Stolz und Vorurteil - Jane Austen - E-Book
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Stolz und Vorurteil E-Book

Jane Austen.

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Beschreibung

Eine unvergessliche Geschichte über die ganz große Liebe

Für die Familie Bennet wird es höchste Zeit, die drei ältesten der insgesamt fünf Töchter zu verheiraten. Kein leichtes Unterfangen für eine Familie auf dem Land, die nur über ein bescheidenes Vermögen verfügt. Ausgerechnet die intelligente Elizabeth, das Lieblingskind des Vaters, erweist sich als besonders schwierig. Zum allgemeinen Unverständnis schlägt sie den Antrag eines wohlsituierten Pfarrers aus. Dann lernt sie den gutaussehenden Mr. Darcy kennen, doch dieser scheint zunächst nur wenig Interesse an ihr zu haben …

Stolz und Vorurteil ist die berühmteste Liebesgeschichte aller Zeiten und aus dem Kanon der Weltliteratur nicht mehr wegzudenken.

PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt. – Ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022

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Große Emotionen, große Dramen, große Abenteuer – von Austen bis Fitzgerald, von Flaubert bis Zweig. Ein Bücherregal ohne Klassiker ist wie eine Welt ohne Farbe.

Jane Austen (1775–1817) wurde in Steventon, Hampshire, geboren und wuchs als siebtes von acht Kindern im elterlichen Pfarrhaus auf. Ihre literarische Welt war die des englischen Landadels, deren sorgsam kaschierte Abgründe sie mit feiner Ironie entlarvte. Die Popularität von Jane Austen ist bis heute ungebrochen, ihre Romane begeistern Leser und Leserinnen auf der ganzen Welt.

»Andrea Otts funkelnde Übersetzung wird dem Original weitaus gerechter als frühere Übersetzungen, denn sie ist frei von etwas, was auch Austen völlig fremd war: Steifheit.« Neue Zürcher Zeitung

»Jane Austen vollbringt Wunder. Die Spannung, wer wen bekommt, steigert sich bis zum Schluss …« Süddeutsche Zeitung

»Immer wieder lesen, so lange man lebt: alle Romane von Jane Austen.« FAZ

Jane Austen

STOLZ UND VORURTEIL

Aus dem Englischen von Andrea Ott

Mit einem Nachwort von Effi Bettinger

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe erschien 1813 unter dem Titel Pride and Prejudice.

Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Manesse Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Regg Media in Adaption der traditionellen Penguin Classics Triband-Optik aus England

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel GmbH

ISBN 978-3-641-29338-3V001

www.penguin-verlag.de

Kapitel 1

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau.

Wie wenig man auch von den Gefühlen oder Aussichten eines solchen Mannes wissen mag, wenn er zum ersten Mal in einer Gegend auftaucht – diese Grundwahrheit ist in den Köpfen der dort lebenden Familien so fest verankert, dass man ihn bereits als das rechtmäßige Eigentum der einen oder anderen Tochter betrachtet.

»Mein lieber Mr Bennet«, sagte seine Gemahlin eines Tages zu ihm, »haben Sie gehört, dass Netherfield Park endlich verpachtet ist?«

Mr Bennet erwiderte, das habe er nicht gehört.

»Es ist aber so«, antwortete sie, »Mrs Long war nämlich gerade hier und hat mir alles erzählt.«

Mr Bennet gab keine Antwort.

»Wollen Sie denn nicht wissen, wer es gepachtet hat?«, rief seine Frau ungeduldig.

»Sie wollen es mir offenbar erzählen, und ich habe nichts dagegen, es mir anzuhören.«

Das war Aufforderung genug.

»Also, mein Lieber, Mrs Long sagt nämlich, dass Netherfield von einem sehr vermögenden jungen Mann aus Nordengland gepachtet worden ist, dass er am Montag vierspännig vorgefahren kam, um das Haus zu besichtigen, und dermaßen begeistert war, dass er sofort mit Mr Morris einig wurde; dass er vielleicht noch vor Michaeli einziehen wird und einige Dienstboten schon Ende nächster Woche ins Haus kommen sollen.«

»Wie heißt er?«

»Bingley.«

»Ist er verheiratet oder ledig?«

»Oh, natürlich ledig, mein Lieber! Ein Junggeselle mit einem großen Vermögen, vier- oder fünftausend Pfund im Jahr. Wie schön für unsere Mädchen!«

»Wieso? Was haben die damit zu tun?«

»Mein lieber Mr Bennet«, erwiderte seine Frau, »Sie sind wirklich unerträglich! Ich rechne doch damit, dass er eine von ihnen heiratet.«

»Lässt er sich zu diesem Zweck hier nieder?«

»Zu diesem Zweck! Unsinn, wie können Sie so etwas sagen! Aber es ist durchaus möglich, dass er sich vielleicht in eine von ihnen verliebt, und deshalb müssen Sie ihm einen Antrittsbesuch abstatten, sobald er eingezogen ist.«

»Dazu sehe ich keine Veranlassung. Sie können gern mit den Mädchen hingehen – oder schicken Sie sie allein hin, das ist vielleicht noch besser, denn da Sie genauso hübsch sind wie Ihre Töchter, fällt Mr Bingleys Wahl sonst womöglich auf Sie.«

»Sie schmeicheln mir, mein Lieber. Natürlich habe ich auch einmal mein Quäntchen Schönheit besessen, aber ich bilde mir nicht ein, heute noch etwas Besonderes zu sein. Wenn eine Frau fünf erwachsene Töchter hat, sollte sie aufhören, an ihre eigene Schönheit zu denken.«

»In diesem Fall hat eine Frau meist nicht mehr viel Schönheit, an die sie denken könnte.«

»Wie dem auch sei, mein Lieber, Sie müssen Mr Bingley unbedingt besuchen, wenn er kommt.«

»Das ist mehr, als ich versprechen kann.«

»Aber denken Sie doch an Ihre Töchter! Überlegen Sie, wie gut dann eine von ihnen versorgt wäre! Sir William und Lady Lucas haben auch beschlossen hinzugehen – nur aus diesem Grund, denn im Allgemeinen machen sie ja keine Antrittsbesuche. Sie müssen ihm unbedingt Ihre Aufwartung machen, denn wir können ihn ja unmöglich besuchen, wenn Sie nicht dort waren.«

»Ich finde, Sie nehmen es allzu genau. Mr Bingley freut sich bestimmt sehr über Ihren Besuch, und ich gebe Ihnen ein paar Zeilen mit, in denen ich ihm versichere, dass ich von Herzen einverstanden bin, wenn er eines der Mädchen heiratet, gleichgültig, welches er sich aussucht – obwohl ich ein gutes Wort für meine kleine Lizzy einlegen sollte.«

»Ich hoffe doch sehr, dass Sie nichts dergleichen tun! Lizzy ist keinen Deut besser als die anderen, nicht halb so hübsch wie Jane und nicht halb so fröhlich wie Lydia. Trotzdem geben Sie ihr immer den Vorrang.«

»Keine ist besonders empfehlenswert«, versetzte er, »sie sind so albern und einfältig wie alle anderen Mädchen; nur Lizzy ist ein bisschen aufgeweckter als ihre Schwestern.«

»Wie können Sie nur so über Ihre eigenen Kinder schimpfen, Mr Bennet? Sie machen sich ein Vergnügen daraus, mich zu ärgern. Sie haben kein Mitleid mit meinen armen Nerven.«

»Sie verkennen mich, meine Liebe. Ich habe großen Respekt vor Ihren Nerven. Wir sind alte Bekannte. Sie führen sie seit mindestens zwanzig Jahren ins Feld.«

»Ach, Sie wissen nicht, was ich durchmache.«

»Ich hoffe, Sie überstehen es und dürfen noch miterleben, dass viele junge Männer mit viertausend Pfund im Jahr in unsere Nachbarschaft ziehen.«

»Auch wenn zwanzig kämen, würde uns das nichts nützen, da Sie sie ja nicht besuchen.«

»Verlassen Sie sich darauf, meine Liebe, wenn es einmal zwanzig sind, werde ich sie alle besuchen.«

In Mr Bennet vermischten sich Scharfsinn, beißender Witz, Verschlossenheit und Launenhaftigkeit auf eine so merkwürdige Weise, dass seine Frau ihn auch nach dreiundzwanzig Jahren noch immer nicht richtig einzuschätzen vermochte. Ihre Persönlichkeit hingegen war weniger schwer zu durchschauen. Sie war eine Frau von mäßigem Verstand, geringer Bildung und wankelmütigem Wesen. Wenn sie unzufrieden war, bildete sie sich ein, sie habe ein nervöses Leiden. Ihr Lebensinhalt war die Verheiratung ihrer Töchter, und ihre einzige Freude bestand in Besuchen und im Austausch von Neuigkeiten.

Kapitel 2

Mr Bennet war unter den Ersten, die Mr Bingley ihre Aufwartung machten. Er hatte von Anfang an vorgehabt, ihn zu besuchen, seiner Frau gegenüber jedoch bis zuletzt behauptet, er werde nicht hingehen, und bis zum Abend desselben Tages hatte sie keine Ahnung davon. Erst da erfuhr sie auf folgende Weise von seinem Besuch.

