Stephanie von Hohenlohe - Martha Schad - E-Book

Stephanie von Hohenlohe E-Book

Martha Schad

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Beschreibung

Unbedingter Erfolgswillen und skrupelloses politisches Kalkül führen die junge Wiener Jüdin in die High Society der 1930er-Jahre. Der Bürgerstochter gelingt nicht nur der Sprung in den Hochadel und die besten Gesellschaftsschichten Englands, über den Zeitungsmogul Lord Rothermere kommt Stephanie von Hohenlohe sogar in Kontakt mit Hitler. Der "Führer" setzt seine "liebe Prinzessin" als Geheimdiplomatin für die deutsche Sache ein - durchaus mit Erfolg, bis sie in den USA als Spionin verhaftet wird. Doch das ist nicht das Ende der Karriere. Vielmehr führt sie diese nach dem Krieg unter Axel Springer und Henri Nannen zielstrebig als Zeitungsjournalistin fort. Martha Schad schreibt das facettenreiche Porträt einer der schillerndsten Frauen des Dritten Reiches.

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Seitenzahl: 372

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Martha Schad

Stephanie von Hohenlohe

Hitlers jüdische Spionin

Mit 15 Abbildungen

Herbig

Bildnachweis: Privatbesitz Prinz Franz von Hohenlohe: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 14 Ullstein bild: 7, 15 Privatbesitz Boris Celovsky: 10, 11, 12, 13

Besuchen Sie uns im Internet unter

www.herbig-verlag.de

Inhalt

Die junge WienerinIn diplomatischer Mission für Lord RothermereHitlers »liebe Prinzessin«Prinzessin Stephanies Widersacher Joachim von RibbentropDer prodeutsche »Cliveden-Kreis« der Lady AstorDie Windsors, Stephanie und WiedemannDie Amerikareisen mit politischem HintergrundZwei Rivalinnen um Hitlers Gunst: Prinzessin Stephanie und Unity MitfordFritz Wiedemann in politischer Mission bei Hermann Göring und Lord HalifaxHerrin auf Schloss LeopoldskronWiedemanns Entlassung und Stephanies Flucht aus DeutschlandDer Prozess gegen Lord RothermereHitlers Spionin als »Friedensstifterin« in AmerikaStephanies Kampf gegen Ausweisung und InternierungAls internationale Journalistin im Dienste von Henri Nannen und Axel SpringerBildteilAnhangBriefe und DokumenteLiteraturLesetipp

Die junge Wienerin

Der Wille einer Frau ist Gottes Wille – diesen Ausspruch hörte ich oft als kleines Mädchen in Wien.« Mit diesem Satz beginnt Stephanie Richter, spätere Prinzessin von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, ihre unvollendet gebliebene Autobiografie. Und unter diesem Motto sah sie ihr außergewöhnliches Leben, das den Zeitraum der Jahre 1891 bis 1972 umspannte, und somit die zu Ende gehende Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Deutschland.1› Hinweis

Stephanie Maria Veronika Juliana Richter kam am 16. September 1891 in Wien zur Welt, im Haus Am Kärtnerring 1, unmittelbar gegenüber dem damaligen Hotel Bristol. Ihren ersten Vornamen erhielt sie zu Ehren von Kronprinzessin Stephanie, der Gemahlin des Kronprinzen Rudolf von Österreich, der 1889 Selbstmord begangen hatte.

Ihren Vater, Dr. Johann Sebastian Richter, beschrieb Stephanie als einen sehr erfolgreichen Rechtsanwalt. Er wollte eigentlich Priester werden, verliebte sich dann aber in Ludmilla Kuranda und heiratete sie. Ihre Eltern, beide Arier – wie Stephanie betonte –, sah sie als sehr widersprüchliche Persönlichkeiten, mit denen sie und ihre fünf Jahre ältere Schwester Milla (eigentlich Ludmilla) jedoch eine glückliche Kindheit verlebten. In einem »Monolog am Morgen«, einer Art Zwiegespräch mit ihrer Zofe Anna, schreibt Stephanie von Hohenlohe später: »Ich wuchs auf in Wien, ich liebte Wien, ich war ein Wiener Mädel. Und wie alle anderen sang auch ich: ›Wien, Wien, nur du allein‹.«2› Hinweis

Der Vater war, wie sie sich erinnert, unglaublich gütig und voll zärtlicher Zuneigung zu ihr, die Mutter übertrieben ängstlich und ständig herumnörgelnd. So wurde aus ihr teils ein verwöhntes, teils ein eingeschüchtertes Kind.

Wenn die Kinderschwester mit der kleinen Steffi im Kinderwagen durch den Stadtpark fuhr, wurde das kleine Mädchen mit den großen strahlend blauen Augen stets bewundert. Als sie zu laufen anfing, sah man ihre »Wadeln, die unter den kinderlieben Wienern berühmt wurden«.

Die Mutter Ludmilla kam aus der alten jüdischen Prager Familie Kuranda. Der Vater, Johannes (Hans) Richter, war Katholik, Ludmilla trat erst wenige Tage vor der Hochzeit zum katholischen Glauben über. Dank seiner Anwaltspraxis konnte Hans Richter die Familie gut ernähren. Doch war er oft sehr großzügig und übernahm auch Rechtsfälle ohne Bezahlung, was seiner Frau wenig gefiel, die gerne viel Geld ausgab. Wegen einer Veruntreuung von Mündelgeldern musste der Rechtsanwalt einmal eine Haftstrafe verbüßen. Gegen Ende seines Lebens wurde er zunehmend fromm. Und als sich sein Gesundheitszustand immer mehr verschlechterte, zog er sich geistig und schließlich auch physisch von allen weltlichen Dingen zurück und trat dem Orden der »Barmherzigen Brüder« bei. Er wurde als Laienbruder aufgenommen, sodass seine Familie ihn jederzeit besuchen durfte.

Von Stephanies Halbschwester, der Schriftstellerin Gina Kaus3› Hinweis, erfahren wir Näheres über die Eltern: Nicht der arische Wiener Rechtsanwalt Dr. Johann Richter, der aus einem Bauernhof in Nordmähren stammte, sondern ein jüdischer Geldvermittler war Steffi Richters leiblicher Vater. Während der Anwalt wegen der erwähnten Veruntreuung eine siebenmonatige Gefängnisstrafe absaß, hatte seine Frau eine mehr als bloß geschäftliche Verbindung mit einem noch ledigen Geldvermittler – dem späteren Vater von Gina Kaus. Am 16. September 1891 wurde dem Ehepaar Richter die Tochter Stephanie geboren. Als sehr alte Dame wurde Gina Kaus nochmals nach ihrer Halbschwester gefragt. »Die Prinzessin Hohenlohe – sie war, vielleicht ohne es zu wissen, meine Halbschwester. Mein Vater – ein sehr einfacher Mann – hat gelegentlich erzählt, dass er vor seiner Heirat mit meiner Mutter ein Verhältnis mit einer Frau Richter hatte, während ihr Mann [Herr Richter] im Gefängnis war. Aber er hat das Kind [die Steffi], vielleicht gegen etwas Geld, anerkannt (…).«4› Hinweis

Gina Kaus verfolgte die aberwitzigen Touren ihrer um zwei Jahre älteren Halbschwester mit gemischten Gefühlen. Sie sollte sowohl im Deutschen Reich wie auch viele Jahre später in den Vereinigten Staaten immer wieder für Schlagzeilen sorgen.

