Steine der Macht - Band 4 - Stan Wolf - E-Book

Steine der Macht - Band 4 E-Book

Stan Wolf

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Beschreibung

Zur Wintersonnenwende gründen Linda und Wolf mit vier Freunden den Ring der Isais. Der Illuminat Becker klärt Wolf über die Aktivierung des Berges auf, zu welcher auch die weibliche Komponente nötig ist. Wolf und Linda besuchen eine Basis des Generals in ferner Vergangenheit. Am Obersalzberg gelangen sie in ein unterirdisches Labor des dritten Reiches. Sie entnehmen aus alten Unterlagen eines bekannten Autors, dass mysteriöse Gänge vom Untersberg zu zeitlich und räumlich entfernten Orten existieren könnten. Mit Claudia fliegt Wolf auf eine Adriainsel und entdeckt dort einen Kristall des Ordo Bucintoro.

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Seitenzahl: 293

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

 

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

 

© 2012 novum publishing gmbh

 

ISBN Printausgabe: 978-3-99026-911-4

ISBN e-book: 978-3-99026-912-1

Lektorat: Sarah Schroepf

Umschlagfotos: Stan Wolf,

Kriss Szkurlatowski | stock.xchng

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

 

www.novumverlag.com

 

Vorwort 1

***

Macht hat viele Gesichter

Das Streben nach Macht ist uns eigen

Die stärkste Macht

liegt im Verborgenen

 

 

***

 

Vergangenheit Gegenwart Zukunft

Alles existiert gleichzeitig

 

 

 

www.stan-wolf.at

Vorwort 2

***

Vieles ist zu unfassbar, als dass man es einfach niederschreiben könnte.

Vielleicht sollte es auch verborgen bleiben, denn der menschliche Verstand nimmt nur jene Dinge zur Kenntnis, welche ihm geläufig sind.

Deshalb schreibe ich dieses Buch als Roman.

 

Es bleibt dem einzelnen Leser überlassen zu beurteilen, was er als Tatsache anerkennen möchte.

 

Danksagungen

***

Mein Dank gebührt Linda, die mich mit großer Geduld und Ausdauer bei meinen Fahrten und Abenteuern begleitete.

 

Tino, der Rosenkreuzer aus Australien, hat mit seinem Wissen dazu beigetragen, Geheimnisse zu ergründen.

 

Dank auch an Elisabeth und Herbert, den beiden Polizisten, sowie Claudia, welche mitgeholfen haben, Verborgenes ans Tageslicht zu bringen.

 

Pfarrer Schmatzberger, der mir Denkanstöße gegeben hat, mystische Pfade weiter zu verfolgen.

 

Roland, der Apotheker und Rosenkreuzer, wies mir den Weg zum Eingang.

 

Becker, der Illuminat, hat maßgeblich zur Aktivierung des Mysteriums beigetragen.

 

Einleitung

***

Was bisher geschah

Als vor über zwanzig Jahren drei deutsche Bergwanderer auf dem Untersberg verschwanden und sich nach zwei Monaten von einem Frachtschiff im Indischen Ozean aus wieder meldeten, weckte dies Wolfs Interesse an dem ihm bis dahin nur als Sage bekannten Zeitphänomen am Salzburger Untersberg. Zudem hatte Wolf selbst diese drei Leute einige Jahre vor ihrem Verschwinden auf einer Schutzhütte auf dem Untersberg getroffen. Er hatte dann in den darauf folgenden Jahren ein sehr mysteriöses Erlebnis, als er mit seiner Tochter Sabine die vermutete Zeitanomalie am Berg erforschen wollte.

Doch wieder vergingen etliche Jahre, bis er auf seinen oftmaligen Reisen in entlegene Gebiete der Fels- und Sandwüsten in Ägypten mit seiner Begleiterin, der Lehrerin Linda, auf ähnliche rätselhafte Erscheinungen stieß, welche offenkundig mit runden, schwarzen Steinen, in der Größe und Form einer Orange zu tun hatten. Immer intensiver wurde seine Suche, bis er durch Zufall in der unterirdischen Kammer der Cheopspyramide einen solchen schwarzen Stein fand. Bei seinen weiteren Recherchen fand er eine wenig bekannte Sage, der zu Folge von einem Tempelritter im elften Jahrhundert ein ebensolcher Stein aus Mesopotamien zum Untersberg gebracht wurde.

Diesen Stein, welcher der Überlieferung nach von dem Templer in einer Höhle im Berg versteckt worden war, ließ bereits Hitler, der ja bekanntlich eine Vorliebe für den Untersberg hatte, suchen. Hitler hatte angeblich Hinweise, wonach dieser Stein der Schlüssel zu großer Macht sein sollte.

Wolf dehnte seine Nachforschungen in der Folge auch auf den Obersalzberg bei Berchtesgaden aus und machte dort mithilfe zweier deutscher Polizisten eine erstaunliche Entdeckung, die ihm aber beinahe zum Verhängnis wurde.

Noch einmal konzentrierte Wolf seine Suche auf den Untersberg und es gelang ihm, ein brisantes Geheimnis zu lüften: Er entdeckte einen verborgenen Eingang in den Berg. Ein General der Waffen-SS, der diese Zeitanomalie schon 1943 gefunden hatte, ließ sich im letzten Kriegsjahr dort im Felsen eine komfortable Station als Unterkunft errichten, in welcher er durch die Zeitverlangsamung im Berg innerhalb nur weniger Monate, über siebzig Jahre verbringen konnte. Wolf und Linda kamen mit diesen Leuten aus der Vergangenheit in Kontakt und erfuhren von ihnen Dinge, die in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.

