die Entscheidung noch bei ihm lag. Er wurde mit Überleben belohnt – und mit einem Blick auf die Unterseite des entgegenkommenden Schiffes aus beängstigender Nähe.

»Tut mir leid«, knisterte eine Stimme über das Kommunikationssystem.

»Das sollte es auch«, schimpfte Kanan, und seine blauen Augen funkelten wütend unter dunklen Augenbrauen. Wenn mir dieser Bursche heute Nacht in einer dunklen Gasse über den Weg läuft, sollte er besser aufpassen.

Es war Wahnsinn. Cyndas langgestreckte, ellipsenförmige Umlaufbahn bedeutete, dass sich die Entfernung zwischen dem Mond und Gorse täglich veränderte. Tage wie heute, an denen der Abstand gering war, machten den Raum zwischen den Welten zu einem überfüllten Durcheinander von Raumschiffen und den Flug von einer zur anderen zu einem gemeingefährlichen Todesrennen. Und das Auftauchen des Sternzerstörers und seine Vernichtung des Frachtschiffs hatten eine regelrechte Massenpanik im Weltraum ausgelöst. Ein Wettrennen mit zwei verängstigten Gruppen, die in entgegengesetzte Richtungen unterwegs waren und auf denselben Flugkorridoren aufeinander zuschossen.

Normalerweise war es immer Kanan, der an seine äußersten Grenzen ging, um dorthin zu gelangen, wohin er wollte. Deshalb ging ihm auch das Geld zum Trinken nie aus – der Hauptgrund, warum er Geld verdiente. Aber er hielt sich auch etwas darauf zugute, gelassen zu bleiben, wenn andere in Panik gerieten – was im Moment ganz eindeutig der Fall war. Kanan selbst hatte schon einmal einen Sternzerstörer gesehen, aber er war sich ziemlich sicher, dass niemand sonst im Umkreis das von sich behaupten konnte.

Ein weiterer Frachter glitt an ihm vorbei. Kanan kannte die Bauart nicht. Er war beinahe wie ein Juwel geformt, mit einem blasenartigen Cockpit vorn und einem weiteren für einen Bordschützen direkt darüber. Ein hübsches Schiff, verglichen mit allem anderen ringsum am Himmel. Kanan beschleunigte, um auf gleiche Höhe zu kommen und einen Blick auf den Piloten zu erhaschen. Der Frachter reagierte, indem er mit überraschender Geschwindigkeit davonschoss, dabei Kanans Bahn beanspruchte und ihn zwang, auf weitere Beschleunigung zu verzichten. Mit ungläubigem Blick verfolgte er, wie der andere Pilot den Nachbrenner zündete und in weiter Ferne verschwand.

Es war das einzige Mal während des gesamten Fluges gewesen, dass er sein Tempo vermindert hatte, und das wurde sofort registriert. Sein Kommunikationssystem piepte, dann erklang eine Frauenstimme. »Sie da! Was ist Ihr Kennzeichen?«

»Wer fragt?«

»Captain Sloane vom Sternzerstörer Ultimatum!«

»Ich bin beeindruckt«, sagte Kanan und strich sich über den schwarzen Kinnbart. »Was haben Sie so an?«

»Wie bitte?«

»Ich versuche bloß, mir ein Bild zu machen. Es ist schwer, hier draußen jemanden kennenzulernen.«

»Ich wiederhole, was ist Ihr …«

»Hier spricht die Expedient, die für die Moonglow Polychemical in Gorse City fliegt.« Er machte sich selten die Mühe, seinen ID-Transponder zu aktivieren; hier war der Weltraumverkehr ohnehin immer sich selbst überlassen.

»Beschleunigen Sie wieder. Sonst …«

Kanan lehnte sich lässig in seinem Pilotensitz zurück und verdrehte die Augen. »Sie können mich gern abschießen, wenn Sie wollen«, bemerkte er langsam, beinahe gedehnt. »Aber Sie müssen wissen, dass ich eine Ladung hochexplosives Baradiumbisulfat für die Minen auf Cynda an Bord habe. Das ist sehr empfindlich. Sie in Ihrem großen Schiff mögen vielleicht vor den Trümmerteilen sicher sein, aber für den Rest des Konvois gilt das eher nicht. Und einige von denen transportieren das Gleiche wie ich. Also bin ich mir nicht so sicher, ob das wirklich eine gute Idee wäre.« Er kicherte leise. »Aber es wäre bestimmt ein toller Anblick.«

Schweigen.

