Super-Pulp 20: Surfin‘ Saigon - r. evolver - E-Book

Super-Pulp 20: Surfin‘ Saigon E-Book

r.evolver

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Beschreibung

Zum fulminanten Abschluss unserer SUPER-PULP-SERIE präsentieren wir ein letztes rasantes Abenteuer mit Kay Blanchard … In SURFIN’ SAIGON hat es die sexy Agentin ihrer Majestät mit ganz besonders fiesen Gegnern zu tun: den Entführern ihrer Tochter! So ganz nebenbei mischt der Todesengel des MI6 im dritten Band ihrer unglaublichen Abenteuer eine nazi-verseuchte Welt auf. Mit von der Partie sind wie immer die üblichen Verdächtigen: Sex, Gewalt, Drogen und wahnwitzige Entwicklungen am laufenden Band. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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Ähnliche


SUPER PULP Mondo Fiction

–der abgeschlossene Roman

Band 20 – Surfin’ Saigon

In dieser Reihe bereits erschienen

 

3601 – Suicide New!

3602 – Yellow Cab From Hell

3603 – Die heilige Hure

3604 – Easy Money

3605 – Notruf aus dem Scherbenviertel

3606 – Feed Me!

3607 – Der Komplex

3608 – Wolf und die Zombie-Insel

3609 – Nedylenes Todesschwadron

3610 – Girls! Girls! Girls!

3611 – Fleischwölfe

3612 – Überfall im Boudoir

3613 – Der heraufschauende Drecksköter

3614 – Hard Boiled

3615 – Transformation

3616 – Gegen das Ende

3617 – Fatality

3618 – The Nazi Island Mystery

3619 – Pol Pot Polka

3620 – Surfin’ Saigon

 

 

 

SURFIN’ SAIGON

von r.evolver

 

 

 

 

 

 

 

 

 

IMPRESSUM

© 2024 Blitz Verlag,

Hurster Straße 2a, 51570 Windeck

Titelbild: Arthur Alexander

Lektorat: Peter Hiess

Produktion: Robert Draxler

Alle Rechte vorbehalten

www.blitz-verlag.de

ISBN 978-3-95719-380-3

Teil 1 – Operation Obersalzberg

PROLOG

 

26. November. Internationale Zone Lienz, British Embassy

 

Wouuump! Ed Sailers Faust donnerte in meine Magengrube. Ich klappte zusammen wie ein Taschenmesser und rang nach Luft. An sich wär’s das jetzt gewesen. Aber ich hatte mir geschworen, dieses Großmaul zu erledigen. Ein steiniger Weg. Mit letzter Kraft rappelte ich mich hoch, schnappte Sailers Arm und hebelte die Gorilla-Extremität nach vorn. Den Rest erledigte Newtons Gesetz.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht biss Ed die Zähne zusammen und setzte keuchend zu einer Gegenoffensive an. Seine freie Pranke fuhr über die Schulter nach hinten und erwischte meine Hochsteckfrisur. Schon spürte ich, wie sich die ersten Haarwurzeln aus der Kopfhaut verabschiedeten …

„Arghhh!“ Sailers Schrei schnitt sich wie eine Kreissäge in meine Gehirnwindungen. Unvermittelt ließ er mein Haupthaar los und krümmte sich am Boden wie eine Made, die mit dem Zahnstocher gekitzelt wurde.

„Sie geben auf, Ed?“, fragte ich überrascht.

„Von mir aus“, kam es gepresst zurück, „aber diesen Triumph können Sie sich an die Klotür hängen.“

„Ich werde an Ihre Worte denken, wenn ich mir den Hintern abwische.“

„Überlegen Sie lieber, wie Sie’s ohne ihr Töchterlein schaffen.“

In diesem Moment sah ich Ruby. Sie hatte unbemerkt den kleinen Turnsaal betreten und stand mit grinsendem Gesicht hinter uns. Ihr zierlicher Fuß ruhte zwischen den Beinen meines Sparringpartners. „Du sollst nicht meine Mami an den Haaren reißen“, blaffte sie Ed an und kickte noch einmal zu. Autsch! Ich unterdrückte den Impuls, laut loszulachen. „Danke für den Kampf, Ed. Im Büro wartet jede Menge Arbeit auf mich!“ Mit diesen Worten zupfte ich meine Trainingshose zurecht und ließ den Sicherheitschef der britischen Botschaft in Lienz mit saurer Miene zurück.

