Steine der Macht - Band 3 - Stan Wolf - E-Book

Steine der Macht - Band 3 E-Book

Stan Wolf

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Beschreibung

Wolf entdeckt auf einem Flug über den Atlantik mit seiner Jugendfreundin Silvia die sagenumwobene Insel San Borondon. In einem Stollen am Fuß des Untersberges stoßen sie auf eine vierzig Jahre alte Flaschenpost mit einem unvollendeten Manuskript eines bekannten Schriftstellers. Durch ein Zeitportal gelangt Wolf mit Linda ins Jahr 1818 und sie erleben die Uraufführung des Liedes "Stille Nacht". Nach der Durchführung eines Isais-Rituals gibt sich der Illuminat zu erkennen ...

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Seitenzahl: 290

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und -auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2011 novum publishing gmbh

ISBN Printausgabe: 978-3-99026-305-1

ISBN e-book: 978-3-99026-307-5

Lektorat: Luise Wunderlich

Umschlagfotos: Omar Sheriff | Dreamstime.com, Stan Wolf, Kriss Szkurlatowski | stock.xchng

Gedruckt in der Europäischen Union auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem -Papier.

www.novumverlag.com

AUSTRIA · GERMANY · HUNGARY · SPAIN · SWITZERLAND

Macht hat viele Gesichter

Das Streben nach Macht ist uns eigen

Die stärkste Macht liegt im Verborgenen

***

Vergangenheit Gegenwart Zukunft

Alles existiert gleichzeitig

www.stan-wolf.at

Vorwort

Vieles ist zu unfassbar, als dass man es einfach niederschreiben könnte.

Vielleicht sollte es auch verborgen bleiben, denn der menschliche Verstand nimmt nur jene Dinge zur Kenntnis, welche ihm geläufig sind.

Deshalb schreibe ich dieses Buch als Roman.

Es bleibt dem einzelnen Leser überlassen, zu beurteilen, was er als Tatsache anerkennen möchte.

Danksagungen

Mein Dank gebührt Linda, welche mich mit großer Geduld und Ausdauer bei meinen Fahrten und Abenteuern begleitete.

Silvia, meine Jugendfreundin, hat mich zur geheimnisvollen Insel San Borondon geleitet.

Tino, der Rosenkreuzer aus Australien, hat mit seinem Wissen maßgeblich dazu beigetragen, Geheimnisse zu ergründen.

Dank auch an Elisabeth, Herbert und Werner, den drei Polizisten, welche mitgeholfen haben, Verborgenes ans Tageslicht zu bringen.

Pfarrer Schmatzberger, der mir Denkanstöße gegeben hat, mystische Pfade weiterzuverfolgen.

Roland, der Apotheker und Rosenkreuzer, wies mir den Weg zum Eingang.

Die bekannten Autoren Jan van Helsing und Reinhard ­Habeck halfen mir freundlicherweise mit guten ­Ratschlägen aus.

Einleitung

Was bisher geschah

Als vor über zwanzig Jahren drei deutsche Bergwanderer auf dem Untersberg verschwinden und sich nach zwei Monaten von einem Frachtschiff im Indischen Ozean aus wieder melden, weckt dies Wolfs Interesse an dem ihm bis dahin nur als Sage bekannten Zeitphänomen am Salzburger Untersberg. Zudem hat Wolf selbst diese drei Leute einige Jahre vor ihrem Verschwinden auf einer Schutzhütte auf dem Untersberg getroffen. Er hat dann in den darauffolgenden Jahren ein sehr mysteriöses Erlebnis, als er mit seiner Tochter Sabine die vermutete Zeitanomalie am Berg erforschen will.

Doch wieder vergehen etliche Jahre, bis er auf einer seiner oftmaligen Reisen in entlegene Gebiete der Fels- und Sandwüsten in Ägypten mit seiner Begleiterin, der Lehrerin Linda, auf ähnliche, rätselhafte Erscheinungen stößt, die offenkundig mit runden, schwarzen Steinen, in der Größe und Form einer Orange ähnlich, in Verbindung stehen. Danach wird seine Suche immer intensiver, bis er durch Zufall in der unterirdischen Kammer der Cheopspyramide einen solchen schwarzen Stein findet. Bei seinen weiteren Recherchen stößt er auf eine wenig bekannte Sage, die von einem Tempelritter berichtet, der im elften Jahrhundert einen ebensolchen Stein aus Mesopotamien zum Untersberg gebracht haben soll.

Bereits Hitler, der ja bekanntlich eine Vorliebe für den Untersberg hegte, hatte diesen Stein, welcher der Überlieferung nach von dem Templer in einer Höhle im Berg versteckt worden war, suchen, lassen. Hitler verfügte angeblich über Hinweise, wonach dieser Stein der Schlüssel zu großer Macht sein sollte. Wolf dehnt seine Nachforschungen in der Folge auch auf den Obersalzberg bei Berchtesgaden aus und macht dort mithilfe zweier deutscher Polizisten eine erstaunliche Entdeckung, welche ihm aber beinahe zum Verhängnis wird.

Trotzdem konzentriert Wolf weiterhin seine Suche auf den Untersberg, und es gelingt ihm, ein brisantes Geheimnis zu lüften: Er entdeckt einen verborgenen Eingang in den Berg. Ein General der Waffen-SS hatte bereits 1943 an dieser Stelle eine Zeitanomalie gefunden und ließ sich im letzten Kriegsjahr dort im Felsen eine komfortable Station als Unterkunft errichten, in der er aufgrund der Zeitverlangsamung im Berg dort innerhalb weniger Monate über siebzig Jahre verbringen konnte. Wolf und Linda kommen mit diesen Leuten aus der Vergangenheit in Kontakt und erfahren von ihnen Dinge, die in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.