Er schaute seiner zweiten Tochter zu, die damit beschäftigt war, einen Hut aufzuputzen, und sagte plötzlich zu ihr: »Hoffentlich gefällt der Hut Mr Bingley, Lizzy.«

»Wir werden nie erfahren, was Mr Bingley gefällt«, versetzte ihre Mutter gereizt, »da wir ihn nicht besuchen können.«

»Aber Sie vergessen, Mama«, sagte Elizabeth, »dass wir ihm auf Gesellschaften begegnen werden und dass Mrs Long versprochen hat, ihn uns vorzustellen.«

»Ich glaube kaum, dass Mrs Long etwas Derartiges tut. Sie hat selbst zwei Nichten. Sie ist eine eigennützige, heuchlerische Frau, und ich halte nicht viel von ihr.«

»Ich auch nicht«, sagte Mr Bennet, »und ich bin froh, dass Sie nicht auf ihre Hilfe angewiesen sind.«

Mrs Bennet ließ sich zu keiner Antwort herab, aber da sie nicht an sich halten konnte, schalt sie eine ihrer Töchter aus. »Huste doch nicht andauernd, Kitty, um Himmels willen! Hab doch ein bisschen Mitleid mit meinen Nerven! Du reißt sie noch in Stücke.«

»Kitty kennt beim Husten kein Taktgefühl«, sagte ihr Vater. »Sie hustet immer zum falschen Zeitpunkt.«

»Ich huste nicht zu meinem Vergnügen«, erwiderte Kitty verärgert.

»Wann ist euer nächster Ball, Lizzy?«

»Morgen in vierzehn Tagen.«

»Ach ja«, rief ihre Mutter, »und Mrs Long kommt erst einen Tag vorher zurück. Also kann sie ihn uns gar nicht vorstellen; sie kennt ihn ja selbst noch nicht.«

»Dann sind Sie gegenüber Ihrer Freundin im Vorteil, meine Liebe, und können Mr Bingley ihr vorstellen.«

»Unmöglich, Mr Bennet, unmöglich, wenn ich ihn doch selbst noch nicht kennengelernt habe. Warum müssen Sie mich nur immer so ärgern!«

»Ich weiß Ihr Feingefühl zu würdigen. Eine zwei Wochen alte Bekanntschaft bedeutet freilich noch recht wenig, nach vierzehn Tagen kann man nicht wissen, wie ein Mensch wirklich ist. Aber wenn wir es nicht wagen, tut’s ein anderer, und schließlich müssen auch Mrs Long und ihre Nichten die Gelegenheit nutzen. Sie wird es als freundliche Geste werten, und wenn Sie die Aufgabe ablehnen, will ich sie übernehmen.«

Die Mädchen starrten ihren Vater an. Mrs Bennet sagte nur: »Unsinn, Unsinn!«

»Was wollen Sie mit diesem heftigen Protest sagen?«, fragte er. »Halten Sie die Vorstellungszeremonien und den Wert, den man ihnen beimisst, für unsinnig? Da kann ich Ihnen leider nicht ganz beipflichten. Was meinst du, Mary? Du bist doch eine nachdenkliche junge Dame, liest dicke Bücher und machst dir Auszüge daraus.«

Mary wollte etwas besonders Kluges sagen, wusste aber nicht, was.

»Während Mary ihre Gedanken ordnet«, fuhr er fort, »wollen wir zu Mr Bingley zurückkehren.«

»Ich habe ihn satt, diesen Mr Bingley!«, rief seine Frau.

»Das bedauere ich sehr. Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt? Wenn ich das schon heute Vormittag gewusst hätte, wäre ich bestimmt nicht hingegangen. Zu dumm! Aber da ich ihm nun mal meine Aufwartung gemacht habe, können wir uns der Bekanntschaft nicht mehr entziehen.«

Die Überraschung der Damen war ganz wie gewünscht; Mrs Bennets Erstaunen übertraf vielleicht noch das der anderen. Dennoch erklärte sie, kaum hatte sich der erste Freudentaumel gelegt, sie habe die ganze Zeit nichts anderes erwartet. »Wie nett von Ihnen, lieber Mr Bennet! Aber ich wusste, ich würde Sie schließlich erweichen. Ich war mir sicher, dass Sie Ihre Mädchen zu lieb haben, um sich eine solche Bekanntschaft entgehen zu lassen. Ach, wie ich mich freue! Und was für ein köstlicher Scherz, dass Sie heute vormittag hingegangen sind und bis jetzt kein Wort davon gesagt haben!«

»Jetzt darfst du so viel husten, wie du willst, Kitty«, sagte Mr Bennet und verließ das Zimmer, erschöpft vom Freudenausbruch seiner Frau.

»Was habt ihr für einen großartigen Vater, Kinder!«, sagte sie, als sich die Tür geschlossen hatte. »Ich weiß nicht, wie ihr ihm seine Güte jemals vergelten wollt – oder auch mir die meine. In unserem Alter ist es nicht mehr so vergnüglich, jeden Tag neue Bekanntschaften zu schließen, das kann ich euch sagen, aber für euch tun wir alles. Lydia, Liebling, du bist zwar die Jüngste, aber bestimmt wird Mr Bingley auf dem nächsten Ball mit dir tanzen.«

»Oh«, erwiderte Lydia beherzt, »da habe ich keine Sorge. Ich mag zwar die Jüngste sein, aber ich bin trotzdem die Größte.«

Der Rest des Abends verging mit Mutmaßungen, wie bald er Mr Bennets Besuch erwidern würde, und mit Planungen, wann sie ihn zum Essen einladen sollten.

Kapitel 3

Was immer Mrs Bennet ihren Mann mithilfe ihrer fünf Töchter zu diesem Thema auch fragen mochte, es gelang ihr nicht, ihm eine halbwegs befriedigende Beschreibung von Mr Bingley zu entlocken. Sie griffen ihn mit allen Mitteln an – mit unverblümten Fragen, fantasievollen Vermutungen und abwegigen Verdächtigungen –, aber er ging keiner von ihnen auf den Leim, und so mussten sie schließlich auf Mitteilungen aus zweiter Hand zurückgreifen. Die Schilderung ihrer Nachbarin Lady Lucas klang äußerst vielversprechend: Sir William sei von ihm entzückt gewesen, er sei blutjung, sehe hinreißend gut aus, wirke ungemein liebenswürdig und beabsichtige – als Krönung des Ganzen –, mit großem Gefolge auf dem nächsten Ball zu erscheinen. Nichts erfreulicher als das! Wer gern tanzt, verliebt sich leicht. Und schon hegte man die lebhaftesten Hoffnungen auf Mr Bingleys Herz.

»Wenn ich nur erleben darf, dass eine meiner Töchter in Netherfield glücklich unter die Haube gebracht ist«, sagte Mrs Bennet zu ihrem Mann, »und alle anderen ebenso gut verheiratet sind, dann bin ich wunschlos glücklich.«

Wenige Tage später erwiderte Mr Bingley den Besuch und saß etwa zehn Minuten bei Mr Bennet in der Bibliothek. Er hatte gehofft, einen Blick auf die jungen Damen werfen zu dürfen, von deren Schönheit er schon viel gehört hatte, aber er bekam nur den Vater zu Gesicht. Die Damen hatten etwas mehr Glück; sie konnten von einem Fenster im oberen Stockwerk aus erkennen, dass er einen blauen Rock trug und ein schwarzes Pferd ritt.

Kurz darauf wurde eine Einladung zum Dinner abgeschickt, und Mrs Bennet hatte sich schon die Speisenfolge ausgedacht, die ihrem Hause Ehre machen sollte, als eine Antwort eintraf, die alles hinausschob. Mr Bingley sei genötigt, den darauffolgenden Tag in London zu verbringen, und sehe sich folglich außerstande, die ehrenvolle Einladung anzunehmen, und so weiter. Mrs Bennet war äußerst beunruhigt. Sie konnte sich nicht denken, welche Geschäfte ihn so bald nach seiner Ankunft in Hertfordshire in die Stadt rufen mochten, und fürchtete schon, er werde vielleicht ständig durch die Lande ziehen und sich niemals ordentlich in Netherfield niederlassen. Lady Lucas dämpfte ihre Befürchtungen ein wenig, indem sie den Gedanken aufbrachte, er sei vielleicht nur nach London gefahren, um eine große Gesellschaft für den Ball abzuholen; und bald ging das Gerücht, Mr Bingley werde zu der Einladung zwölf Damen und sieben Herren mitbringen. Die Mädchen waren etwas bedrückt wegen der vielen Damen, trösteten sich aber, als sie am Tag vor dem Ball hörten, er habe statt zwölf Damen nur sechs aus London mitgebracht – seine fünf Schwestern und eine Cousine. Und als die Gruppe schließlich den Ballsaal betrat, bestand sie insgesamt nur aus fünf Personen, Mr Bingley, seinen beiden Schwestern, dem Ehemann der älteren und einem weiteren jungen Mann.

Mr Bingley sah gut aus, ganz wie ein Gentleman; er wirkte freundlich und benahm sich ungezwungen und natürlich. Die Schwestern, zwei elegante Damen, gaben sich selbstbewusst und vornehm. Der Schwager Mr Hurst sah aus wie jeder andere Gentleman, sein Freund Mr Darcy hingegen zog durch seine geschmackvoll gekleidete, große Gestalt, seine ebenmäßigen Gesichtszüge, seine vornehme Haltung und durch ein Gerücht, das bereits fünf Minuten nach seinem Erscheinen in aller Munde war, dass er nämlich zehntausend Pfund im Jahr habe, schon bald die Aufmerksamkeit des ganzen Saales auf sich. Die Herren nannten ihn ein Bild von einem Mann, die Damen erklärten, er sehe viel besser aus als Mr Bingley, und den halben Abend lang wurden ihm bewundernde Blicke zugeworfen, bis sein Verhalten schließlich Anstoß erregte und seine Beliebtheit abflaute. Man entdeckte, dass er stolz war, dass er auf seine Umgebung herabsah und zu hochmütig war, um sich zu vergnügen; und nun half ihm sein ganzer großer Besitz in Derbyshire nichts mehr gegen die Feststellung, dass er unnahbar und unsympathisch wirke und es nicht verdiene, mit seinem Freund verglichen zu werden.

