Su'en an - Der Wolf und sein Mond - Natalie Anders - E-Book

Su'en an - Der Wolf und sein Mond E-Book

Natalie Anders

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Beschreibung

Als der jüngste Sohn des Reda-Clans ist der junge Mars höchstens für eine Affäre mit einem von Vejlas zahlreichen Gaunern bekannt. Trotzdem ist es ein Schock für ihn, als sein Liebhaber Luan ihn an die Arena verkauft, wo Mars dem berühmten Wolf geopfert werden soll. Atair, der Wolf, tötet ihn jedoch nicht, obwohl Mars es sich in den folgenden Wochen oft wünscht. Stattdessen lehrt er Mars das Kämpfen und aus der unfreiwilligen Kameradschaft wird unerwartet mehr. Aber Mars muss bald erkennen, dass Überleben und Freiheit nicht das Gleiche sind, und nur einer von ihnen beides haben kann. Oder nicht?

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Seitenzahl: 277

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Natalie Anders

Su’en an –

Der Wolf und sein Mond

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2016

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte:

© l i g h t p o e t – shutterstock.com

© Dmitrijs Bindemanis – shutterstock.com

© pixelparticle – shutterstock.com

© solarseven – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-945934-76-0

ISBN 978-3-945934-77-7 (epub)

Inhalt:

Auch diesen Kampf habe ich nicht alleine gewonnen.

Die „300“:

Anne

Tino

Celia

Tessa

Irene

Annette

1

Der Transporter ruckelte über eine weitere Düne und Mars erwachte aus seinem Dämmerschlaf. Er sah Stiefel und Hosenbeine von Schutzanzügen um sich. Das ewig zerkratzte Metall und den Sand, der sich überall festgesetzt hatte. Die Wunde an seiner Schläfe begann im Takt der Bewegungen zu pochen. Pochte schneller, als er endgültig verstand, wo er war. Es gab wieder einen Ruck und der Antrieb erstarb mit einem Knall.

„Immer dieser verdammte Sand!“, fluchte der Fahrer. Mars schmeckte den gleichen Sand und das Stück Stoff, das sie ihm in den Mund gestopft hatten. Für einen Augenblick hatte er Angst, er würde daran ersticken, aber das würden sie bestimmt nicht zulassen. Immerhin war das alles nur ein Scherz. Eine von Luans Inszenierungen, um Mars wieder mal zu zeigen, wo sein Platz war. Und sie waren alle sehr überzeugend gewesen. Hatten ihn sogar gefesselt. Er erinnerte sich an Deklans Blick, als er Mars’ Namen gehört hatte. Nein, es war nur ein Scherz! Er hätte vorhin nicht mit Luan streiten sollen. Sie hatten jetzt bestimmt nur eine Runde durch das Viertel gedreht, damit Luan ihn gleich auslachen konnte. Mars würde mitlachen und ihm wie immer verzeihen. Er hatte keine andere Wahl …

„Raus mit ihm.“

Sie rissen ihn hoch und schleiften ihn hinaus. Die Sonne verbrannte sofort seine Schultern und sein Gesicht. Als sie ihn zwangen sich hinzustellen, trieb ihm die Hitze des Sandes die Tränen in die Augen. Sie waren nicht vor Luans Haus. Er sah stattdessen die überdimensionalen Buchstaben über den Toren der Arena glänzen. Du verlässt die Arena nur mit Einladung oder tot. Das stimmte natürlich nicht. Er hatte bisher noch keinen Kämpfer sterben gesehen. Aber wo war Luan?

Jemand schubste ihn vorwärts und Mars stolperte zu dem Eingang, während jeder Schritt wehtat. Die Verbrennungen fühlten sich immer weniger nach einem Scherz an. Er spielte noch einmal den Streit in seinem Kopf durch. War es so schlimm gewesen?

An den Türen gingen die anderen vor, um sie für Deklan aufzuhalten. Mars sah nur Maxims massigen Schatten neben sich im Sand und überlegte nicht lange. Er rannte los, ignorierte die Schmerzen und die verschwommene Sicht. Weit kam er nicht, bevor Maxim seine gefesselten Arme packte und ihn nach hinten riss. Er fiel in den glühenden Sand und schrie auf. Jedes Sandkorn brannte sich einzeln in seine Haut ein. Maxims Schatten schützte ihn für Augenblicke vor der Sonne. Er zog Mars hoch und wischte sogar fluchend den Sand von seinen Armen und Rücken. Diese Geste hatte etwas Beruhigendes. Es war ein Scherz, erinnerte er sich wieder. Sie waren alle Luans Freunde. Sie würden ihm nicht wirklich etwas antun. Maxims Griff war trotzdem schmerzhaft, während er Mars zurück zur Arena zog.

Deklans kalter Blick traf ihn in dem vertrauten Inneren. Mars sah hinter ihm die leeren Gänge, die zu Tribünen führten, wo er noch vor wenigen Stunden mit Luan gesessen hatte. Wie viel willst du für ihn? Er hatte nicht gewusst, dass Luan und Deklan sich so nahe standen. Dass Deklan bei Luans Spiel mitmachen würde. Nenn‘ mir einen Preis.

