Stars and Tears. Time Out für die Liebe - Nicole Alfa - E-Book
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Stars and Tears. Time Out für die Liebe E-Book

Nicole Alfa

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Beschreibung

**Die Cheerleaderin und der Außenseiter**  Avery steht als Cheerleaderin ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Da passt ihr Freund Braden – Quarterback, Kapitän des Footballteams und Mädchenschwarm der Schule – perfekt ins Bild. Aber als der schwere Unfall ihres Vaters Averys Leben komplett auf den Kopf stellt, kippt auch ihre Beziehung zu Braden. Cool und beliebt zu sein erscheint Avery plötzlich so unwichtig. Halt findet sie ausgerechnet bei Devyn. Früher gefeierter Footballkapitän, ist er nun ein geächteter Außenseiter. Doch die beiden scheint viel mehr zu verbinden als gedacht …   Sports Romance zum Dahinschmelzen  Finde Liebe zwischen Touchdowns und Time Outs, zwischen dem Ernst des Lebens und den Vorurteilen auf dem Footballfeld.    //Der Liebesroman »Stars and Tears. Timeout für die Liebe« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.// 

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Nicole Alfa

Stars and Tears. Time Out für die Liebe

**Die Cheerleaderin und der Außenseiter** Avery steht als Cheerleaderin ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Da passt ihr Freund Braden – Quarterback, Kapitän des Footballteams und Mädchenschwarm der Schule – perfekt ins Bild. Aber als der schwere Unfall ihres Vaters Averys Leben komplett auf den Kopf stellt, kippt auch ihre Beziehung zu Braden. Cool und beliebt zu sein erscheint Avery plötzlich so unwichtig. Halt findet sie ausgerechnet bei Devyn. Früher gefeierter Footballkapitän, ist er nun ein geächteter Außenseiter. Doch die beiden scheint viel mehr zu verbinden als gedacht …

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Danksagung

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© Photo Hübner

Nicole Alfa schrieb bereits mit elf Jahren die Erstfassung für ihre Debütreihe. Nachdem sie ihre Manuskripte auf einer Plattform für Autoren hochlud und dort Zuspruch von ihren Lesern bekam, verfestigte sich ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Oft lässt sie sich für ihre Charaktere und deren Schicksale durch ihre Umgebung, Erfahrungen, Musik oder Fotos inspirieren. Ihr Motto ist es, nicht aufzugeben, auch wenn andere sagen, dass es unmöglich ist.

Man sollte die Zukunft nicht aus den Augen verlieren, doch gerade ist die Gegenwart das, was zählt.

– Avery –

Prolog

Ein Jahr zuvor

Mit einer Wasserflasche in der Hand und gekleidet in meine Cheerleaderuniform verlasse ich die Mädchenumkleide der Sporthalle. Bis zum Training dauert es zwar noch ein wenig, aber ich will heute überpünktlich sein. Meine erste Stunde als Teamkapitänin soll perfekt werden und Coach Miller hat mir angeboten mich bei der Vorbereitung zu unterstützen. Außerdem wollen wir noch ein paar Details bezüglich der Choreographie durchgehen, die wir für das wichtige Heimspiel unseres Footballteams in ein paar Wochen planen.

Ich liebe das Cheerleading. Für mich gibt es nichts Schöneres, als mit meinen Freundinnen auf dem Feld zu stehen und zusammen unsere Choreographie zu performen. Deshalb geht für mich auch ein Traum in Erfüllung, jetzt und mit gerade mal sechzehn Jahren Junior Kapitänin zu sein.

Außerdem wird mein Aufstieg von einer einfachen Cheerleaderin zur Kapitänin meinen Lebenslauf zusätzlich pushen und mich bei meinen Mitschülern noch bekannter machen. Denn die Sportler – in unserem Fall die Footballspieler und Cheerleader – sind die beliebtesten Schüler der Red Hill High. Wobei die Erfolge des Footballteams mehr gewürdigt werden. Dabei hat mein Cheer Team auf den letzten Cheerleadermeisterschaften zwei Pokale und hohe Platzierungen abgeräumt.

Jedenfalls will ich nicht auf meine Highschool-Jahre zurückblicken und mich darüber ärgern, ein schüchternes, unbeliebtes Mauerblümchen gewesen zu sein, über das jeder gelacht hat, weil ihr Dad stottert. So wie es vor ein paar Jahren gewesen ist, als ich noch auf die Middle School gegangen bin. Das hat sich erst geändert, als wir hierhergezogen sind und ich neu an der Highschool beginnen konnte. Ich habe mich für die Cheerleader beworben und bin ins Team aufgenommen worden. Der Sport und die Freundinnen, die ich dadurch gefunden habe, haben mir ein unvergleichliches Gemeinschaftsgefühl und Selbstvertrauen vermittelt.

Inzwischen hat sich bereits herumgesprochen, dass ich jetzt die Kapitänin bin. Mitschüler, die ich nur vom Sehen her kenne, haben mir gratuliert und einige Jungs scheinen ein Auge auf mich geworfen zu haben. Das könnte mein Schuljahr werden. Jetzt fehlen mir nur noch ein Freund und erste Erfahrungen, dann kann ich mit meinen Freundinnen mitreden, die schon einiges ausprobiert haben, während ich noch in allem Jungfrau bin, in dem man Jungfrau sein kann. Aber ich bin zuversichtlich. Jeder Junge möchte mit Cheerleadern ausgehen. Und mit der Cheerleaderkapitänin erst recht.

Zwar hat es schon ein paar Jungs gegeben, die Interesse gezeigt haben, doch die wollten eher wissen, was ich unter meiner Uniform trage, statt mich kennenzulernen. Ich suche nicht nach Spaß, sondern einer festen Beziehung. Einem Jungen, der mich so mag, wie ich bin und zu mir passt. Dank meines neuen Status sollte die Auswahl jetzt größer sein. Einer muss ja dabei sein, der genau so ist, wie ich mir einen ehrlichen festen Freund vorstelle.

Und obwohl sich nun mein größter Traum, Kapitänin zu werden, erfüllt hat, bin ich unglaublich nervös. So schnell, wie ich als Cheerleaderin in der Schulhierarchie aufgestiegen bin, kann ich wieder fallen. Was, wenn ich als Kapitänin versage? Wenn ich mich total blöd anstelle oder die Mädels doch nicht zufrieden mit mir sind? Zwar sind sie alle damit einverstanden gewesen, als Hailee – meine Vorgängerin, die nun am College studiert – und Coach Miller mich ausgewählt haben. Doch wenn ich meine Aufgabe vermassle, kann ich mich von meinem Traum verabschieden. Dann heißt es Tschüss Cheerleading. Tschüss süße Jungs. Tschüss Beliebtheit.

Völlig in Gedanken versunken bemerke ich die Person, die aus der Jungsumkleide rechts vor mir kommt, zu spät und laufe direkt in sie hinein. Genauer gesagt gegen eine breite, harte Brust. Perplex halte ich mich an den Schultern beziehungsweise den Schulterpads dieser Person fest. Unter ihren Arm hat sie einen Helm geklemmt, in der anderen Hand hält sie einen Football, der mit mehreren Unterschriften versehen ist. Ich bin in einen Footballspieler hineingelaufen. Wie peinlich!

Langsam hebe ich den Kopf. Meine Augen treffen auf blaugraue und mir stockt der Atem. Meinem Gegenüber hängen zerzauste, dunkelbraune Haare in die Stirn, die zum Teil seine Brauen verdecken, als er diese hebt und mich amüsiert betrachtet.

Vor mir steht nicht nur irgendein Footballspieler. Vor mir steht Devyn Coleman, der Footballkapitän und Star unserer Schule. Er verzeichnet nicht nur die meisten Touchdowns im Footballteam, sondern ist auch dafür verantwortlich, dass die Mannschaft mehrmals hintereinander wichtige Spiele gewonnen und uns somit einige Pokale und Urkunden eingebracht hat. Der Coach, das Team, die ganze Schule setzt auf ihn.

Erschrocken trete ich einen Schritt zurück.

»Tut mir leid, ich habe dich nicht gesehen. Ich bin ganz in Gedanken gewesen«, stottere ich und verfluche mich dafür, heute kein Make-up aufgetragen zu haben, da ich spüre, wie meine Wangen knallrot anlaufen.