Der General zeigt den beiden ein Golddepot in den Bergen und bittet Wolf, der auch Hobbypilot ist, nach Fuerteventura zu fliegen, um ihm aus den Lavahöhlen unter der Villa Winter zwei Bleizylinder zu bringen. Wolf und Linda wollen das Geheimnis der Zeitverschiebung ergründen und willigen ein. Der weite Flug mit der einmotorigen Cessna und die anschließenden Erlebnisse auf der Kanareninsel gestalteten sich für die beiden äußerst abenteuerlich. Es gelingt ihnen aber schließlich tatsächlich, die Bleizylinder zu bergen und dem General zu überbringen.

Bei archäologischen Ausgrabungen wird kurz darauf ein deutscher Stahlhelm in einem Kelten-Grab am Dürrnberg in der Nachbarschaft des Untersberges entdeckt.

Daneben liegt das Skelett eines Kriegers mit einem Einschussloch im Kopf. Der Verfassungsschutz wird daraufhin aktiv. Wolf und Linda finden am Obersalzberg radioaktiv strahlende Steine, die sich als Uranoxid herausstellen. Der General in seiner Station im Untersberg demonstriert den beiden seine technischen Geräte, die weit über die Möglichkeiten der heutigen Technik hinausreichen. Auf seiner Suche nach den Zeitkorridoren des Untersberges entdeckt Wolf ein vergessenes Waffendepot der amerikanischen Besatzungstruppen aus dem Jahr 1953. Von einem alten Mann erhalten die beiden einen wunderschönen Amethystkristall, der etwas mit der altbabylonischen Göttin Isais zu tun haben soll. Hinter einem uralten Gebetsstock am Untersberg sieht Wolf schließlich eine kleine Silberplatte aus der Erde ragen. Darauf ist ein geheimnisvoller Code zu sehen. Diese alte Schrift in lateinischen Buchstaben wirft neue Fragen auf. Ein Illuminat klärt die beiden über die Isais-Geschichte und den schwarzen Stein im Berg auf. Auch zu einer mysteriösen Marmorplatte mit einer Inschrift aus dem Jahr 1798 erzählt ihnen der Logenmann eine Geschichte. Der General lässt Wolf mittels eines Zeitkorridors einen Blick in eine ferne Zukunft tun und ermöglicht ihm und Linda einen Ausflug in die Vergangenheit – in die Stadt Salzburg zur Zeit Mozarts.

Schließlich retten die beiden einem Deserteur das Leben, indem sie ihn in eine Höhle schicken, in welcher ebenfalls eine Zeitanomalie auftritt. Eine neuerliche Fahrt in die ägyptische Wüste bringt sie in die Oase Siwa, wo ihnen die Mumie von Alexander dem Großen gezeigt wird. Wieder zurück am Untersberg gelingt es ihnen, einen durch ein Hologramm getarnten Eingang in den Felsen zu finden.

Kapitel 1

Das Unbekannte

Der Westwind trieb dichte Nebelfetzen über die nassen Almwiesen. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Es wurde merklich kühler am Berg, obwohl es noch nicht einmal Mittag war.

Heinz war schon seit vielen Stunden unterwegs. Diesmal war er alleine und ohne besonderes Ziel zum Plateau des sagenumwobenen Untersberges aufgestiegen. Was er dort oben suchte, wusste er nicht genau. Er wollte sich einfach nur umsehen. Sein inneres Gefühl sagte ihm, dass gerade diese Stelle hier, in der Nähe des deutschen Hochthrons, etwas Besonderes sein müsste. Außer ein paar Bergdohlen, die trotz des nasskalten Wetters ihre Kreise zogen, war hier oben aber nichts zu sehen. Endlose Felder von meterhohen Legföhren, zwischen denen sich gefährliche Dolinen befanden, lagen vor ihm. Er musste höllisch achtgeben, um nicht in eines dieser bodenlosen Löcher im Kalkgestein zu stürzen. Oft sah er erst im letzten Moment einen solchen Abgrund vor sich und war dann gezwungen, vorsichtig einen anderen Weg zu suchen. Heinz war Uhrmachermeister und hatte sich bereits vor einigen Jahren zur Ruhe gesetzt. Schon früher, in seiner aktiven Zeit, wurde er von diesem Berg immer wieder in den Bann gezogen. Waren es die zahllosen Mythen, welche sich um den Untersberg rankten, die seine Fantasie beflügelten, oder war es einfach nur seine Neugier?

Viele Male war er in der vergangenen Zeit auf diesen Höhen unterwegs gewesen.

Meist herrschte dabei schönes Wetter. Doch heute war die Witterung absolut nicht für eine Bergwanderung geeignet. Heinz hatte jedoch eine robuste Konstitution, deshalb machten ihm die Nässe und die Kälte wenig aus. Er genoss es sogar, ganz alleine hier oben auf diesem fast zweitausend Meter hohen Plateau herumzugehen. Plötzlich hörte er ein Surren, von dem er aber nicht sagen konnte, woher es kam. Das war nicht der Wind im Geäst der Legföhren, es waren auch nicht die Geräusche der Dohlen, welche ohnehin fast völlig lautlos an ihm vorbeiflogen. Er sah sich um. Da war nichts außer den Nebelfetzen, die den Blick ins Tal verhinderten. Jetzt erreichte er eine unbewachsene Stelle im Gehölz, eine kleine Wiese. Hier würde er Rast machen.

