Stella auf Eis - Angelika Hesse - E-Book

Stella auf Eis E-Book

Angelika Hesse

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Beschreibung

Christmas Angels on Ice! Perfekter könnte die Winterzeit für Stella und ihre Freundinnen Nelly und Lou nicht beginnen: Profi-Eiskunstläuferin Katja Hübsch kommt für eine Weihnachtsaufführung in die Stadt und bietet gleichzeitig Eislauftraining an. Also runter von den Rollen und rauf auf die Kufen! Vielleicht springt am Ende ja sogar ein Mini-Auftritt für die Rolling Angels raus? Von Mamas Bedenken will Stella nichts wissen. Der wurde nämlich ein "eisiges Unglück" vorausgesagt. Dann passiert tatsächlich etwas, das Stellas Pläne gewaltig durcheinanderwirbelt. Und Schuld daran ist allein Skating Devils Anführer Eric! Muss sie seinetwegen etwa ihre gesamten Weihnachtsprojekte auf Eis legen? Der dritte, winterliche Band der Stella-Reihe ist zum Dahinschmelzen schön und herzerwärmend.

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Seitenzahl: 218

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Angelika Hesse

Stella auf Eis

Band 3

 

Alle Abenteuer von Stella:

Band 1: Stella rollt an

Band 2: Stella voll in Schwung

Band 3: Stella auf Eis

 

Stella stellt dir Fragen auf:

Antolin.de

 

Impressum

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

Alle Akteure des Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind vom Autor nicht beabsichtigt.

 

Copyright © 2023 by Maximum Verlags GmbH

Hauptstraße 33

27299 Langwedel

www.maximum-verlag.de

 

1. Auflage 2023

 

Lektorat: Bernadette Lindebacher

Korrektorat: Gisela Wunderskirchner

Satz/Layout: Alin Mattfeldt

Illustrationen: Edda Skibbe

Umschlaggestaltung: Alin Mattfeldt

Stella-Font: Fabian Eisenbeiß

E-Book: Mirjam Hecht

 

Druck: Booksfactory

Made in Germany

ISBN: 978-3-948346-86-7

 

 

 

Widmung

Für all die Alltagsengel, die man nicht immer sieht und die die Welt ein bisschen besser machen.

Inhalt

Alle Abenteuer von Stella:

Impressum

Widmung

1. Kapitel: Wie man die perfekte Vorweihnachtszeit plant

2. Kapitel: Wichtelgeheimnisse

3. Kapitel: Weihnachten auf Kredit

4. Kapitel: Ein Eismärchen

5. Kapitel: Rollerdisco im Advent

6. Kapitel: In der Engelsbäckerei

7. Kapitel: Ab auf die Kufen

8. Kapitel: Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern

9. Kapitel: Eine Nikolausüberraschung

10. Kapitel: Bodycheck oder Pirouetten?

11. Kapitel: Unerwartete Begegnungen

12. Kapitel: Sportliche Schneeballschlacht

13. Kapitel: Mrs. Grinch

14. Kapitel: Weihnachtselfen

15. Kapitel: Freikarten

16. Kapitel: Poesie in der Turnhalle

17. Kapitel: Hingeschaut

18. Kapitel: Natale Italiano

19. Kapitel: Der Weihnachtsengel

Die Autorin Angelika Hesse

Die Illustratorin Edda Skibbe

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1. Kapitel: Wie man die perfekte Vorweihnachtszeit plant

 

Wham! und Jule röhren lauthals den bekanntesten aller Weihnachtssongs im Zimmer nebenan. „Last Christmas, I gave you my heart …“

Schlaftrunken öffne ich die Augen und schiele auf die Anzeige meines kleinen Radioweckers: 5.59 Uhr.

„J-u-l-e!“, brüllt Paps aus dem Schlafzimmer. „Du bist keine Lerche, also hör auf zu singen. Und mach das Radio leiser! Hast du mal auf die Uhr geschaut?“

Meine Schwester Jule spinnt. Kein normal denkender Mensch stellt sich zwei Stunden vor Schulbeginn den Radiowecker! Mama sagt, Jule war schon immer ein früher Vogel, schon als Baby. Ich aber sage, sie hat einen Vogel, und zwar einen gewaltigen: im Kopf und im Familiennamen. Den Vogel im Familiennamen haben wir übrigens alle. Gestatten: Stella Vogel, elf Jahre alt, einen Meter und etwas mehr als einen halben groß, grüne Augen, braunes Haar, besonderes Kennzeichen: Muttermal an der Oberlippe. Mama nennt es Cindy-Crawford-Mal. Cindy Crawford war früher ein sehr gefragtes Model und sehr schön. Also ist es nicht so schlimm, dass ich damit geboren wurde. Wenn ein Topmodel damit rumläuft, dann kann ich das auch.