Dann, nach einem Moment: »Fliegen Sie weiter.«

»Sind Sie sich sicher? Ich meine, Sie könnten wahrscheinlich tolle Aufnahmen von der Sache machen, und dann verkaufen Sie sie einfach an …«

»Treiben Sie es nicht zu weit, Sie Schlaumeier«, kam die eisige Erwiderung. »Und fliegen Sie schneller, wenn möglich.«

Er zog einen seiner Handschuhe zurecht und lächelte. »War mir ebenfalls eine Freude, mit Ihnen zu reden.«

»Ultimatum, Ende!«

Kanan schaltete den Empfänger aus. Er wusste, dass niemand mit einem Minimum von Hirn im Kopf es wagen würde, ihn zu beschießen, sobald er begriffen hatte, was er transportierte. Zu ihrem eigenen Schutz setzten die Minenarbeiter »Baby« – so der sarkastische Spitzname für Baradiumbisulfat – unten in den Minen auf Cynda nur grammweise ein. Jedes imperiale Schiff würde es sich zweimal überlegen, ehe es einen Baby-Transporter aus zu großer Nähe aufs Korn nahm, und nach ihrem Gespräch von soeben war Frau Sternzerstörer-Captain sicher wenig geneigt, ihn noch einmal aus irgendeinem Grund zu kontaktieren.

Auch das entsprach seinem Plan. Er wollte jede Begegnung vermeiden, egal wie sie ablaufen mochte.

Er äffte Sloanes Aufforderung nach: »Fliegen Sie schneller!« Er flog den Frachter jetzt schon fast mit Höchstgeschwindigkeit. Wäre das Schiff jetzt voll beladen, wäre nicht einmal das aus ihm herauszuholen. Der sarkastische Name Expedient – »Notbehelf« – war sein eigener Einfall gewesen. Der Frachter gehörte Moonglow und war eines von vielen Dutzend identischen Schiffen des Unternehmens; mit diesen Schiffen nahm es derart oft ein katastrophales Ende, dass sich die Firma gar nicht erst die Mühe machte, ihnen Namen zu geben. Auch die Piloten blieben als »Selbstmordflieger« meist nicht lange dabei, wenn sie nicht sowieso bei der Arbeit draufgingen, daher hatte Kanan keinerlei Ahnung, wie viele sein Schiff bereits vor ihm geflogen hatten. Seinem Baby-Transporter einen Namen zu gegeben war einfach nur der Versuch gewesen, ihn wenigstens mit einer Liebenswürdigkeit auszustatten.

Es wäre hübsch, überlegte er, wenn er auf einem der nächsten Planeten, die er aufsuchte, etwas mit mehr Klasse fliegen könnte – so etwas wie dieses Schiff, das gerade an ihm vorbeigeschossen war. Aber andererseits würde ihm der Besitzer eines solchen Schiffes wohl auch nicht so viele Freiheiten einräumen, wie er sie auf der Expedient hatte. So wie jetzt: Als er vor sich zwei Thorilidiumfrachter sah, die direkt auf ihn zusteuerten, zog er sein Gefährt abrupt in eine Kurve und schlängelte sich zwischen ihnen hindurch. Sie bremsten ab, und er beschleunigte weiter. Die anderen sollten aufpassen, ihm nicht in die Quere zu kommen.

Seine sorgsam gesicherte Ladung reagierte nicht im Geringsten auf die plötzliche Bewegung, dennoch hatte sein Manöver einen dumpfen Aufschlag zur Folge, der aus dem rückwärtigen Teil des Frachtraums drang. Kanan drehte den Kopf, sein kurzes, zurückgebundenes Haar streifte die Kopfstütze. Aus dem Augenwinkel sah Kanan einen alten Mann auf dem Deck liegen, der auf dem Boden mit halb schwimmenden Bewegungen versuchte, die Orientierung wiederzufinden.

»Morgen, Okadiah.«

Der Mann hustete. Wie Kanan trug Okadiah einen Bart ohne Schnurrbart – doch sein Haar war weiß. Er hatte hinten bei den Behältern mit dem Baradiumbisulfat geschlafen, auf dem einzigen leeren Regalbrett. Okadiah zog diesen Platz der Beschleunigungsliege in der Hauptkabine vor: Es war dort ruhiger. Nachdem er sich vergewissert hatte, welche Richtung vorn war, begann der alte Mann loszukriechen. Als er den Kopilotensitz erreicht hatte, sagte er, ohne Kanan eines Blickes zu würdigen: »Ich habe beschlossen, den Fahrpreis nicht zu bezahlen und dir weder ein Trinkgeld noch einen guten Rat zu geben.«

»Der beste Rat, den ich je bekommen habe, bestand darin, mir einen neuen Beruf zu suchen«, gab Kanan zurück.

