Super-Pulp 19: POL POT POLKA - r. evolver - E-Book

Super-Pulp 19: POL POT POLKA E-Book

r.evolver

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Beschreibung

Mit dieser Mondo Fiction geht unsere SUPER PULP in die vorletzte Runde. Zum Abschluss sieht sich die sexy Agentin Kay Blanchard wieder einmal mit einem mörderischen Setting mitten im Feindesland konfrontiert – und dabei pflastern nicht nur Leichen ihren Weg. Ohne Beischlaf, Drogen und Rock ’n’ Roll geht bei Kay nämlich gar nichts. r.evolver, der einzig denkbare Autor (und Herausgeber) ultimativer Pulp-Thriller, schlägt ein letztes Mal zu – und liefert mit POL POT POLKA die rasante Fortsetzung des Kult-Pulps THE NAZI ISLAND MYSTERY ... „Pol Pot Polka“ beginnt quasi dort, wo „The Nazi Island Mystery“ endet. Quasi deshalb, weil es Kay Blanchard diesmal mit einem besonders heimtückischen Feind zu tun hat: einer Amnesie, die sie gleich zu Beginn einer brandgefährlichen Indochina-Mission heimsucht. Kay sieht sich also nicht nur unversehens mit einer mörderischen Umgebung mitten im Feindesland konfrontiert, sondern vor allem mit der fatalen Situation, dass Sie keine Ahnung hat, welcher Auftrag sie hierhergeführt hat. Damit das alles nicht zu stringent daherkommt, spielt sich das Geschehen in der dekadenten Lifestyle-Hölle Kambodschas ab, wo hinter jeder Ecke sadistische Nazis, mörderische Mutanten, brutale Killer-Nonnen und natürlich die berüchtigten Khmer Rouge lauern. Und Sie alle machen Kay – sehr zum Vergnügen des Publikums – das Leben schwer … r.evolver hat mit „Pol Pot Polka“ ein gewohnt irrwitziges und spannungsgeladenes Netz aus Intrige, Verschwörung und Verrat gesponnen, in dem sich seine Protagonistin zusehends verfängt. Ob es Agentin Blanchard gelingen wird, in letzter Sekunde mit heiler Haut davonzukommen, erfahren geneigte Genre-Connaisseurs jetzt exklusiv bei BLITZ. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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SUPER PULP Mondo Fiction

–der abgeschlossene Roman

Band 19 – Pol Pot Polka

In dieser Reihe bereits erschienen

3601 – Suicide New!

3602 – Yellow Cab From Hell

3603 – Die heilige Hure

3604 – Easy Money

3605 – Notruf aus dem Scherbenviertel

3606 – Feed Me!

3607 – Der Komplex

3608 – Wolf und die Zombie-Insel

3609 – Nedylenes Todesschwadron

3610 – Girls! Girls! Girls!

3611 – Fleischwölfe

3612 – Überfall im Boudoir

3613 – Der heraufschauende Drecksköter

3614 – Hard Boiled

3615 – Transformation

3616 – Gegen das Ende

3617 – Fatality

3618 – The Nazi Island Mystery

3619 – Pol Pot Polka

3620 – Surfin’ Saigon

 

 

 

POL POT POLKA

von r.evolver

 

 

 

 

 

 

 

 

 

IMPRESSUM

© 2024 Blitz Verlag,

Hurster Straße 2a, 51570 Windeck

Titelbild: Arthur Alexander

Lektorat: Peter Hiess

Produktion: Robert Draxler

Alle Rechte vorbehalten

www.blitz-verlag.de

ISBN 978-3-95719-999-7

Prolog

 

Neutrale Zone – Bayrisches Alpenland/Garmisch-Partenkirchen – Operation „Needlestick“, Secret Intelligence Service (MI6)

 

Aus dem kleinen Radio über dem Doppelbett tönte „Love Will Tear Us Apart“. Himmel, warum musste Marcel Stadler ausgerechnet jetzt beschließen, mich umzulegen?! Noch dazu, als ich gerade meinen Lidstrich zog …

 