Sie stiegen in die Dunkelheit und Kälte fremder Gänge hinab. Die Abkühlung tat nur für Augenblicke gut, bevor auch das wehtat. Die Kälte sickerte durch den Stoff seiner Hose und betäubte seine verbrannten Fußsohlen. Er dachte an sein Hemd, das immer noch auf dem Bett lag. Und wenn er auch im Schlafzimmer geblieben wäre, wäre er vielleicht nicht hier. Jetzt würde er bestimmt die Nacht in der Arena verbringen, bevor sie alle den Scherz leid waren und Luan ihn abholte.

Eine Hand kam wie aus dem Nichts und zerrte an seiner Hose. Er riss sich sofort los. Alle lachten. Gitterstäbe, Augen und Zähne blitzten auf. Er konnte nicht einmal erkennen, ob es Menschen waren. Als Mars versuchte seine Hose irgendwie höher zu ziehen, schlug Ford seine Hände weg. Rechts von ihm pfiff jemand und andere machten es ihm nach. Zelle für Zelle. Das anschließende Gelächter hallte durch den Gang.

„Gibt’s wieder Frischfleisch?“, rief jemand.

„Wohl eher Hackfleisch“, sagte Ford und Alfie lachte.

„Wo kommt er hin?“, fragte wieder jemand, aber weder die Wachen noch Deklan antworteten ihm. Das Pfeifen und das Gelächter wurden bei jedem Schritt leiser, bis sie ganz verstummten. Die Stille war ein Vakuum, in dem sich seine Angst unendlich ausweiten konnte. Er hörte überdeutlich das Aufschnappen eines Schlosses, Deklans leises Räuspern.

„Atair“, sagte er und Gänsehaut zog Mars’ Haut schmerzhaft zusammen. „Ich habe ein Geschenk für dich.“

Sie hatten ihn zum Wolf gebracht. Es war kein Scherz. Er sah wieder Luans abgewandtes Gesicht vor sich, das Glitzern in Deklans Augen, als Luan zugestimmt hatte. Er dachte … Warum hatte er gedacht, dass das ein Scherz war?

Ford schnitt die Fesseln durch, bevor er Mars zu sich drehte. Mit einem Grinsen zog er den Knebel aus Mars’ Mund heraus und er erinnerte sich an jedes einzelne Mal, als Ford ihn ein dummes, hübsches Ding genannt hatte. Ihm wurde schlecht. Er schlug Fords Hand von seinem Gesicht weg, aber der lachte nur unbeeindruckt.

„Ich wollte dich schon immer schreien hören“, sagte Ford und stieß ihn in die Zelle hinein. Mars fiel hart auf seine Knie und Hände und rutschte instinktiv zurück. Weg von Deklan und dem Wolf. Ein Knurren vibrierte durch den Raum, setzte sich schmerzhaft in Mars’ Haut fest. Er sah den riesigen, weißen Wolf, die aufblitzenden Zähne.

„Atair!“, schalt Deklan. Er ging zu dem Wolf und streckte seine Hand nach ihm aus. Seine Finger zitterten, bevor er sie auf das Fell legte. Der Wolf knurrte wieder, sah dabei aber Mars und die Wachen an, die einen schützenden Halbkreis hinter Deklan bildeten, um ihn jederzeit aus der Reichweite des Wolfs ziehen zu können.

„Das war ein wundervoller Kampf heute. Ich habe dir daher etwas mitgebracht.“

Mars wollte plötzlich lachen, aber nur Husten kam heraus. „Unter den alten Göttern meiner Welt gab es auch einen Gott des Krieges. Sein Name war Mars und so heißt auch dieser Mensch hier ...“

Diesmal lachte Mars wirklich, weil die Panik nur auf diese Art hinauskommen wollte. Er wusste von dem Kriegsgott. Aber er wusste auch, dass er nicht nach ihm benannt worden war. „Bald ist Vollmond“, erklärte Deklan weiter in einer Tonlage, in der man Kindern Märchen erzählt. „Daher nimm bitte dieses Opfer an.“ Er sagte dann etwas auf Naasyeli, das Mars nicht sofort verstand. Eine gute Jagd.

Deklan berührte ein letztes Mal das Fell des Wolfs und ging hinaus. Die Wachen folgten ihm vorsichtig. Mars sah ihre Bewegungen aus den Augenwinkeln, unfähig seinen Blick von dem Wolf abzuwenden. Eine gute Jagd. Das war unmöglich. Das konnte einfach nicht sein!

„Max“, zischte Ford. „Beweg deinen Arsch da raus!“

Das letzte Paar Beine entfernte sich und die Tür schlug dumpf zu.