 

Der DJ auf Radio BFBS hatte Dylan aufgelegt: „Times They Are a-Changin’“ – die Nummer erinnerte mich an den autobiografischen Ratgeber, den ich im Geiste seit vier Jahren schrieb: Vom Todesengel zur Kampfmami – eine Sinnkrise von Kay Blanchard.

Keine Mission hatte mich vor ähnliche Herausforderungen gestellt wie dieses Kind. Von den Geburtsschmerzen an bis zur hundertsten ausgekämmten Kopflaus war ich gestresster, erschöpfter, frustrierter als je zuvor. Mein Leben hatte sich aber nicht nur radikal verändert – es gehörte nicht mehr mir, sondern einzig und allein Ruby. Auf ein derartiges Sicherheitsrisiko konnte meine gnädige Königin getrost verzichten. Da blieb dem MI6 gar nichts anderes übrig, als mich aus dem Außendienst abzuziehen. Und wenn mich meine Chefs schon versetzen, dann gleich ordentlich: mitten in die Alpen, ganz weit weg vom Schuss.

Ich blickte aus dem Fenster auf ein pittoreskes Panorama. Exotische Palmengärten und Außenaquarien schmiegten sich unter gläsernen Klimakonstruktionen an schroffe Gebirgshänge. Tief verschneite Alpengipfel konkurrierten mit irren Wolkenkratzern, in deren Penthäusern das Who’s who der Staatenlosen den Tanz auf dem Vulkan zelebrierte. Hier in der Freien Zone Lienz lag das Casablanca der Alpen. Und über der fragilen Kulisse aus Korruption, Freihandelszone und Luxus-Flüchtlingscamp thronte Kay Blanchard auf ihrem Schreibtischsessel, um Aufklärungsdaten auszuwerten. Zugegeben, ich hätte es schlimmer erwischen können. Aber auch viel, viel besser …

Keine hundert Meilen hinter der Todeslinie befand sich der neue Fliegerhorst Innsbruck. Auf dessen Landeplätzen warteten vierzig Reichsflugscheiben der Euronazis auf ihren Kampfeinsatz. Sämtliche Mitarbeiter unseres Geheimdiensts waren in stetiger Alarmbereitschaft und hatten ihr Marschgepäck beisammen. Nur Kay Blanchard nicht, die durfte Alleinerzieherin spielen und nebenbei ein paar strategische Bewertungen abgeben.

Ich schnappte mir das erste Dossier von der Ablage: ein Rundschreiben des Außenamts mit Top-Secret-Siegel. Der Inhalt war brisant. Wieder einmal ging es um die „Stecknadel“ – einen mysteriösen Naziagenten, über den sämtliche Abteilungen wild spekulierten. Keiner wusste, ob es ihn tatsächlich gab oder was an seiner sagenumwobenen Operation „Pompadour“ dran war. Angeblich sollte sie das Vereinigte Königreich in den Grundfesten erschüttern. Mal schauen. Die Akte beinhaltete das Foto eines schlichten silbernen Medaillons, das der Typ angeblich irgendwann getragen hatte: „Achten Sie auf Übereinstimmungen und reagieren Sie gegebenenfalls sofort!“

Aber gern! Ich schloss die Augen, zog den Reißverschluss des hautengen Lederzeugs nach oben und raste mit meiner Triumph Bonneville kurz bis ans Ende der Welt, um dort der „Stecknadel“ das Licht auszuknipsen. Als ich von meinem kleinen Fantasietrip zurückkehrte, setzte Dylan gerade zur letzten Strophe an. Ich lockerte den Krawattenschal an meiner Bluse, klappte den Deckel des Dossiers zu und nahm einen Stapel mit aktuellen Aufklärungsbildern zur Hand.