 

Jule und George Michael singen ungerührt weiter. Wham! stehen natürlich nicht in echt im Zimmer meiner großen Schwester. Ist ja klar und überhaupt nicht möglich. Der Sänger von Wham!, George Michael, ist nämlich vor ein paar Jahren gestorben. Ausgerechnet am ersten Weihnachtstag. Ist das nicht schicksalhaft? Mama sagt, er lebt durch seine Musik weiter und dass sie immer noch ein Riesenfan von ihm ist. Das bin ich auch, zumindest zur Weihnachtszeit. Wenn Last Christmas im Radio läuft, kommt keiner mehr an Weihnachten vorbei. Dann geht es schnurstracks auf Heiligabend und die Feiertage zu. Und das finde ich einfach himmlisch!

„Das war Wham! mit Last Christmas und hier ist Ihr Hit-Radio Regenbogen mit Stefan Lotmeier“, quasselt der Radiosprecher gut gelaunt.

Noch so ein früher Vogel, den es freiwillig in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett treibt!

„Und nun die Nachrichten. Es ist Freitag, der erste Dezember. Ihr habt doch sicher schon euer allererstes Adventskalender-Türchen aufgemacht?! Was war drin? Wir wollen es wissen. Also ruft uns an oder schickt uns eine Nachricht an die 0218 …“

Mit einem Mal fällt mir ein, warum Jule heute so überpünktlich aufgestanden ist. Wandertag! Alle Klassen des Lise-Meitner-Gymnasiums veranstalten in den nächsten Tagen ihren Wandertag. Jule fährt heute mit der kompletten Oberstufe in die Skihalle.

Der Wandertag der Unterstufen findet erst am Montag statt. Leider hat Mecki es bis heute nicht geschafft, unser Ausflugsziel festzulegen. Frau Meckenheim, unsere Klassenlehrerin, trägt seit einigen Monaten einen kurzen Mecki-Haarschnitt und wird seitdem von unserer Klasse nur noch Mecki genannt. Sie würde die 6a am liebsten in ein Museum oder in das Schauspielhaus schleppen. Im großen Schauspielhaus waren wir schon letztes Jahr. Mir hat es nicht gefallen. Es lief Hänsel und Gretel in einer gruseligen, düsteren Opernversion. Und von dem Gesang, der genauso schaurig war, verstand ich kein Wort. Dieses Jahr wird zwar ein Theaterstück ohne Gesang gespielt, aber ich habe trotzdem keine Lust darauf. Meine Freundinnen Nelly, Lou und ich haben Schlittschuhlaufen im Eissportzentrum vorgeschlagen. Dafür bekamen wir ausnahmsweise die volle Unterstützung der Devils-Jungs. Skating Devils, so nennen sich Eric, Ronni und Lous Zwillingsbruder Mo. Sie sind so was wie eine Inliner-Gang und besuchen dieselbe Klasse wie wir.

Nelly, Lou und ich laufen lieber Rollschuhe. Wir sind die Rolling Angels. Ich möchte betonen, dass wir als Erstes die Idee zu einem Skate-Cliquennamen hatten. Auch wenn die Jungs das abstreiten. Angels und Devils sind sich nicht immer einig, in diesem speziellen Fall allerdings schon: Es wäre total nice, in der Weihnachtszeit die Rollen gegen Kufen einzutauschen. Auch wenn ich meine babyblauen Rollschuhe über alles liebe. Es ist schließlich Winter. Außerdem hat niemand Lust, durch ein langweiliges Museum zu latschen, um sich irgendetwas Ödes und Altes anzuschauen oder sich im Theater zwei Stunden das Hinterteil platt zu sitzen. Wir wollen uns bewegen! Tanzen! Ich möchte an meinen Pirouetten arbeiten! Wir möchten aufs Eis! Wäre doch gelacht, wenn wir Mecki später nicht weichkochen könnten …

Eigentlich geht unsere Klassenlehrerin echt klar. Sie ist furchtbar nett. Ins Museum will sie wahrscheinlich nur, weil sie es selbst spannend findet. Und für das Schauspielhaus müsste sie die Klassenkasse nicht schröpfen, weil wir die Karten gespendet bekommen. Der Vater von Finn aus meiner Klasse ist Generalintendant im Theater.