Stephanie wuchs behütet auf. Sie ging höchst ungern in die Volksschule und war damit auch keine gute Schülerin. Am Ende der Schulzeit wurde sie für vier Monate in ein College nach Eastbourne in England geschickt. Dann hatte sie Klavierunterricht am Wiener Konservatorium. Sie erinnerte sich leidvoll daran, dass ihr Klavierlehrer sie mit einem kleinen Stöckchen auf die Knöchel schlug, wenn sie falsch spielte. Ihre Mutter wollte, dass sie eine Pianistin werden sollte. Doch ihre Hände waren so klein und schmal, dass sie die Oktave nicht richtig greifen konnte; somit kam dieser Beruf für sie nicht infrage.

Stephanie las keine Bücher, interessierte sich nicht für die sogenannten weiblichen Fertigkeiten wie Nähen, Sticken und Häkeln. So konnte sie auch nicht kochen, ja noch nicht einmal Wasser zum Sieden bringen, wenn sich nicht jemand fand, der das Feuer anzündete. Tiere liebte sie abgöttisch. Jede Art von Sport interessierte sie: Sie spielte Tennis, schwamm, segelte, jagte, radelte und ruderte. Sie konnte besonders gut Schlittschuh laufen, tanzte Walzer auf dem Eis und traf alle ihre Freunde im Wiener Eislaufverein. Besondere Freundinnen hatte sie nie. Mit 14 Jahren drehte sie sich ihre eigenen Zigaretten in der Schultoilette. Ihre Intelligenz ermöglichte es ihr, ohne große Anstrengung Fremdsprachen zu erlernen.

Bei einem Sommeraufenthalt im herrlichen Gmund am Traunsee stellte sich die 14-jährige Steffi der alljährlichen Wahl zur Schönheitskönigin, obwohl sie, wie sie selbst schreibt, doch noch eher ein pummeliger Backfisch war. Sie wurde als Schönste erkoren! Nun schauten die Leute nach ihr; andere Mädchen fingen an sie zu kopieren, die gleichen Kleider oder die Frisur zu tragen wie die »Steffi aus Wien«.

Eine vornehme Klientin ihres Vaters war die kinderlose Prinzessin Franziska (Fanny) von Metternich, geborene Gräfin Mittrowsky von Mittrowitz (1837–1918), Witwe von Lothar Stephan August Prinz von Metternich-Winneburg und Beilstein. Der »Grande Dame«, wie sie Stephanie später nannte, gefiel die 14-jährige Tochter von Dr. Richter, und sie bat darum, diese hin und wieder zu sich nehmen zu dürfen, was ihr auch gestattet wurde. Dadurch kam das junge Mädchen in Kontakt mit der exklusiven und adeligen Wiener Gesellschaft. Stephanie lernte schnell, sich in diesen Kreisen zu bewegen. Sie nahm wissbegierig alles in sich auf, was zu einer feineren Lebensart gehörte. Ihr Charme und ihr Lachen wirkten bezaubernd, und ihre Reitkünste brachten ihr bald einen aristokratischen polnischen Verehrer ein, den Grafen Gisycki. Dieser besaß in der Nähe von Wien ein Schloss, wohin sie ihn begleitete. Seinen Heiratsantrag lehnte sie jedoch ab, da der gut aussehende Lebemann so alt war, dass er ihr Vater, ja sogar ihr Großvater hätte sein können.

Graf Joseph Gisycki war von der amerikanischen Erbin Eleanor Medill Patterson geschieden, die mit der Tochter in die Vereinigten Staaten zurückgegangen war. Zum damaligen Zeitpunkt hätte niemand ahnen können, dass es der Ehemann der Patterson-Tochter Felicia sein würde, der für die journalistische Tätigkeit von Stephanie von Hohenlohe im Nachkriegsamerika eine nicht unerhebliche Rolle spielen sollte: der einflussreiche, sehr geschätzte amerikanische Kolumnist Drew Pearson.

Damals hatte sich Steffi für ein ehrgeiziges Lebensziel entschieden: Sie wollte einen Prinzen heiraten. Zu jener Zeit war sie gerade 15 Jahre alt, und es sollte bis zu ihrem 23. Lebensjahr dauern, bis der Prinz sich fand. In ihren Aufzeichnungen steht allerdings, dass sie mit 17 Jahren bereits verheiratet gewesen sei.

Den nächsten Heiratsantrag erhielt die gerade mal 15-jährige Steffi von Graf Rudolf Colloredo-Mannsfeld; doch diesen Adligen lehnte sie wegen seines Geizes ab.

Mit dem Tod von Stephanies Vater 1909 geriet die Familie in große finanzielle Not. Wer sollte der Witwe und ihren beiden Töchtern jetzt noch Geld leihen? Die Lösung aller Probleme kam durch den Bruder der Mutter. Dieser war als junger Hitzkopf von zu Hause weggelaufen und hatte nie wieder etwas von sich hören lassen. Und nun stand er vor der Tür, zurückgekehrt als reicher Mann aus Südafrika.

Robert Kuranda schüttete das Geld reichlich über seine Schwester Ludmilla und über seine Nichten aus. Während die Mutter angeblich überhaupt nicht mit Geld umgehen konnte, gelang es Stephanie, ihren Anteil gut und ertragreich anzulegen. Die Mutter hatte damals wieder ein »loses Verhältnis« mit einem Kaufmann. Das Geld reichte nun sogar für die Sommerreisen, die sehr häufig unternommen wurden.

Auf diesen Reisen begleiteten die Mutter, Stephanie und ihre Schwester ihre Tante Clothilde, die für kurze Zeit mit Herbert Arthur White verheiratet war, dem damaligen Wiener Korrespondenten der Times, der führenden Londoner Zeitung. Diese besaß ein schönes Stadthaus in Kensington und eine wunderbare Villa am Wannsee in Berlin. Tante Clothildes Feste waren berühmt. Sie hatte Stil und konnte es sich leisten, die damals berühmteste Tänzerin, Anna Pawlowa, einzuladen. Man reiste nach Marienbad, Karlsbad, Venedig, Berlin, Paris, Biarritz, nach Kiel zu den Regatten, an die dalmatinische Küste, nach Korsika und nach Prag.

Stephanie berichtet, dass sie bei einem von der Prinzessin Metternich veranstalteten Jagdessen gebeten wurde, etwas auf dem Klavier vorzuspielen. Ein junger Mann gesellte sich dazu, und sie begegnete ihrem zukünftigen Mann – Prinz Friedrich Franz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (15. Februar 1879 – 24. Mai 1958). Am nächsten Tag trafen die beiden sich wieder, und er bot ihr an, sie nach Hause zu bringen. Dabei bemerkte er dann, dass Stephanie eine Gouvernante hatte. Doch auch dieses »Hindernis« ließ sich überwinden, und es gelang Stephanie, drei geheime Rendezvous mit dem Prinzen zu vereinbaren. »Und innerhalb von zwei Wochen machte er mir einen Heiratsantrag.«

Als ihre Mutter von den heimlichen Spaziergängen im Park erfuhr, war sie wütend. Für Prinz Franz war es nicht leicht, mit einer solchen zukünftigen Schwiegermutter zurechtzukommen. Stephanie war bei der ernsten Unterredung zwischen den beiden nicht zugegen, aber schließlich hatte der Prinz die Mutter völlig für sich eingenommen. »Mein zukünftiger Ehemann war Militärattaché in St. Petersburg und hatte ein hohes Ansehen. Und so war ich mit 17 verheiratet. Die Hälfte der europäischen Königshäuser nannte mich nun ›Cousine‹.« So beschrieb Stephanie in ihren autobiografischen Skizzen ihren Weg von der lustigen Wienerin zur Prinzessin von Hohenlohe.5› Hinweis Sie idealisierte diesen Abschnitt ihres Lebens erheblich und schwindelte bei ihren eigenen Lebensdaten.