„Hey!“, rief er sofort hinterher. „Max!“ Niemand antwortete ihm, stattdessen ging das Licht in der Zelle aus. Er rutschte zum Gitter, schrie lauter. „Alfie?! Das könnt ihr nicht machen!“

Der Wolf machte einen Satz auf ihn zu und knurrte. Mars rutschte weg. Sein Hinterkopf schlug so hart gegen etwas, dass er Tränen in den Augen hatte. Das Grollen wurde zu etwas Greifbarem, das über seine Haut kroch. Der Wolf ragte vor ihm auf, zwang ihn wieder ein Stück nach hinten. Mars versuchte, sich an irgendein Wort Naasyeli zu erinnern, aber nicht einmal ein simples Nein fiel ihm ein. Der Schweiß brannte in seinen Wunden und überzog seine Haut mit einer eiskalten Schicht. Das war ein Scherz, sagte er sich. Ein Versehen … Luan hätte ihm niemals so etwas angetan.

Mars erkannte zu spät, dass der Wolf ihn in eine Ecke getrieben hatte. Er saß eingeklemmt zwischen der Wand und der Kloschüssel, eingehüllt in ihre Ausdünstungen und den stechenden Gestank von Schimmel.

„Bitte nicht“, sagte er, aber er hörte es kaum selbst. Der Wolf knurrte wieder und das Geräusch hallte von den Wänden wider, brachte jegliche Laute im Gang zum Verstummen. Mars wünschte sich, sein Herz würde genauso lautlos stehen bleiben. Er schloss die Augen und wartete auf den Schmerz. Presste die Lippen fest zusammen. Er wollte nicht schreien. Das war das Einzige, was er sich noch wünschte. Er wollte Ford nicht den Gefallen tun. Die Stille legte sich in einer Schicht über den Raum. Mars hörte nur das weiche Rascheln von Fell. Der Wolf berührte ihn. Mars konnte nichts tun, sein ganzer Körper war wie eingefroren. Der Atem des Wolfs kroch heiß seine Haut entlang, seine Arme, sein Haar, bevor alles wieder kalt wurde.

„Was ist da los?“, flüsterte jemand draußen. „Hush, kannst du was sehen?“

„Ist er schon tot?“, fragte jemand auf Somîdy. Und Mars fragte sich das auch. War es schon vorbei? War er tot? Seine Muskeln krampften schmerzhaft. Er konnte nicht einmal mehr die Arme hinunternehmen, die er zum Schutz um sich geschlungen hatte. Er öffnete die Augen und sah zuerst nur Schlieren. Der Wolf war weg.

Er sah bald dessen Augen, die wie zwei Kristalle in der Dunkelheit schwebten. Er hatte diese Farbe bisher nur einmal bei einem der Gewitterstürme auf Raj 2 gesehen. Ein Violett, das elektrisch geladen schien. Der Wolf beobachtete ihn. Eine gute Jagd, hatte Deklan gesagt. Der Wolf wartete wohl darauf, dass er sich bewegte. Dass es einen Kampf gab.

2

Früh am Morgen wurden die Türen aufgeschlossen. Mars glaubte zumindest, dass es Morgen war, denn das einzige Licht kam aus dem Gang. Sein Körper war ein Eisklumpen und in seinen Ohren rauschte es. Er hörte immer noch das an- und abschwellende Geflüster der anderen Kämpfer. Stimmen aus einem Albtraum, die seinen Tod und seine Vergewaltigung diskutierten und Wetten darauf abschlossen. Er selbst hätte das ganze Vermögen seines Vaters auf seinen eigenen Tod gesetzt. Die Kälte hatte jede seiner Zellen betäubt und fand durch Luans Verrat einen Weg in sein Inneres. Er hatte sich irgendwann gewünscht, der Wolf würde es endlich zu Ende bringen. Ganz egal, ob Ford ihn schreien hörte oder nicht. Aber der Wolf hatte ihn nicht angerührt. Nur dessen unnatürlich leuchtende Augen waren die ganze Nacht auf Mars fixiert geblieben, bis er sie irgendwann nicht mehr wahrnahm.

„Bewegt euch!“, rief ein Wächter draußen. „Ab zum Frühstück!“

Bei dem Gedanken an Essen zog sich Mars’ Magen schmerzhaft zusammen. Er hatte seit fast einem Tag nichts mehr zu essen gehabt und auch das erinnerte ihn an Luan. Sie wollten nach dem Kampf essen gehen. Luan wollte nur noch kurz zu Hause vorbeischauen …

Die Tür ging auf und Mars wurde geblendet vom Licht, das plötzlich von der Decke strömte.

„Bei Vejla!“, fluchte jemand und alle anderen Stimmen verstummten. „Max! Komm schnell her!“ Maxims Gestalt schirmte ihn von den Blicken ab. Er sagte etwas, das Mars nicht verstand.

„Ich muss zu Deklan“, sagte er dem anderen Wächter.