Das Nieseln hatte mittlerweile aufgehört, das undefinierbare Geräusch jedoch wurde immer lauter. Er konnte aber die Ursache nicht feststellen. Es schien einfach in der Luft zu liegen. Heinz breitete seine Regenjacke über einem großen Stein aus, setzte sich darauf und begann, seine Jause aus dem Rucksack zu nehmen, als das Surren zu einem Pfeifen anschwoll. Der Nebel ringsum nahm plötzlich eine grünliche Farbe an und schien beinahe zu leuchten. Was er dann erblickte, ließ ihm den Atem stocken.

Der grüne Nebel schien zurückzuweichen, und eine metallen aussehende Scheibe mit etwa zwanzig Metern Durchmesser schwebte in geringer Entfernung vor ihm über dem Bergrücken. Sie schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Obwohl er gerade hier oben auf einiges gefasst war, lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Was war das? Ein Flugobjekt, das es eigentlich nicht geben durfte? Ein UFO?

Der hohe Pfeifton war mittlerweile so laut geworden, dass ihm die Ohren schmerzten.

Starr blickte er auf das seltsame Objekt, das sich nun langsam direkt auf eine Felswand zu bewegte. Heinz traute seinen Augen nicht: Die Scheibe flog, ohne ein zusätz­liches Geräusch zu machen, direkt in den Felsen hinein und war nach wenigen Sekunden völlig darin verschwunden. Das Pfeifen und Surren hatte schlagartig aufgehört, und auch der Nebel hatte wieder seine weißgraue Farbe wie zuvor. Der Berg lag wie gewohnt still und ruhig vor ihm. Heinz wollte sich die Stelle, an der das fliegende Objekt im Fels verschwunden war, ansehen. Doch als er in die Nähe der Wand kam, wurde es immer schwieriger für ihn, weiterzugehen. Nach wenigen Schritten versagten seine Beine. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn auf einmal. Er konnte kaum mehr aufrecht stehen, geschweige denn gehen. Heinz sank auf die Knie. Die Schmerzen in seinen Beinen waren kaum noch zu ertragen. Er wollte schreien, aber es kam kein Laut aus seiner Kehle.

Er fiel zu Boden. Dann wurde es schwarz um ihn.

Wie lange er im nassen Gras gelegen hatte, wusste er nicht. Als er aufwachte, hatte er aber eine dumpfe Erinnerung, dass da etwas geschehen war, was es eigentlich nicht geben durfte. War er gestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen? Hatte er eine Halluzination gehabt? Mühsam setzte er sich auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er betastete seinen Kopf. Da war nichts, keine Beule, nicht einmal ein Kratzer. Aber was war mit ihm geschehen? Seine Hände waren zittrig. Vielleicht hatte ihn ein Blitz getroffen. So etwas konnte auf dem Berg in dieser Höhe leicht passieren. Er konnte sich aber an nichts mehr erinnern, außer an ein fliegendes Etwas in einem grünlichen Nebel, das irgendwie in der Felswand vor ihm verschwunden war.

Kapitel 2

Die Wolfshütte

Es war wenige Tage nach Weihnachten. Hoch in den Alpen, auf zweitausend Metern Seehöhe, wo sich in einsamer Bergwelt die „Wolfshütte“ befand, lag viel Schnee. Wolf wollte diesmal den Jahreswechsel auf dem Berg verbringen.

Zudem hatte er Herbert und Elisabeth, die beiden Kollegen von Werner, die ebenfalls Polizisten waren, eingeladen.

Er fuhr schon am Tag zuvor mit Linda auf den Berg. Auch Linda hatte hoch oben auf der Alm, ganz in der Nähe der Wolfshütte, ein ansehnliches Haus. Lindas Haus war aus Stein, und es dauerte daher etwas länger, bis die kalten Wände eine angenehme Temperatur hatten. Lindas Kinder wollten erst am Silvestertag kommen, und sie würde jetzt, zwei Tage vorher, die elektrische Heizung einschalten.

Auf der eisigen Almstraße mussten sie schon weit unten im Tal Schneeketten anlegen. Es waren über zehn Kilometer vom letzten Dorf bis zur Hütte hinauf. Am Ende der Straße war ein kleiner Gasthof. Er lag etwas unterhalb der Wolfshütte. Bis dorthin konnten sie noch mit dem Wagen fahren. Von hier aus musste man dann zu Fuß oder mit den Skiern gehen. Wolf besaß einen Skidoo, den er immer beim Gasthof geparkt hatte. Sie luden ihr Gepäck vom Wagen auf das Schneemobil um, welches sich auch noch nach Wochen in dieser Kälte problemlos starten ließ. Linda setzte sich hinter ihm auf den Skidoo. Sie musste sich gut festhalten, während sich der Motorschlitten röhrend die letzten dreihundert Meter durch den tiefen Schnee zur Hütte hinauf ackerte.

Wild stoben die Schneefontänen hinter der Raupe hervor. Der eisige Wind und das Schneetreiben bei arktischen Temperaturen machten den beiden aber in ihren Anoraks nichts aus. Sie waren an so etwas gewöhnt. Nach wenigen Minuten erreichten sie die tief verschneite Wolfshütte. Es war ein Blockhaus aus dicken Baumstämmen, hatte ein Dach aus Holzschindeln und war über einhundert Jahre alt. Wolf hatte die Hütte vor vielen Jahren in einem ent­legenen Gebiet Österreichs abbauen und hier in dieser hochalpinen Bergwelt neu aufstellen lassen.