Jule stellt endlich das Radio aus. Nun ist es auch schon egal! Wach ist wach! Also schlage ich die Bettdecke zur Seite und strecke meine Beine gerade in die Luft. Abwechselnd ziehe ich ein paarmal die Zehen zu mir her und strecke sie dann ganz spitz wieder aus: strecken, anziehen, strecken, anziehen, strecken, anziehen. Ich forme meine Zehen zu Krallen. Danach führe ich die Fußsohlen zusammen. Zum Schluss male ich mit den Füßen Luftkreise: eins, zwei, drei, vier im Uhrzeigersinn. Eins, zwei, drei, vier in die entgegengesetzte Richtung. So! Morgengymnastik erledigt. Als Angel habe ich mich verpflichtet, meine Füße und Beine regelmäßig zu trainieren und zu dehnen. Füße sind das Handwerkszeug des Rollschuhläufers und müssen genauso gepflegt werden wie der Rest des Körpers. Das habe ich mit Lou und Nelly schriftlich fixiert, in unserem Leitfaden für Skate-Fans und die, die es werden wollen.

Ich hüpfe aus dem Bett und ziehe mir meinen weichen Sternchenbademantel und ein paar dicke Stoppersocken über. Singend tapse ich die Treppe ins Wohnzimmer hinunter: „Last Christmas, I gave you my heart …“Mist, nun werde ich die Melodie den ganzen Tag nicht mehr aus meiner Rübe bekommen! Schlimmer: George Michael und Andrew Ridgeley werden die nächsten vierundzwanzig Tage und Nächte in meinem Kopf sitzen und mit ihren 80er-Jahre-Föhnfrisuren ihren Song dudeln. Na ja, es gibt schlimmere Ohrwürmer, zum Beispiel Wildberry Lillet von Nina Chuba, den die halbe Klasse letztes Jahr nonstop sang. Wenn man das Lied den ganzen Tag im Kopf hat, sind die Gehirnzellen nach ein paar Stunden nicht mehr an Ort und Stelle. Dann doch lieber Last Christmas - passt auch viel besser zur Vorweihnachtszeit. Und die geht für mich jetzt so richtig los!

Seit einer Woche geiere ich auf die Adventskalendertütchen, die Mama für mich gefüllt hat. Ist es albern, wenn man mit elf Jahren wegen seines Adventskalenders noch so megazappelig ist?

Auf dem Kaminsims stehen vierundzwanzig Tüten aus Recyclingpapier. Sie sind hübsch bedruckt und mit einer kleinen Holz-Wäscheklammer verschlossen. Darauf klebt jeweils ein runder Aufkleber mit einer Zahl. Ich kann mich kaum erinnern, wann der Kamin das letzte Mal brannte. Mama sagt, es wäre nie kalt genug für Kaminfeuer und dass die Luft im Haus dann stickig werden würde. Paps wiederum behauptet, wir können den Kamin wegen des Nikolauses nicht anzünden. Der würde sich den Hintern verbrennen, wenn er in der Nikolausnacht durch den heißen Schacht rutscht. Im Prinzip eine sehr logische Erklärung. Ich aber glaube, Paps ist zu bequem, das Holz durch den Garten zu schleppen. Sobald es kalt genug ist, werde ich dieses Jahr höchstpersönlich Holz holen und den Sims freiräumen. Ich werde darauf bestehen, dass der Kamin in Gang gesetzt wird. Es gibt nichts Stimmungsvolleres und Gemütlicheres als ein wunderbar prasselndes Feuerchen zur Vorweihnachtszeit.

Ich erspähe die Eins sofort. Bevor ich die Tüte öffne, gucke ich sie mir genau an und drücke ein bisschen darauf herum. Ich will es genießen. Anfang Dezember kann es mir bis Weihnachten gar nicht schnell genug gehen. Aber dann, am 23. Dezember, wenn nur noch zwei einsame Türchen zu öffnen sind, bin ich jedes Jahr aufs Neue ein bisschen wehmütig, weil die schöne Vorweihnachtszeit wie ein Rennauto an mir vorbeigerauscht ist. Dann fällt mir auf, dass ich zu wenig gebacken, zu wenig Weihnachtsbücher gelesen und zu wenig gebastelt habe. Das werde ich dieses Jahr ändern! Ich habe mir vorgenommen, den Dezember auszukosten. Jeden einzelnen Tag! Einhundertprozentig! In meinem Kopf wimmelt es vor lauter Ideen. Damit ich die nicht wieder alle vergesse, habe ich folgende Listen entworfen:

To-do-Aktivitäten in der Vorweihnachtszeit

• Auflistung meiner Geschenkideen

• Auflistung aller Weihnachtsfilme, die ich sehen will

• Auflistung aller Weihnachtsbücher und -geschichten, die ich bis Weihnachten lesen möchte

• Mein Wunschzettel – sehr wichtig!

