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Ist es möglich, sich in einen Mann zu verlieben, dem man noch nie begegnet ist? Noch bevor ich sein Gesicht sah oder seine Stimme hörte oder die Wärme seiner Berührung spürte, verliebte ich mich in seinen Geist. Er ist verschlagen. Listig. Und verführerisch. Der Meister tödlicher und gefährlicher Pläne. Die stille Gefahr, die niemand kommen sah. Er manipuliert Menschen wie Figuren auf einem Schachbrett, setzt die gesamte Welt der Cosa Nostra in Brand. Und verbrennt mein Herz einfach zu Asche …
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Seitenzahl: 586
Veröffentlichungsjahr: 2025
Neva Altaj
SWEET Prison
Der Gefangene
(Perfectly Imperfect Serie)
Übersetzt von Alexandra Gentara
SWEET Prison – der Gefangene
Copyright der deutschen Ausgabe © 2025 VAJONA Verlag GmbH
Copyright der Originalausgabe © 2024 by Neva Altaj
Übersetzung: Alexandra Gentara
Korrektur: Franziska Schneider
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel
»Sweet Prison« von Neva Altaj.
Umschlaggestaltung: Deranged Doctor
mit Anpassungen durch den VAJONA Verlag
Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz
unter Verwendung von Motiven von Canva
VAJONA Verlag GmbH
Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3
08606 Oelsnitz
Teil der SCHÖCHE Verlagsgruppe GmbH
Anmerkungen der Autorin
Liebe Leserinnen und Leser,
»Perfectly Imperfect« ist eine Reihe lose miteinander verbundener Einzelbände, die in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. »Sweet Prison« (Buch 10, Massimos und Zaharas Geschichte) wurde jedoch als Ergänzung zu »Darkest Sins« (Buch 9, Kai und Neras Geschichte) geschrieben. Ich empfehle daher dringend, das Duett zusammen und in der richtigen Reihenfolge zu lesen. In diesem Buch bin ich nur dann auf die Ereignisse in »Darkest Sins« eingegangen, wenn sie für die aktuelle Handlung wesentlich sind, weil ich Wiederholungen vermeiden wollte und dies die Geschichte von Massimo und Zahara ist, während Kai und Nera ihre bereits geteilt haben.
Wenn ihr »Darkest Sins« noch nicht gelesen oder es ausgelassen habt, könnte das euren Spaß an »Sweet Prison« stark beeinträchtigen, da es für das Verständnis der Beweggründe der Charaktere und die Verflechtungen ihrer Leben und Wege von entscheidender Bedeutung ist, die Ereignisse zu kennen, die im vorherigen Buch stattgefunden haben. Ohne dieses Wissen könntet ihr euch ein wenig verloren fühlen im Wirrwarr der Mafia-Welt.
Wie auch immer ihr euch entscheidet, ich hoffe, dass euch dieses Buch genauso viel Spaß machen wird wie mir.
Viel Freude beim Lesen!
Neva
Hinweis
Bitte beachtet, dass es in »Sweet Prison« um eine Romanze zwischen Stiefgeschwistern geht. Massimo und Zahara (Zara) sind nicht blutsverwandt. Der Held ist der Sohn von Zaras Stiefmutter aus ihrer vorherigen Ehe. Wenn das nicht euer Ding ist, solltet ihr diese Geschichte vielleicht überspringen.
Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass der Altersunterschied zwischen Massimo und Zahara siebzehn Jahre beträgt.
Keiner von beiden hat eine umfassende Erinnerung an den anderen aus der Zeit, in der sie nach der Heirat ihrer Eltern kurzzeitig im selben Haushalt lebten. Als sie sich in »Darkest Sins« zum ersten Mal wiedertreffen, ist Zara achtzehn und Massimo fünfunddreißig Jahre alt.
Bitte beachtet, dass dieses Buch Inhalte enthält, die manche Leser als verstörend empfinden könnten, wie zum Beispiel Blut, Gewalt und detaillierte Beschreibungen von Folter.
Zahara
Beerdigung von Nuncio Veronese, Boston Zahara, 18 Jahre alt; Massimo, 35 Jahre alt
Nur du, Nera.
Massimos Worte hallen in meinem Kopf wider, während ich den Feldweg zum Parkplatz entlang eile. Meine Sicht ist durch die Tränen so verschwommen, dass ich kaum noch erkennen kann, wohin ich trete. Ich hebe den Arm und wische die Feuchtigkeit mit dem Ärmel weg.