„Pass auf, dass wir nicht in einem der Fenster landen“, rief Linda. Die Schneedecke war weit über einen Meter hoch, und der Motorschlitten sank dank seiner breiten Raupe kaum darin ein. Wolf blieb direkt vor der schweren Holztüre stehen, und Linda sprang munter vom Skidoo. Sie musste sich am Schlitten festhalten, um nicht im tiefen, lockeren Schnee zu versinken. Die beiden schaufelten zuerst die Hüttentüre frei, um überhaupt ins Haus gelangen zu können. Der Schneesturm war mittlerweile immer heftiger geworden. Nach kurzer Zeit hatten sie ihre Sachen abgeladen, und Wolf deckte den Skidoo mit einer Plane ab, die er wegen des heftigen Sturms gut festzurren musste.

Drinnen in der Hütte war es noch bitterkalt. Wolf machte Feuer und schlichtete Holzscheite in den großen Ofen, während Linda die Lebensmittel verstaute. Bald würde es behaglich warm werden. Wolfs Tochter Alexandra samt ihrem Freund Werner, dem Polizisten, sollte morgen auch hierher auf den Berg kommen. Bis dahin würden aber in der Hütte schon angenehme Temperaturen herrschen.

„Was hast du da eingepackt?“ Mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß, schaute Linda finster zu Wolf und hielt ihm die beiden Teile des Plastiksprengstoffs aus dem amerikanischen Waffendepot entgegen.

„Nun, das ist das ‚Marzipan‘ für Werner. Wir haben doch im Sommer beschlossen, dass er das Zeug zu ­Silvester anzünden darf.“ Wolf setzte dabei seinen treuherzigen Hundeblick auf, was aber Linda in keiner Weise zu beeindrucken schien.

„Erinnere dich, wie das kleine Stückchen, welches du in meinem Garten verbrannt hast gequalmt hat. Was meinst du, was passiert, wenn so eine große Menge davon angezündet wird?“

„Das wird sich schon zeigen. Aber zum Jahreswechsel fällt das ohnehin niemandem auf. Denk doch an die vielen Feuerwerksraketen und die bengalischen Lichter, die man da immer sieht.“

Linda musste sich damit zufrieden geben und begann, eine Jause herzurichten.

„Aber lege das „‚Marzipan‘ nicht zu nahe an den Ofen“, meinte Wolf, während er sich einen Weidenkorb von der Wand nahm und hinaus zur Holzlage ging, um frisches Brennholz zu holen.

Linda legte den Plastiksprengstoff in eine leere Einkaufstüte und verstaute ihn resignierend zwischen Bohnendosen und Nudeln in der Speisekammer.

Wolf kam mit dem schweren, voll gefüllten Korb wieder zur Tür herein. Sein Bart war voll Schnee, und er sah aus wie ein Yeti. Der Sturm wehte die Schneeflocken in diesem Moment sogar bis in die Stube. Rasch machte Linda hinter ihm die Tür wieder zu.

„Weißt du, dass vielleicht auch Herbert und Elisabeth, die beiden Kollegen von Werner, über Silvester zu uns heraufkommen werden?“, sagte er und schlichtete die Holzscheite neben dem großen Herd auf.

Herbert und Elisabeth hatten schon im Sommer mitgeholfen, die Zeitlöcher am Untersberg zu lokalisieren. Unermüdlich waren die beiden damals in dem von Wolf beschriebenen Gebiet am Berg unterwegs gewesen.

„Das wäre bestimmt interessant, denn dann könnten die beiden etwas ausführlicher von ihrer Suche nach den Zeitlöchern erzählen“, antwortete Linda.

Sie hatte in der Zwischenzeit Brot und Speck aufgeschnitten und holte zwei Flaschen Bier aus dem kalten Vorraum.

„Möglicherweise kommt sogar Sabine zu uns auf die Alm herauf.“

„Das wäre fein“, meinte Linda, „wenn auch deine Tochter Sabine kommen würde, dann hättest du ja alle versammelt, die mit dem Untersberg und dem Zeitphänomen zu tun haben.“

„Du vergisst den General und den Obersturmbannführer!“, erwiderte Wolf und fuhr fort: „Aber ich glaube kaum, dass wir die SS-Leute zu so etwas bewegen könnten. Du weißt ja selbst, wie selten die Treffen mit denen zustande kommen.“

Nach der Jause ging Wolf noch einmal nach draußen, um nach der Plane des Motorschlittens zu sehen, da der Wind doch mit ziemlicher Kraft daran zerrte.

Mittlerweile hatte sich Linda wieder den Anorak und ihre Moonboots angezogen. Sie ging die kurze Strecke zu ihrem Haus hinunter, um die elektrische Heizung anzuschalten.

Der Schneesturm hielt fast die ganze Nacht an. Am nächsten Morgen war aber dann strahlendes, wenn auch klirrend kaltes Wetter. Ringsum war alles tief verschneit, und man sah auch nichts mehr von der Spur des Skidoos vom Vortag.

Gegen Mittag kamen in kurzem Abstand Alexandra mit Werner und auch Herbert mit Elisabeth an. Sie mussten den Weg vom Gasthof bis zur Wolfshütte zu Fuß gehen. Es war vereinbart, dass Wolf ihre Sachen mit dem Motorschlitten zur Hütte bringen würde. Die vier waren nach dem Aufstieg durch den tiefen Schnee ordentlich durchgefroren und froh, jetzt in der warmen Hütte einen heißen Tee zu bekommen.

Als Wolf gerade dabei war, ihr Gepäck unten beim Gasthof auf den Skidoo zu laden, kam auch seine ältere Tochter Sabine mit ihrem Wagen an. Sie hatte es als einzige geschafft, ohne Schneeketten die Bergstraße hinaufzufahren.