• Style-Berater – passende Klamotten-, Frisuren- und Accessoire-Vorschläge für die Weihnachtstage und für besondere Anlässe

Im Dezember hagelt es von diesen besonderen Anlässen. Wir werden in der Schule wichteln und am letzten Schultag eine Weihnachtsfeier ausrichten. Mama hat versprochen, dass wir mit der ganzen Familie an einem Wochenende schick ausgehen. Vielleicht lässt sie sich überreden, nach Bochum zu Starlight Express zu fahren. Das Musical auf Rollen zählt zu meinen absoluten Lieblingsaufführungen. Ich war schon dreimal dort. Das letzte Mal ist schon wieder viel zu lange her. Und ich weiß, dass Boris und Andrea Heiligmorgen einen Weihnachtsbrunch für Familie und Freunde in Bos Rollerhouse schmeißen wollen. Logo, dass die Angels mit ihren Familien auch eingeladen sind!

Das Rollerhouse ist ein Café und Bistro mit einer großen Rollschuhbahn in der Mitte und befindet sich auf dem Gelände der Alten Kaserne. Boris ist der Besitzer, Andrea sein Mann. Die beiden sind unsere Freunde und wahnsinnig nett. Andrea kommt aus Italien und zaubert die besten Fruchtcocktails der Welt. Bos Rollerhouse ist unsere Stamm-Skatelocation, seit es die alte Außenrollschuhbahn auf der Bezirkssportanlage nicht mehr gibt. Als die Stadt den Abriss beschlossen hatte, vereinbarten Nelly, Lou und ich mit den Devils einen Waffenstillstand und starteten gemeinsam eine Petition gegen den Abriss. Aus Angels und Devils wurden Dangels. Hat aber nichts genützt. Die alte Bahn wurde trotzdem abgerissen. Was für ein Glücksfall, dass genau zu diesem Zeitpunkt Boris und Andrea in der Stadt auftauchten und das Rollerhouse eröffnet haben. Und gerade wird auf dem Kasernengelände zusätzlich ein Outdoor-Skatepark gebaut. Schon im Herbst sollte er fertiggestellt werden, aber der Termin für die Eröffnung verzögert sich von Woche zu Woche.

Ich öffne nun die Tüte und spähe neugierig hinein: Ein Mini-Schokonikolaus und ein kleiner Taschenwärmer mit einem niedlichen Rentiergesicht kommen zum Vorschein.

Mama schlurft verschlafen ins Wohnzimmer. Sie gähnt und fragt: „Warum bist du denn schon auf?“

„Warum wohl?! Weil Jule denkt, wenn sie wach ist, müssen wir das auch sein. Sie hat anscheinend Angst, ihre Klasse könnte ohne sie in die Skihalle abdüsen.“

„Das hätte ich beinahe vergessen. Sicher wird sie eine halbe Stunde früher als alle anderen im Regen stehen. Unser früher, großer Vogel.“

Ich halte den Handwärmer in die Höhe. „Den find ich super.“

„Pass auf, dass du das kleine Metallplättchen nicht knickst, sonst kristallisiert die Flüssigkeit und er ist aktiviert. Dann müssen wir ihn erst wieder ins heiße Wasser legen, damit du ihn erneut benutzen kannst.“

„Weiß ich doch, Mama.“

„Du kannst dir deine Hände wärmen, wenn es einmal so richtig, richtig eisig ist.“ Sie zieht die Jalousien der Terrasse hoch. „Heute kommt er auf jeden Fall nicht zum Einsatz. Es regnet“, stellt sie mit einem Blick nach draußen fest. „Wie soll man denn da in Weihnachtsstimmung kommen?“

„Spiel Last Christmas“, schlage ich vor. „Funktioniert immer. Oder du trinkst einen Weihnachtstee mit Zimt und Gewürznelken.“

„Tee ist keine schlechte Idee. Ich werde mir zum Wachwerden Kishas Spezialtee kochen. Kisha sagt, eine Tasse Tee mit Ingwer am Morgen wirkt wohltuend, gibt Energie und stärkt die Abwehrkräfte.“

Kisha ist Mamas Esoteriktante. Unser Hausarzt hat meiner Mutter geraten, Stress abzubauen. Nun geht sie seit einem Monat in Kishas Premium Mind and Body Institut. Dort bekommt sie Massagen mit irgendwelchen Wunderölen und lernt, wie sie auf sich aufpasst. Achtsamkeitstraining nennt man das. Leider scheint sich diese Kisha für oberschlau zu halten. Meine Mutter bringt nicht nur ständig Tee und Naturprodukte aus Kishas Ayurveda-Shop mit nach Hause, sondern auch jede Menge weise Sprüche.