Dieser Mistkerl.
»Zara! Warte!«, ruft meine Schwester hinter mir her.
Ich beschleunige meine Schritte. Ich bin gerade nicht in der Verfassung, mit ihr zu reden. Ich will mich einfach nur in einer dunklen Ecke zusammenrollen und in Ruhe vor mich hin heulen.
Als er auf Nera und mich zukam, pochte mein Herz so schnell, dass ich Angst hatte, einen Herzinfarkt zu bekommen. In gewisser Weise habe ich Massimo immer als etwas Unwirkliches wahrgenommen. Unantastbar. Unerreichbar. Als ich ihn dann gerade hier vor mir sah, als echtes Wesen aus Fleisch und Blut, wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen. Und mein dämliches Herz hat vor Glück geträllert.
Bis er es mit einem einfachen Satz wieder zum Schweigen gebracht hat.
Nur du, Nera.
Keine Ahnung, was er mit meiner Schwester besprechen will. Vielleicht will er Anspruch auf das Familienvermögen erheben. Das würde zu so einem verlogenen Mistkerl passen.
Es ist mir auch scheißegal.
Das Einzige, was mir wirklich wichtig war, hat er sich sowieso längst genommen.
Mein Herz.
Und dann hat er es zertrümmert.
Kapitel 1
Massimo
Fünfzehn Jahre zuvor Massimo, 20 Jahre alt
»Bitte erheben Sie sich.«
Ich ziehe mein Sakko zurecht und stehe langsam von der Anklagebank auf. Die Manschetten meines Hemdes sind viel zu eng und scheuern an der gereizten Haut meiner Handgelenke. Die Arschlöcher, die mich aus der städtischen Haftanstalt zum Gerichtsgebäude gebracht haben, haben mir offenbar die kleinsten Handschellen angelegt, die sie finden konnten.
Richter Collins watschelt herein. Sein dichtes weißes Haar und sein weißer Bart stehen in starkem Kontrast zu seiner pechschwarzen langen Robe. Ich versuche, seinen Blick einzufangen, aber er sieht beharrlich in eine andere Richtung. Als würde er das mit Absicht tun. Ich schätze, er will damit sicherstellen, dass niemand auf die Idee kommt, dass wir uns bereits ziemlich gut kennen. Es ist zum Totlachen, wenn man bedenkt, wie viele Gefallen die Cosa Nostra ihm im Laufe der Jahrzehnte bereits getan hat. Neben beinahe der Hälfte der Eliten, Bürokraten und Spitzenbeamten von Boston war er sogar persönlich auf jener Silvesterparty anwesend, bei der alles den Bach runterging.
Ich atme tief durch und warte auf die Verkündung meines Urteils. Nach der Anklageerhebung und der Vorverhandlung habe ich auf Anraten meines Anwalts einen Vergleich akzeptiert. Ein Schuldbekenntnis wegen fahrlässiger Tötung im Austausch gegen eine zu erwartende Haftstrafe von drei Jahren. Vielleicht vier, falls der Richter nicht den Eindruck erwecken will, mich zu begünstigen. Bei dreihundert Zeugen auf der Party kann ich so oder so nicht leugnen, den Bastard erschossen zu haben, der meinen Stiefbruder getötet hat. Daher habe ich auf mein Recht auf ein reguläres Gerichtsverfahren verzichtet und damit vermieden, auch noch einen Haufen Zeit und Geld in diese Scheiße zu stecken, ganz zu schweigen von einer möglichen Höchststrafe. Auf diese Weise könnte ich mit der Möglichkeit einer Bewährung wegen guter Führung in gut einem Jahr schon wieder zu Hause sein. Kein schlechter Deal also – ein paar Jahre meines Lebens als Konsequenz dafür, dass ich Elmos Mörder umgelegt habe. Und das Wissen, dass ich dieses miese Stück Scheiße direkt an Ort und Stelle erledigt habe, ist tatsächlich verdammt befriedigend.
»Massimo Spada, Sie haben sich des vorsätzlichen Totschlags schuldig bekannt, wie er in Kapitel 265, Abschnitt 13 der Massachusetts General Laws definiert und geregelt ist.« Die Stimme des Richters erfüllt den Raum, und schließlich begegnen sich auch unsere Blicke. »Justitia ist blind, Mr. Spada. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Angesichts der Schwere Ihrer Tat und Ihres offensichtlichen Mangels an Reue während der Anhörung verurteile ich Sie hiermit zu achtzehn Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis …«
Ein hohes, pfeifendes Geräusch, wie das Rauschen in einem uralten Fernseher, dröhnt durch meinen Kopf. Es übertönt sogar das laute Gemurmel, das plötzlich im Gerichtssaal entsteht.