In letzter Sekunde registrierte ich im Taschenspiegel, dass sich Stadler einen dunklen Gegenstand vom Toilettentisch schnappte und zum Schlag ausholte. Blitzschnell wirbelte ich herum. Meine Faust donnerte auf sein Schläfenbein. Smack! Die Behandlung erzielte den gewünschten Effekt. Mein Alpenlover ließ die handliche Royalistenbüste fallen. Klonk! Polternd purzelte Ludwig II. zu Boden. Stadlers spitzer Schrei ließ vermuten, dass ihm der bayrische König genau auf die Zehen geknallt war. Pech für ihn – also nicht für den tragischen Monarchen, sondern für Stadler. Mit einem gezielten Tritt in seine Nieren sorgte ich für eine kurze, aber umso wichtigere Kampfpause, die meine Synapsen nutzten, um in Windeseile die Situation zu analysieren: Mein persönlicher Pistencoach wollte mir den Garaus machen. Das „Warum?“ lag auf der Hand. Wenn auch viel zu spät.

Stadler arbeitete für die Gestapo. Die ganze Zeit hatte er nur eines im Sinn gehabt: den Speicherchip, den ich vor knapp achtundvierzig Stunden mitgehen hatte lassen. Und nicht etwa in einem Elektrogroßmarkt, sondern in der Chefetage des bayrischen Nachrichtenamts in Rosenheim.

Ha! Schön hast du dich linken lassen, höhnte die kleine Kay in meinem Inneren. „Du Arschloch!“, brüllte die große indes ihren Widersacher an. Unmittelbar danach brachte sie ihm mit einem rechten Cross bei, wie man sich in einem Hotelzimmer in Garmisch einer Dame gegenüber zu benehmen hatte.

Stadler spuckte einen seiner tadellosen Vorderzähne aus, stolperte nach hinten und versuchte irgendwo Halt zu finden. Noch bevor seine Hand den Sturz abfangen konnte, donnerte mein Absatz in seine viel zu attraktive Visage. Wirklich schade um den klassischen Nasenrücken und vor allem um die hübschen, wohlgeformten Lippen, die ich noch vor fünf Minuten begehrt hatte wie den Gehaltsscheck am Ende des Monats. Meine Faust schickte noch einen heftigen Liebesgruß nach, dann hatte sich Stadlers makelloses Gillette-Gesicht endgültig in eine abstrakte Skulptur verwandelt. Deutsches Blut schoss in einer Fontäne aus der zertrümmerten Nase.

Wie schon vor drei Stunden ging Marcel Stadler erneut in die Knie. Diesmal aber nicht, um mir am Pistenrand seine Latte gegen den Arsch zu drücken und „Kay, lass uns schnell im Hotel eine Line ziehen – ich bin so scharf auf dich“ zu flüstern. Nein, jetzt vernahm ich keine Liebesschwüre, sondern nur ein unartikuliertes Gurgeln, das ziemlich verzweifelt klang …

 

Stadlers Atem ging stoßweise. Er war sichtlich erschöpft. Kein Wunder, es war erst knapp zehn Minuten her, dass ich auf seinem Schwanz staccatissimo in den Hyperraum geritten war. Und jeder, der in der Bio-Stunde nur mit halbem Ohr aufgepasst hat, weiß, dass der Orgasmus einem Mann alles an Energie abverlangt. Noch dazu, wenn der Liebesakt mit Kay Blanchard vollzogen wurde, was den Grad männlicher Erschöpfung entscheidend steigern dürfte.

Gut, Marcel Stadler konnte ich also abhaken. Höchste Zeit für den Gnadenstoß. Mit einer routinierten Handbewegung zauberte ich mein Stilett aus dem Stiefelschaft. An sich war mein Kurzzeitgeliebter jetzt so gut wie tot. An sich, wie gesagt – denn als ich meine Waffenhand nach vorn schnellen lassen wollte, fühlten sich meine Gliedmaßen plötzlich ungewöhnlich taub an. Im nächsten Augenblick kehrte sich das merkwürdige Gefühl ins Gegenteil um. Millionen Ameisen krabbelten durch meine Venen und Arterien. Simultan legte sich ein seltsamer Schleier übers Gesichtsfeld. Die gewöhnungsbedürftige Weichzeichnung ließ jedes Detail aussehen wie in einem Softporno von David Hamilton. Hier ging es allerdings ein bisschen weniger zärtlich zu, dafür aber um einiges actionreicher. Vor allem, weil Stadler trotz ramponierter Physiognomie mit bewundernswerter Geschicklichkeit wieder in die Hocke gesprungen war. Sein Fuß fuhr wie bei einem Kasatschok-Tänzer in die Waagrechte und von dort aus geradewegs in meine Magengrube. Woump! Eine interessante Kampftechnik, die mich unsanft nach hinten auf den Holzboden katapultierte, wo ich wie ein Käfer bewegungsunfähig auf dem Rücken liegen blieb. Ich bot sicher keinen allzu graziösen Anblick. Aber das war im Moment meine geringste Sorge, denn irgendwo zwischen dem achten und neunten Rückenwirbel hatte es gerade „Knacks!“ gemacht.