„Und was mache ich mit ihm?“

„Schließ wieder ab und lass den Rest raus.“

Die Tür ging wieder zu und Mars sah Gesichter zwischen den Gitterstäben auftauchen. Die fremden Blicke brannten auf seiner Haut. Er wollte sich verstecken, sich noch kleiner machen, aber jede Bewegung tat weh. Ein Geräusch am anderen Ende der Zelle trieb ihn zurück in seine Ecke. Der Wolf war verschwunden und Mars konnte nicht wegsehen. Der Wolf sah wie ein Mensch aus, solange man nicht genau auf das Gesicht achtete. Es war ein bisschen zu lang, der Mund zu breit, um Platz für die Raubtierzähne zu haben. Die Augen, die ihn teilnahmslos beobachteten, hatten ihre unnatürliche Farbe verloren. Mars wunderte sich über die offensichtliche Gleichgültigkeit. Aber vielleicht war es genau das, was ihm das Leben gerettet hatte. Am Ende war es ein Vorurteil, ein furchtbares Gerücht. Naasyeli waren keine Kannibalen.

„Aus dem Weg!“ Mars erkannte Maxims Stimme. Die Tür wurde wieder geöffnet und die beiden Wächter kamen wieder hinein. Jeder von ihnen hielt etwas in den Händen.

„Mit den …“ Der Wächter mit dem Tablett räusperte sich. „Mit den besten Grüßen von Meister Knidas.“ Er stellte das Tablett auf einem winzigen Tisch ab und schlich zurück zur Tür. Maxim dagegen kam zu Mars. Er schien wütend zu sein, aber Mars war noch nie gut darin gewesen, dessen Gesichtsausdrücke zu deuten.

„Steh auf“, sagte Maxim. Mars schüttelte den Kopf. Es war nicht so, dass er dem Befehl nicht folgen wollte. Er konnte es einfach nicht. Maxim griff nach seinem Arm und zog ihn aus der Ecke. Durch die Kälte waren seine Beine taub und starr geworden und er fiel hin, sobald Maxim ihn wieder losließ. Ganz genauso wie am Vorabend, nachdem Ford ihn in die Zelle gestoßen hatte. Maxim fluchte und zog ihn hoch. Schob ihn an die Wand, wo Mars etwas Halt fand. Er zeigte ihm einen Gegenstand, der wie ein überdimensionaler Armreif aussah. Ein Halsband, erkannte er und sah zum Wolf, der tatsächlich ein ähnliches Stück Metall um den Hals trug.

„Du wirst hier bleiben müssen“, sagte Maxim. Mars verstand die Erklärung nicht, denn deswegen war er doch hier. Um für immer in der Arena zu bleiben. Maxim legte das Band um seinen Hals und es versiegelte summend. Er zeigte ihm dann die Kontrolleinheit.

„Wenn du dich auffällig zeigst, wirst du geschockt“, erklärte er. „Wenn du das Gebäude verlässt, geht das Band hoch und dein Kopf mit. Hast du verstanden?“ Mars nickte. Es war das Einzige, was er tun konnte, um eine Vorführung zu vermeiden.

„Essen gibt es zweimal am Tag in der Mensa.“ Mehr sagte er nicht. Er schob Mars nach draußen in den Gang, wo immer noch Schaulustige standen und ihn angafften wie ein seltenes Tier. Er berührte das matte Material des Halsbands, das über seine Haut schabte. Das war er jetzt wohl: ein seltenes Tier und einer von ihnen.

Ein Mann kam aus der Menge auf ihn zu und drängte ihn gegen die Wand. Drückte ihn schmerzhaft dagegen. Sein vernarbtes Gesicht war feuerrot.

„Konntest du nicht wenigstens die Beine für ihn breitmachen?“, zischte er Mars ins Gesicht. Er versuchte vergeblich die Hände des anderen wegzuschlagen.

„Lass mich los!“

„Das reicht.“ Maxim schob sich zwischen sie und hielt dem anderen die Kontrolleinheit vor die Nase.

„Misch dich nicht ein!“, sagte der Rotgesichtige. „Ich hab viel Geld wegen ihm verloren!“

„Interessiert mich nicht.“ Maxim musste auf den Auslöser gedrückt haben, denn der Mann fiel schreiend zu Boden und kratzte dabei am Halsband, bis sein Hals mit rotweißen Striemen überzogen war. Die anderen Kämpfer gingen einfach weiter oder stiegen über den am Boden krampfenden Körper. Einer trat sogar dagegen.

„Mach nicht immer so ’n Theater, Rio“, sagte der Somîd. „Wir haben alle Geld verloren.“

„Beweg dich“, befahl Maxim mit der Kontrolleinheit in der Hand und Mars löste sich von der Wand. Er lief den anderen hinterher, in der Hoffnung, dass sie alle zum Essen gingen. Er sah nicht nur Menschen, sondern auch andere Rassen. Gelegentlich drehte sich jemand nach ihm um. Er brauchte nicht all die Sprachen zu verstehen, um zu wissen, dass sie über ihn sprachen. Sich genauso wie er darüber wunderten, wie und warum er überlebt hatte.