Sabine hatte nur einen Rucksack dabei. Sie setzte sich hinter Wolf auf den Motorschlitten und war froh, dass sie nicht zu Fuß durch den lockeren Schnee zur Hütte gehen musste.

Die Wolfshütte war geräumig genug, um sieben Leuten Platz zu bieten.

In dem großen, gemauerten Ofen knisterte das Feuer, und durch das Luftloch in der Ofentür warfen die Flammen ihren flackernden Schein in die Stube.

Wolf stellte nochmals Teewasser auf den Herd.

Jetzt saßen sie alle auf der Eckbank, und Wolf begann zu erzählen:

„Wie ihr bereits wisst, haben Linda und ich im Herbst bei einem Flug mit der Cessna einen durch ein Hologramm getarnten Eingang in den Untersberg entdeckt.

Wir wollen die Stelle vorerst geheim halten. Zumindest so lange, bis wir wissen, ob die Silberplatte, die ich hinter dem Gebetsstock dort oben gefunden habe, auch etwas damit zu tun hat. Ich könnte mir nämlich vorstellen, dass diese Platte so etwas wie ein Schlüssel zum Berg wäre.“

„Denkst du dabei an eine Chipkarte wie in den Hotels?“, fragte Alexandra mit einem verhaltenen Lachen. „Dann sollten wir nach einem Schlitz suchen, in den die Platte passt.“

Herbert erwiderte: „Es könnte doch sein, dass die Buchstaben auf der Silberplatte, dieser seltsame Code, einen Hinweis darstellen. Einen Hinweis, wie man in das Innere des Berges hineingelangt.“

„Da kommen wir aber im Moment nicht weiter. Sogar der Direktor im Salzburger Museum konnte meinem Dad gar nichts dazu sagen“, meinte Sabine und stellte einen Teller mit Weihnachtskeksen auf den großen Tisch. „Angeblich haben schon viele Leute nach einer Lösung für diesen Code gesucht, aber keiner hat es bisher geschafft, auch nur ansatzweise eine Antwort zu finden.“

„Ich würde an deiner Stelle nochmals mit dem alten Pfarrer sprechen“, meinte Herbert. „Vielleicht kann er dir da weiterhelfen. Er beschäftigt sich doch schon seit vielen Jahren mit dem Untersberg, und ich glaube, dass er auch ein großes Wissen hat, was den Berg angeht.“

„Das ist sicher eine gute Idee“, sagte Wolf. „Aber jetzt erzähle uns doch, was du und Elisabeth im vergangenen Herbst dort oben bei den Zeitlöchern erlebt habt.“

Herbert nahm noch einen Schluck vom Tee und begann:

„Wir sind im September des vorigen Jahres mit ­unserem Freund Hannes bis zum sogenannten ‚Forellensattel‘ aufgestiegen. Es war schönes Wetter, und die Tour war auch nicht besonders schwierig. Als wir oben auf einer ­Bergwiese ankamen, hat Hannes als Erster den Geruch eines frisch angezündeten Streichholzes bemerkt. Auch Elisabeth und ich konnten es gleich darauf riechen. Jeder schaute den anderen an, und keiner wusste, woher das kam. So ein Geruch kann doch gewöhnlich nur in unmittelbarer Nähe wahrgenommen werden.“

„Die nächste menschliche Behausung befindet sich aber erst unten bei den Steinbrüchen, und das ist etwa einen Kilo­meter Luftlinie entfernt“, meinte Werner, der am Beginn seiner Polizistenlaufbahn gerade in diesem Gebiet öfters unterwegs gewesen war.

„Ja, von dort ist dieser Geruch auch bestimmt nicht hergekommen“, erwiderte Elisabeth. „Kurz danach haben wir alle drei dann eindeutig Zigarettenrauch gerochen. Wir haben sofort die Umgebung beobachtet, aber da war absolut niemand. Außerdem waren wir an diesem Tag bestimmt die einzigen Personen, die dort oben am Berg unterwegs waren.

Wir hatten keine Ahnung, woher dieser Geruch kommen konnte.“

Herbert ergänzte: „Es war so, als ob sich irgendwer ganz in unserer Nähe eine Zigarette angezündet hätte.“

„Dann müsste diese Person aber eine Tarnkappe oder etwas Ähnliches aufgehabt haben, denn wir haben ja niemanden gesehen“, sagte Elisabeth. „Aber es kam noch besser. Ich bin damals ein kleines Stück den Berghang hochgestiegen, und da war dann plötzlich ein eindeutiger, intensiver Küchengeruch. Es war so, als ob ich vor dem offenen Küchenfenster eines Restaurants stehen würde.“

„Das ist ja ganz einfach zu erklären“, lachte Werner, der sich gerade ein Stück Bauernspeck auf sein Brot legte. „Das waren eben die Leute des Generals. Da hat euch einer von den Soldaten aus der Station beobachtet, und zudem ist Elisabeth in die Nähe des Dunstabzuges der Küche gekommen.“

„Ja, so kam es uns zuerst auch vor“, erwiderte Herbert. „Aber wie sollte so etwas technisch möglich sein? Das ist mir ein wenig zu utopisch. Wir haben das aber alle drei erlebt, und deshalb glaube ich auch nicht, dass wir uns das nur eingebildet haben.“

Jetzt meldete sich auch Wolf zu Wort: „Das, was ihr da erzählt habt, ist interessanterweise genau in derselben Gegend passiert, in der Sabine, damals, als sie sechzehn war, für zwei Minuten verschwunden ist. Ich bin mir aber mittlerweile sicher, dass dort oben am Berg doch sehr viel mehr vorgeht, als wir nur im Geringsten ahnen“.

