Stella voll in Schwung - Angelika Hesse - E-Book

Stella voll in Schwung E-Book

Angelika Hesse

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Beschreibung

Show Your Energy! Für Stella und ihre Freundinnen Nelly und Lou beginnt die sechste Klasse turbulent: Das Fashion Fieber ist ausgebrochen! Die Stadt plant ein großes Modefestival, auf dem Laienmodels neben echten Stars laufen dürfen. Klar, dass auch die drei Rolling Angels auf den Laufsteg wollen – am besten mit Rollschuhen! Doch es läuft gar nicht wie erträumt: Erst werden ihnen die begehrten Plätze auf der großen Showbühne weggeschnappt. Dann passiert bei einer Anprobe ein schokoladiges Malheur. Und zu allem Überfluss fallen ihnen die drei Jungs der Skating Devils auch noch in den Rücken. Donnerschlag und Flügelbruch – es reicht! Ab sofort schalten die Rolling Angels auf volle Power und versuchen, mit viel Fantasie alle Hindernisse zu umrollen – denn in Wirklichkeit geht es um wesentlich mehr als nur ein Mode-Event … Im zweiten Band der Stella-Reihe wird es wild und mega-kreativ.   

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Seitenzahl: 217

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Angelika Hesse

Stella voll in Schwung

Band 2

 

Alle Abenteuer von Stella:

Band 1: Stella rollt an

Band 2: Stella voll in Schwung

Band 3: Stella auf Eis

Stella stellt dir Fragen auf:

Antolin.de

Impressum

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

Alle Akteure des Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind vom Autor nicht beabsichtigt.

 

Copyright © 2023 by Maximum Verlags GmbH

Hauptstraße 33

27299 Langwedel

www.maximum-verlag.de

 

1. Auflage 2023

 

Lektorat: Diana Schaumlöffel

Korrektorat: Angelika Wiedmaier

Satz/Layout: Alin Mattfeldt

Illustrationen: Edda Skibbe

Umschlaggestaltung: Alin Mattfeldt

Stella-Font: Fabian Eisenbeiß

E-Book: Mirjam Hecht

 

Druck: Booksfactory

Made in Germany

ISBN: 978-3-948346-84-3

 

Widmung

Für Anni

Inhalt

Alle Abenteuer von Stella:

Impressum

Widmung

1. Kapitel Back to School

2. Kapitel Wiedersehen

3. Kapitel Fashion-Fieber

4. Kapitel Casting-Alarm

5. Kapitel In drei Teufels Namen

6. Kapitel Hilfe für Andrea und Boris

7. Kapitel Geteilte Sorgen sind halbe Sorgen

8. Kapitel Gutschein für den Notfall

9. Kapitel Blitzeinschlag

10. Kapitel Casting 2.0

11. Kapitel Walking Angels

12. Kapitel Ein Geschenk des Himmels

13. Kapitel Schokoladenherzen

14. Kapitel Liebe sieht nicht mit den Augen, sondern mit dem Herzen

15. Kapitel Bibbidi-Bobbidi-Boo

16. Kapitel Not macht erfinderisch

17. Kapitel Bos Modefabrik

18. Kapitel Strass statt Stress

19. Kapitel Der Himmel voller Sterne

Stadtanzeiger

Die Autorin Angelika Hesse

Die Illustratorin Edda Skibbe

Mehr von Stella

1. Kapitel Back to School

 

Ich ziehe meinen helltürkisfarbenen Schulrucksack aus der hintersten Ecke unter meinem Schreibtisch hervor. „So, mein Lieber. Ferienende. Ab Morgen sind wir wieder am Start. Sechste Klasse!“ Prüfend streiche ich über meinen Engelsflügel-Aufnäher auf der Vordertasche. An einer kleinen Stelle hat sich die Naht gelöst. Die werde ich heute Abend noch ausbessern müssen. „Am ersten Tag des neuen Schuljahres können wir nicht so schlampig das Haus verlassen“, sage ich gespielt streng. Dinge, an denen man richtig doll hängt, besitzen eine Seele. Daran glaube ich fest. Denkt mal an die Toy Story oder daran, wie viele Leute mit ihren Pflanzen sprechen. Und außerdem bekommt es ja keiner mit.

Viele Mädchen der Mittel- und Oberstufe befördern ihre Bücher und Hefte in großen Umhängetaschen. Zugegeben, das sieht cool und erwachsen aus. Aber würde ich es ernsthaft übers Herz bringen, meinen türkisfarbenen Freund zu ersetzen? Auf gar keinen Fall! Vielleicht nächstes Jahr, wenn ich in die Mittelstufe komme.