3

Er kam als einer der Letzten in der Mensa an. Es war nichts anderes als ein Speisesaal. Eine viel größere Version der Zelle, in der er die Nacht verbracht hatte. Die einzige Ausnahme waren die Fenster, die zwar immer noch vergittert waren, aber immerhin Tageslicht und Luft hineinließen. Er sah sogar die blassen Kugeln der Monde in dem ausgewaschenen Stück Himmel. Jemand rempelte ihn an und er ging schnell zur Seite. Der Eingang war groß genug, dass es kein Versehen war. Eine Hand streifte seinen nackten Rücken, der Druck der Krallen gerade fest genug, dass er sie spürte. Er drehte sich um und erkannte das breite Gesicht und die Mähne eines Urdims. Dieser zeigte Zähne, was wohl ein Lächeln sein sollte, aber Mars im Augenblick zu sehr an den Wolf erinnerte.

„Er hat dich tatsächlich nicht angerührt“, sagte der Urdim und zeigte wieder Zähne. Alle an den Nachbartischen verstummten und drehten sich zu ihnen um. Scheine wechselten den Besitzer und Mars fing erneut Blicke auf, die denen des Angreifers zuvor nicht unähnlich waren. Für einen Augenblick schien es, als wollte der Urdim auch nach ihm greifen. Seine gelbgrünen Augen glitten an Mars’ Körper auf eine unmissverständliche Weise auf und ab. Mars sah Luan vor sich. Ford.

„Aramec …“ Die Stimme war leise gewesen, aber der Urdim legte kurz die Ohren an und drehte sich zu dem Sprecher um. Ein Mensch, der von der riesigen Gestalt des Urdims verborgen geblieben war. Er sah genauso wenig wie ein Kämpfer aus wie Mars. Er erinnerte sich auch nicht daran, ihn jemals in der Arena kämpfen gesehen zu haben. Der Urdim schnaufte mehrmals, folgte aber dem Menschen zu der Essensausgabe. Mars ging in sicherem Abstand hinterher.

Er hatte inzwischen Magenschmerzen und der Anblick vom Essen machte es nur schlimmer. Und es war richtiges Essen, kein undefinierbarer Brei, wie er ihn an so einem Ort erwartet hätte.

„Was willst du haben?“, fragte der Mann hinter den Auslagen. Mars sah ratlos auf die verschiedenen Gerichte. Es war ihm im Moment egal, was er aß. „Neu hier, was?“

Der Mann begann verschiedene Sachen auf einen Teller zu häufen. „Du kommst mir irgendwie bekannt vor … Haben wir uns schon irgendwo gesehen?“

Mars schüttelte den Kopf und nahm seinen Teller mit. Er wollte schnell weg, bevor der andere ihn erkannte. Es würde sein Leben hier nur noch schlimmer machen. Und er musste zumindest so lange überleben, bis er seinen Vater erreichen konnte. Wenn er nur wüsste, wie …

Die Tische waren scheinbar alle voll. Im besten Falle schaute man ihn neugierig an, jemand prostete ihm sogar zu. Alle anderen schienen tatsächlich ihre Wetten verloren zu haben. Mars kannte diese Art von Wut, denn Luan verspielte regelmäßig Geld.

Er ging vorsichtig die Reihen entlang, verfolgt von den Blicken. Er fühlte sich nackt und ausgeliefert. Auf gewisse Weise war dieser Ort noch gefährlicher als der Wolf. Er wusste nicht, ob und was jeden Augenblick passieren konnte. Der Urdim beobachtete ihn immer noch wie ein Hungernder die nächste Mahlzeit und Mars machte einen Bogen um ihn. Einige Tische weiter gab es tatsächlich freie Plätze. Die Gespräche verstummten, als er sein Tablett abstellte. Er blieb unschlüssig stehen. Sollte er um Erlaubnis fragen?

Eine Hand wand sich um seinen Hals, Finger schoben sich unter das Halsband und nahmen ihm die Luft.

„Falscher Platz“, sagte Ford hinter ihm und schob ihn einen Sitz weiter. Er drückte ihn nach unten gegen die Tischplatte, wo Mars eingravierte Zahlen sah. „Merk sie dir. Nächstes Mal werde ich nicht so nett sein.“ Ford presste sich an ihn und rieb sich an seinem Hintern. Mars schloss die Augen. Die Wut brannte sich bis zu seinem Gesicht durch. Hilflosigkeit und Scham. Mars erinnerte sich an Luan, aber das Lächeln, das er in solchen Situationen aufsetzte, war nirgendwo zu finden. Ford ließ ihn genauso plötzlich los, wie er erschienen war.

Mars setzte sich an den gezeigten Platz und starrte auf die Zahlen, um in den Gesichtern der Anderen nicht sehen zu müssen, was sie über ihn dachten. Nach und nach wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Nach und nach standen die Anderen auf und verließen den Tisch. Mars zwang jeden Bissen herunter, das lauwarme Wasser, das auf Vejla immer Sand enthielt. Er wiederholte unablässig die Zahlen, bis er glaubte, sie niemals vergessen zu können. Seine Finger lagen dabei die meiste Zeit auf dem Halsband und dessen ungewohntem Gewicht.