„Wir haben übrigens damals bei unserem Ausflug auf den Untersberg einen intensiven Zitronengeruch bemerkt und meinten, dass es sich dabei nur um Zitronenmelisse handeln könnte. Gesehen haben wir aber keine solchen Pflanzen“, fügte Sabine hinzu

„Hannes wollte doch unbedingt zu der Stelle, an der die verschüttete Eingangstür zur Station des Generals liegt“, meinte Herbert. „Aber gefunden hat er sie bisher noch nicht.“

„Ich glaube, dass wir uns auf andere Dinge als diese Türe konzentrieren sollten, schließlich gibt es ja auch noch den unteren Eingang, den ich eigentlich als Hauptzugang zu der Station der SS-Leute bezeichnen möchte“, sagte Wolf.

Elisabeth schaute in die Runde und begann: „Herbert und ich, wir beide kennen den Oberförster vom Bergbaron recht gut. Der hat uns erzählt, dass so ziemlich jedes Jahr ein Hirsch im nördlichen Teil des Untersberg-Waldes von einem Wilderer erlegt wird. Und das schon seit sehr vielen Jahren. Oft wird sogar der Schuss gehört. Noch nie hat man aber eine Spur des Wilddiebs gefunden. Es wurden zusätzliche Wildkameras aufgestellt, um ihn zu überführen, aber auch die brachten kein Resultat.“

Werner witzelte wieder: „Das waren natürlich auch wieder die Leute des Generals, die wollten eben einmal einen Hirschbraten. Das würde aber darauf hindeuten, dass es sich um eine ziemlich große Mannschaft im Berg handeln muss. Denn nach ihrer Zeitrechnung würden sie ja fast jeden Tag ein Stück Wild zur Strecke bringen. Mit Tarnkappe, versteht sich, und deshalb hat der Baron auch nichts auf seinen Kameras.“

„Sehr witzig!“, sagte Sabine und lachte verhalten über Werners Worte.

„Da ist noch etwas Interessantes“, erklärte Herbert. „Dieser Oberförster hat mir vor einiger Zeit auch noch von einer seltsamen Begebenheit erzählt, für die er keine richtige Erklärung gefunden hat. Ein Jäger, der auf einen Hirsch geschossen hatte, wollte dem Tier nachstellen und blieb mit seinem Hund auf der Fährte des Hirschs. Dieser flüchtete jedoch bergwärts in ein kleines, enges Tal, welches ringsum von steilen, hohen Felswänden umgeben war. Für das Tier hätte es von dort aus absolut keinen Fluchtweg mehr gegeben. Aber der Jäger suchte alles vergeblich ab, und auch sein Hund hatte offensichtlich die Fährte verloren. Der Hirsch aber blieb verschwunden.

Ich vermute, dass es sich bei dem Tal um das sogenannte ‚Wasserfalltal‘ gehandelt hat. Dort befindet sich ja auch die Illuminatenhöhle, wo vor über zweihundert Jahren die neun Logenbrüder bei ihrem Ritual verschwunden sind.“

„Und du meinst, dass der Hirsch auch in so eine Zeitanomalie geraten ist?“, fragte Werner, der ja auch schon mit den Geschichten und Erzählungen um den Untersberg vertraut war, aber sich mit den Zeitphänomenen nicht anfreunden konnte.

„Möglich ist auf diesem Berg meiner Meinung nach sehr vieles“, antwortete Herbert und öffnete eine Dose Bier.

„Da kommen ja immer neue Geschichten dazu“, meinte Sabine. „Wenn das so weitergeht, dann könnte man damit ja ein ganzes Buch füllen.“

„Keine schlechte Idee“, lachte Wolf, „ich wollte schon immer einmal ein Buch schreiben, und wie es aussieht, hätte ich bei diesem Thema sogar Stoff genug für mehrere Bücher.“

Am Abend des Silvestertages waren auch Lindas Kinder in ihrem Haus angekommen. Es war vereinbart, dass Linda später auch zur Wolfshütte hinaufkommen würde. Sie wollte schließlich dabei sein, wenn Werner den Plastiksprengstoff anzündete.

Es war bereits stockfinster, als Linda mit einem mit Sekt- und Prosecco-Flaschen gefüllten Korb durch den tiefen Neuschnee zur Hütte kam.

„Damit wir nicht verdursten“, sagte sie und steckte die Flaschen in den Schnee. „So bleiben sie schön kalt, im Kühlschrank ist ja ohnehin kein Platz mehr.“

„Wenn wir das alles austrinken, dann merken wir wahrscheinlich nichts mehr vom Anzünden des Marzipans“, lachte Elisabeth.

„Hoffentlich passiert dabei nichts“, meinte Linda zu Werner gewandt. „Schließlich hast du uns damals selber gesagt, dass das Zeug höllisch gefährlich sein soll.“

„In deinem Garten hat Wolf ja schließlich auch schon ein Stückchen davon angezündet. Ich glaube kaum, dass das heute Abend recht viel anders sein wird“, sagte Herbert und wollte Linda damit beruhigen.

„Ja, das war aber nur ein ganz kleines Stück, etwa so groß wie eine Kirsche. Diesmal ist es aber fast ein Kilogramm.“ Linda holte die beiden marzipanähnlichen Teile aus der Speisekammer und legte sie auf den Tisch.