Ich liebe meinen Rucksack mit den vielen bunten Patches, die ich unter Anleitung meiner Freundin Nelly aufgenäht habe. Neben den Engelsflügeln verzieren ihn ein Regenbogen-, ein Rollschuh-, ein Peace-Zeichen und ein Herz-Aufnäher. Nelly ist ein Profi in Sachen Aufpeppen. Ihre Mutter hat ein paar Semester Modedesign studiert und entwirft, näht und strickt die tollsten Klamotten. Nelly hat dieses Gen von ihr geerbt. Sie sorgt dafür, dass man die Rolling Angels auch ohne Rollschuhe aus dreißig Meter Entfernung erkennt. Die Rolling Angels, das sind Lou, Nelly und ich. Rolling Angels nennen wir uns, weil wir Rollerskating einfach himmlisch finden und der Tanz auf Rollen uns selig macht. Geniales Wortspiel, oder?! Diesen Slogan haben wir Angels uns ausgedacht: Rollerskating, der himmlische Tanz, der selig macht.

Ich öffne alle Reißverschlüsse und schüttele den Rucksack kräftig aus. Krümel, ein paar leere Tintenpatronen, zwanzig Cent, ein paar steinharte Kaugummis sowie ein zerknüllter Zettel fallen auf die Holzdielen in meinem Zimmer. Ich entfalte das kleine, weiße Blatt. Es ist ein Briefaustausch, den ich mit Lou, die mit vollem Namen Louisa heißt und im letzten Schuljahr neben mir saß, während einer Stillarbeit in Meckis Biologieunterricht geführt habe. Lou hatte mal wieder keinen Peil, was die Metaphase ist. Bio ist nicht gerade ihr Lieblingsfach. Dabei ist Mecki echt in Ordnung. Mecki heißt eigentlich Frau Meckenheim, ist meine Klassenlehrerin und hatte noch vor einem halben Jahr langes dunkles Haar. Und dann schlug sie von einem auf den anderen Tag mit einem kurzen Mecki-Schnitt in der Schule auf. Seitdem hat sie den Namen Mecki weg.

Was war noch mal die Metaphase?

Das ist die zweite Phase der Mitose und Meiose.

Wofür müssen wir so was wissen! Bio ist sooo öde!

Noch 18 Minuten …

Ich würde jetzt alles für einen eiskalten Wild-Berry-Fruchtcocktail aus dem Rollerhouse geben.

LECKER! Und eine Runde auf der Rollschuhbahn abtanzen.

Noch 14 Mi…

In diesem Moment stand plötzlich Mecki mit vorwurfsvollem Blick vor unserem Pult. Ich habe den Zettel zerknüllt und verschwinden lassen.

Mein Magen kribbelt aufgeregt bei dem Gedanken daran, endlich wieder in Bos Rollerhouse mit meinen Freundinnen ein paar Runden auf der Rollschuhbahn zu drehen und zwischendurch einen von Andreas göttlichen Milchshakes oder Spezial-Fruchtcocktails zu trinken. Andrea ist Italiener und betreibt zusammen mit seinem Mann Boris das Rollerhouse. In Italien ist Andrea übrigens ein Männername.

Und heute, am allerletzten Sommerferientag, werde ich mit Lou und Nelly einen Back-to-School- und Angels’-Reunion-Nachmittag dort verbringen. Ich habe meine Freundinnen über drei Wochen nicht gesehen. Lou war mit ihrem Zwillingsbruder Mo und den Großeltern in der Fränkischen Schweiz. Und Nelly war mit ihrer Mutter auf Verwandtschaftsbesuch in Polen. Unser Vogel-Urlaub ging dieses Jahr für zwei Wochen an die Ostsee. Wir sind erst gestern wiedergekommen.

Zur Feier des Tages ziehe ich mein blaues T-Shirt, meine kurze Jeans im Used-Look und meine bunten Lieblings-Ringelkniestrümpfe an. Dann flechte ich mir vor dem Spiegel zwei Mozartzöpfe. Fertig! Ich taste nach meiner Kette, die mir unter das T-Shirt gerutscht ist, und ziehe sie hervor. Zärtlich streiche ich über den kleinen silbernen Anhänger. Es ist ein winziger Engelsflügel. Als ich den Anhänger in dem kleinen Laden in Timmendorf an der Ostsee entdeckte, wusste ich sofort, dass er zu mir gehört. Das heißt, er gehört zu uns. Zu den Angels. Natürlich habe ich Nelly und Lou ebenfalls einen kleinen Engelsflügel mit dazu passender Kette gekauft. Wir bringen uns immer gegenseitig etwas aus dem Urlaub mit. Paps war ganz süß und hat mich gesponsert. Ich habe nämlich die schönen Schmuckstücke erst am Urlaubsende entdeckt, als in meiner Reisekasse bereits Ebbe herrschte.