Geschirr klapperte viel zu laut zu Boden und Mars sah genauso erschrocken hoch wie seine verbliebenen Tischnachbarn. Es war nicht schwer, den Auslöser des Krachs zu finden. Mehrere Tische weiter, aber genau vor ihm, sah er den Urdim mit jemandem streiten. Er erkannte den Menschen, der ihm vorhin geholfen hatte. Der Urdim riss ihn gerade herum und warf ihn auf dieselbe Weise auf den Tisch, wie Ford es mit ihm getan hatte. Mars fing den Blick des Menschen auf, bevor die Pranke des Urdims dessen Gesicht gegen die Tischplatte drückte. Die Bewegungen und die Laute waren unmissverständlich. Mars stand auf und sah sich nach Hilfe um, nach einem Wächter, der das Ganze aufhalten würde. Die meisten im Saal ignorierten, was gerade an dem anderen Tisch geschah. Manche sahen sogar zu.

„Zeig’s ihm!“, rief jemand zu und erhob seinen Becher. Ein Mann lachte und stellte sich daneben, um besser sehen zu können. Mars zählte vier Wachen im Raum. Ford sah grinsend zu, genauso wie zwei andere, die sich sogar lachend darüber zu unterhalten schienen. Maxim sah einfach weg. Nur ein Knopfdruck, um dem Menschen zu helfen und niemand tat etwas …

Er sank zurück auf seinen Platz und sah ein letztes Mal zu dem Tisch, wo der Mensch lautlos alles über sich ergehen ließ. Er sah dabei unweigerlich in Urdims gelbe Augen, die bei dem Kontakt aufleuchteten. Er entblößte wieder seine Zähne in einem grauenhaften Grinsen und stieß noch härter in den Körper unter sich. Mars blickte auf die Tischplatte. Auf die Zahlen. Er wollte aufstehen und wegrennen. Er wollte Luan sehen. Er würde alles dafür geben, jetzt bei Luan zu sein … Der Urdim heulte auf und Pfiffe und Applaus füllten den Raum, rieselten kalt auf Mars herab.

Er blieb so lange sitzen, bis er irgendwann nur noch Gemurmel des Personals hörte, während sie stehen gebliebenes Geschirr abräumten. Erst dann traute er sich aufzuschauen. Der Urdim war weg, genauso wie Ford und die anderen Wächter. Nur noch Maxim stand in der Nähe und beobachtete die wenigen Kämpfer, die noch nicht zu Ende gegessen hatten. Maxim sah aus, wie er hieß: Maximum an Masse und Durchschlagskraft. Ein maximaler Idiot, sagte Luan immer. Gerade jetzt fand Mars, dass es nichts Schlechtes war. Wenigstens fehlte ihm dann Fords Bösartigkeit. Maxim würde ihm vielleicht als Einziger helfen … Er sah sich unauffällig um, in der Hoffnung, dass sie alleine waren. Er zählte noch zehn andere Kämpfer, aber sie saßen alle weit genug weg.

Mars stand ungelenk auf und ignorierte den Schmerz in seinen Fußsohlen. Maxim beobachtete jeden seiner Schritte, sein Blick wurde immer misstrauischer.

„Was ist los?“, fragte er, als Mars endlich vor ihm stand.

„Du musst mir helfen“, sagte er und zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen, die im leeren Raum weiter trug als gedacht. Maxim sah ihn an, als müsste er gar nichts und Mars’ Hoffnung sank. „Kannst du meinen Vater bitte erreichen? Ihm sagen, dass ich hier bin? Ich kann hier nicht bleiben. Bitte, Max …“

Er war bei jedem Satz einen Schritt auf Maxim zugekommen und dieser war zurückgewichen, bis er an der Wand stand. Mars wusste nicht, was er noch sagen oder anbieten sollte. Was Maxim davon überzeugen könnte, ihm zu helfen. Geld?

„Max …“, versuchte er es noch einmal.

„Das reicht.“ Maxim trat auf ihn zu und Mars musste zurückweichen. Seine Größe erinnerte ihn an den Urdim und dessen Blick, während er den Menschen vergewaltigte. Mars wollte nicht Urdims nächster Mensch sein.

„Ich sollte gar nicht hier sein …!“

Schmerz explodierte um seinen Hals herum, schnitt ihm die Luft ab. Er ging zu Boden, als seine Muskeln plötzlich nachgaben. Er schrie und versuchte sich das Band, das sich durch seine Haut brannte, vom Hals zu reißen. Das Rauschen in seinem Kopf klang wie Gelächter und Fords Gesicht erschien mehrfach vor ihm.

„Wenn du es so nötig hast, hättest du auch zu mir kommen können.“ Ford lachte wieder und drehte sich kurz weg. „Bring den Rest rüber. Ich warte, bis unsere Prinzessin mit dem Schönheitsschlaf fertig ist.“

4

Ford stand die ganzen quälenden Minuten neben ihm und beobachtete sein Leiden.