Der General zeigte den beiden ein Golddepot in den Bergen und ersuchte Wolf, der ja auch Hobbypilot ist, um einen Flug nach Fuerteventura, um ihm aus den Lavahöhlen unter der Villa Winter zwei Bleizylinder zu bringen. Wolf und Linda wollten das Geheimnis der Zeitverschiebung ergründen und willigten ein. Der weite Flug mit der einmotorigen Cessna und die anschließenden Erlebnisse auf der Kanareninsel gestalteten sich für die Zwei extrem abenteuerlich. Es gelang den beiden aber schließlich tatsächlich, die Bleizylinder zu bergen und dem General zu überbringen …

 

Bei archäologischen Ausgrabungen wird ein deutscher Stahlhelm in einem Kelten-Grab am Dürrnberg in der Nachbarschaft des Untersberges entdeckt. Daneben liegt ein Skelett eines Kriegers mit einem Einschussloch im Kopf. Der Verfassungsschutz wird daraufhin aktiv. Wolf und Linda finden am Obersalzberg radioaktiv strahlende Steine, die sich als Uranoxid herausstellen. Der General in seiner Station im Untersberg demonstriert den beiden seine technischen Geräte, welche weit über die Möglichkeiten der heutigen Technik hinausreichen.

Auf seiner Suche nach den Zeitkorridoren des Untersberges entdeckt Wolf ein vergessenes Waffendepot der amerikanischen Besatzungstruppen aus 1953. Von einem alten Mann bekommen die zwei einen wunderschönen Amethystkristall geschenkt, der etwas mit der altbabylonischen Göttin Isais zu tun haben soll. Hinter einem uralten Gebetsstock am Untersberg sieht Wolf eine kleine Silberplatte aus der Erde ragen. Darauf ist ein geheimnisvoller Code zu sehen. Diese uralte Schrift in lateinischen Buchstaben wirft neue Fragen auf. Ein Illuminat klärt die beiden über die Isais-Geschichte und den schwarzen Stein im Berg auf. Auch zu einer mysteriösen Marmorplatte mit einer Inschrift aus dem Jahr 1798 erzählt ihnen der Logenmann eine Geschichte. Der General lässt Wolf mittels eines Zeitkorridors einen Blick in eine ferne Zukunft tun und ermöglicht ihm und Linda einen Ausflug in die Vergangenheit. In die Stadt Salzburg zur Zeit Mozarts.

Schließlich retten die beiden noch einem Deserteur das Leben, indem sie ihn in eine Höhle schicken, in welcher ebenfalls eine Zeitanomalie auftritt. Eine neuerliche Fahrt in die ägyptische Wüste führbringt sie in die Oase Siwa, wo ihnen die Mumie von Alexander dem Großen gezeigt wird. Wieder zurück am Untersberg, gelingt es ihnen, einen durch ein Hologramm getarnten Eingang in den Felsen zu finden.

Ein alter astrologiekundiger Pfarrer sagt Wolf aufgrund seines Jahreshoroskops eine Begegnung voraus, die aus den Tiefen seiner eigenen Vergangenheit auftauchen wird. Tatsächlich kommt Wolf kurze Zeit später auf merkwür­dige Weise mit seiner einstigen Jugendfreundin Silvia, die er seit fast vierzig Jahren nicht mehr gesehen hat, in Kontakt. Silvia begleitet ihn nach Gran Canaria, von wo aus er mit einem kleinen Flugzeug die Insel San Borondon suchen will. Tatsächlich gelingt es den beiden, diese geheimnisvolle Insel, welche in einer fernen Vergangenheit existiert hat, zu finden.

Aber auch mit Hilfe des Generals kann Wolf einen Blick in die Vergangenheit werfen. Dessen Chronoskop ermöglicht es ihm, sämtliche Ereignisse der Vergangenheit mit anzusehen, wenn auch nur in Schwarz-Weiß, kommt dabei aber sogar bis an Adolf Hitler heran, dem er mittels eines Laser-Beamers durch das Chronoskop eine „Erscheinung“ schickt, um ihn vom Angriff auf Russland abzuhalten.

Wolf wird von einem Forstarbeiter am Obersalzberg der geheime Ritualraum N3 gezeigt und der General berichtet vom Mausoleum des Führers, das sich dieser im Untersberg errichten ließ. Wolf lädt ihn anschließend in den Gasthof Kugelmühle am Ende der Almbachklamm ein, wo sie den Wirt namens Anfang treffen.

Anlässlich eines Besuches in Ägypten fährt Wolf mit Silvia durch die Berge nach Luxor und trifft dort den Grabräuber Rassul, der ihnen tief unter seinem Haus in Qurna eine geheime Drehtür zeigt, hinter der sein Bruder auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Auch hier spielen wieder die Schwarzen Steine eine Rolle.

Mit Linda geht Wolf nochmals durch den Hologramm-Eingang in den Untersberg und gelangt mit ihr in eine völlig fremde Gegend im Jahre 2029. Eine kurze Unterhaltung mit Leuten von dort eröffnet ihnen neue Perspektiven zu den alten Prophezeiungen.

Josef, der Geheimdienstmann vom BVT, bekundet ebenfalls sein Interesse an Wolfs Entdeckungen am Berg. Schließlich führt der Forstarbeiter vom Obersalzberg Wolf noch zu einem uralten Stollen, in dem, wie sich erst später herausstellt, der General zu Kriegsende noch mehr als eine Tonne Uranoxid verstecken ließ.