„Kay“, gurgelte es aus Stadlers defekter Mundpartie. „Ich wollte uns das ersparen, aber … das Zeug hat dich viel zu spät … außer Gefecht gesetzt … falsche Dosis. Falsch eingeschätzt … dein Gewicht …“ Er hielt inne. Vielleicht weil er ahnte, dass er gerade im Begriff war, sich eine Spur zu weit aus dem Fenster zu lehnen.

Ich für meinen Teil hätte gern etwas erwidert, aber in meinem Hals war es zu einer Massenkarambolage der Worte gekommen. Der Mistkerl hatte mir tatsächlich präpariertes Kokain untergejubelt – und ich war auch noch so saublöd gewesen, auf den ältesten aller Tricks reinzufallen.

Stadler wartete meine Reaktion nicht ab. Stattdessen öffnete er völlig ungeniert den Reißverschluss meines Lederanzugs und fasste mir unsanft in den Slip.

Wichtige Dinge bewahrte ich stets in Körpernähe auf, weil ich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Meinung gewesen war, Kay Blanchard sei der sicherste Safe der Welt. Als Stadler den Chip aus meinem Höschen zog, verließ diese Selbsteinschätzung gramgebeugt das Schlachtfeld. Tapfer ignorierte meine Hand die bedingungslose Kapitulation, indem sie Stadler wenigstens noch die Halskette herunterriss.

Warum tat sich jetzt kein schwarzes Loch auf, um mich zu verschlucken? Kaum hatte ich’s gedacht, ging der Wunsch in Erfüllung. Ein heftiger Schmerz in der Wirbelsäule ließ mich regelrecht aus der Haut fahren … und es war stockdunkel dort draußen.

 

Sechs Monate später – London, Royal Borough of Kensington and Chelsea

 

Nach wochenlangem Aufenthalt in der Reha-Klinik war ich körperlich wieder fit. Emotional sah es ein bisschen anders aus. Die Analyse der strategischen Abteilung in Legoland war ernüchternd. Das Empire hatte eine seiner wichtigsten Informationsquellen im Kampf gegen die Euro-Nazis eingebüßt. Und das aus dem simplen Grund, weil Agentin Kay Blanchard ihre Muschi nicht unter Kontrolle hatte und so ganz nebenbei die Finger nicht von Drogen lassen konnte. Diese Erkenntnis schmerzte fast noch mehr als das blamable Ergebnis meiner failed mission.

Ein Trost blieb mir: Stadler war die Flucht über die Demarkationslinie nicht geglückt. Das Special Air Service hatte ihn hundert Meter unter dem Gipfelkreuz der Zugspitze gestellt und mit einem Stahlmantelgeschoß in eine Eisspalte befördert. Schön für Stadler, denn jetzt durfte er auf der Skipiste des Allmächtigen bis in alle Ewigkeit seine Parallelschwungtechnik perfektionieren. Weniger schön für die Krone, denn das Eis hatte nicht nur die Leiche des Agenten, sondern auch den wertvollen Datensatz verschluckt. Die neutralen Bayern hatten aus dem Vorfall gelernt und sämtliche Server hundertfach abgesichert. Und somit war die Analyse der Strukturen relevanter roter Widerstandsgruppen in der Nazikonföderation unwiederbringlich verloren. Mit wem sollte sich das Königreich jetzt noch verbünden?

Als wisse es die Antwort, meldete sich das Telefon. Sir Georg Wolff war dran: „Kay, unser Mann hat in Zone vier endlich den Kontakt hergestellt – ruf dir ein Taxi und komm her!“ Wie immer kannte der Tonfall meines Vorgesetzten keine Zwischentöne und Nuancen. Wenn er um neun Uhr sein Büro in Legoland betrat, hörten Gefühle schlicht auf zu existieren. Mit ein Grund, warum Georg nie begreifen würde, was ich für ihn empfand. „Mir geht’s gut, danke der Nachfrage!“, sagte ich nur.