„Steh auf“, befahl er irgendwann, trat ihn in die Seite. „Steh auf oder wir wiederholen das Ganze.“

Mars drehte sich zitternd herum. Sein Hals brannte immer noch und sein Gesicht war mit Schweiß und Tränen überzogen. Ford griff in seine Tasche und holte die Kontrolleinheit heraus. Mars richtete sich viel zu schnell auf. Er stolperte und schwankte herum auf der Suche nach Halt. Er fiel gegen Ford, der ihn fluchend auffing.

„Pass doch auf!“ Ford packte ihn am Halsband und zog ihn von sich weg. „Und jetzt beweg dich.“

Er ging einfach los und Mars taumelte hinterher. Er wusste nicht, wohin Ford ihn brachte und es war ihm im Moment egal. Er wollte einfach nur, dass die Schmerzen aufhörten.

Zuerst hörte er nur Stimmen, Schritte … Klirren von Metall. Ford schleuderte ihn gegen eine Wand und Mars sank dankbar herunter. Die Schatten, die er durch die Schlieren in seinen Augen sah, wurden bald zu Gestalten, anderen Kämpfern. Er war wieder in einer großen Halle wie der Mensa, nur ganz ohne Tische und Stühle. Es gab Bänke und Gewichte entlang einer Wand und eine ausgetretene runde Bahn in der Mitte. Der Trainingsraum, oder wie auch immer das in der Arena heißen musste, dachte er. Er kauerte sich wieder zusammen. Die Blicke der anderen krochen über ihn wie vejlanische Schlangen. Er erkannte bereits einige der Gesichter. Seine Tischnachbarn, den rotgesichtigen Angreifer, der beim Anblick von Mars’ Hals schadenfroh grinste. Und am anderen Ende des Raums war der Urdim, der nicht die Augen von ihm ließ, während er Gewichte stemmte. Alle Geräusche erloschen für einen Augenblick, als der Wolf den Raum betrat. Mars war sich sicher, dass der Wolf seinetwegen hier war. Er wollte bestimmt das beenden, was er letzte Nacht nicht getan hatte. Aber der Wolf sah niemanden an, schon gar nicht Mars. Er lief einfach los, folgte der ausgetretenen Spur auf dem Boden. Mars sank noch mehr in sich zusammen, als er an ihm vorbeilief. Der Wolf lief noch eine Bahn und noch eine. Zwei Mal pro Bahn versperrte er dem Urdim den Blick auf Mars und für Sekundenbruchteile fühlte Mars sich sicher. Dieser monotone Lauf beruhigte ihn langsam und er traute sich irgendwann, etwas anderes als die Beine des Wolfs anzusehen.

Überall saßen oder trainierten die Kämpfer in kleinen Gruppen. Selbst der Urdim schien nicht alleine zu sein, obwohl der Mensch nirgendwo zu sehen war. Wer nicht trainierte, unterhielt sich oder spielte Karten. Sogar die Wächter standen zusammen in Mars’ Nähe und redeten lachend.

„Verkauft?“, rief einer von ihnen aus. Mars drückte sich an die Wand. Er sah zu Ford herüber, der tatsächlich mit dem Finger auf ihn zeigte.

„Ja, von seinem Lover“, antwortete Ford und zwinkerte ihm zu. „Oder sollte ich besser sagen: Ex-Lover?“ Die beiden anderen lachten. Mars schloss kurz die Augen. Es stimmte nicht. Schon alleine, weil er ein freier Mensch und nicht Luans Eigentum gewesen war. Trotzdem war er jetzt hier … Er hörte Ford die Geschichte wiederholen, diesmal einem anderen Kämpfer, der sich dazu gestellt hatte und mitrauchte. Und wieder lachten alle. Als Mars das Gelächter ein drittes Mal hörte, sah er hoch zu den Fenstern an der gegenüberliegenden Wand. Er wusste, wie Gerüchte funktionierten. In Minuten würde die ganze Arena wissen, warum er hier gelandet war. Der weiße Schatten des Wolfs zog wieder an ihm vorbei wie ein Satellit. Der Klang seiner Füße auf dem Steinboden war angenehmer als das Geflüster und Gelächter, das sich im Raum ausbreitete. Er konzentrierte sich darauf. Der Himmel draußen war fast weiß kurz vor Mittag. Die Sonne brannte jede Farbe weg. Sogar der Sand war dann weiß, an manchen Stellen zu Glas geschmolzen. Er wünschte sich, er könnte all das sehen. Die Schlieren, die die aufsteigende Hitze in der Ferne bildete, und irgendwo dahinter lagen die Kuppeln der Stadt und der Reederei. Wie riesige Wassertropfen, die nie verdampften. Sein Vater hatte gerade bestimmt eins seiner Geschäftsessen oder spielte Golf. Vielleicht spazierte er auch durch die Docks und verbreitete Angst und Schrecken unter den Arbeitern.

Er sah wieder Atair an, der immer noch im Kreis lief. Er machte keine Pause und wechselte auch nicht zu Gewichten. Es konnte nicht sein einziges Training sein, dachte Mars. Hypnotisiert beobachtete er den Läufer, bis die Wachen alle zurück in die Mensa trieben. Mars wartete bis zuletzt, um sich in die Reihen einzuordnen. Der Urdim grinste wieder, als er seine Versuche ihm auszuweichen mitbekam. Mars sah sich nach dem Wolf um, aber der war nirgendwo zu sehen.