Auch eine Art Flaschenpost, ein unvollendetes Manuskript aus den Siebziger Jahren, wird in einer Höhle nahe dem Dorf am Untersberg entdeckt. Es sind dreizehn Blätter eines bekannten Autors, welcher darin von seinen seltsamen Erlebnissen am Berg erzählt.

Durch den General wird Linda und Wolf ein Ausflug in das Jahr 1818 ermöglicht. Sie fahren am 24. Dezember, als Mönche verkleidet, auf dem Fluss mit einem Salzschiff nach Oberndorf, wo sie die Uraufführung des weltbekannten Liedes „Stille Nacht – Heilige Nacht“ miterleben dürfen.

Ein polnischer Franziskanermönch aus Berchtesgaden, den die beiden im Winter beim Meditieren in der Almbachklamm treffen, erzählt ihnen von einem Ritual der Isais, durch das das neue Zeitalter beginnen würde.

Tino, ein Australier österreichischer Abstammung und ebenfalls Rosenkreuzer wie Wolf, kommt nach Salzburg, um in einer alten Kirche am Ettenberg, wo einst die Templer auf Geheiß der Isais ihre erste Komturei errichteten, ein Ritual abzuhalten, welches Wolf durchführen soll.

Letztendlich gibt sich der Illuminat Becker als einer der Anderen zu erkennen und zeigt Wolf in der Nähe des Hochsicherheitsarchives am Fuße des Untersbergs in einer Art dreidimensionalen Bildschau Schlüsselszenen aus seinem Leben und gewährt ihm einen Blick in die Zukunft.

 

Kapitel 0

***

Georg

Das Wetter war schön und ein angenehmer Wind zog durch den Hochwald. Der Duft von Tannenzweigen und Harz lag in der Luft. Georg wollte auf das Plateau des Untersberges. Er war über einen ziemlich unbekannten Steig, welcher direkt hinter dem Gasthof Latschenwirt seinen Anfang nahm, auf das Gebirgsmassiv hinaufgestiegen. Georg war noch nicht sehr oft auf diesem Berg gewesen, jedoch zog es ihn von Zeit zu Zeit immer wieder zu dem als Wunderberg bekannten Gebirge. Er konnte es selbst nicht sagen, was er dort zu finden hoffte, denn er wusste ja nicht einmal, ob es dort etwas zu finden gab, aber trotzdem kam er jedes Jahr ein- bis zweimal hierher. Vielleicht waren es die alten Sagen, die sich um den Untersberg rankten? Von Kaisern, Zwergen und wilden Frauen war darin erzählt worden. Er hatte sehr wohl auch von den Geschichten um das berüchtigte Zeitphänomen gehört. Es sollten angeblich Menschen in eine ferne Zukunft entrückt worden sein, manche kehrten nie wieder zurück. Ob diese Erzählungen einen wahren Kern enthielten? Oder war das nur reine Fantasie der Leute aus den früheren Jahrhunderten?

Solche Gedanken gingen Georg durch den Kopf, als er nach geraumer Weile aus dem Wald herauskam und über grüne Matten das Gebiet der Legföhren betrat. Den dürftig markierten alten Weg hatte er längst verlassen und es war hier oben nicht sonderlich schwierig, sich zu orientieren. Reste einer verfallenen Almhütte waren zu sehen. Das Plateau hatte er noch nicht erreicht, es waren vorher noch einige hügelige Erhebungen zu bewältigen. In einer halben Stunde würde er es geschafft haben. Vorher wollte er noch eine kleine Pause einlegen. Das Gras auf der Lichtung war trocken und lud geradezu zum Verweilen ein. Georg legte sich auf die Wiese und knüllte seinen Pullover als Unterlage für seinen Kopf zusammen. Bevor er sich hinlegte, nahm er noch einen kräftigen Schluck Schnaps den er in seinem Flachmann immer dabei hatte. Er blieb mit geschlossenen Augen liegen und genoss die Ruhe hier oben am Berg. Zeit und Raum hatten keine Bedeutung mehr für ihn. Er wusste gar nicht, wie lange er auf der Wiese gelegen hatte, als ihn plötzlich eine Stimme aus seinen Träumereien riss.

„Wer bist du? Woher kommst du? Und wo willst du hin?“

Erschrocken fuhr er auf und sah eine seltsam gekleidete Gestalt. Ein Mann von etwa fünfzig Jahren, in einem Gewand, wie es die Jäger vor Jahrhunderten trugen, stand da vor ihm. Er traute seinen Augen nicht. Hatte er zu viel Alkohol getrunken? War das die Wirkung des Schnapses, welcher ihm so etwas vorgaukelte?

Er rieb sich die Augen, als würde die Erscheinung dadurch gleich wieder verschwinden. Ja, er hatte in den letzten Jahren wohl doch ein bisschen zu viel dem Alkohol zugesprochen. Stellten sich deshalb nun schon Halluzinationen bei ihm ein?

Anstatt eine Antwort von Georg abzuwarten, sprach der Fremde: „Komm, ich will dir etwas zeigen. Du bist doch auf der Suche?“ Georg war mittlerweile aufgestanden und schaute den Mann verwundert an. Wer war das bloß? Erst wollte er sich wieder umdrehen, doch seine Neugier war stärker, deshalb folgte er dem Mann. Der seltsame Fremde ging vor ihm her und bereits nach kurzer Zeit befanden sich die zwei in einem Dickicht von meterhohen Legföhren.

Zielstrebig schritt der seltsam Gekleidete auf einen Felsen zu, der sich zwischen den Nadelgewächsen befand.