„Du wirst sehen, Mama, das wird das schönste und beste Weihnachten ever. Wir bekommen weiße Weihnachten. Das spüre ich.“ Nur wer positiv denkt, zieht das Positive an. Das habe ich gestern in der Apothekenzeitschrift gelesen, die bei uns auf dem Küchentisch rumlag. Weise Sprüche? Kann ich auch! Sogar ganz umsonst.

„Kisha meint, dass das Wetter eine Herausforderung für die Abwehrkräfte ist. Ingwer. Wir sollten viel Ingwertee trinken.“

Ich verdrehe die Augen. „Ich ziehe mich jetzt an“, sage ich und laufe nach oben. Ich habe Mamas Lehrerin zwar bisher noch nicht kennengelernt, aber ich kann sie nicht ausstehen! Ständig setzt sie Mama Flöhe ins Ohr. Vor ein paar Wochen stand ich unter der Dusche und suchte das Shampoo. Doch das gab es in unserem Haus nicht mehr. Stattdessen hatte Mama eklige, nach Rosmarin und Teebaumöl riechende Körper- und Haarseife am Stück in die Duschablage gelegt mit den Worten: „Die Seife ist das Beste überhaupt. Sie ist vegan, plastik- und palmölfrei und enthält ausschließlich natürliche Inhaltsstoffe. Wir brauchen diese ganzen Pflege-Overload-Produkte nicht, sagt Kisha.“

Nachdem ihr eigenes Haar genauso glanzlos und unfrisierbar in Strippen hing wie Jules und meines, hatte sie ein Einsehen. Nun kauft sie wieder unser gewohntes Kräutershampoo. Das ist immerhin frei von Mikroplastik, riecht gut und pflegt. Paps hatte als Einziger kein Problem mit seinem Haar. Das liegt einfach daran, dass er nicht mehr so viele davon hat. Ihn störte lediglich der Geruch. „Mir wird übel davon. Hinterher locke ich noch Insekten an, weil sie meinen Kopf mit einem frisch eingesäten Kräuterbeet verwechseln.“

In meinem Zimmer angekommen, schmeiße ich den Bademantel auf den Boden und ziehe meinen türkisfarbenen Lieblingshoody und meine helle Jeans an. Ich deponiere den Handwärmer und die Schokolade in einem kleinen Korb auf meinem Schreibtisch. Dann öffne ich die Schublade und hole mein türkisblaues Notizbuch mit den kleinen, weißen Sternen hervor: Stellas Weihnachtslisten für das perfekte Weihnachten habe ich mit goldenem Lackstift auf die erste Seite als Deckblatt geschrieben. Vor dem Frühstück sind noch ein paar Minuten Zeit, um an meinen Listen zu arbeiten und sie zu verzieren. Ich male Schneeflocken, Sterne und Weihnachtskugeln als Rahmen um meine To-do-Liste:

CHRISTMAS ACTIVITIES TO DO

• Bis Weihnachten mindestens dreimal eislaufen gehen (1 x Wandertag in der großen Eissporthalle, 2 x mit Nelly und Lou)

• Plätzchen backen

• An einem kalten Tag heiße Schokolade vor dem Kamin trinken (Holz holen und den Kamin in Gang setzen)

• Bei einem Bad im Kerzenschein und einer Christmas-Cookie-Duftkerze ein weihnachtliches Hörbuch hören

• Über den Weihnachtsmarkt bummeln (mindestens zweimal, 1 x mit Nelly und Lou)

• Mit Nelly und Lou einen weihnachtlichen Waldspaziergang machen (keep fingers crossed for snow)

• Weihnachtsgeschenke basteln (Nelly, Lou, Mama, Paps, Jule, Boris und Andrea – siehe Weihnachtsgeschenke-Liste)

• Mit der gesamten Familie einen Weihnachtsmovie-Abend verbringen (siehe Weihnachtsfilm-Liste)

• Mama das größte Geschenk ever machen und O du fröhliche auf der Blockflöte üben, um es Heiligabend für sie vorzududeln

Das werden dieses Jahr perfekte Weihnachten. Ganz sicher!