»Kein Problem. Du darfst gern so oft in mich hineinlaufen, wie du willst. Ich bin gepolstert, wenn ich meine Ausrüstung trage.« Er zwinkert mir zu und klopft sich gegen die Brust. Doch dann zieht er seine Brauen zusammen und legt interessiert den Kopf schief. »Du hast heute deine erste Trainingsstunde als Cheerleaderkapitänin, oder?«

»Woher weißt du von unserem Training heute? Und woher weißt du, dass ich jetzt die Kapitänin bin?«, entfährt es mir. Wir sind in der gleichen Jahrgangsstufe und haben ein paar Kurse gemeinsam. Doch bisher haben wir nie viele Worte miteinander gewechselt.

Sein Mundwinkel hebt sich, wodurch sich Grübchen auf seinen Wangen bilden, die ihn frech wirken und mein Herz schneller schlagen lassen.

»Wir gehen beide auf dieselbe Highschool. Neuigkeiten machen hier schnell die Runde. Außerdem trainiert ihr meistens zeitgleich mit uns.« Sein Blick gleitet kurz über mein Erscheinungsbild, ehe er wieder bei meinen Augen haltmacht. Mir wird ganz warm. Nervös verlagere ich mein Gewicht auf den anderen Fuß. Hat er mich gerade abgecheckt? »Außerdem trägst du deine Cheerleaderuniform und bist gerade mit einer Wasserflasche aus Richtung der Umkleiden gekommen«, fährt er fort. »Wobei du eigentlich noch eine Stunde Zeit hast, oder?«

Verblüfft starre ich ihn an. Er hat mich nicht abgecheckt. Er ist nur sehr aufmerksam. »Das hast du gut beobachtet, Sherlock. Wegen meiner ersten Stunde als Kapitänin wollte ich …«

»… früher da sein«, beendet er meinen Satz und nickt. »Ich verstehe.« Er macht eine Pause und betrachtet mich neugierig. »Und, bist du schon aufgeregt?«

Zuerst will ich sagen, dass ich absolut gechillt bin. Stattdessen antworte ich: »Total.« Was meine schwitzigen Hände beweisen. »Was hast du mit Ich verstehe gemeint?«

Sein Grinsen wird breiter. »Denkst du, du bist die Einzige, die sich schon einmal in einer solchen Situation befunden hat? Die ihre erste Stunde als Kapitänin vor sich hat? Du hast hier den Kapitän des Footballteams vor dir. Nachdem ich zum Kapitän ernannt worden bin, bin ich genauso nervös wie du gewesen. Zwar hat man auch als Footballspieler eine wichtige Stellung im Team, doch als Kapitän steht man noch mal unter mehr Druck und trägt viel Verantwortung. Ich habe richtig Schiss gehabt, dass ich es total vergeige. Vor meinem ersten Training als Kapitän habe ich vor lauter Aufregung nächtelang nicht schlafen können. Ich habe mich davor extra noch einmal mit Coach Johnson getroffen, mit dem ich alle Spielzüge durchgegangen bin und der mir meine Aufgaben als Teamkapitän ein weiteres Mal erklärt hat.«

»Genau das habe ich mit Coach Miller auch vor«, sage ich und muss lächeln. Zu wissen nicht allein mit meinen Sorgen zu sein, nimmt mir ein wenig von der Angst.

Devyn deponiert seinen Football in seinem Helm, ehe er mir die Hand auf die Schulter legt. Erst da erkenne ich, dass sich in seinen graublauen Augen braune Sprenkel befinden, die sich auf seinen Iriden wie Sterne verteilt haben.

»Es wird einen Grund geben, warum sie sich für dich entschieden haben«, meint er zuversichtlich. »Ich bin mir sicher, du wirst deine Aufgabe gut machen.«

»Danke, Devyn.« Seine Worte beruhigen mich.

»Und wenn du immer noch nervös bist, kannst du dir ja vorstellen, dass alle rosafarbene Plüscheinhörner sind«, schiebt er grinsend hinterher. »Das mache ich jedes Mal, wenn mich etwas unruhig macht, und das hat bisher ganz gut funktioniert.«

»Warum ausgerechnet rosafarbene Plüscheinhörner?«, lache ich. »Warum nicht … keine Ahnung, irgendetwas anderes?«

Devyn beugt sich nach vorne. Sein Gesicht schwebt nun dicht vor meinem. Mir weht ein angenehmer Geruch nach Zitrus und Aftershave entgegen. »Meine kleine Schwester beruhigt die Vorstellung immer. Und würde ich mir vorstellen, alle wären nackt, wäre das bei meinen Teamkollegen eher unangenehm und bei euch Mädels ablenkend«, erklärt er und zwinkert mir zu.

Ich weiß nicht, was ich von seinen Worten und dem Zwinkern halten soll. Flirtet er gerade mit mir oder macht er nur Scherze? So, wie er sich gerade verhält, macht Devyn ja einen ganz netten Eindruck. Doch genau deshalb fallen so viele Mädchen auf ihn herein. Er wickelt sie um den Finger, bis er das bekommt, was er von ihnen will, und wenn er keine Lust mehr auf sie hat, lässt er sie einfach fallen. Zumindest habe ich das von meinen Freundinnen gehört.

Ehe ich etwas erwidern kann, schwingen die Eingangstüren nicht weit von uns auf und zwei Jungs mit Trainingstaschen in den Händen kommen herein. Als sie Devyn entdecken, der wieder auf Abstand geht, kommen sie auf uns zu und bleiben bei uns stehen.

Es sind weitere Footballspieler. Der fast zwei Meter große Hüne namens Read aus der Defensive Line ist vor ein paar Wochen an die Schule gewechselt und nickt uns nur zu. Braden, der Quarterback mit den aschblonden Haaren und dichten Brauen ist etwas kleiner, aber fast genauso breit und muskulös.

Er klatscht mit Devyn ab. »Was geht, Bro?« Dann fällt sein Blick auf mich. Seine weit auseinanderstehenden grünen Augen mustern mich interessiert. »Du bist Avery, die neue Cheerleaderkapitänin, richtig?«

Ich nicke voller Stolz. Auch die beliebtesten und heißesten Typen der Schule wissen von meinem neuen Status. Braden kennt sogar meinen Namen, obwohl ich bisher nichts mit ihm zu tun hatte. Innerlich ermahne ich mich cool zu bleiben und nicht aufgeregt auf und ab zu hüpfen, was mega peinlich und uncool wäre.

Braden lächelt mir zu. »Herzlichen Glückwunsch.«

Ich erwidere das Lächeln. »Danke.«

»Schon bereit fürs Training?«, wendet er sich an Devyn.

Der grinst ihn an. »Klar, ich freue mich schon. Ich habe mir noch mal die Videos vom letzten Training angesehen. Mir sind noch ein paar Sachen aufgefallen, auf die wir achten müssen. Das können wir dann später besprechen. Zieht ihr euch erst mal um. Ich muss sowieso noch kurz zu Coach Johnson. Wir sehen uns auf dem Feld.«

»Alles klar. Dann bis später.« Bradens Blick wandert von Devyn zu mir zurück. »War schön dich kennengelernt zu haben, Avery. Ich hoffe, wir werden uns demnächst öfter über den Weg laufen.« Er lächelt mir erneut zu.

Ich lächle zurück, fühle mich allerdings ein wenig unwohl, weil sein Freund und Devyn uns beobachten und ich Angst habe, irgendetwas falsch zu machen.

»Klar, das wäre toll.«

»Super. Bis dann«, meint Braden.

Ich atme erleichtert aus, als die beiden Jungs in die Umkleide gehen. Mein Herz rast. Zwei der wichtigsten Footballspieler im Team haben eben mit mir gesprochen. Ganz zu schweigen davon, dass einer von ihnen der Footballkapitän höchstpersönlich ist!

Der nach wie vor neben mir steht, wie mir bewusst wird. Als ich meinen Kopf in seine Richtung drehe, wird mir noch wärmer, als mir ohnehin schon ist. Er hat seinen Blick direkt auf mich gerichtet.

»Du musst auch zum Sportplatz, oder? Dann können wir ja gleich zusammen hingehen«, schlägt er vor.