Ich lasse den Anhänger wieder unter meinem T-Shirt verschwinden. Es soll eine Überraschung für Nelly und Lou werden. Ich bin megastolz, so etwas Hübsches im Urlaub für die beiden gefunden zu haben. Es wird die Rolling Angels noch mehr verbinden. Obwohl, geht das überhaupt? Nelly, Lou und ich sind die allerbesten Freundinnen, selbst, wenn wir keine Rollen unter den Füßen tragen.

Ob ich heute ausnahmsweise ein bisschen transparenten Lipgloss auftrage und meine Wimpern tusche? Ich schleiche leise aus der Tür und spicke in Jules Zimmer. Sie ist nicht da. Ich wette, sie sitzt mit ihrem dicken Fantasy-Romanschinken im Garten. Meine Schwester Jule ist in den Sommerferien sechzehn geworden und ein richtiger Bücherwurm. Mit Sport hat sie nicht viel am Hut. Mit Rollen schon gar nicht.

Auf leisen Sohlen gehe ich in ihr Zimmer, schnappe mir ihre Wimperntusche von der Schminkkommode und renne in mein Reich zurück.

Jule hat selten etwas dagegen, wenn ich mir Dinge von ihr borge. Sie besteht nur darauf, dass ich Bescheid gebe. Aber in diesem Fall würden dumme Nachfragen kommen. „Stella, warum machst du dich so hübsch? Was hast du vor? Trefft ihr die Devils? Siehst du Eric?“ Die Skating Devils sind Lous Bruder Mo und zwei weitere Jungs aus unserer Klasse, Eric und Ronni. Eric ist so was wie der Anführer der Gang. Nur, weil Nelly, Lou und ich inzwischen mit den Devils-Jungs ganz gut können, heißt das aber nichts. Und nur, weil Eric Malzahn von allen Mädchen aus der 5a … Stopp! Wir sind ja jetzt die 6a! Also, noch mal: Nur weil Eric von allen Mädchen aus der 6a angeschmachtet wird, heißt es nicht, dass ich auch für ihn schwärme. Ich himmele niemanden an! Nicht einmal Eric! Das überlasse ich Carla, seinem Chef-Groupie. Die wird nämlich schon knallrot, wenn Eric nur an ihr vorbeiläuft. Es geht das Gerücht um, dass sie während der Basketball AG Erics Straßen-Turnschuhe aus der Umkleidekabine der Jungs geklaut hat. Getragene Turnschuhe zu klauen, um seinem Schwarm näher zu sein, geht echt zu weit. Und ist auch ein bisschen eklig. Aber Carla traue ich das zu. Carla und ihre ABF Emilia sechs Wochen nicht sehen zu müssen, war eine Wohltat.

Ich trete vor den Spiegel, öffne den Mund wie ein Fisch (das machen Mama und Jule auch so) und tusche sorgfältig meine Wimpern. Bloß nicht zu dick auftragen oder verschmieren! Eine Schicht reicht. Fertig! Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel. Meine grünen Augen strahlen nun tatsächlich etwas mehr als vorher. Nun noch schnell Jules Schminke an die richtige Stelle zurücklegen. Meine Schwester besitzt ein fotografisches Gedächtnis. Die merkt sofort, wenn ich mir Sachen von ihr geborgt habe. „Stella, das Buch steht einen Millimeter weiter rechts als vorher. Hast du es ungefragt ausgeliehen?“ Oder: „Ich weiß genau, dass du meine Creme benutzt hast. Vorher waren hundertdreißig Milliliter drin, jetzt sind es nur noch hundertachtundzwanzig.“

Wie sie das anstellt? Keine Ahnung!

Ich schnappe mir meinen neuen blau-weiß gestreiften Baumwollrucksack. Mama hat ihn mir in einem Souvenirladen im Urlaub gekauft. Ich stecke die kleine schwarze Papiertüte, in denen sich die zwei Silberkettchen mit den Engelsflügel-Anhängern für Lou und Nelly befinden, hinein.