Unter den Aufnahmen lag ein unscheinbares weißes Kuvert. „An Miss Kay Blanchard“ stand drauf, der Absender fehlte. Eine Bombe war es nicht, so viel stand fest, sonst hätte Ed Sailer ja wohl keinen Freigabestempel draufgeknallt. Obwohl – so beliebt, wie ich neuerdings bei ihm war, hätte er es mir durchaus mit einem explosiven Poststück heimzahlen können … Auf dem verschmutzten Umschlag prangte eine Sondermarke mit dem Häschen-Face von „Little Heini“. Der Schweizer Kinderstar war vor allem in Indochina eine große Nummer. Leider konnte auch ich mittlerweile schon seine Songs nachpfeifen.

Überrascht stellte ich fest, dass der Brief vor zwei Jahren in Vietnam abgestempelt worden war. Das passte. Um diese Zeit herum hatten die Euronazis tatsächlich ein paar Royal-Mail-Jets vom Himmel geholt. Es grenzte also an ein Wunder, dass der Brief doch noch seinen Weg zu mir gefunden hatte. Ich riss den Umschlag auf und zog den Papierbogen heraus.

„Liebe Kay!“ Mehr war nicht zu entziffern, weil die restlichen Zeilen vom Homeoffice geschwärzt worden waren. Nur die Schlussformel hatten die Kollegen stehen lassen: „Ihr ergebener Dr. Braven Dreyer“ – und das Postskriptum: „Falls Sie einmal in die Gegend kommen, schauen Sie doch im Secret Club vorbei.“

Gedankenverloren faltete ich das Blatt zusammen. Was hatte mir mein Ex-Kollege mit dem Schreiben mitteilen wollen? Und welche heiklen Informationen darin hatten das Innenministerium zur Zensur bewogen?

War es wirklich schon mehr als vier Jahre her, dass ich den Doktor am Flughafen in Bangkok ziehen lassen musste, weil er mich mit Lähmungsgift außer Gefecht gesetzt hatte? Rückblickend betrachtet konnte ich ihm die Finte nicht übel nehmen. Unser Vorgesetzter hätte Braven für seine eigenmächtigen Aktionen garantiert den Kopf abgerissen. Dreyer war ein genialer Wissenschafter, der es vorzog, auf seine Art für eine freie Welt zu kämpfen. Bei Sir Georg stießen seine unkonventionellen Methoden allerdings nicht immer auf Gegenliebe.

Unweigerlich fiel mir ein, wie Braven mir damals im Flughafencafé seinen Verdacht mitgeteilt hatte, dass ich schwanger sein könnte. Ich musste an das abgrundtiefe Loch denken, das sich in dieser Sekunde in meiner schwarzen Seele aufgetan hatte. Meine Augen wanderten zu der kleinen Fotografie neben der Schreibtischlampe. Das Gör darauf war mir wie aus dem Gesicht geschnitten: genau der gleiche trotzige Blick, die gleiche Mundpartie, das gleiche rote Haar, das widerspenstig in die Stirn fiel. So weit, so Blanchard – fehlte eigentlich nur, dass mir endlich jemand verriet, wer der Vater des Satansbratens war.

Berserk – Zirkus des Todes

 

Es geht los! Lernen Sie zu Beginn dieses nervenzerfetzenden Abenteuers die ehemalige Top-Agentin Kay Blanchard nebst Tochter näher kennen und nehmen Sie erstaunt zur Kenntnis, wie aufregend ein Besuch im Zirkus sein kann. Legen Sie gleich zur Lektüre des ersten Kapitels eine Schachtel Tranquilizer bereit und unbedingt „Being For The Benefit Of Mr. Kite!“ von The Beatles auf den Plattenteller …

 

Rums! Ohne Rücksicht auf Verluste raste Ruby mit ihrem Laufrad gegen die Flügeltür des Sekretariats. Der Plüsch-Elvis auf dem Lenker wirbelte in hohem Bogen davon. Keine Sekunde später wurde die Tür von einem sichtlich genervten Ed Sailer aufgerissen. In seiner kantigen Visage spiegelte sich noch immer der Ärger über die peinliche Sparring-Niederlage: „Geht’s vielleicht ein bisschen leiser, die Damen?!“ Schnaubend richtete sich der Sicherheitsoffizier sein Schulterhalfter und knöpfte das Sakko zu. Er war leider von der fixen Idee besessen, dass man der Lebensform Frau bei jeder Gelegenheit ihre Grenzen aufzeigen musste. Und genau an diesem heiklen Punkt biss er sich bei den Blanchards halt die Zähne aus.