Ich kann mein Glück kaum fassen, auch wenn ich mich wegen seines Rufs als Herzensbrecher vor Devyn in Acht nehmen muss. Allerdings ist er bis jetzt ganz nett gewesen und es ist bestimmt nicht schlecht, mit dem Footballkapitän gesehen zu werden. Vielleicht werden wir ja sogar Freunde. Immerhin haben wir trotz verschiedener Sportarten dieselben Positionen in unseren Teams.

»Klar, gerne«, sage ich deshalb.

Der Weg zum Sportplatz ist nicht weit, da dieser direkt an die Sporthalle grenzt. Wir müssen nur eine Treppe hinunterlaufen und nach rechts auf einen gepflasterten Weg abbiegen. Dabei kommen uns weitere Footballspieler mit ihren Trainingstaschen entgegen. Devyn wird von allen begrüßt. Er ist wirklich beliebt bei seinem Team. Ich bekomme einen interessierten Seitenblick, ein freundliches Nicken oder Lächeln. Dann kommen wir an den Tribünen vorbei, wo ein paar Schüler sitzen. Auf den Laufbahnen drehen ein paar Mädchen und Jungen ihre Runden. Auf dem aus Naturrasen bestehenden Spielfeld stehen unsere Coaches und unterhalten sich miteinander. Sie sind gut miteinander befreundet.

Zwei Mädchen, die auf den untersten Rängen Platz genommen haben und uns bemerken, stoßen sich gegenseitig an und kichern übertrieben, als Devyn an ihnen vorbeiläuft. Er registriert es mit einem selbstgefälligen Grinsen und nickt ihnen zu, woraufhin sie erröten.

Ich wiederum werde nur mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugierde betrachtet, was mich verunsichert. Sicher fragen sie sich gerade, warum wir den Sportplatz gemeinsam betreten haben. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, mit ihm zusammen herzukommen. Jetzt werden sie bestimmt die verrücktesten Gerüchte in der Schule streuen. Ich will nicht für das nächste dumme Mädchen gehalten werden, das auf Devyn hereingefallen ist. Allerdings sind wir die Kapitänin des Cheerleaderteams und der Kapitän des Footballteams. Sich zu kennen ist da doch normal, oder? Und wenn wir zusammen wären, würde das mehr als passen. Es wäre perfekt.

»Willst du nicht gern mit mir gesehen werden?«, fragt mich Devyn plötzlich.

Ich bleibe stehen. »Wie kommst du darauf?«

Devyn hält ebenfalls an. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Wobei deine Gegenfrage wohl Antwort genug ist«, erwidert er und klingt zu meiner Überraschung ein wenig verletzt.

Verdammt. Ich will es mir mit ihm nicht verscherzen. Doch ich kann nicht vergessen, was meine Cheerleaderfreundinnen über ihn erzählt haben.

»Ich will nur nicht, dass alle denken, ich wäre dein nächstes Betthäschen«, erkläre ich ihm ehrlich.

Devyn klappt die Kinnlade herunter. Fast wären ihm sein Helm und der noch immer darin liegende Football entglitten.

»Wow.« Er schüttelt den Kopf. »Du glaubst wohl alles, was andere erzählen, oder?«

»Nein!«, rufe ich schnell und laufe neben ihm her, als er weitergeht. Er hebt nur die Brauen, woraufhin ich die Arme vor der Brust verschränke. »Okay, ja«, murmle ich leise. »Aber ich habe diese Information von einer sehr guten Freundin, der ich vertraue. Und dich kenne ich ja nicht.«

Dieses Mal ist Devyn derjenige, der zuerst stehen bleibt. Ich tue es ihm gleich. »Wie wäre es, wenn du mich erst kennenlernst und dir selbst ein Bild von mir machst, ehe du über mich urteilst?«, schlägt er kühl vor.

»Ich …«, beginne ich und breche ab.

Fragend hebt er die Brauen.

Ehe ich antworten kann, brüllt Coach Johnson über den Platz: »Coleman, was stehst du da so herum? Flirten kannst du auch später! Jetzt haben wir zwei erst einmal Spielzüge zu besprechen! Also beweg deinen Hintern her!«

»Ich komme schon!«, ruft Devyn zurück und schenkt mir einen undefinierbaren Blick. »Du kannst es dir ja noch überlegen«, raunt er mir zu, ehe er zu seinem Coach joggt.

***

Noch das ganze Training über ist mir die Begegnung mit Devyn nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Zumal er immer wieder zu mir herübergesehen hat, was mich ganz unruhig gemacht hat. Ich habe mich sogar mehrere Male verzählt. Aber auch ohne ihn wäre mein erster Tag als Kapitänin sehr aufregend gewesen. Ich stand zum ersten Mal ganz vorne an der Spitze und durfte den Takt vorgeben.

Die Gelegenheit, Devyn kennenzulernen, bekomme ich jedoch nicht, da ich ihn die nächsten Tage und Wochen kaum zu Gesicht bekomme. Entweder fehlt er in unseren gemeinsamen Kursen oder er ist in seine eigenen Gedanken versunken und scheint niemanden um sich herum wahrzunehmen.

Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Bei dem Gespräch im Flur der Turnhalle und auf dem Weg zum Sportplatz haben wir uns eigentlich ganz gut verstanden.

Zwar finde ich seine plötzliche Distanziertheit ein wenig schade, weil ich gern mehr über ihn erfahren hätte, aber ich werde keinem Typen hinterherlaufen. Erst recht nicht einem aufgeblasenen Footballkapitän, der sich für etwas Besseres hält und denkt, er könnte mit mir spielen.

Doch dann steht schließlich an einem Freitagabend das große Footballspiel gegen unsere größten Rivalen – die Haie der Blue Cliff High – an.

Das Herz schlägt mir bis zum Hals; meine Hände sind vor Aufregung ganz nass, als wir Cheerleader nacheinander auf den hell erleuchteten Sportplatz laufen und uns dort in einer Dreiecksformation aufstellen. Ich stehe ganz vorne an der Spitze. Wir tragen unsere Uniformen, die aus einem langärmlichen, weinroten Oberteil mit unserem Schullogo vorn drauf und einem gleichfarbigen Rock bestehen, der bis zur Hälfte unserer Oberschenkel reicht. Darunter tragen wir elastische Shorts.

Die Leute auf den Tribünen begrüßen uns jubelnd. Nachdem der Applaus ein wenig verebbt ist, beginnen wir mit unserer Choreographie. Unserer Choreographie, bei der ich mitgewirkt habe. Und nicht nur das: Heute ist mein erster offizieller Auftritt als Kapitänin des Cheer Squads – wie wir unser Team auch nennen.

Außerdem bin ich dieses Mal nicht nur eines der drei Top-Girls – auch Flyer-Girls genannt –, sondern das Top-Girl in der Mitte. Zwei Mädels tragen mich auf ihren Handinnenflächen. Zudem stützen sie mich an den Knöcheln, während ich wie die beiden Tops neben mir, die ebenfalls von Cheerleadern gehalten werden, erst die Fäuste und dann ein Bein in die Höhe strecke.

Schweißperlen treten mir auf die Stirn. Es kostet enorme Anstrengung, meine Körperspannung zu halten. Doch das Klatschen der Zuschauer und das überwältigende Gefühl, hier oben zu sein, sind es mir wert.

Auch wenn ich weiß, dass sie auf die Footballspieler warten, sehen sie sich unsere Choreographien gerne an. Und dieses Mal stehe ich im Mittelpunkt.

Mein Blick schweift über die Menge. Die halbe Schule ist anwesend. Sowohl Schüler, Lehrer, als auch Eltern und Geschwister. Mein Dad und meine Mom sitzen auf der Tribüne und klatschen begeistert. Sie sind stolz auf mich. Einerseits freue ich mich über ihre Anwesenheit, obwohl sie sich gar nicht für Sport interessieren. Andererseits hoffe ich, dass niemand meinen Dad anspricht, sonst merken sie, dass etwas nicht mit ihm stimmt. Und das wäre richtig, richtig peinlich. Es würde mein mühsam aufgebautes Image kaputtmachen. An die schrägen Blicke meiner Mitschüler will ich gar nicht erst denken. Das hat mir schon an der Middle School gereicht.

Nachdem wir zum Abschluss eine dreistöckige Pyramide vorgeführt haben, bei der das Publikum in tosenden Applaus ausgebrochen ist, stellen wir uns in zwei parallele Reihen auf und heben die Pompons, woraufhin die Footballspieler zwischen uns hindurchlaufen.