Im Flur öffne ich den Schuhschrank. Mein Herz macht einen Satz. Da stehen sie: meine babyblauen, wunderschönen Rollschuhe mit transparenten Glitzerrollen. Zärtlich streiche ich über das sich samtig anfühlende Veloursleder und säusele liebevoll: „Ich habe euch so vermisst, ihr Süßen!“ Ich schaue mich kurz um, als hätte ich Angst, jemand könnte mich beobachten, und drücke sie wie einen flauschigen Kuschelteddy an mich. Meine Rollschuhe sind besser als jedes Schmusetier.

 

Als ich hineinschlüpfe, halte ich den Atem an. Dem Himmel sei Dank, sie passen noch wie angegossen! Manchmal fällt den Füßen über Nacht nämlich ein, dass sie wachsen möchten. Und schwups, hat man ein Problem. Es käme einer Katastrophe gleich, denn die Babyblauen sind erst drei Monate alt, waren ein Geschenk zu meinem elften Geburtstag und sind die besten und tollsten Skates, die ich jemals in meinem Leben besessen habe. Und ich habe so einige Rollschuhpaare in meinem Leben verschlissen!

Ich richte mich auf, atme tief durch und öffne die Haustüre. Let’s roll! Auf, in ein neues Rolling-Angels-Abenteuer!

2. Kapitel Wiedersehen

 

Zu Bos Rollerhouse benötigt man von uns zu Hause auf Rollschuhen keine zehn Minuten. Sobald ich ein paar Meter gerollt bin, ist es, als bilden meine Babyblauen mit meinen Füßen eine Einheit. Sie sind für mich das, was für eine Meerjungfrau ihr Fischschwanz ist. Und so wie die Meerjungfrau mit ihrer Flosse superschnell schwimmen kann, flitze ich auf meinen Rollschuhen wie der Blitz durch die Straßen.

Ich folge dem Radweg Richtung Industriegebiet. Dann muss ich an dem großen Verbrauchermarkt und dem Möbelhaus vorbei. Anschließend biege ich in die kleine Nebenstraße ein und laufe durch den Torbogen des alten Kasernengeländes. Endlich! Wie sehr habe ich diesen Ort vermisst! Ich komme an der Großbaustelle vorbei. Hier, wo sich vorher ungenutzte Parkplätze und eine abbruchreife kleine Garage befanden, entsteht eine neue Outdoor-Rollschuhbahn. So hat es Bürgermeister Dr. Windhund versprochen. Es wird ein Ersatz für die abgerissene alte Bahn auf der Bezirksportanlage am Stadtrand. Als sie dem Erdboden gleichgemacht wurde, war das vielleicht ein Schock! Nicht nur für die Rolling Angels, sondern auch für die Skating Devils. Dass wir nun auf dem Gelände der Alten Kaserne eine neue Bahn bekommen, ist ein Traum. Das freut die Devils und uns natürlich sehr. Aber das Beste an dem Kasernengelände ist natürlich das Rollerhouse von Boris und Andrea: Bos Rollerhouse.

Es ist warm, so wie es im Hochsommer sein muss. Die Außenterrasse des Rollerhouse-Cafés ist gut besucht. Die hübschen Bistrotische sind fast alle besetzt. Suchend lasse ich meinen Blick über die Terrasse gleiten.

„Huhu, Stella, hier sind wir!“, höre ich Nelly rufen.

Sie springt von ihrem Stuhl auf und winkt mir zu. Ihre langen, hellblonden Locken hüpfen dabei fröhlich hin und her. Ich bahne mir vorsichtig rollend einen Weg durch die Tische zu meinen Freundinnen. Lou sitzt, über ein Stück Kuchen gebeugt, mampfend am Tisch.

„Angel-Special-Hug“, sage ich, ziehe meinen Helm aus und stürze in Nellys Arme.

Wir begrüßen uns so herzlich, als hätten wir uns ein halbes Jahrzehnt nicht mehr gesehen.

„Mensch, ich habe dich so vermisst!“, quietscht Nelly.

„Du bist für deine Verhältnisse richtig braun geworden“, stelle ich fest, als wir uns wieder gegenüberstehen. Nellys blasser Teint hat eine leichte Tönung angenommen und hebt ihre schönen blauen Augen hervor.