Er reagierte nicht auf den Nadelstich: „Und nimm deinen Koffer mit. Du fährst von der Zentrale sofort weiter nach Gatwick. Alles weitere erklär’ ich dir, wenn du da bist.“

„Krieg’ ich wenigstens eine Gehaltserhöhung?“

„Kay, wir haben’s eilig.“

„Wann haben wir das nicht?“ Ich legte auf und ließ meinen Hintern auf die Couch sinken.

 

Ist es nicht seltsam, wie schnell das Schicksal die Weichen des Lebens stellt? Auf Knopfdruck funktioniert das, wenn nicht sogar vollautomatisch und absolut ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten. Irgendwo gibt es ein kleines Relais, das leise klickt – und schon den Bruchteil einer Sekunde später fährt der Zug in eine neue Richtung. Nachdenklich ließ ich Stadlers Halskettchen über die Handfläche gleiten. Ich hatte es zur Erinnerung an mein persönliches Waterloo aufgehoben. Der kleine silberne Anhänger glitzerte hübsch im Licht der Tischlampe. Stadler hatte sich eine Apsara als Begleiterin gewählt. Er musste also schon einmal in Zone vier gewesen sein. Jetzt wies die lächelnde Nymphe mir den Weg. Und der führte direkt in die Hölle.

Meine Hand tastete nach der kleinen Benzedrin-Schachtel, die auf dem Boden lag. Ein bisschen Speed konnte nicht schaden, wenn die Überlebenschancen gegen Null tendierten.

 

Jägerin der Apokalypse

 

Bond war gestern. Jetzt kommt Kay Blanchard. Lernen Sie endlich die außergewöhnlichste Agentin des britischen Geheimdienstes kennen und staunen Sie darüber, wie schlagkräftig unsere Heldin in höchster Gefahr agiert. Und das ist noch nicht alles: Gemeinsam mit Kay dürfen Sie ins mutierte Antlitz der monströsesten Golfer der Welt blicken und nebenbei sogar Musik hören. Legen Sie zum ersten Kapitel dieses wahnwitzigen Abenteuers unbedingt „Circles“ von The Who auf den Plattenteller!

 

Rrrring! Rrrring! Rrrring! Das penetrante Klingeln schwoll in meinem Kopf zum Soundtrack des Grauens an. Rrrring! Ich versuchte den Wahnsinn zu stoppen. Rrrring! Tja, das war’s dann …

 

Der totale Systemausfall in meinem Schädel musste durch ein ziemlich massives Ereignis hervorgerufen worden sein. Im günstigsten Fall hatte mich ein kapitaler Schlag auf den Hinterkopf lahmgelegt, im ungünstigsten ein Projektil. He, war ich etwa tot?! Aber wo war dann der berühmte Tunnel, das Licht, der Sixpack-Petrus an der Himmelspforte?

Sssssuuup! Kosmische Lichter rasten auf mich zu. Die Urgewalt des Universums katapultierte mich zu den Partikeln, mit denen alles begonnen hatte. Ja, sehr schön – aber das half meinem Gedächtnis auch nicht auf die Sprünge. Es folgten Blitzlichter aus dem Leben einer Agentin Ihrer Majestät: London, die Zentrale in Legoland, mein Vorgesetzter Sir Georg Wolff, in den ich gar nicht so insgeheim verliebt war, wilde Sex- und Drogenpartys – hoppla, hatte mich etwa mein letzter Trip eingeholt? Die weiteren Ereignisse gaben keinen Aufschluss über die Fragestellung. Sie gestalteten sich vielmehr wie eine Art „Was bisher geschah“.

Mit ungeheurer Geschwindigkeit jagte ich durch die Zeit. Ich rammte Quastenflosser, Dinosaurier, Cro-Magnon-Menschen und fetzte über die weltpolitischen Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte dahin, als säße ich in einem intergalaktischen Abfangjäger. Ich konnte beobachten, wie die Lifestyle-Nazis der NSDAP 3.0 ganz Europa überrollten, wie sie Amerika und Südafrika unterwanderten und in den neuen Tigerstaaten Asiens ihre Marionettenregimes errichteten.