Erneut ging die Tür auf. Diesmal war es der Kulturattaché der Schweizer Botschaft. Er knallte Ed die Schnalle ins Kreuz: „Oh, pardon, Mr. Sailer!“ Carl Brugger strich sich mit dem silbernen Knauf seines Gehstocks über das Clark-Gable-Bärtchen. Dann zog er einen opulenten Blumenstrauß hinter dem Rücken hervor und steuerte auf meinen Schreibtisch zu: „Wie mir zu Ohren gekommen ist, hat heute jemand Geburtstag.“

Überrascht kletterten meine Augenbrauen in die Höhe: „Blumen? Für mich? Was hängt denn da für ein Briefchen dran? Ist das ein Trip?!“

„Hahaha! Das sind Karten für den Zirkus, liebe Kay. Der gibt morgen seine letzte Vorstellung.“ Durch die dicken Gläser der Hornbrille warf mir Brugger einen hoffnungsvollen Blick zu, der sich gleich darauf verwegen unter den Schreibtisch schob, wo er eine indiskrete Sekunde zu lang am Saum meines Rocks hängenblieb.

Noch bevor ich Carls Einladung hochoffiziell annehmen konnte, startete Ruby eine neue Angriffswelle. Ihr Laufrad krachte von der Gangseite gegen den Türflügel, der Ed zur Abwechslung in die Flanke fuhr. Deeskalation war angesagt: „Carl, haben Sie für Mr. Sailer nicht auch noch eine Karte?“

Der Schweizer Diplomat war Gentleman genug, um sich seine Enttäuschung mit keiner Regung anmerken zu lassen: „Aber natürlich, Kay“, antwortete er knapp. „Eine großartige Idee!“ Dann wandte er sich an Ed, der vor lauter Verwunderung ganz aufs Schimpfen vergessen hatte: „Für Sie wird morgen eine Karte an der Kassa bereitliegen, Mr. Sailer.“ Carl lüftete kurz den Borsalino und empfahl sich.

Ed starrte mich verwundert an: „Warum haben Sie das gemacht, Kay?“

„Weil Sie ein netter Typ sind – immer fröhlich, immer ein Scherzwort auf den Lippen. Oder etwa nicht?“ Ich drückte Sailer den Blumenstrauß in die Hand und schob ihn zur Tür hinaus.

 

Enttäuscht flogen meine Augen über den Zettel im Programmheft: „Wir erlauben uns mitzuteilen, dass die Messerakrobatik von Bella Lindt im Rahmen der heutigen Nachmittagsvorstellung ausfällt.“

Schade, die weibliche Messerwerfernummer war die einzige, die mich wirklich interessiert hatte. Momentan stand aber im Zirkus die Kunstschützendarbietung von Dorian Lindt auf dem Programm. Der Artist ließ sich soeben von einem Elektroseilzug nach oben befördern.

Während sich das grelle Licht der Spots in meine Pupillen fräste, donnerte mir der Sound der Band in die Gehörgänge: Ramtamtam! Trommelwirbel. Schlagartig wurde es dunkel. Nur ein einsamer Lichtkegel erhellte die Silhouette, die reglos in schwindelnder Höhe unter der Zirkuskuppel ausharrte. Und das auf einer Plattform, die einem erwachsenen Menschen ungefähr so viel Platz bot wie ein Handtuch aus Barbies Badezimmer. Ich kniff die Augen zusammen. Von dramatischen Klängen begleitet, legten bunt uniformierte Ordner in der Manege ein überdimensionales Target aus Ballonseide aus. Am Rand des Zielrings positionierten sie mörderisch spitze, in die Mitte ragende Aluminiumlanzen. Wer hier landete, hatte fraglos das letzte Mal ins Schwarze getroffen.