„Was denkst du denn? Dass in Polen die Sonne nicht scheint?“

„Wie war es denn?“

Nelly verzieht ihr hübsches Gesicht. „Entsetzlich langweilig so ohne euch. Meine Mutter und ich haben jeden besucht, der ansatzweise mit uns verwandt ist.“

Lou, die unverschämt braun gebrannt und gesund aussieht, stopft sich die letzten Reste ihres Schokoladenküchleins in den Mund. Kauend steht sie auf, um mich zu begrüßen. Ihr Mund und ihre Hände sind mit Schokolade verschmiert. Ehe ich reagieren kann, hat sie mich in ihre Arme gezogen und haut mir herzlich auf den Rücken. „Endlich sind wir wieder vereint. Lass kuscheln.“

Ich versuche, mich aus ihrer Umarmung zu winden. Das erweist sich schwieriger als gedacht. Lou ist fest entschlossen, mich mit ihrer gesamten Liebe zu erdrücken. Zärtlich reibt sie wie ein Kätzchen ihren Kopf an meiner Schulter. Dann lässt sie von mir ab.

„Lou“, sage ich seufzend mit Blick auf meine Schulter. Eine Schokoladenspur ziert mein T-Shirt.

„Upsi, da hätte ich mir wohl vorher den Mund abputzen sollen. Sorry.“ Lou grabscht nach der Serviette, auf der eben noch ihr Kuchen lag. Sie ist ebenfalls voller Schoko, daher weiche ich zurück, als sie den Fleck auf meiner Schulter damit bearbeiten will.

„Lass gut sein, Lou. Ist kein Drama. Du machst es nur schlimmer.“

„Wenn du meinst.“ Sie schaut mich unschuldig aus ihren großen braunen Augen an.

 

„Wenn du bist zu Hause, dann machst du eine Paste aus Backpulver, Essig und Spülmittel und heiße Wasser. Damit reibst du die Schokoladenfleck ein. Dann ab in die Waschmaschine, und T-Shirt ist wie neu“, erklärt hinter mir eine vertraute, fröhliche Stimme.

„Andrea!“, rufe ich freudig und drehe mich um.

„Stella, Angioletto mio. Nun sind alle Engelmädchen wieder vereint. Setz dich, und sag mir, was ich dir kann bringen.“ Andreas dunkle Augen schauen mich freundlich durch die runden Gläser einer leuchtend blauen Hornbrille an.

„Du hast eine neue Brille“, stelle ich fest. „Die ist ja fesch.“

Andrea lächelt. „Danke, für die Kompliment. Wenn du willst, dann ich leihe sie dir.“

Eigentlich braucht Andrea gar keine Brille. Er trägt Brillen lediglich als modische Accessoires, die er zu seiner Kleidung kombiniert. Die Gläser sind aus Fensterglas.

Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder und studiere die Getränkekarte auf dem Tisch.

„Was ich dir kann empfehlen?“ Andrea zupft nachdenklich an seinem spitz zulaufenden Ziegenbart am Kinn. „Ich weiß, ich bringe dir meine neue Kreation: Melonen-Mojito mit gefrorenen Melonenkugeln. Naturalmente mit keine Alkohol. Musst du probieren! Unbedingt!“

„Hört sich himmlisch an. Den nehme ich.“

„Kommt sofort.“

Andrea räumt am Nebentisch die leeren Gläser auf sein Tablett und läuft dann mit einem Augenzwinkern tänzelnd an uns vorbei. Andrea geht nicht. Andrea tanzt. Er kann gar nicht anders, sagt er, weil ihm der Rhythmus im Blut liegt. Er ist ausgebildeter Tänzer und hat sogar ein paar Jahre in Italien auf der Bühne gestanden. In einem Theater in Mailand. Nun kreiert er aber lieber neue Cocktails und backt die leckersten Kuchen. Sein Mann Boris managt das Rollerhouse und ist für die Technik zuständig. Wenn einmal im Monat die große Rollerdisco stattfindet, wird Boris zum DJ.

„Guter Himmel, was habe ich den Wild-Berry-Dream-Fruchtcocktail vermisst“, sagt Nelly und saugt genüsslich an ihrem pink-weiß geringelten Papierstrohhalm.

„Und ich die Mini-Lava-Schokoküchlein. Die waren so göttlich, ich könnte glatt noch eine weitere Portion verdrücken. Obwohl die Urrädla in der Fränkischen Schweiz auch nicht schlecht waren“, erklärt Lou.

„Urrä-was?“, fragt Nelly verständnislos.

„U-R-R-Ä-D-L-A. Schmalzgebäck. Genial lecker.“

„Wie war der Urlaub mit deinen Großeltern?“, forsche ich nach.

„Frag nicht!“ Lou verdreht die Augen.