Mein temporaler Wettlauf fand ein jähes Ende. Wie bei einem kaputten Röhrenfernseher löste sich die düstere Szene plötzlich in flimmernde Halbzeilen auf. Ein schrilles Geräusch weckte mich endgültig aus dem Albtraum. Schön, doch nicht tot zu sein, und schön, wieder in die Realität zurückzukehren, die sich allerdings ruhig von einer verheißungsvolleren Seite hätte zeigen können.

Statt in einem sauberen Krankenhausbett in Chelsea lag ich auf einer regennassen Straße, die von mehrstöckigen Backsteingebäuden gesäumt war. Wo war ich? Warum trug ich einen sauteuren Gucci-Fetzen, den ich mir bei meinem Minusstand am Konto doch niemals leisten hätte können? Und noch einmal: Was war passiert?

Ich blickte mich um, aber viel konnte ich nicht sehen. Es war Nacht und eigentlich kein Mensch da. Dafür bewegte sich etwas entfernt Menschenähnliches auf mich zu, und das gleich in mehrfacher Ausführung. Zwischen dichten Nebelschwaden wurden langsam dunkle Silhouetten sichtbar. Der Klang ihrer schlurfenden Schritte mischte sich mit beunruhigenden, grunzend-stöhnenden Urlauten. Als ich mich aufrichtete, registrierte ich leicht nervös, dass mich die Gestalten bereits umringt hatten. Im matten Licht einer einsamen Galgenlaterne schimmerte das ganze Ausmaß ihrer Abscheulichkeit. Faulige Haut hing in fleischigen Fetzen von bleichen Gebeinen. Zumindest war das mein erster Gedanke. Als ich näher hinsah, bemerkte ich, dass die hellen Stellen gar keine Knochen waren, sondern unzählige fette weiße Maden, die in den Wunden ihr Hors d’œuvre einnahmen. Bon appétit! Die abgemagerten Wirtskörper des Ungeziefers starrten mich nur an. Regungslos. Ihre Augen hatten eine ungesunde gelbe Farbe und glühten regelrecht in der Dunkelheit.

Wer waren diese lebenden Toten, die mir offenbar ans Leder wollten? Irgendwie sahen sie aus wie die Golfliga des Satans. Tatsächlich, diese Zombie-Typen trugen schicke Peak-Performance-Sweater und waren mit Irons bewaffnet. Dunkle Flecken an den massiven Schlägerköpfen zeugten davon, dass die soliden Sportgeräte schon einige Schädel auf dem Gewissen hatten. Wahrscheinlich sollte meiner der nächste sein.

„Guten Abend!“, wünschte ich den verrottenden Herren freundlich. Was hätte ich auch anderes sagen sollen?

Die Antwort kam umgehend – und zwar in Form aufgeregter, kehliger Laute, die unartikuliert aus faulig stinkenden Mäulern drangen. Das kollektive Knurren der Horde hatte nichts Menschliches an sich und hörte sich gefährlich nach einem Angriffssignal an.

In so einer misslichen Lage hilft in der Regel eine paradoxe Intervention. So viel zur Theorie. Die Praxis ist ein bisschen spritziger: „Wo geht’s denn hier nach London?“ Kaum hatte ich’s gesagt, wirbelte mein Arm schon um den Hals des erstbesten Freaks. Ich drückte ihm mit aller Kraft die Kehle zu: " Oder euer Freund ist hinüber!“

Die anderen erstarrten.

„Hören Sie auf!“ Eine der dunklen Gestalten hatte sich aus dem Ring gelöst. Der Kerl war kleiner als die anderen. Seine Stimme klang wie eine Mischung aus Ozzy Osbourne und Blechkanister, was daran lag, dass er sich über eine Kehlkopfkanüle verständigte. Lustigerweise trug er eine Lucha-Libre-Maske. Mit der knallbunten Verkleidung auf dem Schädel sah er aus wie ein Ringer aus Südamerika. Befand ich mich etwa in dieser Weltgegend? Obwohl – das T-Shirt des Möchtegern-Wrestlers stammte ja eher aus Soho. Auf dem Brustteil prangte ein verwaschenes Motiv: DAMNED DAMNED DAMNED. Wie passend …

Mit einer kurzen Handbewegung gab der Maskenmann seinen Monsterkollegen einen stummen Befehl. Sofort lösten die Orkus-Golfer den Ring um mich und traten einen Schritt zurück. Dann kam der mysteriöse Boss der Bande langsam auf mich zu: „Lassen Sie ihn los.“

Ich lockerte kurz den Arm, worauf ein lang gezogenes Keuchen wie aus einer defekten Vakuumpumpe ertönte. Damit war meine Kompromissbereitschaft aber auch schon ausreichend demonstriert. Ich fixierte die Kehle meiner Lebensversicherung gleich noch einmal im Schraubstock. Und diesmal sogar noch ein bisschen fester.