»Hm.«

Okadiah Garson selbst hatte sogar gleich mehrere unterschiedliche Berufe, die ihn alle in Kanans Augen zum idealen Freund machten. Zum einen war Okadiah altgedienter Kolonnenführer einer der Minenmannschaften auf Cynda; er arbeitete dort schon seit dreißig Jahren und kannte sich bestens aus. Und zum anderen betrieb er unten auf Gorse den Asteroidengürtel, eine Kneipe, die viele seiner eigenen Bergbauarbeiter gerne aufsuchten. Kanan hatte Okadiah vor einigen Monaten kennengelernt, als er in seinem Lokal bei einer Rauferei an der Bar dazwischengegangen war. Durch Okadiah hatte Kanan die Anstellung als Frachterpilot bei Moonglow überhaupt erst bekommen. Noch jetzt lebte Kanan in der schäbigen Absteige direkt neben der Schenke. Ein Wirt mit immer reichlichem Alkoholvorrat war in der Tat eine gute Sache.

Okadiah behauptete, dass er seine eigenen Gärungserzeugnisse immer nur dann zu sich nahm, wenn jemand in den Minen verletzt worden war. Angesicht der Tatsache, dass das praktisch jeden Tag der Fall war, war das eine sehr nützliche Einstellung. Der Stolleneinsturz am Tag zuvor war so schlimm gewesen, dass die Party die ganze Nacht lang gedauert hatte und Okadiah den Personenshuttle für seine Schicht verpasst hatte. Baby-Transporter nahmen nur selten Passagiere mit, die keine andere Möglichkeit hatten, zur Arbeit zu gelangen – und Kanan nahm grundsätzlich nie jemanden mit. Aber für Okadiah hatte er eine Ausnahme gemacht.

»Ich habe geträumt, ich hätte eine Frauenstimme gehört.« Der alte Mann rieb sich die Augen. »Streng, hoheitsvoll und herrisch.«

»Captain von so einem Raumschiff.«

»Gefällt mir«, sagte Okadiah. »Für dich wäre sie natürlich nichts, aber ich bin ein Mann von Vermögen. Wann darf ich diesen Engel kennenlernen?«

Kanan zeigte lediglich mit dem Daumen zum Fenster zu seiner Linken. Dort erblickte der alte Mann die Ultimatum, die majestätisch hinter dem hektischen Treiben des Weltraumverkehrs aufragte. Okadiahs blutunterlaufene Augen weiteten sich und verengten sich dann sogleich wieder zu Schlitzen, als er versuchte festzustellen, was genau er da vor sich hatte.

»Hm«, bemerkte er schließlich. »Das Ding war gestern noch nicht da.«

»Es ist ein Sternzerstörer.«

»Ach du dickes Ei. Werden wir jetzt gleich zerstört?«

»Ich habe nicht nachgefragt«, antwortete Kanan grinsend. Er wusste nicht, wie ein alter Grubenarbeiter auf einem Drecksloch von Planeten wie Gorse zu einer derart vornehmen und gespreizten Redeweise gekommen war, aber es erheiterte ihn jedes Mal. »Aber jemand anderes hat es sich mit ihr mächtig verscherzt. Kennst du irgendjemanden von der Cynda Dreaming?«

Okadiah kratzte sich am Kinn. »Einen Burschen, der für die Jungs von Calladan arbeitet. Hochgewachsener Kerl, dürr, ithorianischer Hammerkopf. Hat im Asteroidengürtel einen ordentlichen Deckel auflaufen lassen.«

»Nun, das Geld kannst du vergessen.«

»Oh«, murmelte Okadiah und schaute wieder aus dem Fenster. Es waren immer noch einige Trümmerteile des unglücklichen Frachters zu sehen. »Kanan, mein Junge, ich muss sagen, du hast wirklich den Bogen raus, wie man jemanden schnell wieder nüchtern macht.«

»Gut. Wir sind gleich da.«

Die Expedient näherte sich nun der weißen Oberfläche des atmosphärelosen Mondes Cynda. Als Landeanflugszone war ein künstlicher Krater geschaffen worden; in seine Wände war eine Handvoll rot beleuchteter Landeschächte gehauen worden, die mit den tiefer liegenden Minen verbunden waren. Kanan ließ die Expedient über dem Krater schweben und steuerte die ihm zugewiesene Einfahrt an.

Okadiah blickte nach unten und blinzelte. »Da ist ja mein Transporter!«

»Ich hab dir doch gesagt, dass wir ihn noch einholen würden.«

Sie hatten ihn in der Tat eingeholt, aber das war nicht allein Kanans Bemühungen zu verdanken: Die unvernünftigen Anweisungen des Imperiums hatten ebenfalls eine Rolle gespielt. Der Personentransporter, auf dem sich eigentlich auch Okadiah hätte befinden sollen, hatte den Landeschacht zu schnell anzufliegen versucht und dabei seitlich das Einfahrtstor gestreift. Jetzt hing er manövrierunfähig halb über dem Abgrund und versperrte den Zugang. Es bestand keine Gefahr, dass er in die Tiefe stürzte, aber der Magnetschild, der den Schacht zum luftleeren Raum hin verschließen sollte, konnte nicht aktiviert werden. Im Schacht waren einige Arbeiter in Weltraumanzügen zu sehen, die die Bescherung in Augenschein nahmen und dabei recht unglücklich wirkten.