„Das soll Plastiksprengstoff sein?“ Fragend sah Elisabeth zum Tisch herüber. „Das sieht ja wirklich wie Marzipan aus, und es riecht auch genauso.“

„Du kannst es ja einmal probieren. Wer weiß, vielleicht kann man das auch essen?“, sagte Alexandra lachend.

„Nein, rührt das nicht an, vielleicht ist der Sprengstoff bereits massiv überlagert. Deshalb ist er auch schon ein bisschen ölig“, erwiderte Werner und wirkte dabei etwas nervös.

„Heißt das, du willst das Zeug nicht anzünden?“, fragte Wolf erstaunt. „Dann werde ich es tun. Aber bis Mitternacht haben wir ja noch ein paar Stunden Zeit.“

Werner nahm sich ein Stück Keks vom Teller und öffnete eine Flasche Prosecco, „So meinte ich das nicht, aber ich zünde es nur unten am Weg an, der ist zwanzig Meter tiefer gelegen, da sind wir alle in Sicherheit, falls etwas schief­gehen sollte.“ Und dann war es soweit: Wenige Minuten vor Mitternacht packte Werner die beiden Stücke des Sprengstoffes und ein paar Anzündewürfel in einen Papiersack. Er nahm zuvor noch einen Schluck vom Prosecco, den Linda mitgebracht hatte, und ging dann hinunter zum Weg. Nachdem die ersten Feuerwerksraketen von den Hütten im Umkreis abgeschossen worden waren, versuchte Werner, mit dem Feuerzeug die Spirituswürfel zu entzünden. Es wehte jedoch ein starker Wind, und deshalb gelang es ihm erst beim dritten Versuch. So rasch er konnte, lief Werner wieder zurück auf die Terrasse vor der Wolfshütte, wo alle mit den Sektgläsern in der Hand da­rauf warteten, dass etwas geschah.

Fast eine halbe Minute dauerte es, bis die hellbraune Masse schließlich zischend zu brennen begann.

Es entstand ein gleißender Feuerball von einem halben Meter Durchmesser. Taghell war die gesamte Alm erleuchtet, und der helle Rauch, der in enormen Mengen aufstieg, wurde gottlob vom starken Wind rasch verteilt. Das Spektakel dauerte so an die zwei Minuten, und am Ende sah man dort mitten auf dem Weg, wo der Sprengstoff verbrannt war, ein zwanzig Zentimeter tiefes Loch in Eis und Schnee. „So, das war es!“, rief Werner sichtlich erleichtert, als er wieder zur Hütte heraufkam. „Jetzt kann auch das BVT nichts mehr finden, denn irgendwie habe ich mir schon Sorgen um dich gemacht“, sagte er zu Wolf gewandt. „Stell dir vor, die Ermittler hätten das Zeug bei dir zu Hause gefunden. Ich bin neugierig, was du denen dann gesagt hättest.“

„Ich denke, die sind gar nicht hinter diesen Sachen her“, meinte Elisabeth und drehte sich zu Wolf. „Du hast doch schon von Becker, dem Illuminaten, gehört, dass die Zeitkorridore im Untersberg ihr wahres Ziel sein sollen. Das ist auch meine Meinung.“

„Ich glaube gar nichts von alledem“, antwortete Wolf. „Wenn die wirklich ermitteln würden, dann hätte mir ­Becker schon etwas gesagt, oder sie wären direkt zu mir gekommen.“

„Was noch nicht ist, kann ja noch kommen, Papa“, lachte Alexandra, und Werner sagte zu Wolf: „Wenn mich die Leute vom BVT etwas über dich fragen sollten, dann würde ich Folgendes sagen:

‚Ja, natürlich kenne ich einen Wolf, der treibt am Fuße des Untersberges, dort im Wald, sein Unwesen. Der macht sich über Großmütter und junge Mädchen mit roten Mützen her, auch Geißlein soll er schon in Mengen vertilgt haben. Aber er fürchtet sich vor dem Jäger mit dem Schießgewehr.‘“

Alle mussten herzlich über die Antwort des Polizisten lachen, nur Linda meinte:

„Na ja, so ganz zum Lachen ist das Ganze aber trotzdem nicht, ich nehme an, dass diese Leute vom BVT Profis sind, denen alle nur erdenklichen technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen.“

„Ich glaube, du hast zu viele James Bond-Filme gesehen“, erwiderte Wolf, „der Grimmig, der Chef vom BVT, kocht doch auch nur mit Wasser. Sicher haben seine Leute modernste Mittel zur Verfügung, aber was nützt ihnen das alles, wenn die nach etwas suchen, was es eigentlich gar nicht geben kann.“

Kapitel 3

Die grüne Kugel

Nachdem es bisher niemandem gelungen war, dem Geheimnis des Codes der Silberplatte auf die Spur zu kommen, wollte Wolf noch einmal den alten Pfarrer aus dem kleinen Dorf neben dem Untersberg fragen. Der Mann besaß ein großes Wissen, besonders über die Geschehnisse um und auf dem Berg, und deshalb vereinbarte Wolf mit ihm ein Treffen im Pfarrhaus an einem Wochenende.