 

2. Kapitel: Wichtelgeheimnisse

 

Der Schulweg auf den Rädern ist bei dem miesen Regenwetter kein Vergnügen. Lou und ich treffen uns wie jeden Morgen vor der Bäckerei an der großen Kreuzung. Von dort bestreiten wir die restliche Strecke gemeinsam. Klatschnass erreichen wir den Schulhof. Nelly wartet am Fahrradunterstand auf uns. Sie kommt mit dem Bus zur Schule, hat einen großen Schirm dabei und ist halbwegs trocken. Nur ihre hellblonden Wuschellocken haben sich durch die feuchte Luft gekräuselt.

„Da seid ihr ja endlich. Es ist mordsmäßig ungemütlich. Noch eine Minute länger und ich wäre ohne euch reingegangen“, schimpft sie.

Die Angels betreten grundsätzlich gemeinsam das Schulgebäude. Bevor wir in den Klassenraum gehen, statten wir der Schultoilette eine Stippvisite ab. Das ist ein Angels-Ritual.

„Ich hätte jetzt gerne einen Ganzkörperföhn, um mich trocken zu pusten.“ Ich drücke meinen nassen Zopf über dem Waschbecken aus, ziehe das Haargummi heraus und bearbeite mein Haar mit dem elektrischen Handtrockner. Danach ist meine Hose dran. Es gibt nichts Ekligeres, als den ganzen Schultag mit nassen Klamotten rumlaufen zu müssen. Ich hebe mein Bein und versuche, die Jeans trocken zu bekommen.

„Wir müssen mit Jasmin und Marie reden, dass sie für die Eishalle stimmen. Und mit Finn und Malik und allen anderen“, rufe ich gegen den lauten Föhn an.

„Ich weiß überhaupt nicht, was es da zu reden gibt. Wer hat schon Lust auf Museum oder Theater? Keiner!“, ist sich Lou sicher. Sie niest. Das Wasser läuft in kleinen Rinnsalen aus ihrem dunklen, kinnlangen Haar hinab. „Na super, jetzt habe ich mir eine Erkältung eingefangen.“

„Ihr seid selbst schuld. Bei dem Wetter sind Regenjacke und Regenhose angesagt“, tadelt Nelly. Sie kramt in ihrer Tasche und reicht Lou ein Päckchen Taschentücher. „Können wir uns auf die Devils verlassen? Was sagt dein Bruder?“

Lou schnäuzt einmal kräftig ins Taschentuch. „Schlittschuhlaufen natürlich. Mo, Eric und Ronni sind dabei. Nur die Hockeyschläger sollten sie besser zu Hause lassen, sonst bekommt Mecki einen Anfall.“

„Es war abgemacht, dass wir ins Eissportzentrum fahren. Warum ziert Mecki sich plötzlich?“, wundere ich mich.

Nelly zuckt die Schultern. „Vielleicht hat ihr die Oper letztes Jahr gefallen. Ich habe auf jeden Fall Albträume von der fiesen Hexe aus Hänsel und Gretel bekommen.“ Sie schaut mich prüfend an. „Ist deine Hose endlich trocken?“

Ich schüttele den Kopf. „Der Rest muss am Körper trocknen. Gehen wir lieber, bevor wir das Beste verpassen.“

Wir sprinten die Stufen in den ersten Stock hinauf und laufen durch den Gang zu unserem Klassenzimmer. Frau Meckenheim ist gerade dabei, die Tür aufzuschließen. Sie hatte wohl heute Morgen ebenfalls keinen Schirm zu Hand, ihre Haare und Schultern sind nass.

„Was für ein fieser Start in den Tag“, lacht sie, während sie ihren großen braunen Lederrucksack auf dem Lehrerpult abstellt. Sie läuft zum Waschbecken, rupft ein paar Tücher aus dem Handtuchspender und rubbelt sich über den Kopf. Ganz wild sieht sie nun aus.

„Setzt euch. Fangen wir den ersten Dezember entspannt an. Heute ist Klassensprechstunde.“ Sie öffnet den Rucksack und stellt eine Thermoskanne und eine Brotdose vor sich ab. „Ihr dürft frühstücken, während wir die Agenda durchgehen.“ Sie packt weiter aus: Stiftmäppchen, ihr Ringbuch. Dann setzt sie sich und schraubt die Thermoskanne auf. Vorsichtig schüttet sie die heiße, dampfende Flüssigkeit in den Becher. Der Duft von Rooibos und Vanille reicht bis in meine Sitzreihe.