Die Aufzeichnungen ihres Sohnes weichen von der Darstellung der Mutter ab. Seine Mutter habe durch den abgewiesenen Verehrer Rudi Colloredo-Mannsfeld ein Mitglied des Hauses Hohenlohe kennengelernt, Prinz Nikolaus von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1877–1948). Ihn empfand Stephanie als äußerst arrogant und wies ihn zugunsten seines jüngeren Bruders Prinz Friedrich Franz von Hohenlohe zurück, den sie bei einer Parforcejagd kennengelernt habe. Dieser suchte verzweifelt seinen Kneifer, der ihm bei einem Sprung über ein Hindernis verloren gegangen war. Steffi half ihm bei der Suche, und er verliebte sich in sie. Eigentlich wollte sie auch seinen Heiratsantrag zurückweisen, doch ihre Mutter schaltete sich energisch ein und drohte ihr, sie in ein Kloster zu stecken, wenn sie Franz abweisen würde. Sie nahm den Antrag an.

Friedrich Franz Augustin Maria stammte aus der Ehe von Prinz Chlodwig Karl Joseph von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1848–1929) mit Franziska Gräfin Esterházy von Galántha (1856–1884). Zur Zeit der geplanten Eheschließung war er Militärattaché an der österreichisch-ungarischen Botschaft in St. Petersburg. Nun musste der Botschafter in St. Petersburg über das Eheversprechen informiert werden, ebenso das Amt für Auswärtige Angelegenheiten in Wien. Sowohl die Zustimmung des Kaisers als auch das Einverständnis vom Chef des Hauses Hohenlohe, Fürst August Karl Christian Kraft von Hohenlohe (1848–1926), mussten vorhanden sein.

Zur Bestellung des Aufgebots waren viele Formalitäten notwendig, sodass der Prinz schließlich vorschlug, nicht in Wien, sondern in London zu heiraten. Es ist davon auszugehen, dass eine Eheschließung für Ausländer in London nicht weniger Formalitäten erforderte. Eile schien jedoch geboten zu sein. Die Wienerin Steffi erwartete ein Kind – doch nicht von ihrem Bräutigam! Die Bereitschaft von Prinz Franz, Steffi zu heiraten, lässt sich wohl dadurch erklären, dass die Braut wohlhabend genug war, seine nicht unerheblichen Spielschulden – seine »Ehrenschulden« – zu begleichen.

Der eigentliche Kindsvater war ein anderer: Unter den schon genannten Bewunderern der bürgerlichen Steffi Richter befand sich auch ein Hochrangiger, Franz Salvator Erzherzog von Österreich-Toskana (1866–1939), Sohn des Erzherzogs Karl Salvator von Österreich-Toskana und der Maria Immaculata aus dem Hause Bourbon-Sizilien. Franz Salvator war seit 1890 verheiratet mit Erzherzogin Marie Valerie, der jüngsten Tochter von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth von Österreich.

Die Liaison des Erzherzogs mit Stephanie Richter bestand seit 1911. Und sie blieb – wie schon erwähnt – nicht ohne Folgen. Als Stephanie ein Kind erwartete, arrangierte der »gute Kaiser Franz Joseph« die Vermählung mit dem 36-jährigen Friedrich Franz Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst. Doch so wie die Hochzeit ablief, lässt sie nicht gerade auf eine Liebesheirat schließen. Sie fand am 12. Mai 1914 in aller Stille in der Westminster Cathedral in London statt. Nur Stephanies Mutter war anwesend. Die Trauzeugen waren angeheuert. Die Brautleute wohnten noch nicht einmal im selben Hotel. Ihren Mann beschrieb Stephanie folgendermaßen: »Nicht groß – und ich liebe große Männer –, dafür war er aber ausgezeichnet proportioniert.«

Aus London kehrte Stephanie Richter also als Prinzessin von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst nach Wien zurück und besaß nun die österreich-ungarische Staatsbürgerschaft. Nach dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie entschied sich ihr Mann aufgrund seiner Abstammung von dem ungarischen Haus Esterházy für die ungarische Staatsbürgerschaft. Diese behielt Prinzessin Stephanie zeitlebens bei.

Da die Hochzeit in keiner Wiener Zeitung veröffentlicht wurde, auch keine Hochzeitskarten verschickt worden waren, hatte die junge Frau gesellschaftlich in Österreich einen schweren Stand.

Sieben Monate nach der Hochzeit, am 5. Dezember 1914, brachte Stephanie ihren Sohn Prinz Franz Josef Rudolf Hans Weriand Max Stefan Anton von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in der Wiener Privatklinik Dr. Loew zur Welt. Die Patenschaft bei der feierlichen Taufe im Stephansdom zu Wien übernahm Graf Rudolf Colloredo-Mannsfeld.

Der Prinz spricht von einer glücklichen Kindheit. In der elegant eingerichteten Wohnung seiner Mutter und Großmutter gegenüber der Oper, Kärntner Ring 2, verbrachte Franz den größten Teil seiner ersten Lebensjahre. Sooft die politische Lage besonders angespannt schien, wurde Franz mit seinem Kindermädchen aus der Stadtmitte fortgeschickt. Er kam dann gewöhnlich in ein Haus in der Nähe der Donau, das Josef Graf Gisycki gehörte. Dort gefiel es dem kleinen Jungen besonders gut, denn er durfte mit den Hunden im Garten herumtollen.

Seine Schulzeit begann in Wien, dann folgten Jahre in Paris. Mit zehn Jahren kam »Franzi« in die Schweizer Privatschule »Le Rosey« bei Lausanne, wohin gut gestellte Eltern ihre hoffnungsvollen Sprösslinge zur Erziehung schickten.

Der junge Prinz Franz wechselte dann an das »College de Normandie« bei Rouen, schließlich zum »Magdalen College« in Oxford.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, musste Stephanies Mann zu seinem Regiment einrücken. Um sie und ihr Kind kümmerte sich rührend der Kindsvater, Erzherzog Franz Salvator. Dieser nahm Stephanie auch mit in das Jagdrevier des Kaisers in der Nähe von Ischl, wo sie ihren ersten Hirsch schoss. Von der Herrlichkeit der Gebirgslandschaft war sie hingerissen. Sie wusste zu berichten, dass dort der alte Kaiser die schönsten Stunden seines Lebens verbrachte, nur umgeben von einigen Jägern. Auch von der Kaiservilla in Ischl, jenem kleinen entzückenden Städtchen im Salzkammergut, schwärmte Stephanie. In ihren Aufzeichnungen beschrieb sie ganz detailliert die sparsame Einrichtung der Räume des Kaisers. Der Betstuhl war ihr aufgefallen und der Schreibtisch mit der Fotografie seiner Gemahlin Elisabeth, davor ein paar getrocknete Blumen und ein gerahmtes kleines Gedicht, das die Kaiserin ihm am Tag ihrer Verlobung geschenkt hatte.

Stephanie muss öfter in Ischl gewesen sein. Doch es gelang ihr nie, beim Betreten der Kaiservilla ein bedrückendes Gefühl loszuwerden; ihr fielen immer wieder die vielen Schicksalsschläge im Hause Habsburg ein: die ermordete Kaiserin, das tragische Ende des Kronprinzen Rudolf – Mörder der jungen Baronin Vetsera; das Attentat in Sarajevo auf den Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Gemahlin, Sophie Gräfin Chotek. Nach Ischl kam Stephanie immer nur zu Zeiten, in denen die kaiserliche Familie abwesend war.