„Falls Sie’s noch nicht kapiert haben“, ergriff der Lucha-Libre-Ringer erneut krächzend die Initiative, „wir haben Ihnen gerade das Leben gerettet.“

Gerettet?! Mich?! Ich überlegte kurz, in welcher tödlichen Gefahr ich geschwebt haben konnte … Aber die ganze Grübelei war sowieso für die Katz. Meine jüngste Vergangenheit versteckte sich konsequent hinter einem pechschwarzen Gedächtnisvorhang. Nun, vielleicht ließ sich ja jetzt ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen: „Wo bin ich, wie komme ich hierher?“

Mr. Damned starrte mich überrascht an: „Das wissen Sie nicht?!“

„Sehe ich aus, als wären blöde Fragen mein Hobby?“

„Ich schlage vor, Sie initiieren Ihren Selbstfindungsprozess an einem gemütlicheren Ort“, bröselte es hochgestochen aus der Kanüle.

„Nix da! Was läuft hier? Spucken Sie’s aus, sonst ist Ihr halb toter Freund bald ein ganz toter!“

„Das halte ich für keine gute Idee.“

„Haben Sie eine bessere?“

„Das hoffe ich, sonst haben wir nämlich alle ein Problem.“

Fragend zog ich die Augenbrauen nach oben.

„Drehen Sie sich doch einmal um.“

Ohne meinen Griff auch nur eine Sekunde zu lockern, wandte ich kurz den Kopf. In diesem Augenblick brachen schwarz gekleidete Figuren aus dem Zwielicht. Wer war denn das schon wieder?!

Angriff der Ledernonnen

 

Wie wird unsere Heldin wohl aus dieser Klemme kommen? Lassen Sie sich von irren Entwicklungen überraschen und wundern Sie sich auch gleich darüber, wie unchristlich sich das fünfte Gebot interpretieren lässt. Übrigens: Wussten Sie schon, dass in manchen U-Bahn-Tunnels keine Züge verkehren? Verpassen Sie trotzdem nicht den Anschluss! Am besten mit „Holidays In The Sun“ von den Sex Pistols. And go!

 

Attack of the Merciless Leather Nuns. Ihre Tuniken aus schwarzem Leder waren absolut heiß – ihre Bewaffnung jedoch ein glatter Stilbruch. Die Ledernonnen hielten handliche Uzis im Anschlag und wussten ganz genau, wie man mit den Dingern umging. Tactactactac!

Angesichts der neuen Situation war meine Lebensversicherung keinen Pfifferling mehr wert. Ich ließ die Zombie-Geisel los. Für den Typen war das untote Leben wenigstens einen Moment lang wieder in Ordnung, aber für mich ging die Scheiße ohne Unterbrechung weiter. Tactactactac!

Und plötzlich knipste der Allmächtige das Licht an. Im grellen Kegel eines riesigen Flutlicht-Spots erschien die Gegend noch unwirklicher. ANGKOR CHEMICAL PHNOM PENH – der Schriftzug prangte formatfüllend auf der weiß getünchten Wand einer großen Lagerhalle, genau vor meinen Augen. Schlagartig war mir nun klar, wo ich mich befand: in der Hauptstadt Kambodschas – und damit am ungemütlichsten Ort, wo sich eine britische Agentin augenblicklich aufhalten konnte. Verflixt, was hatte ich denn mitten im Feindesland zu schaffen? Doch für eine nähere Auseinandersetzung mit dem „Warum und Wieso“ fehlte mir jetzt die Zeit, da die mysteriösen Sado-Schwestern vom unheiligen Andreaskreuz gerade ihre zweite Attacke ritten. Tactactactac!