Die Jungs sind unterschiedlich groß, manche sind breit, andere schmächtig gebaut. Sie alle tragen ihre weinroten Uniformen passend zu unseren Cheerleading-Outfits. Die Helme haben sie sich noch nicht aufgesetzt, sondern sie unter ihre Arme geklemmt, als sie sich im tosenden Applaus der Zuschauer feiern lassen.

Braden ist der vorletzte Spieler. Im Vorbeilaufen zwinkert er mir zu. Ich erröte. In den letzten Tagen hat er sich immer wieder mit mir unterhalten. Vor dem Spiel hat er sogar bei den Umkleiden auf mich gewartet. Er hat mich gefragt, ob ich gemeinsam mit ihm auf die After-Party gehen will, die das Footballteam bei seinem Freund Read in der Villa seiner Eltern schmeißt. Die halbe Schule ist auf die Party eingeladen. Das ist ein großes Ding. Es wird so aussehen, als gingen wir jetzt miteinander aus. Was bedeutet, dass er Interesse an mir hat. Ich freue mich schon darauf. Immerhin habe ich einem Date mit einem beliebten, heißen und reichen Quarterback zugestimmt, auch wenn es nur auf der Party ist!

Grinsend sehe ich zu, wie er sich mit seinen Kumpels abklatscht. Leider kann ich mich nicht länger auf ihn konzentrieren, da der letzte Footballspieler den Sportplatz betritt und die Tribüne endgültig in einen ohrenbetäubenden Jubelsturm ausbricht. Jungs klatschen, Mädchen kreischen den Namen des letzten Spielers. Devyn Coleman.

Laut Braden nimmt er immer noch weder die Schule noch das Training ernst. Vermutlich vergnügt er sich lieber mit den Mädchen, die ihm nachlaufen, weil er Kapitän ist. Das bestätigt nur Sofias Meinung, dass er ein Aufreißer ist.

Da er aber der Footballkapitän ist, müssen wir ihn extra laut bejubeln, wenngleich ich ihn lieber ausgebuht hätte.

Im Vorbeilaufen streift Devyns Blick den meinen. Graublaue Augen treffen auf meine blauen. Es sind nur wenige Sekunden, doch mir stockt der Atem, weil er mich so direkt, so intensiv ansieht. Als würde er mir in die Seele schauen. Seine Miene ist verschlossen, er wirkt unglücklich.

Doch dann schenkt er mir ein kurzes, kaum wahrnehmbares Lächeln, ehe er an mir vorbeizieht und sich zu seinem Team gesellt.

Die Jungs setzen ihre Helme auf und stellen sich ihren Gegnern entgegen.

Es ist das letzte und wichtigste Heimspiel für dieses Jahr.

Und ausgerechnet das verlieren wir.

Wegen Devyn.

Kapitel 1

»Fünf, sechs, sieben, acht!«, zählen wir gemeinsam, als mich meine Base-Girls aus dem Cheer Squad mit vereinten Kräften hochheben und mit ihren Händen meine Füße stützen. Jeder einzelne Muskel meines Körpers ist angespannt und ich strecke die Faust in die Höhe, während ich darauf achte, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Ich habe viel Vertrauen in meine Freundinnen. Ein falscher Tritt, eine falsche Haltung oder Gewichtsverlagerung und ich läge am Boden.

»Eins, zwei, drei und runter!«, ruft Emma.

Dann schmeißen sie, Sofia und Chloe, mich einmal mit Schwung nach oben. Ich drehe mich in der Luft und falle mit dem Rücken in ihre Arme. Sie fangen mich auf und lassen mich schließlich zu Boden sinken. Sobald ich wieder aufrecht stehe, lassen sie mich los.

»Das hat schon sehr gut ausgesehen!«, ruft Coach Miller, die uns bei unserem Stunt, der Hebefigur, beobachtet hat. Mit ihrer weißblonden Kurzhaarfrisur und der hochgewachsenen schmalen Figur macht sie meist einen strengen Eindruck – und das ist sie auch. Denn sie drillt uns bei jedem Training, hat uns dadurch aber in die Cheerleading-Landesmeisterschaften gebracht. Aber obwohl sie eine anstrengende Trainerin sein kann, hat sie für jeden ein offenes Ohr. Und genaue Augen, die alles zu sehen scheinen. »Nur an der Technik müsst ihr noch feilen«, bemerkt der Coach. »Und Emma, achte mehr auf deinen Arm, damit du die Kraft besser verteilst, wenn du Avery hältst. Ansonsten könnte sie wegknicken und herunterfallen.«

»Okay, Coach Miller«, gibt Emma keuchend zurück und pustet sich ihre glatten, schulterlangen, braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst haben.

»Gut.« Unsere Trainerin gibt uns noch ein paar Tipps. Insgesamt sind wir im Cheer Squad elf Mädchen und vier Jungs, die heute in jeweils drei Gruppen aufgeteilt sind, um die Hebefiguren zu üben. Die vier Jungs sind den zwei äußeren Gruppen zugeteilt, ich als Kapitänin des Cheer Squads bilde mit meinen Freundinnen die einzige reine Mädchengruppe in der Mitte unserer Formation.

Während Coach Miller der anderen Gruppe genauere Anweisungen gibt und sie die Hebefigur noch mal üben lässt, machen wir eine kurze Trinkpause.

Ich greife nach meiner halbvollen Wasserflasche und leere sie bis auf einen kleinen Rest. Mein Herz hämmert, Schweiß perlt mir von der Stirn und meine Muskeln brennen. Ich bin durchgeschwitzt, aber der Sport tut mir und meinem Körper gut.

Im Gegensatz zu dem, was viele Menschen glauben, ist Cheerleading ein abwechslungsreicher und anspruchsvoller Sport, der viel Disziplin und Teamgeist erfordert. Und genau deshalb liebe ich das Cheerleading so. Die verschiedenen Übungen und Hebefiguren, die wir mit unserem Coach durchgehen oder uns selbst ausdenken. Jedes Mal erwartet einen wieder etwas Neues. Die Highlights sind immer die Footballspiele, bei denen wir unsere Schulmannschaft – die Red Racoons – anfeuern. Ebenso wie die Meisterschaften, an denen wir teilnehmen und bei denen wir gegen Cheerleaderteams aus anderen Schulen antreten.

Momentan ist es relativ ruhig, doch in ein paar Wochen ist ein großes Heimspiel, auf das wir schon alle hinfiebern. Und wie bei all unseren Spielen oder Turnieren werden wir bald damit beginnen, häufiger und länger zu trainieren, um gut vorbereitet zu sein.

Während unserer Trinkpause beobachten wir die Jungs aus dem Footballteam, die gerade auch Training haben. Vorhin drehten sie auf der Laufbahn ihre Aufwärmrunden. Jetzt werfen sie sich gegenseitig Bälle zu. Schon von hier aus können wir erkennen, wie durchgeschwitzt sie sind. Einige von ihnen haben ihre Oberteile ausgezogen und sie neben ihren Helmen achtlos ins Gras geworfen. So kann man das Spiel der hart antrainierten Muskeln unserer Footballspieler noch viel besser betrachten. Nicht wenige der Cheerleaderinnen und anderen Schüler, die auf dem Sportplatz entweder trainieren oder von den Tribünen an der Seite aus zusehen, himmeln die Footballer an. Jede einzelne Hand-, Arm- und Fußbewegung wird unter den wachsamen Blicken ihres bullig gebauten, glatzköpfigen Coaches Johnson, der sie bei jedem kleinen Fehler zusammenbrüllt, präzise ausgeführt. Er ist zwar nicht gerade sehr groß, weshalb er heimlich oft Zwerg genannt wird, doch enorm respekteinflößend.

»Hansen, nimm deinen Scheißarm herunter und setz mehr Kraft ein! Du bist kein Baby!«, dröhnt seine tiefe Stimme bis zu uns. »Jackson, was ist das denn gewesen? Der Ball ist dazu da, dass du ihn fängst und ihn dir nicht durch die Lappen gehen lässt!«

Ich muss grinsen, weil es lustig mit anzusehen ist, wie er die Jungs zusammenstaucht. Durch ihn scheinen sie noch mehr ins Schwitzen zu geraten. Er nimmt sie härter ran als uns Coach Miller.