„So schlimm?“

„Oma und Opa sind okay. Aber drei Wochen lang mit meinem bekloppten Bruder in einem Zimmer schlafen zu müssen, war die absolute Hölle! Ich bin so froh, wieder zu Hause meine eigenen vier Wände um mich zu haben.“

Mo und Lou werden immer einen Grund finden, sich zu zanken. Das wird sich wohl nie ändern.

„Und wo ist Mo jetzt?“, frage ich.

Lou schaut mich prüfend an. „Du meinst wohl: Wo sind die Devils und vor allem …“ Sie macht eine effektvolle Pause. “E…“

„Gar nichts meine ich“, falle ich ihr ins Wort, bevor sie weiterquasselt. Jetzt fangen meine Freundinnen auch noch damit an!

„Hör schon auf“, mischt sich Nelly ein. „Stella soll lieber erzählen, wie ihr Urlaub an der Ostsee war.“

„Kalt“, erwidere ich grinsend. „Achtzehn Grad ist nicht gerade Badewassertemperatur. Außerdem haben mich im Wasser ab und zu die Quallen besucht. Bäh, die waren eklig. Aber sonst war es okay. Wir waren im Hansa-Park und einen Tag in Hamburg. Und von Timmendorf aus kann man die Promenade entlang bis nach Scharbeutz skaten. Blöderweise habe ich meine Babyblauen zu Hause gelassen.“ Ich verziehe das Gesicht. „Aber ohne euch hätte mir das sowieso keinen Spaß gemacht, und Jule würde sich eher beide Beine eingipsen lassen, anstatt sich auf die Skates zu stellen.“

„Hört sich toll an. Da hätte ich gerne mit dir getauscht. Diese Verwandtschaftsbesuche in Polen waren echt nervig. Und überall gab es Essen.“ Nelly grinst. „Aber lecker war es. Ich glaube, ich habe hundert Kilo zugenommen.“

„Quatsch, du hast kein bisschen zugenommen, Nelly. Und selbst wenn, ein paar Runden im Rollerhouse, und du bist jedes Gramm wieder los.“ Ich seufze. „Ich habe euch wirklich furchtbar vermisst. Ohne euch fühle ich mich nicht vollständig.“

„Das hast du schön gesagt, Stella. Ging mir genauso. Und weil ich immerzu an euch denken musste, habe ich etwas mitgebracht.“ Nelly befördert aus ihrer Umhängetasche zwei Tüten mit bunten Bonbons. „Nichts Sensationelles, aber die Dinger sind extrem lecker.“

Lou schnappt sich eine der Tüten und reißt sie augenblicklich auf. „Kann ja jeder behaupten. Das wollen wir erst einmal testen.“ Sie wickelt ein Bonbon aus und stopft es sich in den Mund. „Hm, ischt guut“, nuschelt sie. „Geht klar, danke. Dann kommt jetzt mein Mitbringsel.“ Lou stellt zwei hübsch bedruckte Blechdosen auf den Tisch. „Da sind kleine Schokoladentafeln darin – die zarteste Schokolade, die ihr je in eurem Leben gegessen habt.“

Der Zeitpunkt ist gekommen, meine eigenen Urlaubsgeschenke zu übergeben. Gespannt inspiziere ich die Gesichter meiner Freundinnen, als sie die Ketten aus dem Seidenpapier wickeln.

Nellys große Augen weiten sich begeistert. „Die sind ja der Wahnsinn, Stella.“

Lou drückt mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. „Wow, so hübsch! Ich lege die Kette gleich um. Kannst du den Verschluss zumachen?“, bittet sie und dreht mir den Rücken zu.

Nelly hat ihre Kette bereits angelegt. „Und? Wie sehe ich aus?“

„Wie ein richtiger Engel“, scherze ich und befördere meine eigene Kette hervor.

Plötzlich verzieht Nelly das Gesicht, senkt den Kopf und beschäftigt sich intensiv mit ihrem Fruchtcocktail. „Es ziehen dunkle Wolken auf, Leute. Nicht hochschauen“, zischt sie leise.

„Oh nein“, stöhne ich, aber es ist bereits zu spät. Carla hat uns entdeckt.

Effekthaschend schiebt Carla ihre Sonnenbrille in ihr dunkelblondes Haar und stolziert auf unseren Tisch zu. Sie ist braun gebrannt, nicht so dunkel wie Lou, aber fast.

„Ach, sieh an, die A-n-g-e-l-s sind wiedervereint“, flötet sie.