Georg traute seinen Augen nicht. Wo zuvor noch der nackte, kahle Fels war, konnte man jetzt eine Türe erkennen. Es war eine schwere, eiserne Türe, aber sie war nicht rostig. Der Fremde öffnete das offensichtlich unversperrte Tor im Berg und ein Gang tat sich vor ihnen auf.

„Komm, ich will dir etwas zeigen“, wiederholte er seine Aufforderung und ging zügig in den Gang hinein. Dieser war, obwohl man keinerlei Lichtquelle ausmachen konnte, gar nicht finster. Es war, als ob die Wände selbst eine Art Licht ausstrahlen würden. Nach wenigen Schritten gelangten sie in eine kleine Halle, von der aus zwei Gänge weiterführten. „Du hast nun die Wahl, möchtest du den linken, den einfacheren Weg gehen, oder entscheidest du dich für einen Pfad, der zwar nicht so bequem ist, bei welchem du aber die Chance zur Weiterentwicklung hast? Du kannst dort deine eigene Unzulänglichkeit erblicken.“

Georg dachte darüber gar nicht nach. Wozu sollte er sich weiterentwickeln? Und Fehler hatte er ja keine, zumindest keine, die ihm das Leben schwer machten.

Für ihn war ohnehin alles optimal. Er war mit seinem Leben zufrieden. Er hatte einen guten Job, verdiente nicht schlecht, hatte immer einige Kästen Bier und Wein im Keller und sein Fernsehgerät lief viele Stunden am Tag.

Seine Frau, mit der er schon seit zwanzig Jahren verheiratet war, tat alle Arbeiten im Haus und sorgte zudem für sein Wohl. Was wollte er mehr?

Ohne lange zu zögern, deutete er auf den linken Gang, was der Fremde mit einem leichten Kopfnicken quittierte.

Sie brauchten auch diesmal nicht lange zu gehen, da kamen sie wieder ans Tageslicht. Die Gegend hier war Georg völlig unbekannt. Laute Blasmusik war zu hören, die aus einem kleinen Festzelt zu kommen schien, welches sich am Waldrand vor ihnen befand. Hier gab es sicher etwas zu trinken, dachte Georg und beschleunigte seine Schritte. Ein kühles Bier würde ihm jetzt wahrlich guttun.

„Du kannst ruhig in das Zelt hineingehen“, ermahnte ihn sein Begleiter, „aber in einer Stunde musst du wieder zurück sein. Sonst verlierst du zu viel Zeit!“

Georg achtete aber kaum auf die Worte des Fremden und begab sich ins Festzelt. Dort setzte er sich an einen Tisch und von drallen Kellnerinnen wurde ihm ein Krug Bier nach dem anderen serviert. So hatte er es gerne. Dabei übersah er freilich die Zeit, welche wie im Fluge vergangen war. Georg schaute erschrocken auf seine Armbanduhr. Es waren bereits mehr als drei Stunden verstrichen. Rasch stand er auf und wollte sich auf den Heimweg machen. Er suchte nach seinem Begleiter, doch da war keine Spur mehr von dem Fremden. Er ging zurück auf die Wiese, von der sie gekommen waren, doch da war auch kein Eingang in den Berg mehr zu sehen. Die fünf Krüge Bier, die er im Zelt getrunken hatte, zeigten zudem jetzt ihre Wirkung. Er wurde müde. Georg setzte sich verzweifelt ins Gras. Es begann allmählich dämmrig zu werden.

Er haderte mit sich selbst. Weshalb hatte er nicht auf die Warnung des Mannes gehört, der ihn hierher gebracht hatte? Schließlich übermannte ihn eine bleierne Müdigkeit und er schlief auf der Wiese ein.

 

Ein leises Zirpen weckte Georg. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen.

Er befand sich wieder auf der Wiese vor den hohen Legföhren. Wahrscheinlich war er eingeschlafen und hatte das alles nur geträumt. Geträumt von einem alten Jäger, der ihn durch einen verborgenen Gang zu einer Wiese mit einem Festzelt geführt hatte. Dort war das Bier in Strömen geflossen und er konnte trinken, soviel er wollte. Ja freilich musste das alles ein Traum gewesen sein. Er rieb sich seine Augen erneut und beschloss, sein Vorhaben, auf das Plateau zu steigen, aufzugeben und wieder hinunter ins Tal zu gehen.

Nach geraumer Zeit kam er unten an der Straße an. Doch da waren weder sein Wagen noch das Gasthaus, neben dem er sein Auto geparkt hatte, zu sehen.

Zu Fuß machte er sich zum nächsten Dorf auf, doch auch hier sah alles ganz anders aus, als er es in Erinnerung hatte.

Als er nach einem langen Fußmarsch schließlich wieder in sein Dorf kam, konnte er sein Haus nicht mehr finden. Er begab sich zum Gemeindeamt. Auch das sah jetzt völlig anders aus. Auf seine Fragen wurde ihm nur mitgeteilt, dass ein gewisser Georg vor langer Zeit am Untersberg verschollen war und nie wieder aufgetaucht sei. Auch eine groß angelegte Suchaktion, welche damals gestartet wurde, hatte keinen Erfolg.

Wann denn das alles geschehen sei, wollte er wissen. Die Antwort war niederschmetternd. „Das passierte vor dreiundzwanzig Jahren, im Sommer des Jahres 2012.