Links und rechts von mir zerbarsten Schädeldecken. Knochensplitter, Gehirnmasse und dunkles Blut vermischten sich zu einem apokalyptischen Flutregen. Ausgemergelte Körper fielen regelrecht in sich zusammen, blieben röchelnd liegen, bis ein Querschläger dem Leid im Staub ein Ende bereitete. Herr, du hast Erbarmen und zertrittst all meine Schuld …

Während die Sado-Nonnen konsequent das fünfte Gebot vernachlässigten, fielen meine lumpigen Verbündeten um wie die Fliegen. Panik. Der maskierte Boss mit dem Damned-Shirt riss mich zu Boden. „Sehen Sie den Kanaldeckel?“, krächzte er mir ins Ohr.

Klar sah ich den, also Daumen nach oben … aber leider kam es nicht mehr zum Ausfall, weil mich eine der heiligen Schwestern mit der Panzerfaust ins Visier nahm. Und dann krachte es.

Die Druckwelle schleuderte mich rund um den Erdball. Mindestens. Benommen rappelte ich mich auf. Einen Lidschlag später knallte mir die aktuelle Lage ins Gesicht: Zwei heilige Todesnonnen waren im Anmarsch, um Agentin Blanchards sündiges Fleisch endgültig auf dem Scheiterhaufen zu reinigen. Da hatten sie sich viel vorgenommen. Vor allem, weil der Teufel in letzter Sekunde einen Trumpf ausspielte. Und zwar in Form einer Lucha-Libre-Maske, die den beiden unheiligen Schwestern jetzt den Scheitel zog. Mit einer abgebrochenen Holzlatte. Von hinten. Nicht gerade elegant, auch nicht fair, aber wirkungsvoll. Mein Retter half mir auf die Beine. „Das hätten Sie also auch überlebt.“

„Schauen wir, was die Nacht noch bringt. Bei der Gelegenheit: Wer sind Sie überhaupt? Ein Mex-Wrestler aus Guadalajara?“

Die Maske wanderte in die Schräglage. Wahrscheinlich feixte das Gesicht darunter: „Ich heiße Johnny Rotten.“

„Und da tragen Sie ein Damned-Shirt?“

Kommentarlos bückte er sich, um den Kanaldeckel zu öffnen. „Nach Ihnen“, ließ mir die Maske den Vortritt. Dann schluckte uns endlich das rettende Loch.

 

Die Welt meiner Golf-Zombies präsentierte sich gleich zu Beginn von ihrer düstersten Seite. Wir schlüpften durch einen engen Tunnel, in dem man sich nach ein paar Metern nur mehr gebückt vorwärtsbewegen konnte. Der Maskenmann hatte eine alte LED-Handleuchte dabei. „Passen Sie auf! Wir schützen die Gänge mit Fallgruben. Simpel, aber wirksam – diese Zone hier ist sicher.“

„Äh, wie sicher genau?“

Sein Schweigen ließ für meinen Geschmack etwas zu viel Interpretationsspielraum. Die Bandbreite reichte von „eigentlich nicht so sicher“ bis „in Wahrheit total unsicher“. Alles in allem sehr beruhigend. Im grellen weißen Licht seiner Lampe sprangen wir alle paar Minuten über pechschwarze Fallgruben. Ich wollte gar nicht so genau wissen, was sich am Grund der finsteren Löcher befand.

Unsere gefährliche Reise endete in einer großen Höhle, die aussah, als wäre sie ohne technische Hilfsmittel in den lehmigen Boden gegraben worden. Der Eindruck täuschte. An den feuchten Wänden lehnten die rostigen Teile eines alten Tunnelbohrers. Improvisierte Fackeln aus trockenen Ästen und zerfetzten Lacoste-Hemden warfen unruhiges Licht auf eine zwielichtige Umgebung, die von hunderten fauligen Gestalten bevölkert war. In dieser Hölle verbesserten die Golfprofis des Satans also ihr Handicap. Kein Ort, den man im Reisekatalog findet.

Mein Retter mit der Maske blieb auf einer kleinen Plattform stehen. „Herzlich willkommen im unterirdischen Phnom Penh!“

„Hübsche kleine Edelsteinmine. Wo sind die sieben Zwerge?“

Sein Lachen bröselte heiser durch die Kanüle: „Das ist ein toter Schacht des U-Bahn-Systems.“

„Und Ihre gezähmten Zombies da sind der Bautrupp, oder wie? Was ist mit denen los, warum sehen die so mitgenommen aus?“

„Das wollen Sie gar nicht so genau wissen.“

„Irrtum.“

„Hören Sie“, krächzte er.

---ENDE DER LESEPROBE---