Während des Ersten Weltkrieges diente Erzherzog Franz Salvator, General der Kavallerie, als Generalinspektor der freiwilligen Sanitätspflege, wobei er die Hilfsaktion für die Kriegsgefangenen in Russland leitete. 1916 erhielt er das Ehrendoktorat der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, wurde Protektor-Stellvertreter der Österreichischen Gesellschaft des Roten Kreuzes und des Vereins des Roten Kreuzes der Länder der heiligen ungarischen Krone. Da blieb es nicht aus, dass sich die Prinzessin ebenfalls für den Sanitätsdienst interessierte.

Nicht lange nach der Geburt ihres Sohnes meldete Stephanie sich als freiwillige Krankenpflegerin und erhielt eine Grundausbildung in Wien. Anschließend arbeitete sie als »Schwester Michaela« für drei Monate unter der Leitung der in Österreich sehr beliebten Erzherzogin Maria Therese.

Die Arbeit als Rotkreuzschwester in Wien wurde Stephanie zu langweilig. Erzherzog Franz Salvator setzte sich dafür ein, dass sie, wie von ihr gewünscht, an die Front geschickt wurde. Über ihre Erlebnisse gibt sie anschauliche Berichte. Sie kam zunächst an die russische Front, und zwar in das Feldlazarett von Lemberg. Ihre Schwester Ludmilla hatte sich ebenfalls entschlossen, dort als Rotkreuzschwester tätig zu werden. Stephanie reiste mit ihrem Diener und ihrer Kammerzofe Louise Mainz. Sorgte dies schon für Aufsehen, so fand man die mitgebrachte Gummibadewanne außerordentlich kurios. Allerdings war Hygiene für eine Krankenschwester natürlich besonders wichtig. Und um sich gegen den Gestank von Äther und verwesendem Fleisch zu schützen, rauchte Stephanie fast ununterbrochen Havanna-Zigarren, die sie vorsorglich in großen Mengen aus Wien mitgebracht hatte.

Allzu lange hielt sie es jedoch an der Front nicht aus. Auch der Chefarzt des Feldspitals, Prof. Dr. Zuckerkandl, zeigte keine große Begeisterung für die extravagante »Krankenschwester«. Stephanie nannte ihn einen sehr nervösen, reizbaren, doch brillanten Mediziner.

Mitten im Ersten Weltkrieg, am 21. November 1916, starb Kaiser Franz Joseph. Prinzessin Stephanie fuhr nach Wien und wollte sich unter die Trauergäste in der Wiener Hofburg mischen, was ihr aber nicht gestattet wurde. Es war ausgerechnet ein Hohenlohe, Prinz Konrad Maria Eusebius (1863–1918), Oberster Kämmerer des neuen Kaisers, der ihr den Zutritt verwehrte. So hatte sie sich mit der Rolle einer Zuschauerin außerhalb des Stephansdoms zu begnügen.

Sehr ergriffen war sie vom Anblick des jungen Kaisers Karl und der Kaiserin Zita, als diese zusammen mit dem Kronprinzen, dem kleinen Erzherzog Otto, unter Kanonenschüssen und Glockengeläute den Stephansdom verließen. Stephanie war überzeugt, dass jeder willens gewesen wäre, »sein Herz, sein Blut und alles, was er hatte, zu Füßen der drei jungen Menschen zu legen, um ihnen zu helfen, die schwere Bürde zu tragen und erfolgreich zu werden«.

Stephanie verbrachte in Wien gemeinsame Stunden mit dem Erzherzog Franz Salvator im Schönbrunner Tierpark. Da der Park damals noch nicht öffentlich zugänglich war, konnten die beiden völlig unbeobachtet dort spazieren gehen. Doch einmal passierte ein Unfall: Als Stephanie einen Bären füttern wollte und ihre Hand ins Gehege streckte, biss er sie in einen Finger. Sie hatte Angst, dass sie sich eine Blutvergiftung zuziehen würde, und brauchte dringend eine Tetanusspritze. Doch wer sollte sie zu einem Arzt fahren? Dem Erzherzog waren die Hände gebunden, da er die Prinzessin in einer Kutsche mit vergoldeten Rädern, die ausschließlich Mitgliedern der kaiserlichen Familie vorbehalten war, von ihrer Wohnung in der Hofgartenstraße abgeholt hatte. Es hätte einen Skandal gegeben, wenn man in der Öffentlichkeit erfahren hätte, dass der Erzherzog bei Hoftrauer mit seiner Geliebten im Tiergarten spazieren gegangen war. Er brachte die Verletzte daher zu einer nahen Trambahnhaltestelle, damit sie alleine von dort zu ihrem Arzt fuhr.

Die Freundschaft mit dem Erzherzog bedeutete Stephanie nach wie vor sehr viel: es war eine »echte und herzliche, eine die nur durch den Tod enden kann«, resümierte Stephanie 1941, ein Jahr nach seinem Tod.6› Hinweis

Ihr nächster Einsatz als Rotkreuzschwester erfolgte mit dem österreichischen Heer auf dem Weg zur Schlacht am Isonzo im Oktober 1917. Da die österreichischen Truppen ungewöhnlich schnell vorankamen, ergab sich manche komische Situation. Die Straßengräben lagen voll von großen Stücken Käse, Weinfässern und anderen Dingen, die die Soldaten geplündert hatten, um sie nach Hause zu senden, und die sie nun weggeworfen hatten.

Stephanie wusste zu erzählen, dass Soldaten, als sie bei der Einnahme von Udine in Weinkellern Fässer angeschossen und sich betrunken hatten, dort fast ertrunken wären. Da sie meist auf leeren Magen unglaubliche Mengen Wein hinunterstürzten, fielen sie oft bewusstlos um und lagen dann in dem aus den angeschossenen Fässern fließenden Wein.

Stephanie empfand, dass viele Soldaten sich in den eroberten Gebieten unmenschlich benahmen. Raubzüge wurden aber nicht nur von einfachen Soldaten verübt, auch Offiziere bedienten sich ausreichend. Stephanie meinte, sie selbst hätte das Gleiche getan, wäre sie nicht zu schüchtern gewesen, keineswegs hoher Ideale wegen. »Alle unsere Offiziere nahmen, was sie wollten.« Graf Karl Wurmbrandt-Stupach, einer ihrer Freunde vom Roten Kreuz, habe ganze Waggonladungen feiner Glaswaren und Antiquitäten von Italien aus nach Wien gesandt. Sie selbst besaß das Bett, in dem Napoleon in Campo Formio geschlafen hatte, als er den Friedensvertrag unterzeichnete. Das Bett sei aber nicht geraubt, sondern einem hungernden Bauern abgekauft worden.

In der Nachbarschaft von Tolmezzo, wo Stephanie im Hospital arbeitete, hatte die Zivilbevölkerung großen Mangel an Lebensmitteln. Die Leute kamen oft ins Hospital und boten schönes handgewebtes Leinen an im Austausch gegen Zucker, Salz und Brot. So kehrten die Schwestern und Ärzte später mit kostbaren Dingen nach Hause zurück.

Stephanie war in Görz, kurz nachdem es erobert worden war. Alle Häuser waren zerstört, der Wald um die Stadt völlig niedergebrannt. Die aus der Stadt Geflohenen wohnten im Gebirge in kleinen Hütten oder lagen in den ehemaligen Schützengräben.

Bei all ihren Einsätzen in den verschiedenen Lazaretten kam Stephanie am besten mit den Tirolern, Ungarn und Russen als Patienten zurecht. Sie konnten Schmerzen ertragen und waren sehr höflich. Am schlimmsten empfand sie die Tschechen und die Wiener, immer jammernd, sich dauernd beschwerend, nie zufrieden – so waren wenigstens ihre Erfahrungen.