Mr Bingley hatte sich bald mit allen wichtigen Personen im Saal bekannt gemacht, er war lebhaft und offen, tanzte jeden Tanz mit, war enttäuscht, dass der Ball so früh endete, und sprach davon, dass er in Netherfield selbst einen veranstalten wolle. Solche liebenswürdigen Eigenschaften sprachen für sich selbst. Welch ein Unterschied zwischen ihm und seinem Freund! Mr Darcy tanzte nur einmal mit Mrs Hurst und einmal mit Miss Bingley, wollte keiner anderen Dame vorgestellt werden und wanderte für den Rest des Abends durch den Saal, wobei er nur ab und zu mit seinen Freunden ein paar Worte wechselte. Sein Ruf war besiegelt: Er war der hochmütigste, unangenehmste Mensch auf der Welt, und alle hofften, er werde sich nie mehr hier blicken lassen. Zu denen, die ihn am heftigsten ablehnten, gehörte Mrs Bennet; ihr Abscheu gegen sein Betragen im Allgemeinen steigerte sich noch zu besonderem Groll, da er eine ihrer Töchter beleidigt hatte.

Da es an Herren mangelte, war Elizabeth Bennet notgedrungen zwei Tänze lang sitzen geblieben. Eine Weile stand Mr Darcy so nahe bei Elizabeth, dass sie, ohne es zu wollen, ein Gespräch zwischen ihm und Mr Bingley mit anhörte, der gerade eine kleine Pause einlegte und seinem Freund zusetzte, er solle doch auch tanzen.

»Komm, Darcy«, sagt er, »ich werde dich doch noch zum Tanzen bringen! Es gefällt mir nicht, wenn du so langweilig alleine rumstehst. Da ist es doch besser, du tanzt!«

»Auf keinen Fall. Du weißt, wie sehr ich es verabscheue, es sei denn, ich kenne meine Partnerin wirklich gut. Auf einem Ball wie diesem wäre es mir unerträglich. Deine Schwestern wurden schon von jemand anders aufgefordert, und sonst gibt es keine Frau im Saal, mit der zu tanzen ich nicht als Strafe empfände.«

»Nicht um alles in der Welt möchte ich so mäkelig sein wie du!«, rief Bingley. »Ehrenwort, ich habe im ganzen Leben noch nicht so viele nette Mädchen gesehen wie heute Abend; einige von ihnen sind außergewöhnlich hübsch.«

»Mit dem einzig schönen Mädchen im Saal tanzt ja du«, stellte Mr Darcy fest und schaute zu der ältesten Miss Bennet hinüber.

»Ach, sie ist das schönste Geschöpf, das ich je gesehen habe! Aber eine ihrer Schwestern sitzt genau hinter dir, sie ist sehr hübsch und bestimmt auch sehr liebenswert. Soll ich meine Partnerin bitten, dich ihr vorzustellen?«

»Welche meinst du?« Er drehte sich um, schaute Elizabeth kurz an, bis sich ihre Augen trafen, wandte den Blick wieder ab und sagte kühl: »Sie ist annehmbar, aber nicht schön genug, um mich zu reizen. Mir steht jetzt nicht der Sinn danach, jungen Damen Aufmerksamkeit zu schenken, die von anderen Männern links liegengelassen werden. Geh lieber zu deiner Tänzerin zurück und freu dich an ihrem Lächeln, mit mir verschwendest du nur deine Zeit.«

Mr Bingley folgte seinem Rat. Mr Darcy entfernte sich, und Elizabeth blieb mit wenig freundlichen Gefühlen für ihn zurück. Trotzdem erzählte sie ihren Freundinnen höchst anschaulich von dem Vorfall, denn bei ihrer lebhaften, spitzbübischen Art freute sie sich, wenn es etwas zu lachen gab.

Alles in allem verlief der Abend für die ganze Familie angenehm. Mrs Bennet hatte erleben dürfen, wie sehr ihre älteste Tochter von den Gästen aus Netherfield bewundert wurde. Mr Bingley hatte zweimal mit ihr getanzt, und seine Schwestern hatten ihr besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Jane empfand darüber ebenso viel Genugtuung wie ihre Mutter, doch sie blieb ruhiger. Elizabeth freute sich mit Jane. Mary hatte gehört, wie man sie gegenüber Miss Bingley als das gebildetste Mädchen in der Umgebung bezeichnete, und Catherine und Lydia waren schon glücklich, dass sie keinen einzigen Tanz hatten auslassen müssen; mehr erwarteten sie noch nicht von einem Ball. Sie fuhren also gut gelaunt nach Longbourn zurück, dem Dorf, in dem sie lebten und dessen vornehmste Familie sie waren. Mr Bennet war noch wach, als sie heimkamen. Über einem Buch vergaß er immer die Zeit, und diesmal war er ziemlich neugierig, wie der Abend, der so hohe Erwartungen geweckt hatte, verlaufen war. Er hatte fast gehofft, die Vorstellungen seiner Frau von dem Fremden seien allesamt enttäuscht worden; aber er merkte bald, dass er etwas ganz anderes zu hören bekommen sollte.

»Ach, lieber Mr Bennet!«, rief sie, als sie ins Zimmer trat, »wir haben einen ganz entzückenden Abend erlebt, einen ganz herrlichen Ball! Ich wollte, Sie wären dabeigewesen. Jane wurde so sehr bewundert, es war unvergleichlich. Alle sagten, wie gut sie aussähe, und Mr Bingley fand sie sehr schön und tanzte zweimal mit ihr. Stellen Sie sich das vor, mein Lieber, er tanzte tatsächlich zweimal mit ihr – sie war das einzige Wesen im Saal, das er ein zweites Mal aufforderte! Ganz am Anfang forderte er Miss Lucas auf. Ich war sehr beunruhigt, als ich die beiden zusammen tanzen sah! Aber sie hat ihm überhaupt nicht gefallen, na ja, sie gefällt niemandem, das weiß man ja; und von Jane war er ganz hingerissen, als sie die Reihe entlangtanzte. Er erkundigte sich, wer sie sei, ließ sich vorstellen und bat sie um die nächsten beiden Tänze. Dann tanzte er die dritten mit Miss King und die vierten mit Maria Lucas und die fünften wieder mit Jane und die sechsten mit Lizzy und den Boulanger …«

»Wenn er nur ein wenig Mitleid mit mir gehabt hätte«, rief ihr Mann ungeduldig, »hätte er nicht gar so viel getanzt! Um Himmels willen, kein Wort mehr von seinen Partnerinnen. Ach, wenn er sich nur gleich beim ersten Tanz den Fuß verstaucht hätte!«

»Ach, mein Lieber«, fuhr Mrs Bennet fort, »ich bin ganz begeistert von ihm. Er sieht überaus gut aus, und seine Schwestern sind bezaubernde Frauen. Noch nie im Leben habe ich was so Elegantes gesehen wie ihre Kleider. Die Spitze an Mrs Hursts Kleid hat bestimmt …«

Hier wurde sie abermals unterbrochen. Mr Bennet verbat sich jegliche Beschreibung von Putz und Schmuck. Sie musste also zu einem anderen Thema überwechseln und berichtete sehr erbost und mit einiger Übertreibung von Mr Darcys empörender Grobheit. »Aber das sage ich Ihnen«, fügte sie hinzu, »wenn Lizzy dem nicht zusagt, hat sie nicht viel versäumt; das ist ein höchst unangenehmer, schrecklicher Mann, der es gar nicht verdient, dass man ihm gefällt. So hochnäsig und eingebildet, nicht zum Aushalten! Er stolzierte in der Gegend herum und kam sich ganz großartig vor! Nicht hübsch genug zum Tanzen! Ich wollte, Sie wären dabeigewesen, mein Lieber, Sie hätten ihm schon einen Dämpfer aufgesetzt. Ich finde den Mann unausstehlich.«

Kapitel 4

Als Jane und Elizabeth allein waren, verriet Erstere, die vorher mit ihrem Lob für Mr Bingley recht vorsichtig gewesen war, ihrer Schwester, wie gut er ihr gefiel. »Er ist genau so, wie ein junger Mann sein sollte«, sagte sie, »vernünftig, gutmütig, lebhaft, und ich habe noch nie so erfreuliche Umgangsformen erlebt – er ist ganz ungezwungen und gleichzeitig höchst wohlerzogen!«

»Außerdem sieht er gut aus«, erwiderte Elizabeth, »was ein junger Mann, wenn irgend möglich, ebenfalls tun sollte. Das rundet seine Persönlichkeit ab.«

»Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, als er mich zum zweiten Mal aufforderte. Ich habe solch ein Kompliment nicht erwartet.«

»Nein? Ich schon. Aber da sind wir eben sehr unterschiedlich. Dich verblüffen Komplimente immer und mich nie. Was lag näher, als dass er dich noch einmal aufforderte? Es konnte ihm nicht entgangen sein, dass du etwa fünfmal so hübsch warst wie alle anderen Frauen im Saal. Das war keine besondere Heldentat. Nun ja, er ist wirklich sehr liebenswürdig, und ich gestatte dir, ihn gern zu haben. Du hast schon viel dümmere Leute gern gehabt.«

»Aber Lizzy!«

»Ach, du neigst viel zu sehr dazu, alle Menschen gern zu haben. Fehler willst du nie wahrhaben. In deinen Augen ist die ganze Welt gut und lieb. Ich habe dich noch nie im Leben schlecht von einem Menschen reden hören.«