Er wurde schließlich für tot erklärt. Seine Frau hatte nach einigen Jahren wieder geheiratet und war mit ihrer Tochter von hier weggezogen. Nachdem seine Eltern gestorben waren, erbte seine Schwester Georgs ehemaliges Haus.“

Sein Haus, sein Job, seine Frau, das alles gab es nicht mehr für ihn. Jetzt wurde ihm bewusst, dass er alles verloren hatte. Er bekam glasige Augen und fing an zu weinen.

 

Kapitel 1

***

San Borondon

Ein kühler Wind von Nordwesten ließ die weit ausladenden Blätter der Palmen, die den Rand des kleinen Flugplatzes von El Berriel säumten, erzittern. Wolf startete den Motor des Flugzeuges. Die kleine Piper rollte zur Startbahn hinaus. Auch diesmal war Raiko sein Copilot und bediente wie immer das Funkgerät. Am Beginn der Rollbahn hielt Wolf die Maschine an und checkte nochmals die Instrumente. Nachdem er die Startfreigabe erhalten hatte, schob er den Gashebel zügig nach vorne, der Motor heulte auf, die Piper rollte los und schon nach knapp zweihundert Metern hob das Flugzeug von der schmalen Asphaltpiste ab. Nachdem sie eine Höhe von eintausend Fuß erreicht hatten, ging es nun wieder zurück in Richtung Südspitze von Gran Canaria. Tief unter ihnen lagen die Dünen von Maspalomas und wie Ameisen tummelten sich schon jetzt, am frühen Vormittag, unzählige Touristen am Strand.

Wolf hatte kaum Augen für die ihm so wohlbekannte Gegend. Er war in Gedanken mit der Frage beschäftigt, ob sie auch heute die geheimnisumwobene Insel San Borondon wieder sehen würden. Im Vorjahr hatten sie ja dieses Eiland hinter einer Nebelbank entdeckt. Wolf wusste, dass die letzten GPS-Daten, bevor sie damals in den Nebel gerieten, noch gespeichert waren, und so dürfte es ein Leichtes sein, die Stelle wiederzufinden. Kurz nach Überfliegen des kleinen Hafens von Puerto Mogan nahm er direkten Kurs auf die Südspitze der Insel La Palma.

Nachdem sie die Insel Teneriffa passiert hatten, kam auf der linken Seite La Gomera in Sicht. Wolf wollte westlich an dieser Insel vorbeifliegen, was für sie auch keinen Umweg bedeutete. Nachdem der dortige Flughafen am südlichen Ende der Insel zu sehen war, flogen sie kurz darauf am alten Rollfeld von Gomera vorbei. Fernandez, der ehemalige Flugschulleiter von El Berriel, hatte Wolf schon vor Jahren den Anflug auf die dortige Landebahn erklärt. Diese Graspiste lag etwas tiefer als der neu erbaute, moderne Flugplatz. In knapp einhundertsiebzig Metern über dem Meer war da eine nur vierhundertfünfzig Meter lange Graspiste, an deren Ende es fast senkrecht in den Atlantik hinunterging.

Um hier zu landen, bedurfte es guter Nerven des Piloten. Es musste exakt am Beginn der Rollbahn aufgesetzt werden, wollte man nicht Gefahr laufen, an deren Ende in den Abgrund zu stürzen. Fernandez war hier oft gelandet, auch damals, als er San Borondon entdeckte.

Sie ließen La Gomera hinter sich und zwanzig Minuten später erreichten sie bereits die Südspitze von La Palma. Rechts ragte die Kraterkette steil aus dem Meer empor. Es waren längst erloschene Vulkane, welche aber dennoch Furcht einflößend den Anblick der Insel prägten.

Von hier aus sollten es laut GPS nur noch siebzehn Meilen bis zum geheimnisvollen Eiland San Borondon sein. Aber weder eine Wolkenbank noch sonst ein Nebel war am Horizont zu sehen. Mit verminderter Fahrt ließ Wolf den Flieger bis auf einhundert Meter über den Atlantik sinken. Es war aber rein gar nichts von der Insel zu sehen. Irgendwie enttäuscht drehte er einen Vollkreis und flog dann wieder zurück in Richtung des Flughafens von La Palma.

„Sag denen da unten Bescheid, dass wir landen werden“, meinte Wolf zu Raiko, „ich möchte hierbleiben. Du kannst die Maschine nach Gran Canaria zurückfliegen und mich in zwei Tagen wieder abholen.“

Raiko erhielt die Landeerlaubnis und Wolf begann mit dem Anflug auf den Airport von La Palma.

„Pass aber auf die Fallwinde auf“, sagte Raiko in ernstem Ton, „die können hier mitunter recht heftig ausfallen. Wenn du willst, kann auch ich landen.“

„Es geht schon“, erwiderte Wolf und hielt das Flugzeug im kurzen Endanflug auf die Landebahn sauber in der Luft.

Der Wind war nicht sonderlich stark und so setzten sie auch anstandslos auf dem ersten Drittel der Piste auf.

Während Raiko die Landeformalitäten erledigte und den Flugplan für die Rückkehr nach Gran Canaria in den Computer tippte, ging Wolf zum Schalter der Mietwagenfirma und besorgte sich kurzerhand einen Wagen.