„Nicht mehr so neu, was?“, fragte der gleiche Mann an der Ausgabe und reichte ihm einen Teller. Mars ging weiter zu seinem Platz. „Ich erinnere mich wieder“, rief ihm der Mann hinterher. „Willkommen beim gewöhnlichen Pöbel!“

Mars tat so, als hätte er es nicht gehört. Er hielt sein Tablett fester und sah zu seinem Platz, den er dank Ford tatsächlich nicht vergessen hatte. Als er endlich saß, stand sein Teller in einer Pfütze aus Wasser, das aus dem Becher gekippt war. Er verbarg seine Hände unter dem Tisch, wartete darauf, dass das Zittern endlich nachließ.

Er schmeckte das Essen nicht, schob nur mechanisch die Bissen herunter. Seine Tischnachbarn flüsterten miteinander und er spürte ihre Blicke, unfähig auch nur einen zu erwidern. In regelmäßigen Abständen sah er auf, um sich zu vergewissern, dass der Urdim noch an seinem Platz saß. Er war nicht so naiv zu denken, dass der andere aufgegeben hatte. Denn Urdim waren Jäger und Mars war selbst für menschliche Verhältnisse eine Beute. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, was der leere Platz neben dem Urdim bedeutete, wohin der Mensch verschwunden war.

Er ließ sich wieder Zeit. Andere Kämpfer wurden in kleinen Gruppen weggebracht und der Raum wurde endlich leiser. Sogar die Luft schien leichter zu werden, einfacher zu atmen. Der Himmel war inzwischen orange, während die Sonne die Atmosphäre mit einer letzten Ladung Hitze füllte, bevor die Nacht einbrach. Er hatte überlebt. Er hatte einen ganzen Tag in der Arena überlebt.

Der Griff um seinen Hals war inzwischen vertraut, genauso wie die Panik, die der Berührung folgte. Ford zog ihn am Halsband hoch.

„Ab zum Duschen“, sagte er und schleifte Mars zum Eingang, wo bereits eine Gruppe Kämpfer wartete. Der Urdim war einer von ihnen. Der rotgesichtige Angreifer vom Morgen und der Wolf standen auch dabei. Ford klatschte ihm auf den Hintern, als sie die anderen erreicht hatten, und lachte. Nur der Urdim und der Wolf lachten nicht mit. Dabei hatte Mars gedacht, dass Erniedrigung bei allen Rassen gleich aussah.

„Aramec wird ihn heute knacken“, flüsterte jemand nicht sonderlich leise hinter ihn. Mars kannte die Stimme nicht, aber er wusste sofort, wen sie meinte. Er sah sich nach einem Fluchtweg um, nach einer Möglichkeit, dem zu entkommen, was der Urdim vorhatte.

Maxim kam ihnen entgegen und zog Ford zu Seite. Sie besprachen etwas und Ford marschierte wütend davon, während Maxim sie zu den Duschen brachte. Ein anderer Wächter öffnete grade die Türen und eine Gruppe Kämpfer mit nassen Haaren kam in einer Dampfwolke heraus.

„Rein“, befahl Maxim. Mars wollte widersprechen, er drehte sich schon zu ihm um. Maxim holte die Kontrolleinheit heraus und sah ihn an. Es war nicht Ford gewesen, verstand Mars, der das Halsband vorhin aktiviert hatte. Er wurde hineingeschubst, bevor er entscheiden konnte, was schlimmer war: Noch einmal den Schock durchzustehen oder vom Urdim vergewaltigt zu werden. Maxims Gesicht verriet nichts. Vielleicht würde er ihn sogar schocken und seinen hilflosen Körper dem Urdim überlassen. Die anderen Kämpfer zogen sich aus, einige beobachteten Mars. Der rotgesichtige Mann kam wieder auf ihn zu.

„Was ist los?“, fragte er, während er sich auszog. „Ist sich seine Majestät zu fein, um mit uns zu duschen?“

„Rio“, sagte der Urdim und der Mann zuckte vor Mars zurück. Auch die anderen traten zur Seite. Sie waren alle nackt und grinsten erwartungsvoll.

„Wasser“, befahl Maxims verzerrte Stimme durch die Tür, bevor heißes Wasser von der Decke herunterprasselte. Der Urdim ging langsam auf ihn zu, machte dabei Schritte nach links und rechts, als würde er Mars den Weg abschneiden wollen. Er jagte ihn. Der Urdim jagte ihn. Mars hörte Stimmen durch das Wasserrauschen, Gelächter. Neue Wetten. Er wischte sich vergeblich das Wasser aus dem Gesicht. Sein Herz schlug immer höher und höher, trieb einen Kloß in seinen Hals. Niemand würde ihm helfen. Sogar der Wolf hatte sich abgewandt und für Augenblicke dachte Mars daran, dass das niemals passiert wäre, wenn der Wolf ihn einfach umgebracht hätte.