»Ich möchte niemanden vorschnell verurteilen, aber ich sage immer, was ich denke.«

»Das weiß ich, und das ist ja das Verwunderliche. Dass du bei deinem gesunden Menschenverstand für die Torheit und Unvernunft anderer wahrhaftig so blind sein kannst! Geheucheltes Wohlwollen kommt häufig vor, man begegnet ihm überall. Aber dass jemand freundlich ist ohne plumpe Übertreibung und ohne Hintergedanken, dass jemand stets das Gute an einem Menschen erkennt, es noch besser darstellt und über seine schlechten Eigenschaften nichts sagt – das gibt es nur bei dir. Und deshalb haben dir die Schwestern dieses Mannes sicher auch gefallen, nicht wahr? Sie wirken ganz anders als er.«

»Das stimmt, auf den ersten Blick. Aber es sind sehr nette Frauen, wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt. Miss Bingley wird bei ihrem Bruder wohnen und ihm den Haushalt führen, und ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn wir mit ihr nicht eine ganz bezaubernde Nachbarin bekommen.«

Elizabeth lauschte schweigend, war aber nicht überzeugt. Das Verhalten von Bingleys beiden Schwestern auf dem Ball war nicht dazu angetan gewesen, überall Anklang zu finden. Und da Elizabeth genauer beobachtete als ihre Schwester, ihr Gemüt weniger weich und ihr Urteilsvermögen nicht durch Komplimente geschwächt war, verspürte sie wenig Neigung, sich anerkennend über die beiden zu äußern. Es waren zwar sehr elegante Damen, und es fehlte ihnen auch nicht an einer gewissen Heiterkeit, wenn sie zufrieden waren, oder an der Fähigkeit, sich freundlich zu geben, wenn es ihnen beliebte, aber sie wirkten stets stolz und dünkelhaft. Sie waren ziemlich hübsch, hatten eine der besten Privatschulen Londons besucht, besaßen ein Vermögen von zwanzigtausend Pfund, pflegten mehr auszugeben, als sie sollten, und mit Herrschaften von Stand zu verkehren und waren folglich in jeder Hinsicht berechtigt, gut von sich und schlecht von anderen zu denken. Sie stammten aus einer angesehenen Familie im Norden Englands, ein Umstand, der sich ihrem Gedächtnis weit nachhaltiger eingeprägt hatte als der, dass ihr Geld und das ihres Bruders durch Handel erworben worden war.

Mr Bingley war Erbe eines Vermögens im Wert von nahezu hunderttausend Pfund. Sein Vater hatte immer vorgehabt, ein Landgut zu kaufen, es aber nie wahrgemacht. Mr Bingley plante dies ebenfalls und versuchte manchmal schon, sich für eine Grafschaft zu entscheiden; aber nun verfügte er über ein schönes Haus samt Jagdrecht, und manch einer, der seine Bequemlichkeit kannte, fragte sich, ob er nicht den Rest seiner Tage in Netherfield verbringen und den Kauf der nächsten Generation überlassen werde.

Seine Schwestern hätten viel Wert auf einen Familienbesitz gelegt, doch obwohl er jetzt nur Pächter war, hatte Miss Bingley nichts dagegen, den Vorsitz an seiner Tafel zu führen, und auch Mrs Hurst, die einen Mann mit mehr Lebensart als Vermögen geheiratet hatte, widerstrebte es keineswegs, sein Haus als das ihre zu betrachten, wenn es ihr zupass kam. Mr Bingley war noch keine zwei Jahre mündig, als er, aufmerksam gemacht durch eine zufällige Empfehlung, Netherfield House besichtigte. Er schaute es sich von außen und innen eine halbe Stunde lang an, war angetan von der Lage und den Wohnräumen, ließ sich überzeugen von dem, was der Eigentümer zu seinem Lobe sagte, und nahm es sofort.

Ihn und Darcy verband trotz ihrer unterschiedlichen Wesensart eine feste Freundschaft. Darcy hatte Bingley wegen dessen Natürlichkeit, Offenheit und Fügsamkeit liebgewonnen, auch wenn diese Eigenschaften den seinen denkbar entgegengesetzt waren und er mit seiner eigenen Veranlagung nie unzufrieden schien. Bingley wiederum vertraute fest auf Darcys unerschütterliche Zuneigung und hegte die größte Achtung vor seinem Urteil. Was die Intelligenz betraf, so war Darcy der Überlegene. Bingley war zwar keineswegs begriffsstutzig, doch Darcy war klug, wenn auch gleichzeitig hochmütig, verschlossen und wählerisch, und sein Benehmen war zwar wohlerzogen, aber nicht gewinnend. Hierin war ihm sein Freund weit überlegen. Bingley konnte sicher sein, gemocht zu werden, wo immer er auftauchte, Darcy hingegen eckte ständig an.

Es war typisch für beide, wie sie sich über den Ball in Meryton äußerten. Bingley hatte noch nie im Leben nettere Leute oder hübschere Mädchen kennengelernt, alle waren äußerst freundlich und aufmerksam zu ihm gewesen, ohne Förmlichkeit und Steifheit, bald war ihm der ganze Saal vertraut, und was Miss Bennet anging, so konnte auch ein Engel nicht schöner sein. Darcy hingegen hatte eine Ansammlung von Leuten erlebt, in der es nur wenig Schönheit und gar keine Lebensart gab, auf niemanden war er neugierig geworden, und niemand hatte ihm Aufmerksamkeit entgegengebracht oder Freude gemacht. Miss Bennet sei hübsch, das gab er zu, aber sie lächle zu viel.

Mrs Hurst und ihre Schwester ließen dies gelten, aber sie gefiel ihnen trotzdem, sie mochten sie und bezeichneten sie als reizendes Mädchen, von dem sie nicht ungern mehr erführen. Damit war Miss Bennet als reizendes Mädchen eingeführt, und ihr Bruder fühlte sich aufgrund dieser Empfehlung berechtigt, an sie zu denken, so viel er wollte.

Kapitel 5

Einen kurzen Spaziergang von Longbourn entfernt lebte eine Familie, mit der die Bennets besonders eng befreundet waren. Sir William Lucas hatte früher in Meryton ein Einzelhandelsgeschäft betrieben und damit ein ansehnliches Vermögen gemacht und war während seiner Amtszeit als Bürgermeister infolge einer Ergebenheitsadresse an den König zu ritterlichen Ehren aufgestiegen. Die Auszeichnung war vielleicht zu viel des Guten. Sie verleidete ihm sein Gewerbe und seine Wohnung in der kleinen Marktstadt; er gab beides auf und zog mit seiner Familie in ein Gutshaus, etwa eine Meile von Meryton entfernt, von da an Lucas Lodge genannt, wo er genüsslich über seine eigene Bedeutung nachdenken und unbehelligt von einem Beruf sich einzig damit beschäftigen konnte, zu aller Welt höflich zu sein. Denn wenn ihn sein neuer Rang auch mit Hochstimmung erfüllte, hochmütig machte er ihn nicht, im Gegenteil, er war zu jedermann zuvorkommend. Von Natur aus harmlos, freundlich und verbindlich, hatte ihn seine Einführung bei Hofe noch galanter gemacht.

Lady Lucas war eine sehr gutmütige Frau und nicht allzu klug, sodass sie für Mrs Bennet eine brauchbare Nachbarin abgab. Sie hatten mehrere Kinder. Die älteste Tochter, eine vernünftige, kluge junge Frau von etwa siebenundzwanzig Jahren, war Elizabeths engste Freundin.

Nach jedem Ball mussten sich die jungen Damen der Familien Lucas und Bennet unbedingt zu einer Besprechung treffen; und so kam es, dass Erstere am Morgen nach der Tanzgesellschaft in Longbourn erschienen, um allerlei zu erfahren und mitzuteilen.

»Für dich hat der Abend ja gut angefangen«, sagte Mrs Bennet mit höflicher Selbstbeherrschung zu Miss Lucas. »Du warst Mr Bingleys erste Wahl.«

»Ja, aber die zweite hat ihm anscheinend besser gefallen.«

»Oh, du meinst wohl Jane, weil er zweimal mit ihr getanzt hat. Freilich, das sah danach aus, als habe sie ihm gut gefallen … Ja, ich glaub’ es fast auch … ich hab’ da so was gehört – aber ich weiß nicht mehr recht, was, irgendwas mit Mr Robinson.«

»Vielleicht meinen Sie das Gespräch zwischen ihm und Mr Robinson, dessen ich unfreiwillig Zeugin wurde; habe nicht ich Ihnen das erzählt? Dass Mr Robinson ihn gefragt hat, wie ihm unsere Tanzabende in Meryton gefielen und ob er nicht auch finde, dass eine Menge hübscher Frauen im Saal seien, und welche er für die hübscheste halte? Und dass er auf die letzte Frage sofort geantwortet hat: Oh, fraglos die älteste Miss Bennet, darüber könne man nicht geteilter Meinung sein.«

»Meine Güte! Ja, das war wirklich sehr deutlich – das sieht fast aus, als – aber das kann natürlich genauso gut zu gar nichts führen.«

»Mein Horchen war ergiebiger als deins, Eliza«, sagte Charlotte. »Mr Darcy zu belauschen, ist nicht so lohnend, nicht wahr? Arme Eliza! Nur eben annehmbar zu sein!«

»Bitte rede Lizzy nicht ein, sie müsse sich über seine schlechte Behandlung ärgern; er ist ein derart unangenehmer Mann, dass es geradezu ein Unheil wäre, von ihm gemocht zu werden. Mrs Long erzählte mir gestern Abend, er sei eine halbe Stunde lang neben ihr gesessen, ohne den Mund aufzumachen.«

»Sind Sie sich da ganz sicher, Ma’am? Liegt da nicht ein kleiner Irrtum vor?«, fragte Jane. »Ich habe Mr Darcy eindeutig mir ihr sprechen sehen.«

»Ja, weil sie ihn schließlich gefragt hat, wie ihm Netherfield gefalle, und da hat er ja antworten müssen. Aber er schien sehr ungehalten.«

»Miss Bingley hat mir erzählt«, berichtete Jane, »dass er nie viel redet, nur mit seinen engsten Freunden. Zu denen soll er außerordentlich liebenswürdig sein.«

»Davon glaube ich kein Wort. Wenn er gar so liebenswürdig wäre, hätte er mit Mrs Long gesprochen. Aber ich kann mir schon vorstellen, wie es war. Alle sagen, er ist stolz wie ein Spanier, und bestimmt hat er irgendwie erfahren, dass Mrs Long keinen eigenen Wagen besitzt und in einer Mietdroschke zum Ball gefahren ist.«

»Ich nehme es ihm nicht übel, dass er sich nicht mit Mrs Long unterhalten hat«, sagte Miss Lucas, »aber ich wollte, er hätte mit Eliza getanzt.«

»Wenn ich du wäre, Lizzy«, sagte ihre Mutter, »würde ich beim nächsten Mal nicht mit ihm tanzen.«

»Ich glaube, ich kann Ihnen fest versprechen, Ma’am, dass ich niemals mit ihm tanze.«

»Mich stört sein Stolz nicht so, wie mich Stolz sonst stört«, sagte Miss Lucas, »es gibt ja eine Entschuldigung dafür. Man darf sich nicht wundern, wenn ein so überaus vornehmer junger Mann aus guter Familie, vermögend und in jeder Hinsicht begünstigt, von sich eingenommen ist. Wenn ich es so ausdrücken darf: Er hat ein Recht, stolz zu sein.«

»Das stimmt durchaus«, antwortete Elizabeth, »und ich könnte ihm seinen Stolz leicht verzeihen, wenn er nicht meinen verletzt hätte.«

»Stolz«, bemerkte Mary, die sich viel auf ihre tiefschürfenden Gedanken zugute hielt, »ist ein weitverbreiteter Fehler. Nach allem, was ich gelesen habe, bin ich überzeugt, dass er weitverbreitet ist, dass die menschliche Natur besonders anfällig dafür ist und nur wenige von uns nicht selbstgefällig auf eigene Talente blicken, seien sie nun wirklich vorhanden oder eingebildet. Eitelkeit und Stolz sind zwei verschiedene Dinge, obwohl die Wörter oft bedeutungsgleich verwendet werden. Ein Mensch kann stolz sein, ohne eitel zu sein. Stolz hat mehr damit zu tun, was wir von uns selbst halten, und Eitelkeit mehr damit, wie wir von anderen gesehen werden wollen.«

»Wenn ich so reich wäre wie Mr Darcy«, rief einer der Lucas-Jungen, der mit seinen Schwestern gekommen war, »würde ich mich nicht um Stolz kümmern, sondern mir eine Meute Hunde halten und jeden Tag eine Flasche Wein trinken.«

»Dann würdest du sehr viel mehr trinken, als dir guttäte«, sagte Mrs Bennet, »und wenn ich dich dabei erwischen würde, nähme ich dir die Flasche gleich weg.«

Der Junge verwahrte sich gegen diese Maßnahme, sie dagegen beharrte darauf, und die Auseinandersetzung endete erst, als die Besucher gingen.

Kapitel 6

Bald darauf machten die Damen von Longbourn denen von Netherfield ihre Aufwartung. Der Besuch wurde in gehöriger Form erwidert. Miss Bennets liebenswürdige Manieren gewannen zunehmend das Wohlwollen von Mrs Hurst und Miss Bingley, und obwohl diese die Mutter unerträglich fanden und die jüngeren Schwestern nicht der Rede wert, wünschten sie doch mit den beiden Älteren näher bekannt zu werden. Jane nahm diese Aufmerksamkeit hocherfreut an, Elizabeth dagegen fand immer noch, dass sie jedermann von oben herab behandelten, ihre Schwester nur mit Mühe ausgenommen, und konnte sie nicht liebgewinnen. Andererseits hatte die Freundlichkeit gegenüber Jane auch einigen Wert, da sie wahrscheinlich auf die Verehrung ihres Bruders zurückzuführen war. Dasser sie verehrte, war offenkundig, wenn sie einander begegneten; und für Elizabeth war es ebenso offenkundig, dass Jane der Sympathie, die sie von Anfang an für ihn empfunden hatte, freien Lauf ließ und auf dem besten Wege war, sich zu verlieben. Sie stellte jedoch erfreut fest, dass die Außenwelt davon nichts mitbekommen würde, da Jane trotz ihres starken Gefühls eine Gelassenheit und gleichbleibend gute Laune bewahrte, die sie vor unverschämten Verdächtigungen schützten. Elizabeth unterhielt sich darüber mit ihrer Freundin Miss Lucas.

»Es mag vielleicht wünschenswert sein«, erwiderte Charlotte, »die Öffentlichkeit in einem solchen Fall zu hintergehen, aber manchmal hat es auch Nachteile, wenn man so zurückhaltend ist. Wenn eine Frau ihr Gefühl auch vor dem Gegenstand ihrer Zuneigung geschickt verbirgt, verspielt sie vielleicht die Möglichkeit, ihn zu fesseln. Und dann ist die Annahme, dass die Welt gleichermaßen im Dunkeln tappt, nur ein armseliger Trost. Zu jeder Liebesgeschichte gehören auch Dankbarkeit und Eitelkeit, und deshalb ist es nicht ungefährlich, sie sich selbst zu überlassen. Am Anfang sind wir alle frei, eine zarte Vorliebe ist ganz natürlich, aber nur wenige haben den Mut, sich ohne Ermutigung wirklich zu verlieben. In neun von zehn Fällen ist es besser, eine Frau zeigt mehr Zuneigung, als sie empfindet. Bingley hat deine Schwester zweifellos gern, aber womöglich wird er sie immer nur gern haben und nicht mehr, wenn sie ihm nicht weiterhilft.«

»Aber sie hilft ihm doch weiter, soweit ihre Natur dies zulässt. Wenn mir ihre Zuneigung auffällt, dann müsste er doch ein Einfaltspinsel sein, wenn er sie nicht auch wahrnehmen würde.«

»Denk daran, Elizabeth, dass er Jane nicht so gut kennt wie du.«

»Aber wenn eine Frau an einem Mann Gefallen findet und sich nicht bemüht, dies zu verbergen, dann muss er es doch merken.«

»Vielleicht, wenn er sie oft genug sieht. Bingley und Jane begegnen sich zwar ziemlich häufig, doch nie für mehrere Stunden, und da sie einander immer nur in großen, bunt gemischten Gesellschaften sehen, kann unmöglich jeder Augenblick zu Gesprächen genutzt werden. Jane sollte deswegen aus jeder halben Stunde, die sie seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, so viel wie möglich herausschlagen. Wenn sie seiner sicher ist, bleibt noch Zeit genug, sich nach Lust und Laune zu verlieben.«

»Dein Plan ist gut«, erwiderte Elizabeth, »wo es nur darum geht, sich gut zu verheiraten; wenn ich es darauf anlegte, mir einen reichen Mann zu suchen – oder überhaupt einen Mann –, würde ich deinen Ratschlag bestimmt beherzigen. Aber Janes Gefühle sind nicht so, sie handelt nicht nach einem Plan. Bis jetzt kann sie weder das Ausmaß ihrer Empfindung einschätzen, noch ob diese vernünftig ist. Sie kennt ihn erst seit zwei Wochen. Sie hat in Meryton viermal mit ihm getanzt, sie hat ihn einmal tagsüber zu Hause besucht und seither viermal in Gesellschaft mit ihm gespeist. Das reicht nicht, um seinen Charakter wirklich kennenzulernen.«

»Nicht wenn es so wäre, wie du es darstellst. Hätte sie ausschließlich mit ihm gespeist, dann hätte sie nur feststellen können, ob er einen guten Appetit hat; aber bedenke, dass sie auch vier Abende miteinander verbracht haben, und vier Abende können viel bewirken.«

»Ja. An diesen vier Abenden haben sie sich vergewissern können, dass sie beide lieber Siebzehn-und-Vier spielen als Commerce, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass andere wichtige Eigenschaften enthüllt wurden.«

»Schau«, sagte Charlotte, »ich wünsche Jane von ganzem Herzen Erfolg, und wenn sie ihn morgen heiraten würde, hätte sie genauso viel Aussicht auf Glück, wie wenn sie seinen Charakter zwölf Monate lang unter die Lupe nähme. Eine glückliche Ehe ist reiner Zufall. Mag beiden Beteiligten die Wesensart des anderen noch so bekannt sein, mögen sie sich vorher noch so sehr geglichen haben, ihre Glückseligkeit fördert dies nicht im Geringsten. Nach der Heirat bemühen sie sich stets, einander so unähnlich zu werden, dass sie sich sattsam über den anderen ärgern können. Es ist besser, man weiß so wenig wie möglich von den Fehlern des Menschen, mit dem man den Rest des Lebens verbringen wird.«

»Du willst mich zum Lachen bringen, Charlotte, aber es ist kein guter Rat. Du weißt, dass er nicht gut ist, und du selbst würdest nie danach handeln.«

Da Elizabeth damit beschäftigt war, Mr Bingleys Artigkeiten gegenüber ihrer Schwester zu verfolgen, kam ihr nicht im Entferntesten der Verdacht, dass sie ihrerseits in den Augen seines Freundes allmählich zum Gegenstand des Interesses wurde. Mr Darcy hatte anfangs kaum zugeben wollen, dass sie hübsch sei; auf dem Ball hatte er sie ohne jedes Wohlgefallen betrachtet; und als sie das nächste Mal aufeinandertrafen, sah er sie nur an, um sie zu kritisieren. Doch kaum hatte er sich und seinen Freunden klargemacht, dass ihr Gesicht alles andere als ebenmäßig sei, fand er schon, dass es durch den schönen Ausdruck ihrer dunklen Augen ungewöhnlich klug wirkte. Auf diese Entdeckung folgten mehrere ähnlich demütigende. Obwohl er mit kritischem Blick festgestellt hatte, dass ihrer Gestalt zur vollkommenen Harmonie einiges fehlte, musste er notgedrungen anerkennen, dass ihre Figur zart und gefällig war; und trotz seiner Behauptung, ihre Manieren entsprächen nicht denen der vornehmen Welt, war er von ihrer Unbefangenheit und Munterkeit angetan. Von alledem hatte sie keine Ahnung – für sie war er nur der Mann, der sich nirgendwo beliebt machte und der sie nicht hübsch genug fand, um mit ihr zu tanzen.

Er wollte mehr über sie erfahren, und als ersten Schritt zu einem Gespräch mit ihr selbst hörte er ihrem Gespräch mit anderen zu. Dies fiel ihr auf. Es ereignete sich im Haus von Sir William Lucas, wo eine große Gesellschaft geladen war.

»Was denkt sich Mr Darcy«, sagte sie zu Charlotte, »wenn er mein Gespräch mit Colonel Forster belauscht?«

»Das ist eine Frage, die nur Mr Darcy beantworten kann.«

»Aber wenn er das noch einmal macht, zeige ich ihm auf jeden Fall, dass ich es merke. Er hat so einen spöttischen Blick, und wenn ich nicht als Erste unverschämt werde, bekomme ich noch Angst vor ihm.«

Als er bald darauf näher schlenderte, wenn auch anscheinend ohne die Absicht, das Wort an sie zu richten, flüsterte Miss Lucas ihrer Freundin zu, sie werde es bestimmt nicht wagen, ihn darauf anzusprechen – was Elizabeth sofort bewog, sich umzudrehen und zu sagen: »Mr Darcy, finden Sie nicht, dass ich mich vorhin ungewöhnlich gut ausgedrückt habe, als ich Colonel Forster drängte, in Meryton einen Ball zu geben?«

»Sehr energisch – aber das ist ein Thema, bei dem alle Frauen energisch werden.«

»Sie sind streng mit uns.«

»Jetzt muss sie sich drängen lassen«, sagte Miss Lucas. »Ich klappe gleich den Flügel auf, Eliza, und du weißt, was dann kommt.«

»Du bist mir eine seltsame Freundin! Immer willst du, dass ich vor anderen spiele und singe! Wenn meine Eitelkeit in der Musik Befriedigung suchen würde, wärst du unschätzbar, aber wie die Dinge liegen, möchte ich mich vor Leuten, die bestimmt an die besten Interpreten gewöhnt sind, lieber nicht ans Klavier setzen.« Als Miss Lucas jedoch darauf bestand, schloss sie: »Na gut, was sein muss, muss sein.« Und mit einem ernsten Blick zu Mr Darcy meinte sie: »Es gibt ein schönes altes Sprichwort, das hier jeder kennt: ›Spar dir die Puste zum Suppeblasen.‹ Ich hebe mir die meine fürs Singen auf.«

Ihre Darbietung war gefällig, wenn auch keineswegs großartig. Nach ein paar Liedern, ehe sie noch auf die Bitten einiger Zuhörer um eine Zugabe reagieren konnte, setzte sich schon voller Eifer ihre Schwester Mary ans Instrument, die sich, als die einzig Reizlose in der Familie, angestrengt um Wissen und Können bemühte und es nie erwarten konnte, sich zu präsentieren.

Mary besaß weder Begabung noch Geschmack. Aus Eitelkeit übte sie zwar fleißig, doch hatte ihr Spiel dadurch etwas Pedantisches und Dünkelhaftes, und auch ein brillanterer Vortrag, als sie ihn zuwege brachte, hätte darunter gelitten. Elizabeth, natürlich und ungekünstelt, hatte viel mehr Anklang gefunden, obwohl sie nicht halb so gut spielte, und Mary konnte nach einem langen Konzert froh sein, als sie mit irischen und schottischen Weisen, gespielt auf Verlangen ihrer jüngeren Schwestern, die in einer Ecke mit den Lucas-Töchtern und ein paar Offizieren unbedingt tanzen wollten, Lob und Dankbarkeit erntete.

Mr Darcy stand schweigend neben ihnen, empört, dass man einen Abend so verbringen konnte, beteiligte sich an keinem Gespräch und war so versunken in seine eigenen Gedanken, dass er Sir William Lucas, seinen Nachbarn, gar nicht wahrnahm, bis dieser begann: »Was für eine reizende Unterhaltung für die jungen Leute, Mr Darcy! Es geht doch nichts übers Tanzen. Ich halte es für eine der kultiviertesten Ausdrucksformen der gehobenen Kreise.«

»Gewiss, Sir, und es hat den Vorteil, auch in weniger gehobenen Kreisen auf der ganzen Welt en vogue zu sein. Jeder Wilde kann tanzen.«

Sir William lächelte nur. »Ihr Freund tanzt wunderbar«, fuhr er nach einer Pause fort, als er sah, dass Bingley sich der Gruppe anschloss, »und bestimmt sind auch Sie in dieser Kunst bewandert, Mr Darcy.«

»Wahrscheinlich haben Sie mich in Meryton tanzen sehen, Sir.«

»Ja, das stimmt, und dieser Anblick hat mir ein nicht unbeträchtliches Vergnügen verschafft. Tanzen Sie häufig bei Hofe?«

»Niemals, Sir.«

»Empfänden Sie dies nicht als angemessene Huldigung?«

»Es ist eine Huldigung, die ich niemandem erweise, wenn ich es vermeiden kann.«

»Ich vermute, Sie haben einen Wohnsitz in London?«

Mr Darcy verneigte sich zustimmend.

»Ich hatte auch schon erwogen, mich in der Stadt niederzulassen, denn ich liebe die bessere Gesellschaft. Aber ich war mir nicht sicher, ob Lady Lucas die Londoner Luft zusagt.«

Er schwieg in Erwartung einer Antwort, aber sein Gegenüber schien nicht dazu geneigt, und als sich eben jetzt Elizabeth näherte, überkam Sir William die Lust, den Kavalier zu spielen, und er rief ihr zu: »Liebe Miss Eliza, warum tanzen Sie nicht? Mr Darcy, erlauben Sie mir, Ihnen diese junge Dame als eine höchst begehrenswerte Tanzpartnerin vorzustellen. Angesichts von so viel Schönheit werden Sie bestimmt nicht Nein sagen.« Er nahm ihre Hand und wollte sie Mr Darcy reichen, der zwar äußerst überrascht, aber doch nicht unwillig war, sie zu ergreifen, doch Elizabeth zog sie sofort zurück und sagte etwas verwirrt zu Sir William: »Sir, ich habe nicht die geringste Absicht zu tanzen. Bitte glauben Sie nicht, dass ich hierher kam, um nach einem Tanzpartner zu suchen.«

Mr Darcy bat ernst und höflich um die Ehre ihrer Hand, aber vergebens. Elizabeth blieb fest und ließ sich auch von Sir Williams Überredungsversuchen nicht in ihrem Entschluss erschüttern.

»Sie tanzen so hervorragend, Miss Eliza, dass es grausam ist, wenn Sie mir die Freude verweigern, Ihnen zuzuschauen. Und obgleich dieser Herr das Tanzvergnügen im Allgemeinen ablehnt, hat er bestimmt nichts dagegen, uns für eine halbe Stunde einen Gefallen zu tun.«

»Mr Darcy ist die Höflichkeit in Person«, antwortete Elizabeth lächelnd.

»In der Tat – aber wenn man die Verlockung bedenkt, liebe Miss Eliza, können wir uns über seine Gefälligkeit nicht wundern, denn wer würde gegen eine solche Partnerin Einspruch erheben?«

Mit einem schelmischen Blick wandte Elizabeth sich ab. Ihr Widerstand hatte ihr bei dem Herrn nicht geschadet, und er dachte mit einigem Wohlgefallen an sie, als er von Miss Bingley angesprochen wurde. »Ich glaube, ich weiß, in welche Gedanken Sie gerade versunken sind.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen.«

»Sie denken darüber nach, wie unerträglich es wäre, viele Abende auf solche Weise und in solcher Gesellschaft zu verbringen, und ich bin vollkommen Ihrer Meinung. Das ist nicht auszuhalten. Wie geistlos und obendrein laut diese Leute sind, wie nichtssagend und wichtigtuerisch! Was würde ich darum geben, Ihre Bemerkungen über sie zu hören!«

»Sie liegen völlig falsch mit Ihrer Vermutung, glauben Sie mir. Mein Kopf war mit Angenehmerem beschäftigt. Ich habe darüber nachgedacht, welch großes Vergnügen einem ein paar schöne Augen im Gesicht einer hübschen Frau bereiten können.«

Miss Bingley starrte ihn an und erkundigte sich, welche Dame sich die Ehre anrechnen dürfe, solche Gedanken in ihm zu wecken. Unerschrocken erwiderte Mr Darcy: »Miss Elizabeth Bennet.«

»Miss Elizabeth Bennet!«, wiederholte Miss Bingley. »Das wundert mich aber. Seit wann ist sie denn schon lieb Kind bei Ihnen? Und wann, bitte, darf man Sie beglückwünschen?«

»Genau diese Frage habe ich von Ihnen erwartet. Die Fantasie einer Dame arbeitet sehr schnell. Sie springt in einem Augenblick von der Wertschätzung zur Liebe und von der Liebe zur Ehe. Ich wusste, dass Sie mich beglückwünschen würden.«

»Nun, wenn Sie so ernst darüber reden, betrachte ich die Sache als abgemacht. Da bekommen Sie aber eine reizende Schwiegermutter – und natürlich wird sie ständig bei Ihnen in Pemberley wohnen.«

Er hörte ihr ungerührt zu, während sie sich solchermaßen amüsierte, und durch seine Gelassenheit überzeugt, dass keine Gefahr bestand, ließ sie ihrem Witz freien Lauf.

Kapitel 7

Mr Bennets Vermögen bestand fast nur aus einem Landbesitz, der zweitausend Pfund im Jahr einbrachte und mangels männlicher Erben leider nicht an seine Töchter, sondern als unteilbares Erbgut an einen fernen Verwandten fallen würde;1 das Vermögen ihrer Mutter genügte zwar vollauf für deren jetzige Lebensverhältnisse, konnte aber den Ausfall des seinen nicht wettmachen. Ihr Vater war Rechtsanwalt in Meryton gewesen und hatte ihr viertausend Pfund hinterlassen.

Sie hatte eine Schwester, die mit einem gewissen Mr Philips verheiratet war, dem ehemaligen Angestellten und späteren Nachfolger ihres Vaters, und einen Bruder, der in London ein gut eingeführtes Handelsgeschäft betrieb.

Vom Dorf Longbourn war es nur eine Meile bis Meryton, eine äußerst bequeme Entfernung für die jungen Damen, die es meist drei- oder viermal in der Woche dorthin zog und die dort ihrer Tante sowie einer Putzmacherin auf der anderen Straßenseite ihre Aufwartung machten. Die beiden jüngsten, Catherine und Lydia, absolvierten diese Höflichkeitsbesuche besonders häufig, sie waren unbedarfter als ihre Schwestern, und wenn sich nichts Besseres anbot, musste ein Spaziergang nach Meryton sie tagsüber unterhalten und für den Abend Gesprächsstoff liefern. Und wie wenig Neuigkeiten das Landleben auch bieten mochte, von ihrer Tante erfuhren sie immer etwas. Zur Zeit wurden sie mit freudigen Nachrichten besonders gut versorgt, denn vor Kurzem war ein Regiment der Miliz eingetroffen. Es sollte den ganzen Winter über bleiben, und in Meryton befand sich das Hauptquartier.

Ihre Besuche bei Mrs Philips lieferten nun die aufregendsten Neuigkeiten. Mit jedem Tag erweiterte sich ihr Wissen um die Namen und den Bekanntenkreis der Offiziere. Wo sie Quartier genommen hatten, blieb nicht lange ein Geheimnis, und schließlich lernten sie auch die Offiziere selbst kennen. Mr Philips stattete allen Besuche ab, und dies erschloss seinen Nichten eine Quelle ungeahnter Glückseligkeit. Sie sprachen von nichts anderem mehr als von Offizieren, und Mr Bingleys stattliches Vermögen, bei dessen Erwähnung ihre Mutter immer ganz munter wurde, erschien in ihren Augen wertlos, verglichen mit der Uniform eines Fähnrichs.

Als Mr Bennet eines Morgens Zeuge ihrer überschwänglichen Berichte wurde, bemerkte er kühl: »Euren Reden nach zu schließen, gehört ihr zu den albernsten Gören im Land. Ich hatte diesen Verdacht schon mehrmals, aber jetzt bin ich mir sicher.«

Catherine war verwirrt und gab keine Antwort, Lydia hingegen fuhr vollkommen ungerührt in ihrer Schwärmerei für Captain Carter fort und sagte, sie hoffe ihn im Laufe des Tages noch zu sehen, da er am nächsten Morgen nach London aufbreche.

»Ich wundere mich, mein Lieber«, sagte Mrs Bennet, »dass Sie Ihre eigenen Kinder so ohne Weiteres als alberne Gören bezeichnen. Wenn ich irgend jemands Kinder schlechtmachen wollte, so jedenfalls nicht meine eigenen.«

»Wenn meine Kinder albern sind, kann ich nur hoffen, dass ich mir dessen immer bewusst bin.«

»Ja, aber wie die Dinge nun einmal liegen, sind sie allesamt sehr gescheit.«

»Dies ist der einzige Punkt, so schmeichle ich mir, in dem wir beide nicht übereinstimmen. Ich hatte gehofft, dass sich unsere Gedanken in allen Einzelheiten decken, aber ich bin insofern anderer Meinung als Sie, als ich unsere beiden jüngsten Töchter für ungewöhnlich töricht halte.«

»Aber Mr Bennet, Sie können doch nicht erwarten, dass solche Mädchen ebenso viel Verstand haben wie ihr Vater oder ihre Mutter. Wenn sie einmal so alt sind wie wir, bedeuten ihnen Offiziere auch nicht mehr als uns. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als mir der rote Rock gefiel – und insgeheim gefällt er mir noch immer. Und wenn ein schmucker junger Oberst mit fünf- oder sechstausend im Jahr eins meiner Mädchen haben möchte, würde ich nicht Nein sagen; ich fand, Colonel Forster sah neulich abends bei Sir William sehr vorteilhaft aus in seiner Uniform.«

»Mama«, rief Lydia, »die Tante sagt, dass Colonel Forster und Captain Carter nicht mehr so oft zu Miss Watson gehen wie am Anfang; sie sieht sie jetzt öfter in Clarkes Bücherei stehen.«

Mrs Bennet kam nicht zu einer Erwiderung, da der Butler mit einem Billet für Miss Bennet eintrat. Es kam aus Netherfield, und der Diener wartete auf eine Antwort. Mrs Bennets Augen blitzten vor Freude, und während ihre Tochter las, rief sie gespannt: »Na, Jane, von wem ist es? Worum geht es? Was steht drin? Schnell, Jane, sag’s uns, schnell, Liebes.«

»Es kommt von Miss Bingley«, antwortete Jane und las es vor.

»Liebe Freundin,

wenn Sie heute nicht aus Mitleid mit Louisa und mir speisen, laufen wir Gefahr, uns für den Rest unseres Lebens zu hassen, denn wenn zwei Frauen einen ganzen Tag lang miteinander allein sind, geht es nicht ohne Streit ab. Kommen Sie nach Erhalt dieser Nachricht, sobald Sie können. Mein Bruder und die anderen Herren speisen heute bei den Offizieren.

Stets die Ihre,

Caroline Bingley«

»Bei den Offizieren!«, rief Lydia. »Seltsam, dass uns die Tante nichts davon gesagt hat.«

»Sie speisen auswärts«, stellte Mrs Bennet fest. »Was für ein Pech!«

»Kann ich den Wagen haben?«, fragte Jane.

»Nein, Liebes, reite lieber, denn wahrscheinlich regnet es abends, und dann musst du über Nacht bleiben.«

»Das wäre ein guter Plan«, sagte Elizabeth, »wenn man sicher sein könnte, dass sie ihr nicht anbieten, sie heimzufahren.«

»Oh … Aber die Herren brauchen Mr Bingleys Chaise, um nach Meryton zu fahren, und die Hursts haben keine eigenen Pferde.«

»Ich würde lieber mit der Kutsche fahren.«

»Aber Liebes, dein Vater kann die Pferde bestimmt nicht entbehren. Sie werden auf dem Gut gebraucht, nicht wahr, Mr Bennet?«

»Sie werden viel öfter auf dem Gut gebraucht, als ich sie haben kann.«

»Aber wenn Sie sie heute nehmen«, sagte Elizabeth, »nützt dies auch den Absichten meiner Mutter.«

Endlich rang sie ihrem Vater die Bestätigung ab, dass die Kutschpferde nicht abkömmlich waren. Jane musste also reiten, und die Mutter begleitete sie unter vielen fröhlichen Schlechtwetterprophezeiungen zur Tür. Ihre Hoffnungen erfüllten sich; Jane war noch nicht lange fort, da begann es heftig zu regnen. Die Schwestern machten sich Sorgen um sie, die Mutter aber war begeistert. Es regnete ohne Unterlass den ganzen Abend, Jane konnte auf keinen Fall heimreiten.

»Das war wirklich eine gute Idee von mir«, sagte Mrs Bennet ein ums andere Mal, als sei der Regen allein ihr zu verdanken. Doch erst am nächsten Morgen erfuhr sie, welch glücklichen Griff sie mit ihrem Plan getan hatte. Das Frühstück war kaum vorbei, als ein Diener aus Netherfield folgendes Briefchen für Elizabeth brachte:

»Liebste Lizzy,

ich fühle mich heute Morgen sehr unwohl; es kommt wahrscheinlich daher, dass ich gestern durch und durch nass geworden bin. Meine lieben Freundinnen wollen nichts davon hören, dass ich nach Hause zurückkehre, ehe es mir nicht besser geht. Sie bestehen auch darauf, Mr Jones zu holen; erschrick also nicht, wenn du hörst, dass er bei mir war. Von Halsweh und Kopfschmerzen abgesehen, fehlt mir nicht viel.