Einige Zeit hielt sich Stephanie im Friaul auf. Sie erlebte Österreichs Niederlage an der Piave (Schlacht vom 15. bis 24. Juni 1918), wo die Italiener Rache für das Desaster von Caporetto nahmen. Die Prinzessin war schon längst davon überzeugt, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen war. »Aber wenn sie ihren Freunden gegenüber von ihrer Ernüchterung sprechen wollte, bezichtigte man sie des Defätismus«,7› Hinweis schreibt ihr Sohn Franz.

Die Lage an der Front hatte sich stark verschlechtert. Es gab weder in den Hospitälern noch für die Truppen etwas zu essen. Die allgemeine Stimmung war gedrückt. Da erhielt Stephanie eines Tages die dringende Aufforderung, den Kriegsschauplatz zu verlassen. Reisefähige Verwundete wurden in ihre Heimatländer zurückgeschickt, und es gab weniger zu tun für die Pflegerinnen. Stephanie machte sich auf die Reise von Triest nach Wien. Es dauerte drei Tage und Nächte, bis sie dort ankam.

Im Hochsommer 1918 übersiedelte die Prinzessin mit ihrem Sohn für einige Zeit nach Grado, wo es in den letzten Kriegsmonaten angenehmer war als in Wien. Der Waffenstillstand vom November 1918 bedeutete auch das Zerbrechen der Habsburger Doppelmonarchie Österreich-Ungarn.

1920, zwei Jahre nach Kriegsende, nahm die nicht ebenbürtige Ehe zwischen Stephanie und Prinz Franz von Hohenlohe ihr Ende. Am 29. Juli erfolgte in Budapest die Scheidung. Es war eindeutig der Wunsch des Ehemannes, sich von seiner Frau zu trennen. Was Stephanie sehr ärgerte, war die Tatsache, dass er sich bereits ein halbes Jahr später wieder verheiratete, obwohl er ihr geschworen hatte, eine zweite Ehe käme für ihn nicht infrage. Seine zweite Gemahlin wurde bereits am 6. Dezember 1920 Emanuela (Ella) Gräfin Batthyány (1883–1964), die für ihn ihren Mann und ihre drei Kinder verlassen hatte.

Andererseits war Stephanie jetzt frei und konnte tun und lassen, was sie wollte. In einem Kapitel ihrer Memoiren »Europa zwischen den Kriegen« gab sie unumwunden zu, die Zwanzigerjahre sehr genossen zu haben. Wie sie schreibt, herrschte in der Zeit der Ersten Republik in Österreich, aber auch in der Weimarer Republik in Deutschland eine große Vergnügungssucht, besonders unter den Reichen. Und doch hatte Stephanie auch ein Ohr für die politischen Schwierigkeiten in Deutschland, die Reparationszahlungen nach dem verlorenen Krieg, bei denen – wie sie schrieb – Deutschland den »Peter ausraubte, um Paul zu bezahlen«. Sie beobachtete auch voll Sorge, wie vor allem die Balkanstaaten ins Chaos fielen.

In Wien spürte sie starke soziale Unruhen. Stephanie fragte sich: »Aber was konnten wir und speziell ich als eine Frau tun?« Ihre Antwort darauf: »Nichts, außer die müden Diplomaten und Minister, auf deren überlasteten Schultern die Verantwortung lag, aufzuheitern. Diese wünschten, sich nach getaner Arbeit mit einer Frau zu unterhalten und sich zu entspannen.«

In Wien zählte Stephanie in dieser Zeit zu den Lieblingen von Frau Sacher, der Besitzerin des berühmten, bis heute existierenden Hotels Sacher. Hier verbrachte sie viel Zeit, knüpfte neue Freundschaften und pflegte sie in den Chambres séparées. Doch auch auf den Golfplätzen oder als Gast bei Jagdgesellschaften lernte sie reiche, meist adelige Herren kennen.

Es war der Prinzessin damals gewiss nicht bewusst, dass die Verbindungen, die in jenen turbulenten, genusssüchtigen Zeiten geknüpft wurden, für sie eines Tages von unschätzbarem Wert sein würden. Rückblickend bestätigte sie: »Sie stellten mir einen ›Pass‹ aus, der mir jede Tür öffnen konnte und dies später auch tat.«

Stephanies geplante Erzählungen über die internationale Herrengesellschaft, in der sie verkehrte, wären – wie sie selbst schrieb – äußerst amüsant geworden, für einige Personen, die in der Öffentlichkeit standen, aber auch ziemlich entlarvend. Ihre Anekdoten hätten zu einem gewissen Grad widerspiegeln wollen, was Menschen in so hohen Positionen sagten und dachten.

In ihren Memoiren bringt Stephanie eine Liste von Personen, die in diesen »Friedenszeiten« und in späteren Jahren eine Rolle in ihrem Leben gespielt haben: der Herzog und die Herzogin von Windsor, Aga Khan, Lloyd George, Clemenceau, Papst Pius XI. und Pius XII., Arturo Toscanini, Lady Mendl (oder Mandl), Lady Cunard, Sir Thomas Beecham, König Gustav von Schweden, Manuel von Portugal, Sir Malcolm Sargent, Baron Rothschild, Leopold Stokowski, Prinzregent Admiral Horthy, Neville Chamberlain, Geoffrey Dawson, Wickham Steed, Fritz Kreisler, Peggy Hopkins, James Joyce, Lady Londonderry, der Maharadscha von Baroda, Lady Oxford, Sir Thomas Moore, Lord Brocket und Lord Carisbrooke.

Im Salon der Prinzessin in Wien verkehrten viele Freunde und Verehrer. Wie ihr Sohn immer wieder beteuert, bekam sie ständig Heiratsanträge, doch sie wollte ihr völlig ungebundenes Leben weiterführen. Einer ihrer vielen Verehrer war George de Woré, der griechische Konsul in Wien. Er stammte aus einer äußerst vermögenden Athener Familie und hieß eigentlich Anastasios Damianos Vorres. Er bot ihr das Leben, das ihr gefiel. Sie reisten gemeinsam jahrelang durch Europa, und Stephanie hatte dabei keinerlei Geldsorgen.

Dann folgte ein reicher Amerikaner, John Murton Gundy, und als Nächster der noch verheiratete Millionär Bernstiel, ihr »ergebener Sklave«, der sie reich beschenkte.

Doch Stephanie merkte immer mehr, dass durch den Krieg der Glanz Wiens erloschen war, dass das Ende der Monarchie so viele Änderungen gebracht hatte und dass sie jetzt im Grunde immer unter Beobachtung stand, wenn sie mit einem ihrer reichen, einflussreichen Galanen in dem von ihr so geschätzten Hotel Sacher erschien.

Auch war buchstäblich zu spüren, dass eine Inflation drohte. Klug wie sie war, entschloss sie sich 1922, Österreich zu verlassen. Es gelang ihr ziemlich rasch, einen Käufer für ihre Wohnung zu finden, die Einrichtung, das Porzellan, die Autos mit eingeschlossen. Ihr Sohn nannte den dafür erzielten Betrag »astronomisch«. Das Geld zahlte sie nicht etwa auf einer Bank ein, nein, sie stopfte ihre Reisetaschen voll damit und steuerte Paris an. Im letzten Augenblick entschied sie aber dann doch – wohl wegen der kalten Jahreszeit –, kurz vor Weihnachten nach Nizza zu fahren. Natürlich reiste sie nicht allein. Ihr Sohn Franzi mit Kindermädchen, ein Dienstmädchen, ein Diener, ihre Schwester Milla, ihre Freunde Ferdinand Wurmbrandt, Karl Habig und Graf und Gräfin Nyári waren bei ihr.