Als die beiden anschließend bei einem Kaffee an der Bar saßen, fragte Raiko:

„Was hast du eigentlich vor? Weshalb willst du zwei Tage hierbleiben?“

„Ich möchte mich bloß ein wenig umsehen“, antwortete Wolf. „Hol mich einfach übermorgen um die gleiche Zeit wieder ab.“

„Das hat sicher etwas mit San Borondon zu tun“, sagte Raiko mit einem fragenden Blick, „aber glaubst du wirklich, dass du hier auf La Palma etwas darüber erfahren kannst?“

„Das werde ich herausfinden“, meinte Wolf lapidar und lachte dabei. Nachdem der junge Spanier mit der Piper wieder in Richtung Gran Canaria gestartet war, ging Wolf zum Parkplatz und holte sich seinen Mietwagen. Der Tank war noch halb voll und so konnte er damit direkt bis nach Tazacorte fahren. Der Ort Tazacorte lag an der steilen Westküste. Der Weg dorthin führte über die Berge. Es war eine sehr gut ausgebaute Straße und nach kaum einer Stunde Fahrtzeit erreichte Wolf sein Ziel. Es gab dort bezeichnenderweise einen Ortsteil mit dem Namen „San Borondon“. Hier wollte er sich eine Unterkunft für zwei Nächte suchen. Es war nicht schwierig und rasch wurde er fündig. Er fand ein Zimmer in einer kleinen Pension. Vom Balkon aus konnte Wolf tief hinunter aufs Meer sehen. Der frische Wind, welcher die salzige Luft vom Atlantik heraufwehte, war angenehm.Jetzt wollte er noch etwas essen gehen.

In einem nahe gelegenen Restaurant ließ er sich eine Paella schmecken. Der Wirt, ein Spanier in mittleren Jahren, konnte recht gut Englisch und Wolf fragte ihn, ob er schon einmal etwas über die Insel San Borondon gehört hatte.

„Natürlich“, meinte der Wirt, „jeder hier kennt die Erzählungen von dem verwunschenen Eiland, das zuweilen plötzlich aus dem Meer auftaucht und dann ebenso rasch wieder verschwindet.“ Er sagte das mit einem breiten Grinsen im Gesicht und es war ihm anzusehen, dass er diese Geschichte überhaupt nicht ernst nahm.

Bevor Wolf aber noch etwas darauf antworten konnte, mischte sich ein zufällig anwesender Gast am Nebentisch in das Gespräch. „Sie interessieren sich für San Borondon?“, fragte der Fremde und zog dabei seine ­Augenbrauen etwas zusammen.

„Ja, ich bin extra deswegen hierhergekommen. Ich möchte mehr darüber erfahren, als in den Reiseführern steht.“

„Vielleicht kann ich Ihnen helfen“, erwiderte der Mann mit einem geheimnisvollen Lächeln. Der Wirt war inzwischen wieder in die Küche gegangen und der Fremde setzte sich zu Wolf an den Tisch.

„Ich kenne hier einen alten Fischer, Perez ist sein Name. Er war früher Seemann und ist schon auf sämtlichen Meeren der Erde herumgefahren, bis er sich hier auf La Palma ein kleines Häuschen gebaut hat. Man erzählt sich von ihm, dass er schon einmal auf der Insel San Borondon gewesen sein soll.

Seither hat er nur noch dieses Eiland im Sinn. Auf der kleinen Terrasse seines Hauses hat er ein altes Fernrohr aufgestellt. Mit dem schaut er immer wieder aufs Meer hinaus, als würde er San Borondon suchen.“

„Und Sie glauben, er war wirklich auf der Insel?“, staunend blickte Wolf auf sein Gegenüber.

„Wissen Sie“, fuhr der Fremde fort, „genau sagen kann das niemand, aber man erzählt sich so allerlei über Perez. Am besten ist, Sie fahren selber zu ihm, es ist nicht sehr weit von hier und er freut sich bestimmt, wenn er Besuch bekommt. Vielleicht kann er Ihnen auf der Suche nach San Borondon behilflich sein?“

Wolf ließ sich den Weg zum Haus des Perez beschreiben. Nach dem Essen verabschiedete er sich von dem Mann und fuhr los. Die vorerst noch asphaltierte Straße wurde nach einer Weile zu einem schmalen Fahrweg und schließlich zu einem besseren Eselpfad, auf dem der Wagen gerade noch Platz hatte. Dann kam aber auch schon das kleine Haus von Perez in Sicht. Die letzten fünfzig Meter musste Wolf zu Fuß gehen. Er klopfte an die grün gestrichene Tür und nach kurzem Warten öffnete ihm ein älterer, braun gebrannter Mann. „Sind Sie Perez?“, fragte ihn Wolf auf Englisch, worauf dieser nur nickte.

„Kommen Sie herein“, antwortete Perez und führte Wolf in eine recht wohnlich eingerichtete Stube im katalonischen Stil.

„Was führt Sie zu mir?“, fragte der alte Seemann, während er einen Krug mit Wein und etwas Brot auf den Tisch stellte. Sie setzten sich und Wolf erzählte ihm alles, was er bisher von der Insel San Borondon in Erfahrung gebracht und auch selbst erlebt hatte.

Aufmerksam hörte Perez zu, nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Becher und begann zu erzählen:

„Sie müssen wissen, ich fuhr schon in jungen Jahren zur See. Rund um Afrika, durch den Suezkanal, ja bis Aust­ralien und Japan bin ich gekommen.

Mit der Zeit wurde mir das Leben als Seemann zu beschwerlich, daher kaufte ich ein kleines Boot und wurde Fischer, hier auf La Palma. Freilich verdiente ich da nicht mehr so viel wie als Seemann, aber zum Leben reichte das vollkommen aus und ich hatte es ruhiger und genoss mein Dasein. Bis zu jenem Tag, als ich alleine mit meinem Boot vor der Südspitze La Palmas unterwegs war und in eine dichte Nebelbank geriet. GPS gab es damals noch nicht und ich verlor für kurze Zeit die Orientierung, weil der Kompass plötzlich verrücktspielte. Es war ruhige See und es bestand auch keine Gefahr für das Boot. Ich konnte ja nicht weit von La Palma entfernt sein, dachte ich. Die Maschine tuckerte gewohnt ruhig dahin und ich wartete einfach ab, ob sich der Nebel nicht lichten würde.