„Wir konnten es auch kaum erwarten, dich wiederzusehen“, knurrt Lou.

„Tatsächlich?“, erwidert Carla spöttisch.

„Hattest du schöne Ferien?“ Ich versuche, höflich zu bleiben. Das ist in Carlas Anwesenheit nicht immer easy.

Als hätte sie auf dieses Stichwort gewartet, holt Carla Luft und plappert los. „Und ob! Wir hatten einfach einen Traumurlaub in einem mega-nicen Club in Italien. Mega! Einfach nur mega! Es gab fünf Pools, zwei mit Wasserrutsche, zwei normale und einer mit Massagedüsen. Der Urlaub hat meine Eltern ein Vermögen gekostet.“

„Und wer will das wissen?“ Lous Augen verengen sich genervt zu Schlitzen.

Ich trete ihr unter dem Tisch leicht gegen das Schienbein. Mama sagt immer: Behandle dein Gegenüber immer so, wie du von ihm erwartest, dass es dich behandelt. Das soll ein Zitat von Voltaire sein. Voltaire war ein französischer Philosoph und Schriftsteller.

Es ist nicht einfach, freundlich zu Carla zu sein, wenn sie ihre hochnäsige Art an den Tag legt. Dabei war sie früher ganz anders. Nett. Lustig. Früher heißt, als wir noch befreundet waren. Aber das ist ewig her.

Zum Glück kommt Andrea in diesem Moment mit der Bestellung. „Melonen-Cocktail, Angioletto.“ Mit Schwung stellt er den hübsch dekorierten Cocktail vor meine Nase. Dann schaut er Carla an. „Ah, noch eine bella ragazza. Warte, ich besorge eine Sitz für eure vierte amica.“

Noch ehe wir etwas einwenden können, holt Andrea vom Nebentisch einen freien Stuhl und schiebt ihn Carla unter den Hintern. „Bist du so schön braun. Urlaub?“, schwärmt er und pfeift anerkennend, als er seinen Arm mit Carlas vergleicht.

Carla nickt stolz. „Ich war drei Wochen in Italien.“

Andrea wird interessiert. „Italia? Che bello! Wo du bist gewesen?“

„Apulien“, erklärt Carla frohlockend. „Das ist am Stiefelabsatz.“

Ich wechsele mit Lou und Nelly einen genervten Blick. Jetzt sitzt sie nicht nur an unserem Tisch, sondern hält auch noch Schwätzchen mit Andrea. Das ist unser Stammcafé, unser Rollerhouse und unser Freund.

 

„Puglia. Sei felice! Du Glückliche. Weißt du, dass ich komme aus Bari?“ Dann wird Andreas Blick traurig. „Würde ich so gerne wieder nach Hause und die Familie besuchen. Zusammen mit Boris. Meine Nonna wird fünfundneunzig. Und ich kann nicht dabei sein bei die große Fest.“

„Nonna, ist deine Oma, oder?“, vermutet Nelly.

Andrea nickt. „Ja, einzige Oma. Mamma von meine Mamma. Andere Nonna schon lange lebt nicht mehr.“

„Warum fährst du mit Boris nicht hin?“, frage ich nach.

Andrea hebt traurig beide Schultern. „Wie soll das gehen? Boris und ich können die Rollerhouse nicht alleine lassen. Oder sollen wir machen alles dicht? Jetzt? Wo gerade läuft so gut?“

Ich schüttele heftig den Kopf. Auf keinen Fall, darf das Rollerhouse schließen, auch nicht vorrübergehend. Wo sollen wir sonst skaten?

„Kann niemand für euch einspringen?“, fragt Nelly. „Ihr habt doch Personal.“

Das Rollerhouse-Team hat sich in den letzten Wochen vergrößert. Erst haben Bo und Andrea den Laden alleine mit Frau Bogner, ihrer Küchenfee, gestemmt. Aber nun haben sie noch eine junge Frau, Lisa, für Küche und Service eingestellt sowie mehrere studentische Aushilfen.

Andrea schüttelt den Kopf. „Können wir Lisa oder Frau Bogner nicht zumuten die Stress alleine. Immer so viel zu tun. Aber vielleicht ihr wollt werden neue Interimsmanager, dann sag mir. Ich packe Koffer subito und fahre mit Boris nach Bari“, sagt er scherzend.

„Interimsmanager? Was soll das sein?“, hake ich nach.