Clown Bennie hüpfte behände zwischen den tödlichen Stangen umher. Unvermittelt legte er eine Hand auf eine der Spitzen, die sich tief in sein Fleisch bohrte. Mit grotesken Folgen: Aus der klaffenden Wunde spritzte eine Blutfontäne mitten ins verdutzte Gesicht meines Sitznachbarn. Selten so gelacht. Weil seine Brillen jetzt komplett versaut waren, konnte der arme Carl Brugger nichts mehr sehen. Ich hielt ihm ein Taschentuch unter die Nase.

„Vielen Dank, Kay!“ Peinlich berührt begann Carl seine Colaflaschenböden zu putzen. Gerade als er sie wieder aufsetzte, startete Bennie die nächste Lachnummer. Beim tölpelhaften Versuch, seine Hand von der Folterstange zu ziehen, trieb er sich die Spitze ins rechte Auge. Als ein Blutschwall aus dem gepeinigten Clownsschädel schoss, kreischten die Leute in den Rängen hysterisch auf. Carl indes rang verzweifelt mit seiner Contenance und seinem schlechten Gewissen: „Es ist mir sehr peinlich, dass ich ihnen beiden diese furchtbare Show zumute – ihre arme Tochter hat doch jetzt sicher einen seelischen Schock.“ Bruggers Entschuldigung ging in Rubys Glucksen unter, das sich zu einem regelrechten Heiterkeitsinferno steigerte. Von wegen traumatisiert. Vor lauter Lachen kullerten ihr die Tränen über die knallroten Bäckchen, was den dummen August dazu veranlasste, beleidigt dreinzuschauen.

„Bennie kaputt“, meinte er mit trauriger Stimme. Dann riss er sich plötzlich das Auge aus der Höhle, zog die lädierte Hand von der Spitze und kegelte sich als Draufgabe die dazugehörige Extremität von der Schulter. Den nunmehr nutzlosen Arm schleuderte er in die Arena.

Jetzt war Ruby nicht mehr zu halten. Das Kind sprang vom Schoß seiner überraschten Mutter, hüpfte in die Manege und schnappte sich den Körperteil. Eine Verfolgungsjagd begann, die das Publikum mit schallendem Gelächter goutierte. Ruby schwenkte den blutigen Arm wie eine Trophäe. Hinter ihr wackelte Benny: „Akrobat kaputt!“, kreischte er, dicht gefolgt von der uniformierten Truppe, die verzweifelt versuchte, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Mittlerweile hatte die Band wieder voll eingesetzt. Der Zirkusmarsch fetzte von der Orchesterloge. Fast unbemerkt hatte mitten in dem ganzen Tohuwabohu die Direktorin die Manege betreten. Vivi Lindt hieß die Dame laut Programm – und ihr knallroter Catsuit presste sich an die üppigsten Formen seit Divine in Mondo Trasho. Ein verräterischer Fleck in der Schrittgegend ließ Platz für interessante Spekulationen. Die Frau Direktorin lüftete kurz den Zylinder und ließ dann mit eisiger Miene ihre Peitsche knallen, wobei nicht ganz klar war, welchen Zweck sie mit der Übung verfolgte. Sollte sie vorgehabt haben, Ruby einzuschüchtern, so war der Versuch kläglich gescheitert: „Juhu, Mami, ich geh den Tiger füttern!“, schrie die Kleine mir zu und stürmte mit dem desolaten Clownsarm die Ränge hinauf, wo sie plötzlich zwischen den Stühlen verschwand. Und nicht mehr auftauchte …

 

Es reichte, das Kind hatte seinen Spaß gehabt! Reflexartig schoss ich aus dem Stuhl und federte über die Logenbegrenzung. Aus den Augenwinkeln registrierte ich, dass auch Ed und Brugger aufgesprungen waren.