„Ich komme bei meinen Nachforschungen nicht mehr weiter“, begann Wolf das Gespräch mit dem Geistlichen, „ob es die Höhle mit den schwarzen Steinen ist oder der Gang hinter dem Hologramm an der Felswand. Auch mit dem Amethysten und den Buchstaben auf der Silberplatte sind meine Freunde und ich überfordert. Haben Sie eine Ahnung, wie ich da weiterkommen kann?“

Nachdenklich schaute der alte Priester Wolf an und erwiderte nach einer kurzen Pause: „Fangen wir doch mit den Dingen an, die zuerst geschehen sind. Wenn ich mich recht entsinne, begann die ganze Geschichte doch damals, als du dich mit dem Illuminaten im Wald getroffen hast. Ich glaube mich auch daran zu erinnern, dass du mir von deinem seltsamen Traum, den du in jener Nacht hattest, erzählt hast, in welchem dir die Bedeutung des ‚Sator-Quad­rats‘ erklärt wurde. Und unmittelbar davor träumtest du noch von dem Bischof und den drei Kugeln, welche er dir übergab.“

Er fixierte Wolf eindringlich mit seinen wachen Augen. „Manchmal erscheinen uns wichtige Hinweise als unbedeutend, aber bei genauer Betrachtung können sie wegweisend für weitere Ereignisse sein. Ich vermute, dass es auch in diesem Fall so ist.“

Wolf verstand nicht gleich, was der Pfarrer damit sagen wollte, und fragte:

„Wie meinen Sie das? Sollen diese drei Kugeln etwa eine besondere Bedeutung für die Geheimnisse des Untersberges haben?“

Wolf hatte ja bereits früher schon über diese Kugeln nachgedacht. Das, was er darüber hatte herausfinden können, war nicht gerade viel.

Der Pfarrer fuhr fort:

„Diese Kugeln hatten ja die Farben Grün, Rot und Gold. Überlege, was geschah, als du die erste, die grüne Kugel, in der Hand hieltest? Du fühltest dich in die Vergangenheit versetzt und sahst die Stadt Salzburg und ihre Umgebung, wie sie vor vielen hundert Jahren aussah. Grün war doch auch die Farbe, mit der die alten Ägypter ihre Toten dargestellt haben. Osiris wurde ebenfalls immer grün gezeichnet. Bedenke, dass auch in der Isais-Legende von einem ‚Grünland‘ die Rede ist. Grün ist auch die Farbe der Fruchtbarkeit und der Hoffnung.

Als du im Traum die rote Kugel in der Hand hieltest, wurde dir das Geheimnis des ‚Sator-Quadrats‘ in einer fernen Vergangenheit enthüllt. Das war sozusagen der Beginn deiner Begeisterung für den Berg. Auch die Illuminaten glaubten, dass du geeignet warst, das Mysterium dieses Berges zu erkunden, und boten dir in der Folge auch ihre Unterstützung an. Was aber die goldene Kugel betrifft, werde ich dir zu einem späteren Zeitpunkt etwas dazu sagen.“

Wolf wusste immer noch nichts mit den Worten des Pfarrers anzufangen, was dieser an seinem Blick auch unschwer erkennen konnte.

„Also, sag mir, was dein nächstes Ziel sein soll. Vielleicht kann ich dir dann weiterhelfen.“

„Ich werde im nächsten Monat auf die Kanarischen Inseln fliegen. Aber das Ziel sind weder Fuerteventura noch die Villa Winter. Nein, dieses Mal möchte ich auf die Insel Gran Canaria, ich werde mir dort ein kleines Flugzeug ausleihen und die anderen Inseln damit aus der Luft erkunden. Vielleicht ergibt sich etwas Neues. Kurz gesagt, ich möchte die Insel ‚San Borondon‘ finden, vielleicht ist dort ebenso ein Zeitentor wie hier am Untersberg“, antwortete Wolf.

Wieder schaute der Geistliche ihn mit einem prüfenden Blick an und sagte: „Dann gib jetzt auf die grüne Farbe acht! Grün ist auch der Rock des Waidmanns, und die grünen Augen des Jägers aus alten Tagen werden dich ans Ziel bringen, wenn du es beharrlich verfolgst. Aber vergiss nicht, du musst seinen Anweisungen folgen.“ Das klang wie eine geheimnisvolle Prophezeiung. Ein grüner Jäger aus der Vergangenheit, dessen Anweisungen er befolgen sollte? Wolf begriff nichts von dem, was der alte Priester ihm vermitteln wollte.

Dieser ergänzte nun: „Wie ich dir schon früher gesagt habe, beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren mit ­Astrologie. Ich weiß, es ist ein wenig ungewöhnlich für einen Mann der Kirche, aber oft hilft es beim Verständnis des Ganzen. Und vielleicht besonders gerade jetzt in deinem Falle.“

Wolf blickte den Pfarrer erstaunt an und fragte: „Weshalb in meinem Fall?“

„Da du ja auch schon viele Horoskope gemacht hast und dich recht gut in dieser Materie auskennst, wird dir dein Solar, also dein Horoskop, für dieses Jahr bestimmt bekannt sein. Pluto stand in deinem letzten Solar exakt auf deinem Aszendenten. Zugleich befand sich Saturn auch wieder an der gleichen Stelle wie zu deiner Geburt.“

Freilich war Wolf sein eigenes Jahreshoroskop bekannt, und es gefiel ihm absolut nicht. Hätte er so eine Konstellation bei jemandem anders gesehen, so würde er gar nichts mehr sagen. Pluto im Aszendenten und Saturn am Geburtsplatz sowie noch einige zusätzliche signifikante Wiederholungen von Aspekten bedeuteten für denjenigen absolut nichts Gutes. Auf jeden Fall war aber mit einer Umwälzung größten Ausmaßes zu rechnen. Wolf wusste dies. Da sich aber bis jetzt noch nichts Außergewöhnliches ereignet hatte, wollte er das Ganze irgendwie verdrängen. Weshalb musste der Pfarrer das auch gerade heute ansprechen?

Der alte Pfarrer fuhr fort: