Strand, Korb, Mord - Der tödliche Buchclub - Stefanie Lahme - E-Book

Strand, Korb, Mord - Der tödliche Buchclub E-Book

Stefanie Lahme

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Endlich ist Theda zurück auf der Nordseeinsel Wangerooge - Meeresrauschen und salzige Brisen, danach hat sie sich gesehnt. Doch schon bald wird aus dem Insel-Urlaub ein neuer Kriminalfall. Denn als Theda mit ihrem Freund Hinnerk eine Lesung besuchen will, ist der Buchhändler Herr Bartmann in heller Aufregung: Der Autor ist spurlos verschwunden!

Theda und Hinnerk machen sich auf die Suche nach dem Autor - und finden seine Leiche. Wer ermordet einen harmlosen Autor auf dem Weg zu seiner Lesung? Und was hat der zusammengeknüllte Zettel bei dem Toten zu bedeuten? Eigentlich will Theda solche Fragen und die Suche nach dem Mörder der Insel-Polizei überlassen. Aber als plötzlich der Buchhändler Bartmann ins Visier des Täters gerät, kann Theda nicht länger stillsitzen ...

Buchhändlerin Theda und Krimi-Autor Hinnerk ermitteln in ihrem zweiten Fall auf Wangerooge. Das perfekte Urlaubsbuch für alle Nordsee-Fans, die humorvolle Küsten-Krimis lieben.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Endlich ist Theda zurück auf der Nordseeinsel Wangerooge – Meeresrauschen und salzige Brisen, danach hat sie sich gesehnt. Doch schon bald wird aus dem Insel-Urlaub ein neuer Kriminalfall. Denn als Theda mit ihrem Freund Hinnerk eine Lesung besuchen will, ist der Buchhändler Herr Bartmann in heller Aufregung: Der Autor ist spurlos verschwunden!

Theda und Hinnerk machen sich auf die Suche nach dem Autor – und finden seine Leiche. Wer ermordet einen harmlosen Autor auf dem Weg zu seiner Lesung? Und was hat der zusammengeknüllte Zettel bei dem Toten zu bedeuten? Eigentlich will Theda solche Fragen und die Suche nach dem Mörder der Insel-Polizei überlassen. Aber als plötzlich der Buchhändler Bartmann ins Visier des Täters gerät, kann Theda nicht länger stillsitzen ...

Buchhändlerin Theda und Krimi-Autor Hinnerk ermitteln in ihrem zweiten Fall auf Wangerooge. Das perfekte Urlaubsbuch für alle Nordsee-Fans, die humorvolle Küsten-Krimis lieben.

Stefanie Lahme

Der tödliche Buchclub

Ein Wangerooge-Krimi

Kapitel 1

Die besten Dates finden in einer Buchhandlung statt.

Jedenfalls konnte sich Theda keinen passenderen Ort vorstellen, um an ihrem ersten Abend zurück auf Wangerooge das Wiedersehen mit Hinnerk Graf zu feiern. Schon seit Wochen freute sie sich darauf. Nach ihrem Urlaub im Frühsommer auf der Nordseeinsel hatte sie sich von dem Krimiautor verabschiedet und war seitdem mit ihm in Kontakt geblieben. Nicht über Mails, WhatsApp oder Skype, sondern auf die altmodische Art: Hinnerk hatte ihr Briefe geschrieben. Anfangs war es ihr gar nicht so leichtgefallen, seine kühne Handschrift zu entziffern. Doch mit jeder seiner mal nur kurzen, mal seitenlangen Nachrichten hatte sie sich mehr daran gewöhnt und sich gefreut, von seinem Autorenleben auf Wangerooge zu erfahren. Zugleich war ihr Wunsch größer geworden, sich endlich auch wieder einmal auf die Insel zu begeben. Und nun, da die Sommerblumen im Garten ihrer Tante Clara der von Heidekraut dominierten Herbstbepflanzung gewichen waren, hatte sie es geschafft. Zwei Wochen auf Wangerooge lagen vor ihr, und sie hoffte, möglichst viel von dieser Zeit mit Hinnerk verbringen zu können.

Natürlich auch mit Tante Clara, wie sie sich mit dem Anflug eines schlechten Gewissens vornahm.

Prüfend musterte sie sich im Spiegel. Für die Thriller-Lesung hatte sie sich für einen schmal geschnittenen Rollkragenpullover, schwarz, mit dünnen silberfarbenen Streifen, und eine ihrer eleganteren, ebenfalls schwarzen Stoffhosen entschieden. Nun fuhr sie sich probeweise durch die Haare. Vielleicht doch lieber hochstecken? Was würde Hinnerk besser gefallen? Und warum war ihr das wichtig? Sie mochte ihn, wirklich, und während ihres Sommerurlaubs hatte es ein paar Momente gegeben, die darauf hingedeutet hatten, dass sich mehr als Freundschaft zwischen ihnen entwickeln könnte ... Aber verliebt war sie nicht in ihn. Ihr Herz klopfte jetzt nur schneller, weil sie sich auf den Abend mit einem Freund freute, den sie länger nicht gesehen hatte.

Sie entschied sich, die Haare lieber offen zu tragen, griff nach ihrem Mantel und lief die Treppe hinunter. Clara saß in ihrem Lieblingssessel im Wintergarten, die Lesebrille vorne auf der Nase, und hob den Kopf von ihrem Buch, als Theda hereinkam.

»Willst du wirklich nicht mitkommen?«, fragte Theda sie zum wohl zehnten Mal.

»Ach nein, Liebes. Diese grausamen Thriller sind nichts für mich.« Lächelnd hob Clara ihre aktuelle Lektüre, sodass Theda den Titel lesen konnte: Mord im Orient Express. Clara war ein großer Fan von Agatha Christie. »Da lese ich lieber die Klassiker, da weiß ich, was auf mich zukommt. Viel Spaß bei der Lesung. Und mit deinem Hinnerk.«

Theda übersah das verschwörerische Blinzeln. »Danke, Tante Clara. Macht es dir wirklich nichts aus, dass ich dich an meinem ersten Abend hier allein lasse?«

Clara lachte. »Blödsinn! Ich freu mich, wenn du dich mit deinem jungen Mann amüsierst. Und morgen mache ich uns ein schönes Frühstück. Vielleicht kommt uns ja sogar unsere Elsterfreundin besuchen.«

Claras halbzahme Elster hatte im Sommer ihren Teil dazu beigetragen, einen Mordfall aufzuklären. Theda hätte den kecken Vogel gerne wiedergesehen, doch über das junger Mann musste sie grinsen. Schließlich befand sich Hinnerk, genau wie sie, bereits in einem eher gesetzteren Alter von über fünfzig, obwohl das seiner Abenteuerlust keinen Abbruch tat.

Es klingelte, und Theda gab Clara zum Abschied einen Kuss auf die Wange, bevor sie zur Tür eilte und sie öffnete. Hinnerks strahlendes Lächeln begrüßte sie, und ihr Gesicht wurde heiß. Sie hatte vergessen, wie attraktiv er war mit dem schwarzen Haar, das an den Schläfen grau wurde, und dem schalkhaften Funkeln in den blauen Augen. Einen Moment stand sie nur da und erwiderte sein Lächeln, wusste mit plötzlicher Verlegenheit nicht recht, ob sie ihm formell die Hand reichen oder ihm ein Wangenküsschen geben sollte.

»Theda!« Hinnerk breitete die Arme aus, und da war es leicht. Theda musste nur einen Schritt auf ihn zu machen und fand sich in einer warmen Umarmung. Der vertraute Duft von Hinnerks Aftershave zog ihr in die Nase und weckte Erinnerungen an gemeinsame Strandspaziergänge mit anschließender Einkehr in einer kleinen Bar an der Promenade, an zusammen bewunderte Sonnenuntergänge und lange Gespräche. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie Hinnerk vermisst hatte.

Sie lösten sich voneinander, und Hinnerk sah sie eindeutig bewundernd an. »Du siehst großartig aus«, sagte er, und es klang so überzeugend, dass Theda sich an noch etwas erinnerte. Daran, wie gut sie sich in Hinnerks Nähe immer fühlte.

»Danke«, sagte sie, nur ein wenig verlegen. »Du auch.«

Amüsiert stellte sie fest, dass auch Hinnerk einen schwarzen Rollkragenpullover trug, unter einem grauen Jackett. An dem belustigten Aufblitzen in seinen Augen sah sie, dass auch ihm ihr Partnerlook aufgefallen war. »Wie ich sehe, halten wir uns beide an die ebenso korrekte wie ungeschriebene Kleiderordnung für eine Thriller-Lesung. Danke, dass du mich begleitest. Hier, bitte schön, ich habe ein kleines Willkommensgeschenk für dich.«

Er überreichte Theda eine Flasche, die sie sogleich als Sanddornlikör erkannte. Ein Getränk, das in ihrem gemeinsam gelösten Fall eine eher unrühmliche, wenn auch wichtige Rolle gespielt hatte. »Äh ...«, machte sie skeptisch und brachte Hinnerk damit zum Lachen.

»Keine Sorge, er ist nicht vergiftet. Nur eine Erinnerung an unseren ersten Fall.«

»Danke schön.« Sie stellte den Likör auf dem Flurschränkchen ab und schlüpfte in ihren Mantel. »Gibt es denn etwa schon einen zweiten?«

Hinnerk bot ihr galant den Arm. »Außer dem, an dem ich gerade schreibe, nicht, meine Teuerste. Und auch von dem brauche ich mindestens zwei Wochen Erholung.«

Eine nette Art, Theda zu zeigen, dass er für sie eine Schreibpause einlegen wollte. Sie schlenderten die Straße hinunter, und es fühlte sich an, als wären sie nie getrennt gewesen, als lösten sich die ohne einander verbrachten Monate in Luft auf. Theda kam es vor, als hätten sie erst gestern ihr Abschiedsessen in ihrem Lieblingsrestaurant genossen und danach an ihrem letzten Abend im Strandkorb vor der kleinen Bar gesessen. Bestimmt konnten sie nach der Lesung dort noch einen Absacker nehmen. Doch zuerst kam Thrillerspannung auf sie zu.

»Kennst du den Autor eigentlich?«, fragte Theda, während sie durch die Fußgängerzone schlenderten. Jetzt im Herbst brach bereits die Dunkelheit herein, und wo vor einer Stunde noch Touristen an den Schaufenstern der Läden vorbeiflaniert waren, kehrte nun Ruhe ein. Nur in den zahlreichen erleuchteten Restaurants herrschte noch reges Treiben. Kein Wunder, es war Ferienzeit und die Insel noch recht gut besucht, bevor die Winterruhe einkehren würde.

»Nicht sonderlich gut«, beantwortete Hinnerk Thedas Frage. »Ich habe Darius Dampf bei einem Event für Thriller und Krimis kennengelernt, auf dem ich auch gelesen habe. Ein sympathischer Mann, der viel Wert auf gründliche Recherche legt. Das ist sicher auch nötig, wenn man Thriller mit Bezug zu aktuellen politischen Themen schreibt, die sich eng an der Realität orientieren.«

»Das hört sich an wie aus einer Vorschau für Buchhändler abgelesen.«

Hinnerk zog einen Flyer aus der Tasche, der Werbung für die heutige Lesung machte, und gab ihn an Theda weiter. Und, o Wunder, auf dem fand Theda beinahe wörtlich Hinnerks Kommentar, bis auf das sympathisch. Ein Foto zeigte Darius Dampf, einen kahlköpfigen Herrn in Hinnerks Alter, der durch eine dunkel gerahmte Brille kritisch in die Kamera blickte. Theda kannte das Autorenfoto. Sie bot die Politthriller von Herrn Dampf in ihrer Buchhandlung an, und sie waren sehr beliebt. Sie hatte auch einen gelesen, doch es ging ihr wie Clara. Eng an der Realität orientiert, gut und schön, aber ihr war das zu brutal. Sie hoffte, dass Herr Dampf für die Lesung eher harmlose Textpassagen ausgesucht hatte. Doch eines interessierte sie. »Sag mal, dieser Name Darius Dampf ist doch ein Pseudonym, oder?«

»Du meinst, wie Rose Heartfield?«

Unter diesem Pseudonym verfasste Hinnerk Liebesromane. Er hob die Schultern. »Tatsächlich weiß ich das gar nicht. Aber ich gehe davon aus, dass es eines ist, schon alleine, um den Autor zu schützen. Die Themen, die er in seinen Büchern aufgreift, sind ja doch brisant, und ich könnte mir vorstellen, dass er damit einigen Menschen auf die Füße tritt. Da liegt es im Interesse seiner Sicherheit, seinen wirklichen Namen nicht preiszugeben.«

»Wangerooge ist jedenfalls ein sicherer Ort für eine spannende Lesung«, behauptete Theda. »Wäre es nicht auch eine gute Idee gewesen, einen Leseabend mit euch beiden anzubieten? Krimi und Thriller passen doch gut zusammen.«

Zu Thedas Erstaunen verzog Hinnerk den Mund. »Wunder Punkt, ganz wunder Punkt. Sprich dieses Thema bloß nicht vor dem Besitzer der Buchhandlung an.«

»Warum nicht?«

»Nun ja, sagen wir mal so, Herr Bartmann hält nicht sonderlich viel von meinen literarischen Ergüssen, wie er es nennt. Und du solltest mal hören, wie er das ›literarisch‹ dabei ausspricht. Volle Punktzahl auf der Sarkasmusskala.«

Obwohl Hinnerk klang, als würde er sich über Herrn Bartmanns Urteil amüsieren, glaubte Theda doch eine Spur von Ärger wahrzunehmen. Ihr gefiel es auch nicht, dass der Kollege Hinnerks Romane offenbar so gering schätzte. Der Mann war ihr schon unsympathisch, ohne ihm je begegnet zu sein. Sie drückte Hinnerks Arm. »Dann hat der Herr eben keinen Geschmack. Deine Krimis sind gut. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich die Romane von Rose Heartfield ein winziges bisschen lieber mag.«

»Was? Diese schändlichen Schmonzetten!«, rief Hinnerk in gespieltem Entsetzen aus. »Die erwähnst du heute vor Herrn Bartmann am besten gar nicht, wenn du ihm nicht den Abend verderben willst.«

Sogleich kam in Theda der rebellische Drang auf, genau das Thema anzusprechen. Sie mochte es gar nicht, wenn Menschen, und gerade Buchhändler, sich anmaßten, über den Lesegeschmack anderer zu urteilen und bestimmte Genre zu verdammen, nur weil sie nicht ihren eigenen literarischen Ansprüchen entsprachen.

»Weiß er denn, dass du das bist?«

»Ich glaube, nicht. Und falls doch, ist er vermutlich zu diskret, um es zu zeigen. Mittlerweile ist mein Pseudonym allerdings so vielen hier auf der Insel bekannt, dass es schon an ein Wunder grenzen dürfte, wenn er nicht zumindest Gerüchte darüber gehört hat. Wahrscheinlich interessiert er sich nur einfach nicht dafür. Die Romane von Rose Heartfield sind weit unter seiner Würde.«

»Heißt also, er verzichtet auch darauf, sie in seinem Laden anzubieten? Obwohl sie solche Verkaufsschlager sind?«

Hinnerk wurde gleich ein paar Zentimeter größer. »Du schmeichelst mir. Aber nein, die findest du wirklich nicht in seiner Buchhandlung. Ist allerdings kein großes Problem, denn das Schreibwarengeschäft ist nicht von derartigem Standesdünkel geplagt. Dort gibt es auch Rose.«

In dem Geschäft hatte Theda schon Postkarten und Mitbringsel für ihre Freundinnen gekauft. Zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie Herrn Bartmanns Buchhandlung noch keinen Besuch abgestattet hatte. Eigentlich liebte sie es, in Buchläden zu stöbern und sich Ideen für ihren eigenen Laden zu holen, doch es war immer etwas dazwischengekommen. Nun gut, das Versäumnis würde sie ja heute nachholen. Ihre Neugier auf Herrn Bartmann war jedenfalls nach Hinnerks wohl nicht ganz objektiven Kommentaren geweckt. Vermutlich würde sie ihn nicht sonderlich sympathisch finden. Aber vielleicht tat sie dem Mann unrecht, und Hinnerk hatte ein wenig übertrieben. Sie nahm sich vor, ihm unvoreingenommen gegenüberzutreten, soweit das jetzt noch möglich war.

Die Buchhandlung befand sich in einem der alten Inselhäuser, die schmale Fassade eingezwängt zwischen einem Fischrestaurant und einem Bekleidungsgeschäft. Über der Eingangstür hing ein schlichtes altmodisches Schild aus Holz mit der Aufschrift Bücher Bartmann. Es erinnerte Theda an die gemalten Ladenschilder, die sie in Irland gesehen hatte. Interessiert betrachtete sie die Auslagen in den Schaufenstern links und rechts der Tür. Herr Bartmann präsentierte die Bücher auf edlem dunklem Samt, ohne sonstigen Schnickschnack. Das passte zu dem gediegenen Äußeren des Ladens mit den hölzernen Fensterrahmen und der antik wirkenden, ebenfalls hölzernen Tür mit Schnitzereien und einem kleinen Fenster aus buntem Glas. Bei dem Anblick des Türklopfers aus poliertem Messing in Form einer Meerjungfrau stieß Theda einen entzückten Laut aus. »Das ist ja wundervoll! Der Laden sieht aus, wie aus einer anderen Zeit hierher gezaubert. Oder aus einer anderen Welt?«

Der verführerische Duft von frisch gebratenem Fisch brachte sie zurück in die Realität. Obwohl Theda bereits mit Clara zu Abend gegessen hatte, knurrte ihr Magen verräterisch. In dem Restaurant nebenan waren sogar sämtliche Tische draußen besetzt. Die Gäste saßen mit dicken Jacken da und schienen sich an der herbstlichen Abendkühle nicht zu stören. Sie plauderten fröhlich und aßen.

Hinnerk schaute ebenfalls zur Restaurantterrasse hinüber. »Das Geschäft läuft seit dem Sommer hervorragend. Mittlerweile muss man da Wochen vorher reservieren, um überhaupt noch einen Tisch zu bekommen.«

»Ist es dir schon gelungen?«

»Ja, ein Mal. Und das Essen ist wirklich gut. Eigentlich wollte ich dich ja damit überraschen, aber ich habe für morgen einen Tisch für uns reserviert. Torsten und Anna kommen auch, und deine Tante Clara. Ich hatte sie gebeten, dir noch nichts zu verraten.«

»Na, das ist aber doch trotzdem eine Überraschung«, rief Theda erfreut. »Was für ein Urlaubsstart. Heute die Lesung und morgen ein wunderbares Essen im angesagtesten Restaurant Wangerooges.«

Und vor allem mit Hinnerk, aber das sprach Theda nicht aus. Zwei Frauen gingen an ihnen vorbei in den Buchladen und sahen sich nach ihnen um, unsicher, ob sie auch hineingehen wollten.

Hinnerk nahm mit einem dankenden Nicken die aufgehaltene Tür an und ließ Theda den Vortritt.

Kapitel 2

Theda betrat die Buchhandlung und fühlte sich wirklich wie in eine andere Welt versetzt. Der unverwechselbare Duft von alten Büchern, Papier und Leder hüllte sie ein. Zuerst wirkte der Laden kaum größer als ein Flur, die Seitenwände mit deckenhohen Bücherregalen zugestellt. Das hätte beklemmend wirken können, doch auf Theda schien es wie ein Portal in die geliebte Welt der Bücher. Nach ein paar Schritten öffnete sich der Gang in einen größeren Raum, und Theda stand in einer Buchhandlung, in der die Zeit stehen geblieben zu sein schien. Regale aus dunklem Holz, nur wenige Auslagentische, und auf denen befanden sich tatsächlich nur Bücher, nicht der sonstige Krimskrams, der heutzutage in Buchläden verkauft wurde, wie Kerzen, dekorative Mitbringsel und Spielzeug. Sogar Socken bot Theda seit einem Jahr in ihrem Laden an, und sie waren an so manchem Tag beliebter als die Bücher.

Wie es aussah, hielt Herr Bartmann nichts von derlei Tand. In seiner Buchhandlung gab es Bücher. Punkt. Nicht mal ein Notizbuch konnte Theda erspähen oder ein Lesezeichen. Beinahe erwartete sie, eine altmodische Ladenkasse auf dem Verkaufstresen zu sehen, doch dort stand tatsächlich eine moderne Kasse mit Kartenlesegerät.

Das Gemurmel leiser Gespräche drang an ihr Ohr, und sie schaute sich suchend um. Wo sollte die Lesung stattfinden? Hier war nichts aufgebaut.

»Dieser Laden ist so eine Art Tardis«, informierte Hinnerk sie. »Innen größer als außen. Nach hinten raus gibt es einen Anbau, den Herr Bartmann für Lesungen und die Buchclubtreffen nutzt.«

Theda lag schon die Frage auf der Zunge, ob Hinnerk, wie ihre Tante Clara, Mitglied in diesem Buchclub war, doch sie verschob sie auf später, da ein älterer Herr auf sie zueilte. Theda schätzte ihn auf Mitte siebzig. Er trug ein Tweedjackett über einer Weste und dazu eine Fliege und sah so herrlich altmodisch aus, dass er genau in diesen Buchladen gehörte. Theda wusste sofort, dass es sich nur um Herrn Bartmann persönlich handeln konnte. Zu seiner gepflegten Erscheinung passte sein Haar nicht so ganz, denn es stand in fedrigen Strähnen nach allen Seiten vom Kopf ab, als hätte er es sich gerauft. Auf der Adlernase in seinem asketisch hageren Gesicht saß eine goldgerahmte Brille.

»Guten Abend«, begrüßte er sie förmlich, während sein Blick von Theda zu Hinnerk und an ihnen vorbei Richtung Tür huschte. »Willkommen zur heutigen Lesung. Herr Graf, Frau ...«

»Darf ich vorstellen, Theda, das ist Herr Bartmann, der Besitzer dieses Buchladens. Herr Bartmann, darf ich Sie mit Theda Köster bekannt machen. Sie führt ebenfalls eine Buchhandlung.«

Sofort leuchtete Herr Bartmanns Gesicht auf, und seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem herzlichen Lächeln, das weit weniger gezwungen wirkte als seine Begrüßungsmiene zuvor. Er schüttelte Thedas Hand. »Sehr erfreut, meine Dame, sehr erfreut! Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«

Perplex sah Theda ihn an, und er fuhr rasch fort: »Von Ihrer Tante Clara, einem geschätzten Mitglied meines Buchclubs. Sehr schade, dass ich sie nicht dazu überreden konnte, der heutigen Lesung beizuwohnen.«

»Ja, leider ist mir das auch nicht gelungen.«

»Umso schöner, dass Sie es einrichten konnten. Und Herr Graf, es ist mir eine Freude.«

Theda horchte auf Spuren von Ironie oder gar Sarkasmus in Herrn Bartmanns Ton, doch er klang ehrlich erfreut. Nun beugte er sich gar vertraulich zu Hinnerk und raunte: »Sie haben nicht zufällig Ihren Kollegen unterwegs getroffen?«

»Herrn Dampf?« Hinnerk runzelte die Stirn. »Nein, tut mir leid.«

Herr Bartmanns Blick huschte erneut zur Tür. »Hm, ja, eigentlich sollte er längst hier sein, und ich dachte ... nun ja, nichts für ungut. Nehmen Sie doch gerne im Saal Platz, bitte.«

Der Begriff Saal war zwar reichlich euphemistisch, doch Theda war überrascht, wie groß der Raum hinter dem Buchladen tatsächlich war. Vor einem dunklen Samtvorhang stand ein lederner Ohrensessel, daneben ein Beistelltisch mit einer Leselampe und einer Flasche Wasser nebst Glas. Davor befanden sich mehrere gut gefüllte Reihen Stühle. Die Plätze waren sogar nummeriert, und Hinnerk führte Theda zu zwei freien Stühlen am Rand der dritten Reihe. Theda war froh, dass sie sich nicht an den bereits sitzenden Gästen vorbeizwängen musste, und nahm Platz. Waren sie denn so spät? Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet, dass die Lesung in fünf Minuten beginnen sollte. Für den kurzen Weg hierher hatten sie länger gebraucht, als Theda angenommen hatte. Die Zeit mit Hinnerk verflog immer so schnell!

»Hm, merkwürdig, dass Darius noch nicht da ist«, murmelte Hinnerk.

Nun nannte er ihn schon das zweite Mal beim Vornamen. Kannte er ihn doch besser, als er zugeben wollte?

»Herr Bartmann schien nervös zu sein«, sagte Theda.

»Ja, allerdings.« Hinnerk rieb sich die Braue. »Vielleicht hat mein werter Autorenkollege sich in seiner Pension noch kurz hingelegt und verschlafen?«

»Vermutlich hat Herr Bartmann dort schon angerufen.«

»Verlaufen wird er sich wohl kaum haben.«

»Sag das nicht! So klein ist das Dorf nun auch wieder nicht, und wenn man sich nicht auskennt ...«

Hinnerk hob die Brauen. »Das wäre allerdings seltsam, wenn Darius Dampf, der sich locker in den Großstädten dieser Welt bewegt, ausgerechnet hier auf Wangerooge die Orientierung verlieren würde.«

Da musste Theda ihm zustimmen. Sie war sogar ganz froh, dass Herr Dampf noch nicht erschienen war, das gab ihr Zeit, noch ein wenig mit Hinnerk zu plaudern. Sie erkundigte sich nach dem Krimi, den er aktuell schrieb, und er wollte die neusten Streiche ihres Katers hören.

Allmählich kam Unruhe im Publikum auf. Das Gemurmel wurde lauter. Die Frau neben Theda hatte einige Bücher zum Signieren mitgebracht und blätterte nun in einem davon. Ihre Begleiterin bewies weniger Geduld und sagte empört: »Das ist aber äußerst unprofessionell, dass der Herr Autor uns hier warten lässt. So ist das eben, wenn man berühmt ist, nicht wahr?« Sie beugte sich vor und nahm Hinnerk ins Visier. »Können Sie nicht einspringen, Herr Graf?«

Offenbar genoss er auf Wangerooge bereits den Autoren-Promistatus. Bevor er etwas erwidern konnte, eilte Herr Bartmann an den Stuhlreihen vorbei und stellte sich händeringend vor den Lesesessel. »Herzlich willkommen, liebe Gäste«, begann er mit vor Nervosität hoher Stimme. »Ich freue mich, Sie hier begrüßen zu dürfen. Herr Dampf wird uns heute seinen neuen Thriller vorstellen, der bereits auf der Bestsellerliste zu finden ist. Wir können uns auf eine spannende Lesung freuen. Wenn ich Sie noch um etwas Geduld bitten darf. Herr Dampf wird uns bald mit seiner Anwesenheit beehren.«

Sein Haar sah sogar noch wirrer aus, und auf seinen fahlen Wangen leuchteten rote Flecken. Mit flackerndem Blick marschierte er zurück in den Buchladen. Hinnerk beugte sich zu Theda. »Entschuldige bitte, aber ich werde Herrn Bartmann mal meine Hilfe anbieten.«

»Das ist lieb von dir. Ich komme mit!«

»Das brauchst du nicht. Ich werde nur eben zu Darius’ Pension gehen und unterwegs nach ihm Ausschau halten.«

Theda hatte keine Lust, alleine hier herumzusitzen, und stand trotz Hinnerks Protest auf und folgte ihm zurück in den Laden. Dort lief Herr Bartmann wie ein aufgescheuchtes Huhn zwischen den Regalen hin und her, ein, o Wunder, modernes Smartphone am Ohr.

»Aber er muss doch etwas gesagt haben! Nein, gut, also ... einen Moment bitte.« Er ließ das Telefon sinken und sah Hinnerk und Theda entgegen.

»Herr Bartmann«, sagte Hinnerk in einem so beruhigenden Ton, dass er damit wohl selbst einen durchgehenden Ochsen hätte besänftigen können. »Ich kenne Herrn Dampf und weiß, wo er hier untergekommen ist. Wenn Sie möchten, werde ich hingehen und nachsehen, was da los ist.«

»Nein, das erledige ich lieber selbst.«

»Lassen Sie mich das doch machen, dann müssen Sie Ihre Gäste nicht allein lassen.«

Sichtlich hin- und hergerissen rang Herr Bartmann die Hände. »Oh! Ja. Das stimmt, aber ... Würden Sie das tun? Ich würde wirklich lieber selbst gehen, aber ich kann hier ... die Gäste. Sie haben recht ... das geht ja nicht.« Herr Bartmanns Zunge fuhr hektisch über seine Lippen.

»Keine Sorge, ich mache mich sofort auf den Weg.«

»Seine Pensionswirtin ist nicht zu Hause. Ich erreiche dort niemanden.«

»Vielleicht hat er ein Nickerchen gemacht und den Wecker überhört«, wiederholte Hinnerk seine Theorie.

»Nickerchen?« Herr Bartmann raufte sich das Haar. »Aber ... ja. Vielen Dank, Herr Graf. Ach so. Eins vielleicht noch. Ich habe Herrn Dampf bei der Vorbesprechung heute Morgen den Pfad durch meinen Garten zu dem Fußgängerweg zwischen den Häusern gezeigt, also die Abkürzung zu seiner Pension. Den wird er doch hoffentlich nicht genommen haben? Der Weg durch den Garten ist doch gar nicht beleuchtet! Ich hatte ihn nur darauf aufmerksam gemacht, damit er ihn tagsüber auf dem Rückweg nehmen kann. Hätte ich das lieber nicht getan!«

»Wenn Sie mir diesen Pfad bitte auch zeigen würden? Dann schaue ich da mal nach.«

»Im Garten war ich schon ... ja, natürlich. Gerne.«

Hinnerk und Theda folgten Herrn Bartmann durch eine Seitentür aus dem Laden, durch einen kaum einen Meter breiten Flur an einer Treppe vorbei nach draußen. Bis auf eine trübe Außenleuchte, die offenbar auf Bewegung reagierte und über ihnen aufflammte, gab es kein Licht.

»Warten Sie, ich hole eine Taschenlampe. Wenn ich nur ... wo könnte die denn ... Am besten, ich gehe doch selbst.«

»Nicht nötig«, unterbrach Hinnerk den aufgeregten Buchhändler. »Ich nehme einfach die Lampe von meinem Handy.« Da leuchtete sie auch schon auf und schnitt durch den Garten, holte einen Streifen Grün aus der Dunkelheit.

»An der Rückseite des Gartens ist ein kleines Tor, das führt direkt auf den Fußweg. Vielen Dank noch mal, Herr Graf. Und Frau Köster. Ich weiß gar nicht ...«

»Schon gut, Herr Bartmann. Dann mache ich mich mal auf die Suche.«

Hinnerk stellte Thedas Begleitung nicht mehr infrage. Im Gegenteil, er bot ihr wieder den Arm, und sie hakte sich unter. »Scheint so, als gehörte Herr Bartmann zu den Menschen, die lieber alles allein erledigen«, stellte Theda fest.

»Wohl wahr«, bestätigte Hinnerk. »Delegieren ist nicht seine Stärke. Das zeigt sich auch daran, wie er den Buchclub führt.«

Nebeneinander gingen sie im Lichtschein der Taschenlampen-App über eine Wiese, bis sie bereits nach wenigen Schritten das Gartentürchen erreichten.

»Könnte mir schon vorstellen, dass Darius diesen Weg genommen hat«, meinte Hinnerk. »Nicht ganz so langweilig wie die Straße.«

»Aber nicht so gut, wenn er Wert auf saubere Schuhe bei der Lesung legt.« Theda war in etwas verdächtig Weiches getreten, und nun zog ihr auch ein beißender Gestank in die Nase. Hinnerk ließ ihr am Gartentor den Vortritt, und sie trat vorsichtig auf, bis sie besseres Licht hatte. Am Fußgängerweg gab es vereinzelte Laternen, und im Lichtkegel der ersten begutachtete sie die Bescherung, während Hinnerk das Türchen hinter ihnen schloss. »O nein! Ich bin in einen Hundehaufen getreten!«

Braune Schmiere klebte an ihrer rechten Stiefelette.

»Scheiße«, kommentierte Hinnerk. »Ich wusste gar nicht, dass Herr Bartmann einen Hund hat. Wie es sich für einen Buchhändler gehört, besitzt er einen Kater.«

Theda musste trotz des Malheurs schmunzeln. Nun wurde Herr Bartmann ihr doch sympathisch. Zugegeben, sie hatte ihn auf den ersten Blick schon gemocht. Auch wenn sie wohl bei gewissen Themen anderer Meinung waren ... Sie versuchte, den Hundekot an der schmalen Steinkante abzustreifen, die den Fußgängerweg einfasste.

»O nein«, rief Hinnerk aus. Er war ein paar Schritte weitergegangen und beugte sich nun herab. »Theda, ich fürchte, ich habe Darius gefunden!«

Theda vergaß ihre Reinigungsaktion und war sofort an Hinnerks Seite. Am Rand des Pfads lag eine dunkle Gestalt auf dem Rücken. Hinnerk fühlte bereits den Puls am Hals und leuchtete ins Gesicht der Person. Eindeutig, das war Darius Dampf! Und seine Augen starrten blicklos in die Dunkelheit. Mit dem kahlen Hinterkopf lag er auf der Steinkante, die Theda eben noch wenige Meter entfernt als Schuhabstreifer benutzt hatte. Nur, dass die Kante hier von einer Blutlache bedeckt war, die sich unter Herrn Dampfs Kopf ausbreitete.

Theda sog die Luft ein. »Ist er ...«

»Ja, tot«, sagte Hinnerk grimmig. »Ich rufe besser die Polizei.«

Kapitel 3

Eine Stunde später verließen Theda und Hinnerk die Polizeiwache. Sie hatten ihre Aussagen zu Protokoll gegeben. Viel gab es ja nicht zu berichten.

Vor dem Polizeigebäude kauerte ein gedrungener Schatten, und Theda zuckte zusammen, bis ihr auffiel, worum es sich bei dem vermeintlichen Monster handelte. Es war das mit Blumenkörben geschmückte Fahrrad, das zur Dekoration im Vorgarten der Wache stand. Im Dunkeln wirkte es richtig unheimlich. Theda war froh, als Hinnerk im Lichtkegel der nächsten Straßenlaterne stehen blieb, und atmete tief durch, damit sich ihr rasendes Herz beruhigen konnte.

Hinnerk schien das gruselige Rad im Gegensatz zu ihr gar nicht bemerkt zu haben. Er rieb sich die Braue. »Das ging wirklich schnell heute.«

»Du meinst, schneller, als bei all den anderen Verhören, denen du bereits unterzogen worden bist?«

»Ja«, sagte Hinnerk nachdenklich, ohne auf Thedas frotzelnden Ton einzugehen. »Mir scheint, die Polizei nimmt diesen Fall nicht ernst.«

»Fall? Herr Dampf ist im Dunkeln gestolpert, unglücklich auf diese Steinkante gefallen und ...«

Hinnerk sah ihr in die Augen. »Die Polizei geht offenbar davon aus. Aber glaubst du das wirklich?«

»Äh. Ja?« Theda wusste ja, dass Hinnerk Kriminalromane schrieb, aber musste er überall gleich ein Verbrechen wittern?

»Ich nicht«, verkündete er dann auch. »Hier ist etwas oberfaul. Ein Darius Dampf fällt nicht einfach auf einer Nordseeinsel um und schlägt sich den Schädel ein.«

»Was würdest du denn als angemessen erachten?« Theda bereute ihre Frage sofort und winkte ab. Sie wollte von Hinnerk keine Spekulationen über gewaltsame Todesarten hören. »Schon gut, vergiss es.« Ihren schroffen Ton bereute sie gleich noch mehr, denn schließlich hatte Hinnerk Herrn Dampf gekannt, und sein Tod musste ihn stärker treffen, als er es zeigte. Womöglich waren seine Überlegungen auch nur seine Art, mit der belastenden Situation umzugehen. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Es tut mir sehr leid, dass dein Kollege gestorben ist. Sollen wir noch etwas trinken gehen?«

Hinnerk bedeckte ihre Hand mit seiner. »Danke, Theda. Ich kannte Darius kaum, aber trotzdem ... ihn da so liegen zu sehen.« Er schluckte hörbar. »Dauert wohl noch eine Weile, bis ich das richtig realisiert habe. Ein Whisky würde mir jetzt guttun.«

»Mir auch«, gab Theda zu. Diesmal wartete sie nicht, bis Hinnerk ihr seinen Arm bot, sondern hakte sich einfach bei ihm unter. Sie war froh, dass Hinnerk sich nicht vor ihr zurückzog. Vielleicht würde es ihm helfen, über Darius Dampf zu reden. Oder, wenn es sein musste, seine Mordtheorien auszubreiten.

Auf dem Weg zur Promenade kamen sie an der Buchhandlung vorbei. Die Tür stand einen Spalt offen, und ein fahler Lichtschein fiel auf die Straße.

»Herr Bartmann!«, rief Theda aus. »Der Ärmste. Er war doch vorhin schon völlig aufgelöst. Wie mag es ihm jetzt erst gehen? Wir sollten nach ihm sehen.« Sie machte sich Vorwürfe, dass sie nicht früher daran gedacht hatte.

»Ja, da hast du recht«, erwiderte Hinnerk und runzelte die Stirn. »Wieso steht die Tür offen? Sieht ihm gar nicht ähnlich, so unachtsam zu sein.«

»Vielleicht sind noch ein paar hartnäckige Gäste geblieben? Oder Freunde, die ihn unterstützen? Und er ist zu fertig mit den Nerven, um sich um die Tür zu kümmern?«

»Hm«, machte Hinnerk und drückte die Tür langsam auf, als erwartete er einen Angriff. Der blieb aus. Hinter dem von der Meerjungfrau bewachten Eingang empfing sie nur der schummrig beleuchtete schmale Gang zwischen den Bücherregalen.

»Herr Bartmann?«, rief Hinnerk laut.

Irgendwo weiter hinten im Laden knisterte und scharrte etwas. Thedas Brust zog sich zusammen. Hoffentlich war Herrn Bartmann nichts passiert! Er war schließlich nicht mehr der Jüngste, und so ein Schock war nicht leicht zu verkraften. Auch Theda steckte der Schreck des Leichenfundes noch in den Knochen.

Hinnerk holte tief Luft, als würde er sich ebenfalls für die nächste Katastrophe wappnen, und ging weiter in den Laden, dicht gefolgt von Theda. »Herr Bartmann?«

Bis auf eine matt leuchtende Stehlampe im Fünfzigerjahre-Design in der Ecke war alles dunkel.

»Mau!« Ein grauer Schatten glitt hinter dem Verkaufstresen hervor und huschte auf Theda und Hinnerk zu. Theda ging aufatmend in die Hocke und streckte der Katze die Hand hin. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse erkannte sie, dass es sich um ein stämmiges Tier mit grauem Fell und bernsteinfarben leuchtenden Augen handelte. »Hallo, du Schöner, bist du der Kater von Herrn Bartmann?«

»Mau.« Der Kater stupste mit der Nase gegen Thedas Finger und rieb seinen Kopf an ihrem Knie. Sie streichelte ihn, und er gab ein zufriedenes Schnurren von sich.

»Ja, das ist er«, sagte Hinnerk. »Guten Abend, Sir Galahad.« Er ging ein paar Schritte weiter und fügte mit hörbarer Erleichterung in der Stimme hinzu: »Und da ist auch Herr Bartmann.«

Theda erhob sich mit knackenden Kniegelenken und schloss zu ihm auf, bis auch sie in den Raum blicken konnte, in dem die Lesung hatte stattfinden sollen. Die Stühle waren unbesetzt, und in dem Ohrensessel kauerte Herr Bartmann, nach vorn gebeugt, das Gesicht in die Hände gelegt. Thedas Kehle schnürte sich zu. Warum war denn niemand bei ihm geblieben?

Das musste sie wohl laut gesagt haben, denn Hinnerk flüsterte: »Wie ich den alten Sturkopf kenne, hat er alle weggeschickt.« Lauter sagte er: »Herr Bartmann?«

Keine Reaktion.

Sie gingen an den leeren Stuhlreihen vorbei, Hinnerk beugte sich zu Herrn Bartmann hinunter und berührte ihn sacht an der Schulter. »Herr Bartmann?«

Der Buchhändler hob zunächst den Kopf und blinzelte sie an, richtete sich dann auf und straffte sich, rückte die Brille auf seiner Nase zurecht. »Herr Graf, Frau Köster. Ich habe Sie gar nicht gehört. Wie sind Sie hereingekommen?«

Zu Thedas Erleichterung klang seine Stimme fest, und sein Blick war klar. Nur ein Augenlid zuckte.

»Die Tür war offen«, erklärte Hinnerk. »Wir wollten mal nach Ihnen sehen.«

»Das ist ...« Herr Bartmanns Blick irrte von Hinnerk zu Theda und zurück zu Hinnerk. Er räusperte sich. »Das ist sehr freundlich, aber nicht nötig. Die Polizei war bereits hier. Es ist alles geregelt. Aber die Tür. Das geht natürlich nicht. Wie konnte ich das vergessen.«

Weiter vor sich hin murmelnd stemmte er sich hoch. Hinnerk wollte helfend nach seinem Arm greifen, doch er schüttelte ihn unwillig ab. »Aufstehen kann ich schon noch alleine. Es geht mir gut.«

Kreidebleich im Gesicht, sah er nicht danach aus, und auf dem Weg zur Ladentür schwankte er leicht. Theda wechselte einen besorgten Blick mit Hinnerk. Sie folgten ihm zur Tür. Er durchsuchte seine Jackentaschen, zog schließlich einen Schlüsselbund hervor und sah sich mit irritierter Miene nach Theda und Hinnerk um. »Ach so, warum sind Sie eigentlich hergekommen? Haben Sie etwas vergessen?«

»Wir haben gesehen, dass die Tür offen stand«, erinnerte Hinnerk ihn.

Theda fügte hinzu: »Und wir wollten sehen, wie es Ihnen geht.«