Plötzlich tauchte an Backbord schemenhaft eine Vulkaninsel auf. Das war aber unmöglich, denn hier vor La Palma gab es keine Insel in dieser Entfernung und Gomera oder Hierro waren ja viel weiter weg, als ich in dieser kurzen Zeit gekommen sein konnte. Ich steuerte die „Antares“, wie mein Boot hieß, geradewegs auf die Insel zu. Die See war jetzt spiegelglatt und die beiden erloschenen Vulkane auf der Insel ragten drohend in die Nebelschwaden hinauf. Neugierig geworden, lenkte ich mein Boot an der zerklüfteten Steilküste um die Insel. Je weiter ich herumfuhr, desto flacher wurde die Gegend, und schließlich entdeckte ich drei Türme, welche wie ägyptische Obelisken emporragten. Sie waren an die zwanzig Meter hoch und trugen auf ihrer Spitze gläserne Pyramiden. Als ich noch näher herankam, konnte ich drei kuppelförmige Gebäude dazwischen erkennen. Davor lag ein kleiner Hafen mit einer ­Steinmauer, aber es waren keine Schiffe dort. Irgendwie kam mir das Ganze sehr merkwürdig vor und ich wollte die Antares gerade wieder von dieser Insel wegsteuern. Da konnte ich hinter einer kleinen Landzunge vier vor Anker liegende U-Boote sehen. Es musste sich dabei um ziemlich alte Boote handeln, und sie besaßen sogar zwei am Turm aufgebaute Geschütze. Ich glaube, dass es deutsche U-Boote aus dem Zweiten Weltkrieg waren. Sehr schlank gebaut und etwa siebzig Meter lang. Wie die dorthin gekommen sind, ist mir allerdings unerklärlich. Ich machte mich, so rasch ich konnte, auf den Rückweg. Tatsächlich kam ich bereits nach einer Viertelstunde wieder aus dem Nebel heraus und erblickte von ferne wieder La Palma. Ich hatte absolut keine Ahnung, was da geschehen war. Ich war froh, als ich die schwarzen Strände von Tazacorte wieder sah und ich die Antares wieder im Hafen vertäuen konnte.“

Perez brach ein Stück vom Weißbrot ab und fuhr fort:

„Am nächsten Tag suchte ich mit dem Fernglas das Meer ab, konnte aber keine Spur mehr von der geheimnisvollen Insel entdecken.“

Wolf ahnte bereits, dass es sich bei den U-Booten, von denen Perez berichtete, um Schiffe der deutschen Kriegsmarine handeln musste. Mit zwei Geschützen am Turm waren es wahrscheinlich Boote der Serie XXI, welche vor Kriegsende unter Ausnützung des Zeitphänomens in einer fernen Vergangenheit versteckt wurden, so wie ihm der General letztes Jahr erzählt hatte.

Er nahm einen Schluck vom spanischen Wein und meinte zu Perez: „Ja, aber zumindest waren Sie bei dieser Insel und haben sie hautnah gesehen, so wie ich im Vorjahr mit dem kleinen Flugzeug“, er rieb sich nachdenklich die Stirn, „und Sie werden San Borondon, denn darum dürfte es sich ja dabei handeln, immer in Erinnerung behalten.“

„Nicht nur in der Erinnerung“, erwiderte Perez, „ich habe da ein kleines Geheimnis, das ich normalerweise niemandem verrate. Sie aber haben San Borondon ja auch schon selbst gesehen und nur deshalb zeige ich Ihnen jetzt etwas.“

Wolf war gespannt, was der alte Fischer da für ein Geheimnis haben würde, und sah ihm interessiert nach, wie er zur Tür hinaus auf seine Terrasse ging.

„Kommen Sie zu mir heraus“, rief Perez und zog bei diesen Worten die Abdeckung eines zwei Meter langen Fernrohrs herunter. Er hatte es auf einem Stativ fix montiert und nach Süden ausgerichtet.

„Damit kann ich die Insel manchmal sehen. Meistens geschieht das in den Morgenstunden oder in der Abenddämmerung, aber auch nur dann, wenn dort draußen Nebelbänke zu sehen sind. Jetzt ist leider kein Nebel über dem Wasser, aber ich mache Ihnen einen Vorschlag, kommen Sie morgen zeitig früh, so gegen sechs Uhr. Vielleicht haben wir Glück.“

Da behauptete dieser Perez, er könne San Borondon sehen! Von La Palma aus. Wie sollte das möglich sein? War das Fernrohr etwa so etwas wie das Chronoskop des Generals, mit dem man in die Vergangenheit blicken konnte? Offenbar existierte diese Insel ja nicht in der Gegenwart, sondern viele Tausend Jahre in der Vergangenheit. Alle möglichen Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Er sah nochmals auf das große Messingfernrohr. Rasch verwarf er den Vergleich mit dem Chronoskop wieder. Aber nein, das hier war doch ein ganz gewöhnliches Teleskop, ein bisschen groß vielleicht, aber eben nur ein Fernrohr. Wahrscheinlich kam es auf den Winkel an, dachte Wolf. Vielleicht konnte man die Insel nur unter einem bestimmten Betrachtungswinkel sehen. Aber auch nur dann, wenn dort draußen Nebel herrschte.