Als sie in Nizza ankam, quollen aus dem Schlafwagen dann gleich noch mehrere Hunde und jede Menge Koffer. Nachdem sie sich eine Villa an der Promenade des Anglais Nr. 123 gemietet hatte, erwarb sie einen Wagen, mit dem sie nur eines wollte, nämlich auffallen: einen gelben Tourenwagen Chenard & Walker mit silberglänzender Motorhaube und einer zweiten Windschutzscheibe für die Rücksitze.

Stephanie lebte ihr Leben in vollen Zügen. Häufiger Gast war sie in der Spielbank, einmal, wie ihr Sohn schreibt, »ohne einen Büstenhalter unter einem durchsichtigen Musselinkleid«.

Zu ihren Freunden zählten auch die damals zahlreich in Südfrankreich lebenden Russen, meistens Großfürsten. Einen intensiven Flirt erlebte Stephanie mit dem Großfürsten Dimitri. Dieser und Stephanies langjähriger Freund Baron Hubert Pantz waren auch einige Zeit liiert mit Coco Chanel, der berühmten Modeschöpferin. Beide Damen waren darüber hinaus mit dem Herzog von Westminster befreundet. Dieser lud Stephanie zum Fischen nach Schottland ein. Dort wurde sie von einem schottischen Diener betreut und musste stundenlang die Angel auswerfen. Erst am Abend sah sie den Herzog, dessen Heiratsantrag sie nach einer Woche Aufenthalt in der schottischen Einsamkeit dankend ablehnte. Sie überließ ihn Coco Chanel, die ihn aber auch nicht heiratete.8› Hinweis

Eine sehr lange und »früchtetragende«, also lukrative Beziehung entwickelte sich mit dem Amerikaner John Warden aus Philadelphia. Er führte sie in das Finanzgeschehen an der Börse ein, an der er sehr erfolgreich war. Stephanie lernte schnell, und dieses Wissen konnte sie oft anwenden. Über zehn Jahre betete John Warden sie an; dann heiratete er eine junge Polin, die kurz darauf eine äußerst reiche Witwe wurde.

Im Herbst 1925 richtete sich die Prinzessin in einer der vornehmsten Gegenden von Paris, in der 45, Avenue Georges V eine Wohnung ein. In ihrem Haushalt beschäftigte sie zu jener Zeit neun Angestellte.

In diesem Haus wohnte damals auch Sir William Garthwaite, ein Versicherungstycoon. Sir William und die Wienerin kamen sich näher, und er half ihr immer wieder aus ihren Geldverlegenheiten. Auch eine jahrelange Auseinandersetzung mit ihrer Versicherung, die den Verlust durch einen angeblichen Raub am helllichten Tage nicht ersetzen wollte, ließ sich durch sein Eingreifen zu Stephanies Gunsten beenden.

Erwähnenswert ist auch folgende Episode: Stephanie liebte Hunde. Ihr Lieblingshund war ein Skyeterrier, dessen Stammvater Peter ein Geschenk ihres Verehrers Rudi Colloredo-Mannsfeld war. Als Stephanies Diener ihren Skyeterrier im Park spazieren führte, sprach ihn ein Herr an, der an einem solchen Hund interessiert war. Es war Michel Clemenceau, der für seinen Vater Georges Clemenceau (1841–1929), den zweimaligen Premierminister von Frankreich, ein solches Tier suchte. Michel Clemenceau sprach daraufhin bei der Prinzessin vor; er war von ihr hingerissen und wollte sie heiraten. Sie jedoch zog ein offenes Verhältnis vor, das immerhin einige Jahre dauerte.

Hin und wieder lebte Stephanie von Hohenlohe in Monte Carlo, das ihr aber bald »so trostlos wie abgestandenes Wasser« vorkam. Sie favorisierte Cannes. Dort begegnete ihr der vom Gehilfen eines Leichenbestatters zu einem der größten Luxushotelbesitzer aufgestiegene François André. In der ihm gehörenden Spielbank in Cannes gewann und verspielte Stephanie hohe Summen.

Die Sommerzeit verbrachte Stephanie auch gerne im Badeort Deauville in der Normandie. Dort traf sie auf den Multimillionär Solly Joel, den Hauptaktionär der südafrikanischen Diamantengruben »De Beers Consolidated Mines«.

Der Sommer 1928 gehörte ganz einer Reise durch Europa in der angenehmen Gesellschaft von Kathleen Vanderbilt und deren Mann Harry Cushing senior, von Robert Strauss-Huppe, dem späteren US-Botschafter in Ceylon, Brüssel und Stockholm, sowie weiteren Personen.

Das Jahr 1932 brachte aus mehreren Gründen einen tiefen Einschnitt in Stephanies Leben. Zum einen hatte sie mit ihrem Chauffeur Mostny auf dem Weg nach Triest einen Autounfall. Der Wagen war schrottreif. Die Prinzessin schlug sich nach Triest durch und fuhr mit dem nächsten Expresszug zurück nach Paris. Auf dieser Bahnfahrt lernte sie den gut aussehenden amerikanischen Bankier Captain Donald Malcolm kennen. Die beiden wurden für einige Zeit unzertrennlich. Die größte Veränderung war aber, dass die Prinzessin eine hoch bezahlte, politisch tätige Dame im Dienste des Londoner Zeitungsverlegers Lord Rothermere wurde, den sie bereits seit 1925 kannte.

In diplomatischer Mission für Lord Rothermere

Einige Leute schreiben über mich, daß ich von Anfang an entschlossen gewesen sei, eine einflußreiche Rolle in der internationalen Politik einzunehmen. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt als dieser Satz.« Mit dieser Klarstellung fing Stephanie von Hohenlohe ihre stichpunktartigen Aufzeichnungen für ihren Ghostwriter Rudolf Kommer an.9› Hinweis Ihre politischen Aktionen begannen mit der Zusammenarbeit mit dem englischen Zeitungsverleger Harold Sidney Harmsworth (1868–1940), seit 1913 erster Lord Rothermere. Sie hatte ihn im Sommer 1925 in Monte Carlo kennengelernt. Er war eine sehr bekannte Persönlichkeit an der Côte d’Azur; man sprach von seiner Macht, seinem Reichtum und seinem Einfluss. Im Sport Club von Monte Carlo begegnete sie dem leidenschaftlichen Spieler, der ständig von »Speichelleckern« umgeben war. Er lud sie zu einem Drink ein, und es wurde daraus eine 13 Jahre dauernde Verbindung.

Es gibt aber auch eine andere Version: die Bekanntschaft mit Rothermere sei durch James Kruze, einem Angestellten seiner Firma, und dessen Frau Annabelle, einer ehemaligen Geliebten Rothermeres, zustande gekommen. Es könnte aber auch so gewesen sein, dass der knapp 60-jährige Engländer und die 34 Jahre alte Wienerin sich im Spielcasino in Monte Carlo miteinander bekannt gemacht hätten. Lord Rothermere habe eine Pechsträhne am Spieltisch gehabt, und die neben ihm spielende Stephanie half ihm mit 40 000 Francs aus. Angeblich habe sie dafür Anteile an seinem Zeitungsimperium erhalten.

Jedenfalls lud Lord Rothermere nach den ersten gemeinsamen Drinks Prinzessin Stephanie in seine Villa La Dragonière nach Cap Martin ein. Hatte die Prinzessin auf eine neue Eroberung gehofft, so wollte Rothermere vorerst jedoch nur über seine Geschäfte reden.