Neben mir höre ich ein verträumtes Seufzen. Chloe verschlingt die Footballspieler mal wieder mit ihren anschmachtenden Blicken. »Diese sonnigen und warmen Nachmittage haben doch immer etwas Gutes. Am liebsten würde ich ihnen den ganzen Tag dabei zusehen.«

Daraufhin verdreht Emma die Augen. Sie hat einen festen Freund und interessiert sich nicht so sehr für die Sportler.

»Ich würde sie gerne mit Sonnenöl einreiben. Und würde mir sehr viel Zeit dafür lassen, um ja keine Stelle auszulassen«, säuselt Sofia.

Emma wirft mir einen genervten Blick zu und macht Würgegeräusche, was Sofia einfach ignoriert. Stattdessen fixiert sie einen Footballspieler namens Read, mit dem sie eine Art On-Off-Beziehung hat.

Read ist der beste Freund von Braden. Die beiden stehen etwas abseits von ihren Kumpels und werfen sich abwechselnd den Football zu. Kein einziges Mal fällt er zu Boden. Durch das viele Krafttraining haben sie einiges an Muskeln zugelegt. Beide sehen mit ihrem ganzen Erscheinen aus wie aus einer Abercrombie & Fitch Werbung entsprungen. Read ist aufgrund seiner hünenhaften Körperstatur dafür zuständig, die anstürmenden Gegner aufzuhalten.

Mein Freund hat die Aufgabe, die Spielzüge umzusetzen und an die Handlungen der gegnerischen Mannschaft anzupassen, weshalb er auch der wichtigste Spieler im Team ist.

Als hätte er meinen Blick gespürt, streicht Braden sich die aschblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht und winkt mir zu. Ich winke zurück.

»Du und Ken seid wirklich süß«, kommentiert Chloe.

Ken. Es ist der Spitzname meiner Mädels für ihn. Sie nennen uns immer Barbie und Ken. Weil wir beide blond, blauäugig und das Traumpaar schlechthin sind.

Dabei sehe ich nicht annähernd wie die typische Barbie aus. Zwar habe ich ellbogenlange Haare mit einem warmen Honigblondton, himmelblaue Augen und eine schlanke Figur, doch ich bin auch klein und zierlich. Und so viel Oberweite wie eine Barbie habe ich auch nicht.

»Du bist Kapitänin des Cheer Squads und mit dem Kapitän des Footballteams zusammen. Perfekter könnte es nicht sein«, fährt Chloe verträumt fort.

Ich nicke nur. Seit knapp einem Jahr bin ich mit dem Kapitän des Footballteams zusammen, dem beliebtesten Jungen an der Schule, womit wir jedes Klischee erfüllen.

Immer wieder darf ich mir anhören, wie toll ich aussehe. Wie heiß Braden aussieht. Wie heiß wir zusammen aussehen. Außerdem hat mein Freund reiche Eltern und fährt ein cooles Auto, ein dunkelblaues Cabrio, um das ihn viele Mitschüler beneiden. Er ist klug, witzig und hat gute Chancen auf das Stipendium eines renommierten Colleges, an dem seine Eltern bereits studiert haben. Zwar könnten sie ihm die Collegegebühren auch bezahlen, doch sie wollen, dass er sich seinen Erfolg selbst erarbeitet. Dafür schieben sie ihm zur Belohnung für seine Leistungen einiges in seinen Allerwertesten.

Und ich? Obwohl ich keine reiche und gesunde Familie wie Braden habe, besitze ich ein intaktes Sozialleben. Ich habe alles, was sich ein Mädchen in meinem Alter erträumen würde. Ich sollte glücklich sein. Zufrieden.

»Grusel-Devyn ist wieder da«, unterbricht Sofia meine Gedanken und nickt angewidert nach oben.

Wir folgen ihrem Blick. Auf der Tribüne am Rande des Sportplatzes hocken ein paar andere Mädchen und Jungen aus unserer Schule. Abseits von ihnen, direkt an der Treppe, sitzt ganz allein ein Junge, der dem Footballteam beim Trainieren zusieht.

Zwar hat er sich die Kapuze seiner Jacke tief ins Gesicht gezogen und seine Hände in den Jackentaschen vergraben, doch trotzdem ist klar, wer er ist. Devyn. Devyn Coleman.

Noch vor einem Jahr war er der Kapitän des Footballteams. Er war der beste Spieler und hatte gute Chancen, Karriere zu machen. Er hätte an Bradens Stelle stehen, ein Stipendium kriegen können, da bereits einige Talent-Scouts oder Coaches einzelner Colleges auf ihn aufmerksam geworden waren.

Bis er bei dem wichtigen Heimspiel vor fast einem Jahr die Spielzüge nicht wusste und damit das ganze Team verwirrte, weshalb wir das Spiel haushoch verloren haben. Deshalb ist er aus dem Team geworfen worden. Angeblich hat er vor lauter Wut wegen seinem Rauswurf die Pokale des Footballteams zerstört, weswegen er zum Schulmaskottchen degradiert worden ist. Vermutlich wollte die Schulleitung den Job einfach nur besetzt haben, weil niemand anderes ihn übernehmen wollte. Dabei muss man nicht wirklich viel machen. Zu den Trainingsstunden ist die Anwesenheit keine Pflicht. Man läuft sowieso nur mit uns raus aufs Feld und springt dort ein wenig herum, um zusätzlich für Stimmung zu sorgen. Devyn muss also lediglich zu unseren Trainingsstunden vor den Footballspielen und zum Spiel selbst da sein. Deshalb verstehe ich nicht, warum er jedes Mal wieder auf der Tribüne sitzt und dem Team beim Trainieren zusieht.

Meistens bleibt er nicht lange und verschwindet, bevor das Training vorbei ist. Früher ist er beliebt gewesen. Heute will niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. Weder seine Freunde noch seine früheren Fans. Er ist ein Außenseiter.

Auch jetzt sitzt er ganz allein da, weil niemand mit ihm reden oder befreundet sein will. Da er sich nicht bewegt, könnte man meinen, er wäre eine Statue. Doch ich weiß, dass er die Jungs beobachtet, die inzwischen aufgehört haben mit dem Hin- und Herwerfen ihrer Bälle. Nun gehen sie mit ihrem Coach Spielzüge durch.

»Wie er es nur wagen kann, den Sportplatz zu betreten und das Footballteam zu beobachten«, meint Sofia pikiert und bindet ihre hüftlangen, schwarzen Haare zu einem Zopf, während sich ihre grünen Augen zu Schlitzen verengen. »Read will sich bei Coach Johnson beschweren, um eine einstweilige Verfügung gegen ihn zu erwirken.«

Ich verdrehe die Augen, weil ich das Gefühl habe, dass weder sie noch Read wissen, was eine einstweilige Verfügung ist. Sie können ihm nicht verbieten dort zu sitzen. Auf dem Sportplatz darf sich jeder Schüler dieser Schule aufhalten.

»Ich habe gehört, Coach Johnson und Direktor Higgens haben ihn dazu gezwungen«, mischt sich Chloe wichtigtuerisch ein und pustet sich eine Strähne ihres fuchsroten, lockigen und kurzen Haars aus dem Gesicht, das voller Sommersprossen ist. Sie ist nicht so kurvig wie wir, sondern eher stämmiger gebaut, weshalb sie sich perfekt als Main Base eignet und die Tops hält. Ihre giftgrünen Augen mustern Devyn kritisch.

»Als wäre es nicht schon Strafe genug, in dem stinkenden Waschbär-Kostüm herumzulaufen«, fügt Emma naserümpfend hinzu. Allerdings schwingt in ihrer Stimme ein wenig Mitleid mit. Im Gegensatz zu Sofia und Chloe, die ihre Schadenfreude und ihre Abneigung gegen ihn nicht verbergen. Dabei haben sie ihn vor einem Jahr angehimmelt, als er noch Kapitän gewesen ist.

Wie schnell sich das ändern kann.

Als sie weiter über ihn herziehen, wende ich mich ab, um einen erneuten Schluck aus meiner Flasche zu nehmen. Es ist jedes Mal wieder dasselbe Thema und langweilt mich langsam. Devyn war der Mannschaftskapitän, der wichtigste Spieler, der alle zusammenhält. Er war ein Vorbild, er hatte die Verantwortung für sein Team. Bis er alles durch sein rücksichtsloses, egoistisches Verhalten verbockt hat. Das hat er jetzt davon. Man lässt sein Team nicht im Stich.