„Eine Manager, der kann übernehmen die ganze Organisation und Verantwortung für eine Zeit.“

„Und könnt ihr so einen Interimsmanager nicht mit einer Zeitungsanzeige suchen?“, frage ich.

„Angioletto, Engelchen, das iste nicht so einfach. Musste jemand sein, dem wir können anvertrauen. Confidenza. Vertrauen, weißt du? Molto importante. Kann man nicht finden in Zeitung.“ Dann wendet er sich wieder an Carla. „Aber nun, was wünschst du?“

„Eine Diät-Cola“, antwortet sie.

Andrea verzieht angewidert das Gesicht. „Cara, Diät-Cola ist langweilig und auch nicht gesund.“

„Ich heiße Carla, nicht Cara.“

Andrea lacht und rückt dann seine runde Brille zurecht. „Stupido, du Dummerchen. Cara iste italienische Kosewort für liebe, hübsche ragazza. Und du biste so hübsch. Und so schlank. Musst du nicht aufpassen auf Figur. Ich weiß, ich serviere dir leckere frische Mango-Milchshake? Mit Sahne?“

„Nein, danke. Ich muss wirklich, wirklich auf meine Linie achten. Gerade im Moment. Wegen des City-Fashion-Wochenendes. Davon haben Sie bestimmt gehört, oder?“

Andrea nickt. „Naturalmente, jeder hat das.“

Hä? Was heißt: Jeder hat das?! Ich nicht! Was soll das sein? Ich schaue Nelly und Lou fragend an. Sie verziehen keine Miene. Wissen sie, wovon Carla und Andrea reden?

„Ich werde als Model auf einer ganz großen Bühne über den Laufsteg walken. Genau wie Kendall Jenner oder Gigi Hadid.“

Wovon redet sie? Und wer sind diese Leute?

„Die Namen sagen dir nichts, oder?“, fragt Carla mit Blick auf mein verständnisloses Gesicht.

„Doch“, lüge ich. „Das sind … äh.“

„Topmodels“, hilft mir Nelly aus der Patsche. „Wir sind ja nicht blöd.“

„Also gut, wenn du bekommen willst Bauchschmerzen, dann ich bringe Diät-Cola“, seufzt Andrea. „Aber ich sage noch mal, ist sehr, sehr ungesund mit die ganze Süßstoffe drin.“

Als er weg ist, schiebt Carla ihre Hände unter ihre Oberschenkel. Unruhig rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her. Es scheint ihr unangenehm zu sein, mit uns an einem Tisch zu sitzen. „Ich bin mit Emilia verabredet“, erklärt sie nun leise und fast schüchtern.

„Da hinten wird etwas frei“, sagt Nelly und deutet auf einen kleinen Tisch, von dem gerade zwei Frauen aufstehen. „Du solltest dich beeilen, bevor dort wieder besetzt ist.“

„Zu fünft wird es hier echt ein wenig eng“, füge ich hinzu. Und das ist nicht mal gelogen.

In diesem Moment kommt Carlas beste Freundin Emilia um die Ecke. „Ah, da ist sie ja.“ Carla erhebt sich, winkt ihrer Freundin zu und zeigt auf den frei gewordenen Tisch. Grußlos zieht sie ab.

„Wir sagen Andrea Bescheid, dass er dir deine Topmodel-Diät-Cola rüberbringen soll!“, ruft Lou ihr hinterher. Aber Carla reagiert nicht mehr.

„Puh! Zum Glück sind wir die los.“ Ich angle mit dem Löffel eine Melonenkugel aus dem Glas. „Nicht mal Tschüss hat sie gesagt. Sie ist die Unhöflichkeit in Person.“

„Dass Carla immer so entsetzlich angeben muss“, meint Lou grimmig.

„Wovon hat sie geschwafelt? City-Fashion-Wochenende?! Topmodel?! Bühne?! Klärt mich mal einer auf?!“

„Du hast noch nichts davon mitbekommen? Die ganze Stadt ist mit Plakaten übersät. Die Werbung für das Wochenende klebt an jeder Litfaßsäule und an den Schaufenstern der Geschäfte. Und es stand natürlich in der Zeitung.“ Lous Stimme klingt aufgeregt.

Nelly ergänzt: „Also, das Fashion-Wochenende der Stadt findet am letzten Septemberwochenende statt. Gestern lag ein Prospekt im Stadtanzeiger bei, mit dem Programm und allen Casting-Terminen. Es darf sich nämlich jeder als Laufstegmodel bewerben. Sogar Kinder und Jugendliche.“

„Castings?“, frage ich begriffsstutzig.