Lord Rothermere war mit Mary Lilian verheiratet, die ihn aber kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges verlassen hatte und ein freies Leben in Frankreich in der Gesellschaft von Literaten wie André Gide und anderen vorzog.

Lord Rothermere, der selbst recht bescheiden lebte, hatte jedoch eine Schwäche: schöne junge Frauen. Da er mit dem großen russischen Tänzer Sergej Diaghilew bis zu dessen Tod im August 1929 befreundet war, tummelten sich oft Balletteusen um ihn, oder er gab große Abendveranstaltungen mit den renommiertesten Tänzerinnen in einem seiner prächtigen Wohnsitze.

Lord Harold Rothermere war der Bruder des aus dem Ersten Weltkrieg bekannten Zeitungsmannes Lord Northcliffe, ursprünglich Alfred Harmsworth. In den Jahren der Weimarer Republik galt Alfred als einer der schärfsten Feinde Deutschlands und als Verfechter des französischen Standpunkts. Nach dessen Tod im Jahr 1922 übernahm Lord Rothermere die volle Verantwortung für die Zeitungen Daily Mail, Daily Mirror, Evening News, Sunday Pictorial und Sunday Dispatch.

Im Sommer 1927 hielt sich Stephanie zusammen mit Lord Rothermere in Monte Carlo auf. Sie begegneten einem Journalisten, der dringend eine Story für seine Zeitung suchte. Stephanie erwähnte ganz nebenbei, dass sie es gut fände, wenn er einmal über die Lage in Ungarn schriebe. Rothermere, der zuhörte, war sogleich begeistert von der Idee und ließ sich von Stephanie über Ungarn »aufklären«. Zunächst wurde eine Landkarte von Mitteleuropa gekauft, und Stephanie zeigte ihm das Land Ungarn in seinen damaligen Grenzen. In ihren Aufzeichnungen stellte die Prinzessin sich selbst die Frage, ob ihr Herz auch für Ungarn geschlagen hätte, wenn sie nicht mit einem Mitglied des ungarischen Zweigs der mediatisierten Linie einer deutschen Adelsfamilie verheiratet gewesen wäre. »Würde ich mich so für die Tschechoslowakei engagieren, wenn ich mit einem Prinzen Lobkowitz verheiratet gewesen wäre?« Letztlich erklärte sie ihr Interesse für Ungarn mit ihrer Liebe zu diesem Volk und betonte, dass damals keinerlei politische Interessen dahintergestanden hätten.

Stephanie schlug vor, den ungarischen Gesandten in London, Baron Rubido-Zichy, nach Paris einzuladen, um mit ihm Gespräche über eine Wiedererrichtung der Monarchie in Ungarn zu führen. Doch dieser lehnte ab. In seinen Blättern eröffnete Lord Rothermere nun einen Feldzug für die Revision des den Ungarn diktierten Friedensvertrags von Trianon.10› Hinweis Er lancierte in seiner Zeitung Daily Mail am 21. Juni 1927 einen ausführlichen Artikel mit dem Titel »Ungarns Platz an der Sonne«. Nicht nur der Titel, sondern der ganze Artikel stammte von der Prinzessin und war unglaublich erfolgreich; die Redaktion erhielt 2000 Leserbriefe an einem Tag.

Prominente Ungarn nahmen mit Rothermere Kontakt auf. Es begann ein aufwendiges Programm zur Wiedererrichtung der Monarchie in Ungarn.11› Hinweis Eine Gruppe monarchistischer Aktivisten bot Lord Rothermere sogar die ungarische Königskrone an, ein Gedanke, den er für einen Augenblick ernst nahm. Der Lord konnte sich aber auch seinen Sohn Esmond auf dem vakanten Königsthron vorstellen. Darüber war allerdings die Prinzessin sehr verärgert, denn sie dachte selbst darüber nach, ob nicht ihr adeliger Sohn König von Ungarn werden könnte.

Im Jahr 1928 fasste das ungarische Parlament den Beschluss, dem englischen Lord offiziell den Dank des ungarischen Volkes auszusprechen. Die Universität von Szeged erbot sich, ihm »für seine selbstlosen Bemühungen um das ungarische Anliegen« den Ehrendoktorhut zu verleihen. Prinzessin Stephanie riet ihm jedoch, lieber seinen Sohn Esmond nach Ungarn zu schicken, damit man diesen dort kennenlernen könne. Er wurde mit unglaublicher Begeisterung empfangen und sogar vom ungarischen Primas, Kardinal Serédi, feierlich gesegnet. Für seinen Vater nahm er ein handgefertigtes Automobil, dessen gesamtes Chassis aus verstärktem Silber bestand und dessen Kühlerhaube mit gehämmertem puren Gold überzogen war, entgegen.

Doch es darf nicht übersehen werden, dass weder der damalige Ministerpräsident, Graf Bethlen – nach wie vor ein Verfechter der habsburgischen Thronfolge –, noch der Reichsverweser Admiral Horthy, der sich mit geheimen Plänen für seine eigene Dynastie trug, von dem Geschehen um den Engländer Kenntnis nahm. Selbst die britische Regierung warnte die Ungarn vor Lord Rothermere.

Stephanies Situation in Frankreich wurde im Jahr 1932 zunehmend unangenehmer. Die französische Regierung wollte nicht, dass mit der »Kleinen Entente herumgepfuscht« werde. Man munkelte, die Prinzessin sei die treibende Kraft hinter der Ungarnkampagne, von der die Zeitungen voll waren. The Review of Reviews wies genau nach, dass sie die ganze Ungarnaktion in Gang gebracht habe. Sie wurde förmlich unter Druck gesetzt, ihre Aktivitäten für Rothermere aufzugeben. Der Lord selbst schwieg dazu. Außerdem bezichtigte man sie der Spionage. Die Prinzessin verließ tatsächlich Paris und übersiedelte mit ihrer Mutter und ihren Hunden nach London.

Wenn man in den nicht veröffentlichten Aufzeichnungen der einstigen Berliner Journalistin Bella Fromm liest, fällt auf die Pariser Zeit im Leben der Prinzessin Stephanie ein neues Licht.12› Hinweis Fromm weiß zu berichten, dass Prinzessin Stephanie 1932 wegen ihrer Spionagetätigkeit aus Paris ausgewiesen worden sei. Sie stand dort schon längere Zeit in Verbindung mit Otto Abetz, der in Frankreich für eine französisch-deutsche Verständigung arbeitete. Damals war er noch nicht der NSDAP beigetreten und hatte keine Vorstellung davon, dass er eines Tages Hitlers Botschafter in Frankreich sein werde.13› Hinweis

Auch in dem am 28. Oktober 1941 in den Vereinigten Staaten erstellten »Memorandum« Prinzessin Stephanie betreffend wird auf eine Ausweisung aus Frankreich wegen Spionagetätigkeit der Prinzessin hingewiesen.14› Hinweis

Schon vor ihrem Weggang aus Paris 1932 war Stephanie in große Geldnot gekommen, denn von Rothermeres gelegentlichen Geld- oder Schmuckgeschenken konnte sie ihren teuren Haushalt nicht bestreiten. So musste sie den Lord zum Jahresanfang 1932 um ein Darlehen von 1000 Pfund bitten, das dieser ihr aber nicht gab.