Oben wartete der „Furchtlose Dorian“ noch immer auf das Startsignal zu seiner Todesnummer, das just in dem Augenblick erfolgte, als ich Ruby hinterher wollte. Die Direktorin hob die Peitsche. Tusch. Dann ging bis auf einen Spot das Licht aus, und Dorian Lindt stürzte sich waghalsig in die Tiefe. Simultan zog er seine Pistole. Mit drei gezielten Schüssen brachte er die Todeslanzen zum Kippen, bevor ein Bungee-Seil dafür sorgte, dass er sanft auf dem schwarzen Feld landete. Das Publikum tobte vor Begeisterung. Ich nicht – dafür fiel mir etwas auf. Im Halbdunkel der Manege war der lustige Bennie zur Tagesordnung übergegangen. Wie durch Zauberhand war er wieder komplett. Er jonglierte lässig ein paar Keulen und taxierte dabei mich und meine beiden Begleiter. Sein Blick spiegelte mitnichten fröhliche Unbeschwertheit, sondern vielmehr eine abgründige Boshaftigkeit. Die kleine Kay im Hinterstübchen war in höchster Alarmbereitschaft: Irgendetwas stimmt hier nicht, Schätzchen, also mach dich auf die Suche nach der Kleinen. Und zwar presto!

 

Ich warf mich vor den verdutzten Zusehern auf den Bauch und starrte durch ein Loch im Manegenrand angestrengt in den Hohlraum unter den Rängen: „Ruby!“, brüllte ich und konnte schemenhaft erkennen, dass sich in der Dunkelheit etwas bewegte. Wie war das Kind da nur hinuntergekommen? Kaum hatte ich’s zu Ende gedacht, tippte mir jemand auf die Schulter. Es war ein blondes Nummerngirl im heißen Glitzeroutfit. Quer über ihre Züge verlief eine hässliche Narbe. Sie verzog die entstellten Lippen zu einem desaströsen Lächeln. „Photo gefällig?“ Noch bevor ich die Gegenfrage anbrachte, wie man in die Holzkonstruktion unter den Sitzreihen gelangen konnte, zückte sie eine Kamera. Die grelle Wucht des Blitzlichts ließ mich zurückfahren, vor meinen Augen tanzten auf einmal lustige bunte Kreise. „Den Abzug kriegen Sie am Ende der Show.“ Konsterniert versuchte ich die Fotografin zur Seite zu schieben, da stellte die unnötigerweise fest: „Eine geile Lederhose haben Sie an. Ist die von Jitrois?“

„Nein, von der Kuh“, rempelte ich Blondie zur Seite, machte mich so dünn wie möglich und schlüpfte halb blind unter den Rang. Egal, dort unten war es sowieso stockdunkel. „Ruby!“, versuchte ich erneut mein Glück, doch meine Stimme ging im Krach der Band unter. Hastig tastete ich mich durch die Konstruktion, gebückt natürlich, damit mir nicht etwa noch langweilig wurde, und stieß mir prompt an einem Steher die Birne. Als sich die Sternchen verflüchtigt hatten, war Endstation. Das feste Zelttuch bremste meinen unfreiwilligen Orientierungslauf. Leider ließ es sich kaum anheben, noch sonst wie öffnen. Endstation. Wieder einmal verfluchte ich meine neue Rolle. Früher hätte ich einfach Kay Blanchards berüchtigtes Stilett aus dem Stiefelschaft gezaubert, und den Rest hätte fein geschliffener englischer Stahl erledigt. Aber in meinem Schaft steckte lediglich ein Lutscher mit Brausefüllung für den Notfall. Wenigstens hatten sich meine gequälten Pupillen wieder erholt.

„Mami!“ Kaum hörbar, aber eben doch laut genug, drang des Nachwuchses verzweifelter Ruf an meine Gehörgänge. Von draußen natürlich. Und während oben das Publikum wem auch immer tosenden Applaus spendete, wartete zu meinen Füßen der absolute Tiefpunkt. Kalter schlammiger Matsch hatte sich wie eine eiserne Klaue um meine sauteuren Gucci-Stiefel gelegt. Dem Rest meiner Garderobe würde es in wenigen Sekunden nicht besser gehen. Wenn ich dieses Kind erst wieder an der Kandare hatte … Ich warf mich auf den Bauch und robbte unter der schweren Plane durch.