Während Mecki abwechselnd in ihr Brot beißt und an ihrem Tee nippt, kehrt im Klassenraum langsam Ruhe ein. „Nun denn“, sagt sie kauend. „Zuerst wollen wir wichteln. Und dann müssen wir überlegen, wie wir unseren Klassenraum noch weihnachtlicher dekorieren und …“

„Der Ausflug! Was ist mit unserem Ausflug?“, ruft Mo in den Raum hinein.

„Frau Meckenheim, die Eishalle!“, quatsche auch ich dazwischen.

„Der Ausflug, ja genau! Also, liebe Klasse, da habe ich fabelhafte Neuigkeiten.“ Mecki lächelt zufrieden.

Fabelhafte Neuigkeiten? Immer her damit! Vielleicht haben wir die Eishalle den ganzen Vormittag für uns allein? Man stelle sich das vor: die riesengroße Fläche nur für die 6a! Volltreffer!

Aber dann kommt Mecki mit einem merkwürdigen Vorschlag um die Ecke: „Wir haben die Möglichkeit, uns mit der 6c einen Bus zu teilen. Ein Gemeinschaftsausflug in das Abenteuermuseum. Das Adventure-Country …“

„Abenteuermuseum?“, stammele ich.

„Museum?“, stöhnt Lou.

„Museum?“, ächzen Mo und Eric hinter mir im Chor.

„Museum? Wieso das denn jetzt?“, grölt Ronni durch den Raum.

Die halbe Klasse meckert.

„Öde!“

„Langweilig!“

„Für Rentner.“

Mecki schüttelt den Kopf. „Ruhe bitte!“, ruft sie genervt. „Hört doch erst einmal zu! Bei dem Adventure-Country handelt es sich nicht um irgendein langweiliges Museum. Es ist ein innovatives und kindgerechtes Mitmach-Museum. Wahnsinnig spannend und lehrreich! Alle ausgestellten Geräte dürfen bedient und angefasst werden. So erfahrt ihr nebenbei jede Menge über Physik und Technik. Das wird ein toller Tag, das verspreche ich euch!“

Ich schubse Lou neben mir an, öffne den Mund und schiebe mir mit theatralischem Blick einen Finger hinein. Zum Würgen soll die Geste bedeuten. Lou kichert.

„Technik hört sich gut an“, sagt Eric, der mit Mo hinter Lou und mir sitzt.

Ich drehe mich zu ihm um. Spinnt der jetzt? Die Devils wollten auf unserer Seite sein! Das war so abgemacht!

„Ich würde super gerne meine Eislauftechnik verbessern“, schießt Eric nach. Seine dunklen Locken sind nass. „Ich würde mir gerne Gedanken darüber machen, welche physikalischen Kräfte wirken, wenn ich mit Schlittschuhen über das Eis brettere. Das geht bestimmt klasse in der Mitmach-Eishalle.“

Die Klasse kichert und ich atme erleichtert auf. Eric zwinkert mir schelmisch zu. Ich beiße mir verlegen auf die Lippe und drehe mich schnell wieder nach vorne.

Mecki bleibt ernst. „Die verschiedenen Themenwelten im Adventure-Country werden euch begeistern. Es gibt einen Flugsimulator. Ich verspreche, dass für jeden von euch etwas dabei sein wird.“

Der Gegenwind aus der Klasse lässt nach. Ein paar hören Mecki nun interessiert zu. Hallo! Die Eishalle!

Jasmin plappert los. „Ach, jetzt weiß ich! Ich war mit meiner Familie schon einmal dort. Wir haben einen Parcours gemacht. Man konnte Punkte sammeln und es gab einen dunklen Raum mit Schwarzlicht.“

„Cool“, lassen ein paar Jungs verlauten.

„Parcours wollte ich schon immer einmal machen“, sagt Marie, Jasmins Freundin.

Das gibt es doch nicht! Unsere Wandertagplanung läuft aus dem Ruder!

„Parcours, Geilomat!“, flutscht es sogar Ronni heraus.

Ich werfe ihm einen bösen Blick durch die Reihen zu. Dann drehe ich mich zu Eric um und zische ihm zu: „Hat Ronni vergessen, dass wir einen Pakt geschlossen haben? Für die Eishalle?“

„So ein Vollhorst“, meckert Lou neben mir.

Eric hebt die Schultern. „Das ist Ronnis Entscheidung. Bin nicht sein Babysitter.“

„Flugsimulator hört sich aber wirklich nicht übel an“, findet Mo, der neben Eric sitzt.

„Moritz! Was hatten wir abgemacht?“, herrscht Lou ihren Bruder an.