Captain Donald Malcolm, der durch den Börsenkrach von 1929 an der Wallstreet einen Teil seines Vermögens verloren hatte, war nach London in die Nähe der Prinzessin übergesiedelt und versuchte sich als ihr Finanzberater. Er riet der Prinzessin, mit Rothermere einen Arbeitsvertrag als Gesellschaftsjournalistin auszuhandeln. Er konzipierte selbst den Vertrag, den Rothermere am 27. Juli 1932 für die Dauer von drei Jahren unterschrieb und dann nochmals für drei Jahre verlängerte. Ihr jährliches Einkommen erreichte die beträchtliche Summe von 5000 Pfund, für jeden einzelnen Auftrag weitere 2000 Pfund. Der Vertrag bestand bis Anfang 1938. Somit hatte die Prinzessin in den fünfeinhalb Jahren eine Viertelmillion Dollar zur Verfügung.

Nachdem Stephanie von Hohenlohe nun im Dienst des einflussreichen Zeitungsverlegers stand, begann für sie ein völlig neues Leben. Ihr erster Auftrag führte sie im August 1932 nach Steenokerzeel in Belgien, wo die verwitwete Kaiserin Zita mit ihren Kindern lebte. Für die bevorstehenden Reisen erbat sie von Rothermere eine Sonderanfertigung eines Rolls-Royce in den Farben Schwarz und Gelb, den Wappenfarben des Hauses Habsburg. Die Prinzessin sollte der ehemaligen Kaiserin Zita die Pläne Lord Rothermeres in Sachen Ungarn näherbringen und ihr gleichzeitig eine jährliche Apanage anbieten.

Laut den 1976 veröffentlichten Memoiren ihres Sohnes Franz wurde die Prinzessin in Steenokerzeel von Prinz Sixtus, einem der Brüder Kaiserin Zitas, empfangen. Sie informierte diesen über das große Interesse von Rothermere an Ungarn und das Angebot, der nun schon 14 Jahre im Exil lebenden Kaiserin eine jährliche Apanage zu gewähren. Der Prinz begegnete dieser ganzen Angelegenheit mit sichtlichem Misstrauen und verlangte ein schriftliches »Angebot«.

Ganz anders beschreibt Brook-Shepherd das Geschehen in seiner 1991 erschienenen Biografie über Kaiserin Zita aufgrund der von ihm durchgeführten Forschungen im Habsburger-Archiv in Wien:15› Hinweis Die Prinzessin habe zunächst in Steenokerzeel angerufen und um ein Gespräch mit der Kaiserin gebeten. Doch die Kaiserin weilte in Frankreich, und Stephanie konnte sich lediglich mit der Hausdame, Gräfin Viktoria Mensdorff, an einem Nachmittag in einem Brüsseler Hotel treffen. Sie zeigte ihr persönliches Empfehlungsschreiben von Lord Rothermere vor sowie den an die Kaiserin gerichteten Brief in derselben Handschrift. Stephanie von Hohenlohe kannte die exorbitante Summe, die der Kaiserin angeboten wurde: 30 000 Pfund Sterling.16› Hinweis

Die Hausdame teilte der Überbringerin der Briefe nun die Telefonnummer und Adresse der Kaiserin in Vichy mit, wohin sie dann reiste. Unklar ist bis heute, ob die Summe von 30 000 Pfund Sterling angenommen wurde. Gräfin Mensdorff vermutete, dass sie möglicherweise dazu bestimmt war, europäische Zeitungen für die monarchistische Sache zu gewinnen. Über die Prinzessin schrieb sie: »Ich dachte, sie sei ein Flirt von L[ord].R[othermere]. und habe in einem guten Moment die Summe bei ihm gefordert, um helfen zu können, denn sie erwähnte, Lord Rothermere habe ein so großes Interesse an Seiner Majestät.«17› Hinweis

Viele Jahre später befragt, beurteilte »Seine Majestät« Otto von Habsburg diesen Fall konkreter: »Im Sommer 1932 ging die Rothermere-Affäre momentan förmlich wie ein Soufflé auf. Wir kamen niemals ganz dahinter, aber wir hatten den Eindruck, daß in Wirklichkeit irgendein Zusammenhang mit Erzherzog Albrecht und seinen Ambitionen auf den ungarischen Thron bestand. Wenn dies, wie wir argwöhnten, ein Versuch war, Rothermere samt seinem großen Vermögen und seinem Einfluß für ihn zu gewinnen, dann fiel das Ganze schwer ins Gewicht, denn Albrecht war innerhalb der Familie immer der aktivste Herausforderer – natürlich mit Unterstützung durch seine Mutter, die meine Eltern immer haßte.«18› Hinweis

Auf Wunsch von Rothermere ging Prinzessin Stephanies nächste Reise nach Budapest zu dem mit ihr ebenfalls eng befreundeten Reichsverweser Admiral von Horthy. Der Auftrag lautete, die Haltung der dortigen führenden Regierungsmitglieder zur Frage einer Restauration der Habsburger zu erkunden.

Dabei war es doch ganz offensichtlich, dass – außer ein paar Hundert Royalisten – niemand einen Habsburger auf dem Thron sehen wollte. Doch Lord Rothermere war der Meinung, dass nur Otto von Habsburg als möglicher Thronfolger für Ungarn infrage käme.

Am 29. Oktober 1932 wurde die Prinzessin zum letzten Mal in dieser Mission von Rothermere nach Ungarn geschickt. Dieses Mal hatte sie General Gyula Gömbös (1886–1936), den ungarischen Ministerpräsidenten, aufzusuchen. Sie sollte Gömbös, einen Konservativen des rechten Lagers, vor der »roten Gefahr« warnen, die über Europa heraufziehe. Rothermere wollte Gömbös eindringlichst übermitteln lassen, dass das monarchistische Führungsprinzip das mächtigste Bollwerk gegen den Bolschewismus darstelle. Er befürwortete ein enges Zusammengehen mit dem Italien Mussolinis, doch es fehlte ihm eine klare politische Linie. Gömbös gab der Prinzessin einen Brief an Rothermere mit nach England und dankte ihm für alles, was er für Ungarn getan hatte.

Budapest 4. November 1932

Sehr verehrter Lord Rothermere!

Das, was Sie mir durch Prinzessin Hohenlohe mitteilen ließen, weiß ich sehr wohl zu schätzen. Nehmen Sie meinen verbindlichen Dank entgegen; alles, was ich sonst noch dazu zu sagen habe, wird Ihnen die Prinzessin wortgetreu ausrichten. Hiermit möchte ich Ihnen für alles danken, was Sie bis heute für unser Land getan haben, und meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß Sie dies auch in Zukunft tun werden.

Ihr sehr ergebener Gömbös19› Hinweis

Während Lord Rothermere noch immer an einer Wiedererrichtung der Monarchie in Ungarn interessiert war, streckte er auch schon seine Fühler zum einstigen regierenden Haus Hohenzollern aus. Somit bestand die Aufgabe für die Prinzessin im Sommer 1932 in einer Reise nach Schloss Doorn in den Niederlanden zu Wilhelm II., dem abgedankten Kaiser von Deutschland. Es fiel ihr nicht schwer, dort vorgelassen zu werden, denn sie war bereits seit Langem mit dessen Sohn, Kronprinz Wilhelm, befreundet und hatte mit ihm schon ausgiebig geflirtet.

Sie selbst schrieb über diesen Besuch in Doorn: »Der Kaiser empfing mich. Er ist freundlich, aber nicht begeistert von dem Plan. Von Rothermeres Bruder, Alfred Northcliffe, stammte die Redewendung: ›Hängt den Kaiser!‹ Der Kaiser war natürlich argwöhnisch, sich mit einem Mitglied der Northcliffe-Familie einzulassen.«20› Hinweis