Vor dem Zelt rannte ich dann gleich den Kerl mit den Luftballons um. Der bunte Heliumschwarm verabschiedete sich in den winterlichen Abendhimmel und somit in eine bessere Welt. Entrüstet meldete sich der schnauzbärtige Verkäufer: „He, das kostet …!“ Ein Kinnhaken meinerseits verhinderte jede genauere Preisangabe. Um etwaige Schadensansprüche abzuwenden, warf ich ihm einen Zehner vor die Latschen und ließ eine Blitzevaluation durch meine Gehirnwindungen rattern: Dass Zirkusleute ein schräges Völkchen sind, ist ja allgemein bekannt, aber die Truppe hier verhielt sich für meinen Geschmack eine Spur zu merkwürdig. Leider blieb keine Zeit, das Verhalten der Familie Lindt eingehender zu analysieren. Stattdessen rief ich mir Rubys letzte Worte ins Gedächtnis: „Ich geh den Tiger füttern.“

Tatsächlich waren wir vor der Vorstellung in der erfrischend tierschutzwidrigen Schau der Lindts gewesen, wo sich Ruby von der Raubkatze höchst beeindruckt gezeigt hatte. Ich blickte hinüber zur Menagerie und sah gerade noch einen roten Haarschopf, der kurz aus dem Gedränge hervorblitzte.

Dummerweise drängte sich vor den Klimbim-Buden bereits das Publikum der Abendvorstellung. Da half nur Ellbogentechnik. Leider nicht lange – schon vor dem Glücksrad blieb ich im Massenansturm stecken. Ohne lang zu fackeln, riss ich dem Feuerspucker im Flintstones-Outfit die Fackel aus der Hand und gleich das Brandmittelfläschchen dazu. Um jede Diskussion im Ansatz abzudrehen, knallte ich auch ihm eine und bahnte mir dann als lebender Flammenwerfer den Weg durch die Leute.

Als ich die panische und nach meinem Feuerlauf leicht angesengte Menschenmenge durchquert hatte, stürmte ich die große Zirkus-Lindt-Tiershow. Und wirklich, am anderen Ende des Zelts stand sie genau vor dem Tigerkäfig.

„Ruby, verdammt, komm sofort hierher!“

Das Kind hätte den Worten seiner Mutter ausnahmsweise vielleicht sogar Folge geleistet, wäre es nicht von einer dubiosen Gestalt im Pelz festgehalten worden. Ein grauslicher Krampus fixierte mich aus eitergelben Augen. „Keinen Schritt weiter, oder das Gör ist tot!“, drang es dumpf aus seiner Larve. Um den Worten Nachdruck zu verleihen, bedrohte er die Kleine mit einem Messer, an dem Michael Myers seine helle Freude gehabt hätte.

Fieberhaft kramte ich nach einer Taktik. Ruby war schneller. Kaltblütig biss sie ihrem Entführer in die Hand. Der ließ das Messer mit einem kehligen Schrei fallen. Fluchend warf er sich die Kleine über die Schulter und entwich mit ihr durch den Hinterausgang.

Nach ein paar Sätzen hatte ich das Menageriezelt ebenfalls verlassen. Dort donnerte die Fratze gerade die Heckklappe eines Lieferwagens zu. Hechtsprung. Just als ich das Fell der Jacke zu fassen bekam, raste ein Blitz durch meinen Schädel. Vor den Pupillen flackerte noch kurz das Bild eines Zonen-Kennzeichens – LZ-69 oder so –, dann flog endgültig die Sicherung.

 

Als ich wieder zu mir kam, fühlte sich mein Hinterkopf an, als hätte er ein Speeddate mit dem Schmiedehammer hinter sich. Ich blickte in Carl Bruggers besorgtes Gesicht. Kniend fummelte er an meiner schmerzenden Rübe herum. Offenbar kontrollierte er den Halt eines Druckverbands. „Bleiben Sie ganz ruhig liegen, Kay, Sie haben eine ordentliche Platzwunde. Können Sie sich an etwas erinnern?“