Mo hebt abwehrend die Hände. „Ich habe nur gesagt, dass es sich nicht übel anhört, nicht, dass ich dafür bin.“

„Also gut, dann bespreche ich das mit Frau Müller und ihrer Klasse“, frohlockt Mecki in diesem Moment.

Es reicht! So geht das nicht! Das lasse ich nicht gelten! „Frau Meckenheim!“, fasse ich mir ein Herz. „Das ist ungerecht. Wir wollten abstimmen. Das war abgemacht!“

Nun scheinen ein paar aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwachen.

„Ja, genau“, murmelt Malik. „Abstimmen.“

„Stella hat recht“ sagt Carla.

Carla? Seit wann ist Carla mit mir einer Meinung? Carla, mit der ich seit der Grundschule kaum ein freundliches Wort gewechselt habe, lässt nie eine Gelegenheit aus, gegen die Rolling Angels zu sticheln. Will sie sich bei Eric einschleimen? Wir wissen alle, dass sie für den Devils-Boss schwärmt.

„Können wir abstimmen und dann endlich wichteln?“, wiederholt Carla.

„Und was ist mit dem Schauspielhaus?“, fragt Finn, der gerne damit prahlt, dass sein Vater dort etwas zu sagen hat. „Es wird Die Weihnachtsgeschichte gespielt.“

„Im Schauspielhaus waren wir zwar schon im letzten Jahr, aber es ist natürlich in der Vorweihnachtszeit immer einen Besuch wert“, sagt Mecki.

„Die Eishalle ist in der Weihnachtszeit auch einen Besuch wert!“, entrüste ich mich laut.

Mecki nippt an ihrem Tee. Es gibt Lehrer an dieser Schule, die würden ihre Entscheidung jetzt einfach durchboxen. Aber Mecki ist nicht so. Sie ist fair. Normalerweise.

Schließlich stellt meine Klassenlehrerin ihren Becher ab und nickt. „In Ordnung, stimmen wir ab.“ Sie steht auf, läuft zur Tafel und greift nach der Kreide. Sie schreibt Schauspielhaus, Adventure-Country und Eissportzentrum auf. „Okay, wer ist für das Schauspielhaus?“

Fünf Finger gehen in die Luft.

 

„Mitmach-Museum?“ Mein Kopf fliegt herum. Oje! Es melden sich einige. Ronni, dieser Verräter, hebt tatsächlich ebenfalls die Hand! Das verzeihe ich ihm nie!

Ich beiße mir aufgeregt auf die Lippe, während Mecki durchzählt. „Eins, zwei, drei, vier …“

Ich rechne im Kopf nach. Verdammt, wie viele Leute sind wir in der Klasse?

Lou hat den gleichen Gedanken. „Wir sind siebenundzwanzig, oder?“, flüstert sie. „Fehlt heute jemand?“

„… acht, neun, zehn. Zehn Stimmen für Adventure-Country“, stellt Mecki fest.

„Reicht das?“, fragt Lou.

Ich zucke mit den Achseln. So schnell kommt mein Kopf bei der Aufregung nicht mit. Ich schaue mich um.

„Wer möchte schlittschuhlaufen gehen?“, fragt Mecki.

Mein Arm schnellt blitzschnell nach oben. Bitte! Bitte! Wir müssen gewinnen!

„… zehn, elf, zwölf. Hat sich jemand, außer mir, enthalten? Nein?!“

Lou jubelt los, noch bevor ich kapiere, dass Gruppe Eishalle gewonnen hat!

„Ihr wollt wirklich auf die Schlittschuhe?“, fragt Mecki zerknirscht. „Aber das Mitmach-Museum ist ganz großartig. Und wir könnten uns mit Frau Müllers 6c den Bus …“

„Abgestimmt ist abgestimmt“, fällt ihr Nelly ins Wort. „Ganz demokratisch.“

„In Ordnung“, seufzt Mecki. „Aber wir müssen dann am Montag mit dem Linienbus fahren. Wir treffen uns pünktlich zur ersten Stunde vor dem Schultor und gehen gemeinsam zur Haltestelle. Wer Schlittschuhe besitzt, kann sie mitbringen. Von allen anderen sammele ich drei Euro für die Leihschuhe ein. Die Fahrkarte und den Eintritt finanzieren wir aus der Klassenkasse. Denkt an einen Euro Pfand für den Spind. Und wehe, einer von euch erscheint ohne Helm und feste Handschuhe! Wer das vergisst, schaut mit mir von der Bande aus zu.“

Jubel! Eric pfeift auf zwei Fingern.