Sie gingen wieder ins Haus zurück. Perez begleitete ihn noch zu seinem Wagen. „Also dann, bis morgen früh.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich.

Wolf nahm Perez’ Einladung gerne an, versprach, pünktlich da zu sein, und machte sich auf den Rückweg zur Pension.

Früh am Morgen fuhr er los. Weit unten am kleinen Hafen von Tazacorte herrschte bereits reges Treiben. Der Fang einiger Fischerboote, welche die Nacht über draußen waren, wurde emsig entladen. Oben auf den Wegen am Hang war aber weit und breit noch niemand zu sehen. Er hatte nicht weit zu fahren und war rasch wieder beim kleinen Haus von Perez angelangt. Wolf stieg aus dem Wagen.

Es war windstill, kein Lufthauch war zu spüren. Der Tau der Nacht lag noch auf den Grashalmen. Während er zwischen den Olivenbäumen zum Haus ging, schaute er hinunter auf den Atlantik. Tatsächlich lag jetzt eine Art Nebel weit draußen über dem Meer. Oder war das nur Dunst, der fast jeden Morgen über dem Wasser zu sehen war?

Wolf wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Perez plötzlich die Tür öffnete und ihn begrüßte. „Wir haben Glück, kommen Sie herein und sehen Sie selbst.“

Perez hatte bereits die Plane vom Fernrohr heruntergenommen und führte Wolf auf die Terrasse hinaus. Mit bloßem Auge konnte man nur einige Nebelschwaden am Horizont erblicken. Perez schaute durch das Fernrohr, stellte es offensichtlich genau ein und bedeutete Wolf, auch hindurchzusehen.

„Das gibts ja nicht!“, entfuhr es Wolf, als er die beiden Vulkane von San Borondon erblickte. „Ja, das ist die Insel, die ich im vorigen Jahr vom Flugzeug aus gesehen habe.“

Perez lächelte. „Ich freue mich, dass wir Glück gehabt haben und Sie sich selbst davon überzeugen konnten von dem, was ich Ihnen gestern Abend erzählt habe. Manchmal sieht man wochenlang gar nichts, aber womit das zusammenhängt, weiß ich nicht.

Es ist so, Sie haben jetzt San Borondon gesehen, aber glauben Sie ja nicht, dass wir nun mit einem Schiff auch dorthin fahren könnten. Wir würden dort nichts finden, nur die endlosen Weiten des Atlantiks.“

Wolf war erstaunt, denn mit dem Flugzeug hatte er selbst ja auch dorthin gefunden. Und jetzt meinte Perez, dass da nichts zu sehen wäre.

Bevor er ihn noch etwas fragen konnte, meinte der alte Fischer: „Wie schon gesagt, ich vermute, dass es, zumindest sehr oft, auf den Betrachtungswinkel ankommt.

Ich habe im Laufe meines Lebens feststellen müssen, dass es doch mit fast allen Dingen so ist. Der eigene Standpunkt und die Position des Objekts, welches man sich ansieht, bestimmen dessen Eigenschaften. Verzeihen Sie, wenn ich jetzt etwas ins Philosophieren geraten bin.

Auch mit dem Flugzeug hatten Sie einen anderen Winkel als ich von der See aus. Und hier oben am Berg schauen wir in einem ähnlichen Blickwinkel in Richtung San Borondon. Das wäre zumindest eine Erklärung, weshalb man nicht immer dasselbe sieht. Weshalb man aber auch zuweilen auf dem Meer dorthin gelangen kann, ist mir wie gesagt ein Rätsel.“

Mittlerweile war eine leichte Brise aufgekommen und die Nebelbänke lösten sich allmählich auf. Als Wolf nochmals durch das Teleskop schaute, war die Insel bereits verschwunden. Verschwunden in der Zeit.

Perez, dem Wolfs erstaunter Blick nicht entgangen war, meinte: „Ja, so ist es immer, bei klarem Wetter, wenn man glaubt, beste Sicht zu haben, dann ist sie weg. Ich habe schon lange nichts mehr darüber erzählt. Die Leute hier halten mich ohnehin schon für verrückt, seit ich damals vor vielen Jahren davon berichtete, dass ich die Insel gefunden habe.

Sie wollten alle mit mir hinausfahren und ich sollte ihnen zumindest die Stelle zeigen, wo sich San Borondon befindet. Aber das war unmöglich.

Erst viel später habe ich bei einer Wanderung hier am Berg mit einem kleinen Teleskop die Vulkane von San Borondon gesehen. Aus diesem Grund musste ich mir auch hier an diesem Platz mein Häuschen bauen. Es ist eine der wenigen Stellen, an der dieses unglaubliche Phänomen auftritt. Eines Tages werde ich wieder zur Insel fahren, aber dann gehe ich auch dort an Land. Ich möchte nur zu gerne wissen, was diese Türme und Kuppelbauten bedeuten.“

Wolf war tief beeindruckt von dem soeben Gesehenen und davon, was ihm der Fischer erzählt hatte. Er bedankte sich überschwänglich bei ihm und versprach, ihn zu informieren, falls er noch etwas herausfinden würde. Perez hatte sogar eine E-Mail-Adresse und tauschte diese mit Wolf aus. Sie würden in Kontakt bleiben.

Wolf verbrachte den Rest des Tages mit einer Fahrt in den Süden der Insel.

Insgeheim hegte er die Hoffnung, von irgendeiner ­Stelle der Straße doch noch San Borondon sehen zu können. Stattdessen ragten auf der linken Seite einige beeindruckende Vulkane empor.