„Ruby“, presste ich tonlos hervor. „Sie ist …“

„Weg, ich weiß“, sagte Brugger, indem er mir eine Jacke unter die Wange schob, „und deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt alle einen kühlen Kopf bewahren.“ Seine Miene verriet mir, dass er Informationen hatte, die nicht besonders günstig waren. Trotzdem versuchte er, eine positive Grundstimmung zu verbreiten: „Wir bringen Sie gleich ins Krankenhaus. Dort erholen Sie sich – und wir kümmern uns um den Rest!“ Er neigte den Kopf zur Seite, wo sich Ed Sailer breitbeinig aufgepflanzt hatte. Der Sicherheitschef trug trotz des angebrochenen Abends eine Sonnenbrille. Mit unbewegtem Gesicht verkündete er: „Wir haben noch keine Spur, Kay, aber die Kollegen von der Zonen-Gendarmerie sind schon an der Sache dran.“ Er deutete auf den Hintereingang der Menagerie, wo sich zwei smarte Anzugträger mit Direktorin Lindt und dem Clown unterhielten. KBK-Bullen in Zivil. Mein Blick wanderte zu Bennie. Die Mundwinkel des makabren Spaßmachers zuckten kaum merklich. Er sah so aus, als wollte er krampfhaft ein Grinsen unterdrücken. Ein böses Clownsgrinsen …

Frankensteins Todesrennen

 

Es folgt das ultimative Fahrsicherheitstraining mit Kay Blanchard. Erfahren Sie in diesem Abschnitt, wie man Einsatzfahrzeuge optimal bei Verfolgungsjagden einsetzt. Achtung: Wenn Sie Angst vor Krampussen haben, sollten Sie dieses Kapitel vorsichtshalber gemeinsam mit einer therapeutischen Begleitperson lesen! Streamen Sie dazu aber auf jeden Fall „Jesus Built My Hot Rod“ von Ministry.

 

„Halt, ihre Jacke!“, rief mir Ed Sailer zu, als der magersüchtige Ambulanzfahrer gerade die Seitentür zuschieben wollte. Ich setzte zur geharnischten Antwort an, dass ein solcher Fetzen Kay Blanchards Kleiderschrank nie gesehen hatte, da war das üble Stück schon in meinem Schoß gelandet. Es handelte sich um die Felljoppe, die Brugger mir vorhin fürsorglich unter den Kopf geschoben hatte. Als ich jetzt das Ungetüm betrachtete, kam mir ein Verdacht. War es mir etwa gelungen, der Perchtenlarve das Ding vom Leib zu reißen? Ja, war es! Und wo eine Jacke, da DNS-Spuren – und wo DNS-Spuren, da vielleicht eine Übereinstimmung in der Datenbank. Mein Herz klopfte im Tiki-Rhythmus, als ich die Taschen der Jacke durchsuchte. Ich zog die silberne Kappe eines Kugelschreibers der Lienzer Bergbahnen-AG heraus … und eine zerknitterte Visitenkarte. Bingo!

Kids4You – Ihre Agentur für die schönste Aufgabe der Welt, las ich. Neben dem Claim prangten die Kontaktdaten des Unternehmens; allerdings war der Schriftzug so verwittert, dass man nur mehr das Konföderationskürzel vor der Telefonnummer entziffern konnte. Schade.

Aber immerhin blieb mir die DNS. Es zählte also jede Sekunde. Ich löste den Gurt und riss das Schiebefenster zur Fahrerkabine auf: „Vergessen Sie das Krankenhaus“, rief ich nach vorn. „Bringen Sie mich zur Gendarmerie! Sofort!“

„Das ist kein Taxi. Bleiben Sie gefälligst …“

„Gut, ich bleibe. Dafür steigen Sie aus!“ Mit einem gezielten Handkantenschlag stellte ich hinten den fetten Sani ruhig und fasste dann durchs Schiebefenster. „Was soll … ?!“, rief der Fahrer. Der Rest seiner Empörung ging in einem erstickten Schrei unter, weil ich ihn schon fest an seinem fettigen Rossschwanz gepackt hatte: „Stehenbleiben, sofort!“ Kaum hatte der Rettungsfahrer mit schmerzerfülltem Blick an einer Bushaltestelle gehalten, knallte ich ihm die weitere Agenda ins schmalzverklebte Ohr. Dabei packte ich seine unappetitliche Haarpracht noch ein Stück fester: „Motor laufen lassen!

---ENDE DER LESEPROBE---