Als ich nochmals zu ihm schaue, ist er bereits weg. So, als wäre er nie da gewesen. Wie gefühlt jeden Tag. Er ist wie ein Phantom, das kurz auftaucht und so schnell wieder verschwindet, wie es gekommen ist. Kein Wunder, dass Sofia ihn Grusel-Devyn nennt.

***

Nach dem Training treffe ich mich frisch geduscht mit Braden an seinem Auto. Auch er ist kurz unter die Dusche gesprungen und duftet jetzt nach Minze. Die Haare hat er sich mit Haarwachs akkurat zurechtgestylt. Wie der Rest seiner Clique achtet Braden sehr auf sein Aussehen.

Wir unterhalten uns noch kurz mit seinen Freunden, ehe wir einsteigen und losfahren. An einem Supermarkt, der auf dem Weg liegt, machen wir einen kurzen Zwischenstopp. Meine Mom hat mir geschrieben und mich gebeten ein paar Lebensmittel mitzubringen. Hand in Hand schlendern Braden und ich an den Regalreihen entlang. Das Händchenhalten ist schon zur Gewohnheit geworden und ich fühle nicht mehr dieses Kribbeln, das ich früher immer gespürt habe, wenn er in meiner Nähe gewesen ist oder ich nur an ihn gedacht habe. Das nervöse Flattern in meinem Magen, wenn er mir in die Augen gesehen hat. Jetzt ist da nichts mehr, außer einem nervösen, unangenehmen Flattern, das ich zu verdrängen versuche.

Nachdem wir alles zusammen haben, was meine Mom mir aufgetragen hat, stellen wir uns an der Kasse an. Braden hat den Arm locker um meine Schultern gelegt. Er neigt den Kopf zur Seite und betrachtet die Person vor uns genauer.

Von hinten erkenne ich nur den dunkelbraunen Haarschopf eines Jungen mit abgetragenen Sneakers, dunkler Jeans und weinroter Collegejacke mit Kapuze, auf der das Logo unserer Schule abgebildet ist: Ein Waschbär, der die Schnauze zu einem gefährlichen Fauchen verzogen hat.

Nachdem ein älteres Ehepaar seine wenigen Einkäufe ausgepackt hat, legt der Junge seine eigenen Sachen auf das Kassenband.

Braden zwinkert mir schadenfroh zu und ich bekomme sofort ein ungutes Gefühl, das sich bestätigt, als er sich so weit nach vorn neigt, dass sein Mund direkt neben dem Ohr des Jungen vor uns ist.

»Na, wen haben wir denn da?«, raunt er, woraufhin der Junge erschrocken zusammenzuckt und das Päckchen fallen lässt, das er auf das Band legen wollte.

Er greift danach, richtet sich auf und dreht sich zu uns um. Ich erstarre. Blaugraue Augen, von denen ich nicht weiß, ob sie mehr blau oder grau sind, treffen auf meine. Vor uns steht Devyn, der den Blick weiterwandern lässt zu meinem Freund, der feindselig zurückstarrt.

»Erwachsenenwindeln?«, spottet Braden mit Blick auf das Päckchen in Devyns Händen.

Devyn läuft rot an. Es scheint ihm richtig peinlich zu sein. Doch dann legt er den Kopf schief, sodass ihm ein paar dunkle Strähnen in die Stirn fallen.

»Ja, ich brauche die, weil meine anderen schon leer sind. Also halte besser Abstand, Braden«, entgegnet er mit Unschuldsmiene. Einer seiner Mundwinkel hebt sich, wodurch sich Grübchen bilden und er frecher wirkt. »Nicht dass ich mir wegen dir vor Angst in die Hose mache.«

Mir entfährt ein leises Kichern, für das Braden mir einen zornigen Blick zuwirft. Sofort verstumme ich und presse die Lippen aufeinander.

»Du kommst dir wohl sehr lustig vor.« Braden lässt mich los und baut sich vor Devyn auf, der sich davon nicht einschüchtern lässt.

Gelangweilt legt er die Windeln auf dem Band ab und verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich komme mir allerdings sehr lustig vor. Ansonsten hätte deine Freundin ja nicht gelacht.«

Sein Blick huscht kurz zu mir und ich meine die kleine Andeutung eines Lächelns auf seinen Lippen zu erkennen.

Doch das ist sofort wieder verschwunden, als Braden nach meiner Hand greift und meint: »Sieh es ein, Coleman. Du bist ein Loser. Du bist ein Niemand und wirst immer einer bleiben.«

Und dann holt er zu meinem Entsetzen aus seiner Jackentasche eine Packung Kondome in XL-Größe hervor, die er vor Devyns Augen herumschwenkt, ehe er sie auf das Band wirft. Ich habe keine Ahnung, wo er die auf einmal herhat. Vermutlich hat er sie eingesteckt, als ich weggeschaut habe. Er entschränkt unsere Hände wieder, legt seinen Arm um meine Schultern und drückt mich viel zu fest an sich.

Erneut liefern sie sich ein Blickduell, während ich am liebsten im Boden versinken und gleichzeitig Braden vor Wut den Hals umdrehen würde. Meine Wangen brennen vor Scham wie Feuer. Die Dreistigkeit meines Freundes schockiert mich zutiefst. Doch ich will keine Szene machen, weil die Leute hinter uns schon komisch schauen.

»Es ist sehr nett von dir, dass du dich so um mein Loserdasein sorgst, aber ich bin mit mir selbst ganz zufrieden«, kontert Devyn. »Ich habe dich schon unter der Dusche gesehen. Ist die Wahl nicht ein wenig übertrieben?«, bemerkt er noch mit einem Blick auf die Kondomschachtel, die ich am liebsten vom Band genommen und meinem Freund gegen den Kopf geworfen hätte. Doch ich bleibe stocksteif stehen. Aller Aufmerksamkeit liegt auf uns. Ich schwanke zwischen Beschämung und dem Drang loszulachen. Nur mit Mühe kann ich mich zurückhalten, weil ich Braden nicht blamieren will. Wobei er selbst das ja ganz gut hinbekommt.

»Vielleicht brauchst du ja auch einen anderen Spiegel«, überlegt Devyn laut. »Deiner scheint ja alles größer wirken zu lassen, als es in Wirklichkeit ist.«

Braden, dessen Gesicht eine dunkelrote Farbe angenommen hat, setzt bereits zu einem Konter an, doch zum Glück erlöst uns die Kassiererin, da Devyn nun an der Reihe ist. Er bezahlt seine Einkäufe und legt sie in eine große Tasche, die er mitgenommen hat. Während Braden vor Wut schäumt, muss ich mir mit viel Mühe ein Grinsen verkneifen.

Als Devyn schließlich geht, wirft er über die Schulter noch einen Blick zurück. Und dieser Blick geht mir durch Mark und Bein. Mich schaudert. Devyn lächelt nicht mehr. Stattdessen wirkt er nachdenklich. Ich weiß nicht, ob er mich verachtet oder bemitleidet. Vermutlich irgendetwas dazwischen. Doch dann verschwindet Devyn nach draußen, während ich mit einem vor Wut schäumenden Braden zurückbleibe, der beleidigt die Einkäufe in die Taschen wirft.

Kapitel 2

»Dem habe ich es gezeigt«, knurrt Braden, als wir die Einkäufe im Auto verstauen.

Auf meine Zustimmung wartend sieht er mich an.

»Klar.« Ich schenke ihm ein Lächeln, das mir nicht ganz gelingen will. Irgendwie ist mir gerade nicht nach Lachen. Dabei hat Devyn es verdient, wie er von Braden und dem Rest der Schule behandelt wird. Oder?

»Klar. Das ist alles?«, hakt Braden nach. »Was ist los? Warum bist du so schlecht gelaunt? Normalerweise lachst du immer über meine Witze«, meint er beleidigt.

Ich steige auf der Beifahrerseite ein und knalle die Tür härter als beabsichtigt zu. Schweigend schnalle ich mich an. Dabei weiß ich nicht, warum ich auf einmal so wütend bin.

»Tut mir leid«, entschuldige ich mich bei ihm, als er neben mir sitzt. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Mir geht es gerade nicht so gut.«

»Babe, du weißt, wenn etwas ist, kannst du immer zu mir kommen. Ich bin für dich da.« Braden beugt sich über die Mittelkonsole zu mir herüber, um mich zu küssen, ehe er den Motor startet und losfährt.