Liebe Grüße etc.«

»So, meine Liebe«, sagte Mr Bennet, als Elizabeth den Brief vorgelesen hatte, »wenn Ihre Tochter nun ernsthaft krank wird, wenn sie vielleicht stirbt, dann ist es doch ein Trost, dass dies alles auf der Jagd nach Mr Bingley und auf Ihre Anordnung geschehen ist.«

»Ach, ich fürchte nicht im Geringsten, dass sie stirbt. Man stirbt nicht an einer kleinen, geringfügigen Erkältung. Sie wird gut umsorgt. Solange sie dort bleibt, ist alles in bester Ordnung. Ich würde sie besuchen, wenn ich die Kutsche haben könnte.«

Elizabeth, die sich ernsthaft sorgte, beschloss, sie zu besuchen, obwohl die Kutsche nicht verfügbar war. Da sie keine geübte Reiterin war, blieb ihr nichts übrig, als zu Fuß zu gehen. Sie verkündete ihren Entschluss.

»Wie kannst du nur auf einen so verrückten Gedanken kommen«, rief ihre Mutter, »bei diesem Schlamm! Bis du dort ankommst, kannst du dich nicht mehr sehen lassen.«

»Jane werde ich schon sehen können, und mehr will ich nicht.«

»Ist dies eine versteckte Bitte an mich, Lizzy«, fragte der Vater, »die Pferde holen zu lassen?«

»Nein, wirklich nicht. Ich will mich gar nicht um den Spaziergang drücken. Die Entfernung ist eine Kleinigkeit, wenn man ein Ziel hat, nur drei Meilen. Bis zum Dinner bin ich zurück.«

»Ich bewundere deine Tatkraft und Güte«, warf Mary ein, »aber jede plötzliche Gefühlsregung sollte von der Vernunft überprüft werden, und meiner Meinung nach muss die Anstrengung immer im richtigen Verhältnis zur Absicht stehen.«

»Wir gehen bis Meryton mit«, erklärten Catherine und Lydia. Elizabeth nahm ihre Begleitung gern an, und die drei jungen Damen brachen gemeinsam auf.

»Wenn wir uns beeilen«, meinte Lydia unterwegs, »sehen wir vielleicht noch Captain Carter, ehe er geht.«

In Meryton trennten sie sich; die beiden Jüngeren begaben sich in die Wohnung einer Offiziersfrau, und Elizabeth wanderte allein weiter, überquerte mit raschem Schritt ein Feld nach dem anderen, sprang ungeduldig und behände über Zauntritte und Pfützen und fand sich schließlich, erhitzt von der Anstrengung, mit müden Füßen, schmutzbespritzten Strümpfen und glühendem Gesicht in Sichtweite des Hauses wieder.

Sie wurde ins Frühstückszimmer gebeten, wo alle außer Jane beisammensaßen und ihr Auftauchen großes Erstaunen hervorrief. Dass sie ganz allein so früh am Morgen und bei so schlechtem Wetter drei Meilen gewandert war, erschien Mrs Hurst und Miss Bingley geradezu unglaublich, und Elizabeth war überzeugt, dass sie sie deshalb verachteten. Dennoch wurde sie überaus höflich empfangen, und im Verhalten ihres Bruders lag noch etwas Besseres als Höflichkeit, nämlich Gutmütigkeit und Liebenswürdigkeit. Mr Darcy sagte sehr wenig und Mr Hurst gar nichts. Ersterer war hin und her gerissen zwischen der Bewunderung für ihren von der Bewegung im Freien strahlenden Teint und dem Zweifel, ob der Anlass ihr Kommen, ganz allein und von so weit her, rechtfertigte. Letzterer dachte nur an sein Frühstück.

Sie erkundigte sich nach ihrer Schwester und erhielt keinen besonders erfreulichen Bescheid. Miss Bennet hatte schlecht geschlafen und war zwar aufgestanden, fieberte aber und fühlte sich nicht wohl genug, um ihr Zimmer zu verlassen. Elizabeth war froh, als sie sogleich zu ihr gebracht wurde, und Jane, die aus Furcht, die Familie zu beunruhigen oder ihr Unannehmlichkeiten zu bereiten, in ihrem Brief nicht ausgesprochen hatte, wie sehr sie sich einen solchen Besuch wünschte, freute sich sehr, als Elizabeth eintrat. Doch langen Gesprächen fühlte sie sich nicht gewachsen, und als Miss Bingley die beiden allein ließ, konnte sie kaum mehr als dankbar beschreiben, wie außerordentlich liebenswürdig sie behandelt wurde. Elizabeth versorgte sie schweigend.

Nach dem Frühstück gesellten sich die Schwestern zu ihnen, und als Elizabeth sah, wie viel Zuneigung und Besorgtheit sie zeigten, gewann sie sie etwas lieber. Der Apotheker erschien, und nachdem er die Patientin untersucht hatte, erklärte er wie erwartet, sie habe sich eine schwere Erkältung zugezogen, die man mit aller Kraft bekämpfen müsse; er riet ihr, wieder ins Bett zu gehen, und versprach ihr Arzneien. Bereitwillig befolgte sie seinen Rat, denn die Krankheitsanzeichen mehrten sich, und ihr Kopf schmerzte arg. Elizabeth ging keinen Augenblick aus dem Zimmer, und auch die Damen blieben selten fern. Da die Herren außer Haus waren, hatten sie ja sonst nichts zu tun.

Als es drei Uhr schlug, fand Elizabeth, sie müsse aufbrechen, und verabschiedete sich, wenn auch sehr ungern. Miss Bingley bot ihr die Kutsche an, und es brauchte nur wenig Nötigung, dass sie sie annahm. Doch Jane wurde so unruhig, als Elizabeth sich von ihr trennen wollte, dass Miss Bingley sich gezwungen sah, das Kutschenangebot umzuwandeln in eine Einladung, fürs Erste in Netherfield zu bleiben. Elizabeth willigte dankbar ein, und ein Diener wurde nach Longbourn geschickt, um der Familie mitzuteilen, dass sie hierblieb, und um zusätzliche Kleidung zu holen.

Kapitel 8

Um fünf Uhr zogen sich die beiden Damen zum Umkleiden zurück, und um halb sieben wurde Elizabeth zum Dinner gebeten. Auf die höflichen Fragen, mit denen man sie nun bestürmte und aus denen sie zu ihrer Freude bei Mr Bingley eine echte Sorge heraushörte, konnte sie keine sehr günstige Auskunft geben. Jane ging es keineswegs besser. Als die Schwestern dies hörten, wiederholten sie drei- oder viermal, wie tief bekümmert sie seien, wie schrecklich es sei, eine schwere Erkältung zu haben, und wie maßlos schlimm sie es fänden, selbst krank zu sein, und dann vergaßen sie das Thema. Angesichts der Tatsache, dass ihnen Jane völlig gleichgültig war, wenn sie sie nicht mehr unmittelbar vor Augen hatten, durfte sich Elizabeth wieder ganz ihrem ursprünglichen Widerwillen überlassen.

Der Bruder war wirklich der Einzige in der Gruppe, den sie mit Wohlgefallen betrachten konnte. Seine Sorge um Jane war offenkundig, und seine Aufmerksamkeiten ihr selbst gegenüber freuten sie und verhinderten, dass sie sich allzu sehr als der Eindringling fühlte, als der sie wahrscheinlich von den anderen empfunden wurde. Sonst schenkte ihr niemand viel Beachtung. Miss Bingley war ganz mit Mr Darcy beschäftigt, ihre Schwester kaum weniger, und Mr Hurst, neben dem Elizabeth saß, war ein träger Mann, der nur lebte, um zu essen, zu trinken und Karten zu spielen, und als er merkte, dass sie schlichte Hausmannskost einem raffiniert gewürzten Ragout vorzog, hatte er ihr nichts mehr zu sagen.

Nach dem Dinner kehrte sie sofort zu Jane zurück, und kaum war sie aus dem Zimmer, begann Miss Bingley über sie zu schimpfen. Ihre Manieren seien miserabel, eine Mischung aus Stolz und Unverschämtheit, sie könne sich nicht gewandt unterhalten und besitze weder Stil noch Geschmack oder Schönheit. Dies fand Mrs Hurst auch und fügte hinzu: »Kurzum, sie hat nichts, das sie empfehlen würde, bis auf die Tatsache, dass sie hervorragend wandern kann. Ihren Auftritt heute Morgen werde ich niemals vergessen. Sie sah ja geradezu wild aus.«

»Ja, das stimmt, Louisa. Ich konnte kaum die Fassung bewahren. So ein Unsinn, überhaupt zu kommen! Wozu muss sie über Land laufen, bloß weil ihre Schwester sich erkältet hat? Und das Haar so unordentlich, so zerzaust!«

»Ja, und der Unterrock, hoffentlich hast du ihren Unterrock gesehen, bestimmt sechs Zoll hoch voll Schlamm, und das Kleid, das sie heruntergelassen hat, um ihn zu verbergen, hat seine Aufgabe auch nicht erfüllt.«

»Du magst sie völlig richtig schildern, Louisa«, sagte Bingley, »aber ich habe das alles gar nicht wahrgenommen. Ich fand, Miss Elizabeth Bennet sah bemerkenswert gut aus, als sie heute Morgen ins Zimmer kam. Ihr beschmutzter Unterrock ist mir gar nicht aufgefallen.«

»Aber Sie, Mr Darcy, haben ihn bestimmt bemerkt«, sagte Miss Bingley, »und Sie würden es bestimmt nicht gern sehen, wenn Ihre Schwester sich derart zum Gespött machte.«

»Gewiss nicht.«