»Schafft das Ding weg«, blaffte Kanan in die Kommunikationsanlage.

»Bleiben Sie, wo Sie sind, Moonglow-Zweiundsiebzig«, kam knisternd die Antwort vom Kontrollturm im Zentrum des Kraters. »Wir werden Sie reinholen, sobald wir die Arbeiter versorgt und ausgeladen haben.«

»Ich habe einen sehr straffen Zeitplan«, sagte Kanan, versetzte die Expedient vom Schwebe- in den Fahrtmodus und steuerte auf die Einfahrt zu.

Über den Kommunikator erhoben sich lautstarke Proteste und erregten Okadiahs Aufmerksamkeit. Er fasste Kanan ins Auge. »Dir ist doch bewusst, dass wir hochexplosiven Sprengstoff an Bord haben?«

»Kümmert mich doch nicht«, erwiderte Kanan. »Dich etwa?«

»Nicht im Mindesten. Entschuldige die Störung. Mach weiter.«

Kanan ließ sich das nicht zweimal sagen und lenkte den gedrungenen Bug der Expedient geschickt auf die dem offenen Krater zugewandte Seite des Personentransporters zu. Er konnte hinter den Fenstern die Bergarbeiter sehen, die ihm vergeblich irgendetwas entgegenbrüllten, als sein Schiff nun mit lautem Scheppern gegen das ihre prallte.

Die Triebwerke der Expedient leisteten ihr Maximum, als Kanan nun beschleunigte und den Mannschaftstransporter von der Kante schob. Ein lautes Kratzgeräusch hallte durch beide Schiffe, und Okadiah sah nervös zum Frachtraum. Aber schon nach wenigen Sekunden waren beide Schiffe sicher im Landebereich. Der Magnetschild verschloss den Landeschacht, und Kanan stellte seine Triebwerke ab.

Okadiah stieß einen anerkennenden Pfiff aus. Einen Moment lang musterte er Kanan mit gelindem Staunen im Blick, dann legte er die Hände auf das Armaturenbrett vor sich. »Gut, das wär’s also.« Leicht verwirrt machte er eine Pause. »Wir trinken nach der Arbeit, ist es nicht so?«

»Richtig.«

»Leider die völlig falsche Reihenfolge«, seufzte der alte Mann und erhob sich leicht schwankend. »Aber packen wir’s halt an.«

3. Kapitel

Der Bergwerksarbeiter, ein Devaronianer mit Hörnern auf dem Kopf, kam durch den Druckschacht von dem manövrierunfähigen Personentransporter herüber.

»He, du kleine Rotznase!«, brüllte er, als Kanan die Expedient verließ. »Was wolltest du dir da eigentlich beweisen?«

Kanan war erst Anfang zwanzig, aber er hatte noch nie darauf reagiert, wenn man ihn »klein« oder eine »Rotznase« genannt hatte. Und ganz gewiss nicht, wenn ein Schwachkopf wie Yelkin ihn so nannte, dessen Tätigkeit allein darin bestand, Löcher für Sprengstoff zu bohren. Kanan drehte sich um, schritt an seinem Schiff entlang und öffnete die Frachtluken.

Der muskulöse Bergbauarbeiter stapfte hinter ihm her und packte ihn an der Schulter. »Ich rede mit dir!«

Mit einem schnellen Reflex packte Kanan Yelkins Hand, wirbelte herum und verdrehte dem anderen den Arm. Yelkin zuckte vor Schmerz zusammen und ging in die Knie. Kanan ließ nicht los. Er sprach mit leiser, ruhiger Stimme in das spitze Ohr seines Gefangenen. »Dein Schiff war im Weg, Kumpel. Ich habe strikte Zeitvorgaben.«

»Die haben wir alle«, antwortete Yelkin und versuchte, sich aus Kanans Griff zu lösen. »Du hast gesehen, wie sie diesen Frachter in die Luft gejagt haben. Die vom Imperium sind gekommen, um hier nach dem Rechten zu sehen, und …«

»Dann mach eben schneller. Aber mach keinen Quatsch.« Kanan ließ los, und Yelkin fiel keuchend zu Boden. Kanan klopfte sich seinen langärmligen grünen Kittel ab und wandte sich wieder der Expedient zu.

Mehrere Bergarbeiter eilten zu Yelkin hin. »Verdammter Selbstmordflieger!«, sagte einer. »Die sind alle irre!«

»Irgendjemand müsste dir mal Manieren beibringen«, meinte ein anderer zu Kanan.