Nachdem er sich in den Nachmittagsverkehr eingefädelt hat, fällt mein Blick auf die Einkaufstüten auf der Rückbank und mir schießt eine Frage durch den Kopf.

»Was sollen eigentlich die Kondome?«, hake ich nach, obwohl ich die Antwort gar nicht wissen will.

»Ich weiß, sie sind ein wenig übertrieben, aber ich wollte Devyn ärgern. Dieser Loser wird nie eine abkriegen«, grinst Braden. Doch dann wird er ernst und sieht mich flüchtig an, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert. »Allerdings habe ich letztens tatsächlich welche in der richtigen Größe gekauft. Wir sind fast ein Jahr zusammen. Ich habe so viel mit dir durchgestanden. Du weißt, ich werde dich zu nichts drängen. Ich hebe sie auf, bis wir sie brauchen. Wäre ja blöd, wenn es einmal so weit ist und wir nichts da haben.« Er zwinkert mir zu, dann setzt er den Blinker und biegt in meine Straße ab.

Ich hebe einen Mundwinkel, der sich sehr schwer anfühlt. Das Lächeln will mir nicht richtig gelingen. Bisher konnte ich dieses Thema umgehen. Aber jetzt, wo Braden mich so direkt darauf anspricht und auch noch ohne mein Wissen Vorsorge getroffen hat, schnürt sich mir die Kehle zu. Panik befällt mich, obwohl ich gar nicht weiß warum.

Er hat nämlich recht. Wir sind jetzt fast ein Jahr zusammen. Wir sollten es langsam tun. Immerhin haben all unsere Freunde ihr erstes Mal hinter sich. Nur warum bekomme ich keine Luft mehr, wenn ich daran denke?

Zum Glück erlöst mich die Ankunft vor meinem Haus von einer Antwort. Statt wie früher in die Einfahrt hochzufahren, hält Braden unten auf der Straße. Seine Finger tippen nervös auf dem Lenkrad herum, während er immer wieder zur Haustür linst, als hätte er Angst, sie würde gleich aufgehen.

»Willst du nicht doch mit reinkommen zum Abendessen?« So wie früher?, füge ich in Gedanken hinzu, spreche es aber nicht laut aus. Denn ich kenne seine Antwort sowieso schon. Doch ich habe immer wieder die Hoffnung, dass er seine Meinung irgendwann ändert und es versucht.

»Sind deine Eltern da?«, ist seine Gegenfrage, während er weiterhin die Haustür im Blick behält. Ist dein Dad da?, lautet seine eigentliche, die er jedoch nicht laut ausspricht. Aber ich weiß, dass er sie sich stellt.

Zögernd bejahe ich, woraufhin Braden den Kopf schüttelt. »Sorry, Babe, ich muss nach Hause. Hausaufgaben machen und so. Außerdem warten meine Eltern schon.«

Das ist eine Ausrede. Er findet jedes Mal eine andere. Hauptsache er muss nicht mit ins Haus kommen. Hauptsache er muss meinem Dad nicht begegnen oder gar mit ihm reden.

In der Hoffnung, dadurch meine Enttäuschung zu verbergen, zwinge ich mich zu einem Lächeln. »Okay, schade.«

»Wir sehen uns ja morgen«, meint er deutlich besser gelaunt. »Bei uns bist du aber immer zum Abendessen eingeladen. Sag mir Bescheid, wenn du mal wieder vorbeikommen magst.« Er beugt sich zu mir rüber, um mich zum Abschied zu küssen.

Als er sich wieder zurücklehnen will, wandert sein Blick an mir vorbei. Ich folge ihm und mein Herz rutscht mir in die Hose. Verdammt. Zum Glück sitzen unsere Freunde nicht mit im Auto. Denn die Haustür öffnet sich und mein Dad kommt heraus.

»Ich muss los. Bis morgen«, sagt Braden hektisch, der den Blick wieder abgewandt hat und sich mit zusammengezogenen Brauen auf die Straße konzentriert.

Genauso gut hätte er mir auch mitten ins Gesicht schlagen können. Aus exakt diesem Grund will ich seine oder meine Freunde gar nicht erst zu mir nach Hause einladen. Die Reaktionen würden von jedem gleich ausfallen.

Ich sehe ihn an, will etwas sagen, lasse es jedoch lieber. Sein Verhalten verletzt mich zutiefst, aber er hat mir erklärt, weshalb er meinen Dad weder sehen noch mit ihm reden will.

Also steige ich aus und hole die Einkäufe vom Rücksitz. Indessen trommeln Bradens Finger immer ungeduldiger aufs Lenkrad, wodurch er mich ganz verrückt macht. Deutlicher könnte er mir nicht zeigen, wie schnell er von hier wegkommen will.

»Bis morgen«, sage ich mit zittriger Stimme.

Seine Lippen pressen sich zu einem dünnen Strich zusammen, seine Hände umklammern das Lenkrad fester. Ich habe die Tür kaum zugeschlagen, da ist er schon davongerast. Und ich stehe mit den Einkaufstüten da und sehe ihm nach. Ich komme mir vor, als hätte er mich einfach abgesetzt wie einen Gegenstand, den er nicht mehr braucht. Als hätte er mich alleingelassen.

Niedergeschlagen lasse ich die Schultern hängen. In meinem Hals hat sich ein Kloß gebildet, Tränen brennen in meinen Augen. Doch ich kämpfe dagegen an. Ich will nicht, dass mein Dad mich weinen sieht und sich noch schlechter fühlt. Deshalb atme ich tief durch und straffe die Schultern. In diesem Augenblick ertönt hinter mir ein langgezogenes erfreutes »Gotti«.

Beinahe wäre ich erst recht in Tränen ausgebrochen. Meine Brust wird enger. Ich zwinge mich zu einem halbwegs ehrlichen Lächeln, ehe ich mich zu meinem Dad umdrehe. Dieser humpelt auf seinen Gehstock gestützt, den er in der linken Hand hält, die Einfahrt herunter auf mich zu.

Er hatte vor etwa einem Dreivierteljahr eine durch einen Unfall ausgelöste Hirnblutung. Die Ärzte konnten durch die Notoperation nicht verhindern, dass ein Teil seines Gehirns für immer beschädigt bleibt. Er hätte sterben können, doch er hat überlebt. Dafür hat er einige Folgeschäden davongetragen. Halbseitige Lähmung auf der kompletten rechten Seite. Deshalb kann er weder seinen rechten Arm noch seinen rechten Fuß bewegen. Mit der Unterstützung von Therapeuten hat er gelernt sich mithilfe seines Gehstocks fortzubewegen, wodurch er für seinen Zustand relativ selbstständig ist. Nichtsdestotrotz fühlt er sich wie ein halber Mensch. Zumindest hat er mir das schon oft zu verstehen gegeben.

Und als wäre das nicht schon genug gewesen, leidet er zusätzlich unter einer Aphasie: eine erhebliche Sprachstörung. Er kann nicht mehr sprechen. Eine Logopädin hat es wenigstens soweit hinbekommen, dass er »ja« und »ne«, an guten Tagen »nein«, aussprechen kann. Mehr bringt er nicht zustande. Außer Laute und Wörter, die er nicht meint oder die es so nicht gibt. Wie Gotti.

Da auch der Teil des Gehirns beschädigt ist, der für das Schreiben zuständig ist, kann er zwar lesen, aber bis auf seinen eigenen Namen nicht mehr schreiben. Er hat es mir einmal verdeutlicht, als ich mit ihm gesprochen habe. Er erkennt Buchstaben und Wörter und kann sie lesen, doch wenn er sie schreiben soll, blockiert ihn etwas.

Ansonsten haben wir gelernt uns durch Gesten zu verständigen. Mittlerweile kenne ich ihn auch gut genug, um zu erraten, was in ihm vorgeht und was er uns mitteilen will.

Außerdem erkenne ich an seiner Mimik, was gerade in ihm vorgeht. Jetzt strahlt er über das ganze Gesicht wie jeden Tag, wenn ich von der Schule komme. Er freut sich genauso sehr mich zu sehen wie ich ihn. Durch den Unfall hätte ich Dad verlieren können, doch er lebt und das ist das Wichtigste.

»Hey, Dad«, erwidere ich und laufe ihm entgegen.

Dann bleiben wir stehen und er hebt den nicht gelähmten Arm, um mich an sich zu ziehen. Ich vergrabe das Gesicht an seiner Schulter, die Einkaufstüten halte ich fest in den Händen. Wir haben uns nie besonders nahegestanden. Das hat sich durch den Unfall geändert.

Nachdem er sich wieder von mir gelöst hat, sieht er mich mit seinen dunkelgrünen Augen fragend an. Er will wissen, wie mein Tag und die Schule gewesen ist. Trotz seiner Probleme interessiert sich Dad für mich. Ein Stich bohrt sich tief in meine Brust und es fällt mir immer schwerer, die Tränen zurückzuhalten.

»Lief ganz gut. Braden musste gleich weiter. Seine Eltern warten schon auf ihn«, sage ich nur, weil ich nicht will, dass er sich Sorgen um mich macht. Oder darüber nachdenkt, warum Braden so schnell abgehauen ist und ihm seit seinem Unfall aus dem Weg geht. »Und wie ist dein Tag so gewesen?«

Er zuckt mit der Schulter. Sein Gesicht verfinstert sich augenblicklich und sein linker Mundwinkel senkt sich nach unten. Beim rechten hat er Probleme, weil dieser auch von der Lähmung betroffen ist.

»Dir ist den ganzen Tag über langweilig«, errate ich, woraufhin er betrübt nickt. Vor einem Dreivierteljahr hat er ganztags gearbeitet und ist sportlich aktiv gewesen, jetzt sitzt er die ganze Zeit über zu Hause und weiß nicht, was er mit sich anfangen soll. Zudem er ja weder schreiben, noch seinen Laptop richtig bedienen kann. Er hat Schwierigkeiten, sich darauf zu konzentrieren, und verliert schnell das Interesse an komplexeren Aufgaben.

»Hat Mom schon Abendessen gekocht?«, lenke ich vom Thema ab.

Statt zu nicken, hebt er den Daumen. Ein Zeichen für Ja.

»Dann lass uns reingehen. Sie wartet bestimmt schon.«

Gemeinsam laufen wir Richtung Eingangstür. Wobei mein Dad eher humpelt und ich mich seiner Geschwindigkeit anpasse und ihn zuerst das Haus betreten lasse, weil ich weiß, dass er es hasst, wenn er immer der Letzte ist.

Mom hantiert bereits in der Küche herum. Als ich durch den Flur den Raum betrete, blickt sie von einem Schneidebrett auf, auf dem sie gerade Gemüse schnippelt. Die Küche ist das reinste Chaos. Überall liegen Gemüse, aufgerissene Lebensmittelpackungen, leere Konservendosen und Getränkeflaschen, die noch nicht weggeräumt wurden.

»Avery, du kommst genau richtig. Ich bin gleich fertig. Der Auflauf ist schon im Ofen, ich mache gerade den Salat«, begrüßt sie mich gestresst. »Ich habe mir gerade eine einstündige Pause genommen, muss danach aber sofort wieder zurück, deshalb wäre es super, wenn du später den Tisch abräumen und den Geschirrspüler einräumen könntest. Oh, und du müsstest nach dem Essen aufräumen. Ich habe heute Morgen verschlafen und bin erst gegen Mittag aufgewacht. Ich habe deinem Dad nur schnell das Mittagessen gemacht, dann bin ich los. Vor einer halben Stunde bin ich zurückgekommen.«

Meine Mom trägt ihre Arbeitsklamotten. Vor lauter Stress und Zeitdruck hat sie sich nicht einmal umgezogen. Sie hat dieselben honigblonden Haare wie ich, die sie zu einem unordentlichen Dutt nach oben gesteckt hat. Vereinzelte Strähnen haben sich daraus gelöst und fallen ihr ins Gesicht, auf dem sich bereits erste Falten abzeichnen. Dabei ist sie erst Ende vierzig wie Dad. Doch die letzten Monate haben sie gezeichnet. Hatte sie noch vor einem Dreivierteljahr einen leichten Hang zum Übergewicht, hat sie nun deutlich abgenommen. Ihre früher so runden Gesichtszüge wirken schärfer und kantiger. Ein müder Ausdruck liegt auf ihrem Gesicht, als sie sich mit dem Ärmel über die geröteten Augen wischt, ehe sie die Zwiebeln weiterschnippelt.

Sie ist vollkommen überfordert mit der Situation mit Dad. Zwar ist sie wegen ihres Berufs als Altenpflegerin in körperlicher Pflege geübt, aber es fällt ihr schwer, damit klarzukommen, dass er jetzt gelähmt ist und nicht mehr sprechen kann.

Zudem war er früher der Meistverdiener. Weil er nicht mehr arbeiten kann, bekommt er jetzt Rente, was allerdings nur ein Bruchteil dessen ist, was er vorher verdient hat. Ein Großteil seines Geldes fällt weg, weil wir viele Rechnungen für Ergo- und Physiotherapien zu bezahlen haben. Die Sprachtherapie mussten wir vor ein paar Wochen abbrechen. Zum einen, weil die Therapeutin meinte, dass sie nichts mehr tun könne, zum anderen, weil wir nicht mehr genügend Geld hatten.

Mom arbeitet in einem Seniorenheim und lässt sich oft für Schichtarbeiten einteilen, um mehr Geld zu bekommen, damit sie monatlich eine kleine Summe für mein College zurücklegen kann. Aber das wird nicht reichen. Ich wollte mir schon einen Nebenjob suchen, doch sie möchte, dass ich mich voll und ganz auf die Schule konzentriere, damit ich ein Stipendium bekomme.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«, frage ich und stelle die Einkaufstüten vor der Kücheninsel ab.

»Du könntest den Tisch decken«, gibt sie zurück. »Und vielleicht die Küche ein wenig aufräumen und den Müll rausbringen. Bis dahin dürfte ich fertig sein.«

»Okay. Wird erledigt«, antworte ich und salutiere, woraufhin meine Mutter nur den Kopf schüttelt.

Sie versteht keinen Spaß mehr. Im Gegensatz zu meinem Dad, der mir – wenn auch etwas bedrückt – zulächelt und mir dabei hilft, den Tisch zu decken. Ein paar Schritte kann er auf ebenem Boden ohne Stock gehen. Auf diese Weise platziert er erst Teller, dann Besteck auf dem Tisch, während ich in Windeseile die Küche aufräume und den Müll nach draußen bringe.

Das Abendessen läuft wie immer ab. Wir sitzen schweigend am Tisch. Meine Mom schaufelt das Essen in sich hinein und erteilt uns Anweisungen, was noch erledigt werden muss. Kurz darauf fällt die Haustür hinter ihr zu und ich höre, wie sie mit ihrem Auto davonrast. Ich hoffe nur, sie hetzt sich nicht zu sehr ab oder ist vor lauter Stress unkonzentriert. Ein Unfall ist schnell passiert.

Ich kann erst aufatmen, als sie mir eine Nachricht aufs Handy schickt, dass sie in der Arbeit angekommen ist und es spät werden wird, bis sie wieder da ist. Da sie unterbesetzt sind, haben die Altenpflegerinnen und Altenpfleger in dem Pflegeheim, in dem sie arbeitet, alle Hände voll zu tun und müssen oft Extraschichten machen.

Nachdem ich alle anfallenden Hausarbeiten erledigt habe, sehe ich mir mit Dad im Wohnzimmer einen Film an und mache nebenbei meine Hausaufgaben, damit er sich nicht so allein fühlt. Danach geht er ins Bett. Zum Umziehen oder Toilettengang braucht er keine Hilfe und keine Windeln mehr, weshalb ich mich in mein Zimmer verkrieche, um zu lernen.

Doch meine Gedanken schweifen andauernd ab. Ich muss an Devyn im Supermarkt denken. Noch vor ein paar Monaten musste ich auch Erwachsenenwindeln kaufen. Für meinen Vater. Wozu oder für wen Devyn sie wohl brauchte?

Ich versuche die Gedanken an den ehemaligen Footballkapitän zu verdrängen. Ich sollte meine Zeit nicht mit ihm verschwenden. Stattdessen sollte ich mich lieber auf die Schule und meinen Freund konzentrieren. Dennoch sehe ich Devyn immer wieder an der Kasse vor mir und spüre seinen Blick, der mir auch jetzt wieder eine merkwürdige Gänsehaut beschert.