Achtzehn Jahre? Achtzehn verdammte Jahre? Nein, das kann nicht stimmen. McBride hat mir versichert, dass vier Jahre das absolute Maximum seien, das ich bekommen würde. Vor allem in Anbetracht der zahlreichen Verbindungen des Richters zur Familie. Das muss ein Fehler sein. Es gibt keine andere Erklärung. Ich drehe mich zu Richter Collins um und sehe ihm direkt in die Augen. Darauf wartend, dass er verkündet, einen Fehler gemacht zu haben, während das schrille Rauschen in meinem Kopf permanent in meinem Schädel widerhallt. Doch er sagt kein weiteres Wort.
Jemand packt meine Arme und reißt sie hinter meinen Rücken. Ich kann meinen Anwalt kaum hören, als er mir etwas von Berufung vorjammert. Irgendwie gelingt es mir trotz des Tumults, der sowohl in meinem fassungslosen Gehirn als auch im Raum herrscht, das Klicken der Handschellen zu bemerken, die mir angelegt werden.
Das kann nicht wahr sein. Gott weiß, dass ich sicher kein Unschuldiger bin. Trotzdem hat er kein Recht, mein Leben so zu ruinieren! Das hier muss ein verfluchter Albtraum sein, und ich brauche dringend jemanden, der mir eine Ohrfeige verpasst, damit ich verdammt noch mal daraus aufwache!
Ich stemme meine Fersen gegen den Boden und starre den Richter weiter an, der gerade von seinem Pult die Stufen hinuntergeht.
Nein. Ich werde mir ganz sicher nicht die nächsten achtzehn Jahre meines Lebens stehlen lassen.
»Collins!« Mein Gebrüll explodiert über das Stimmengewirr der gedämpften Stimmen hinweg.
Der Bastard blinzelt nicht einmal. Er ignoriert mich einfach.
McBride plappert wieder irgendeinen Anwaltsmist auf mich ein, sein Tonfall klingt beinahe hysterisch. Irgendwas von, dass ich es nicht noch schlimmer machen soll, aber die Worte streifen meinen Verstand nur. Gefangen inmitten des schrillen Rauschens in meinem Kopf, das sich immer weiter verstärkt. Mehrere Hände greifen nach meinen Armen und schieben mich zur Tür an der Seite des Gerichtssaals. Immer wieder schaue ich über meine Schulter und suche nach Richter Collins. Warte darauf, dass er diesem Wahnsinn ein Ende macht. Alle paar Schritte werfe ich einen Blick zurück, selbst als ich durch den schmalen Flur in Richtung der Arrestzelle geführt werde, in der ich erst vor weniger als zwanzig Minuten meinen frisch gebügelten Anzug angezogen habe. Meine Beine scheinen sich nur noch automatisch und ohne mein Zutun zu bewegen.
»Zwei Minuten, Spada.« Einer der Wärter greift nach meinen gefesselten Handgelenken. »Dein Transport wartet schon.«
»Zwei Minuten für was?«
»Zum Umziehen.« Er schiebt mich in den Raum und nickt in die hintere Ecke.
Saure Galle steigt mir die Kehle hinauf und verätzt mich, als ich seinem Blick zu der klapprigen Bank folge.
Dort, auf den rissigen Holzbrettern, liegt ein ordentlich gefalteter Kleiderstapel.
Verleugnung. Blinde Wut. Hilflosigkeit. Das Chaos all der verschiedenen Emotionen trifft mich hart. Sie alle überfluten mich gleichzeitig, und plötzlich kann ich verdammt noch mal nicht mehr atmen. Kann mich nicht mehr bewegen. Nicht mehr klar denken. Das Einzige, was ich noch tun kann, ist, auf den leuchtend orangefarbenen Kleiderstapel auf dieser Bank zu starren, der mir die verdammten Hornhäute verätzt.
Kapitel 2
Massimo
Drei Monate zuvor, Silvesterabend Villa von Nuncio Veronese (Don der Bostoner Cosa Nostra)
Der Duft von getrocknetem Oregano und frischem Obst und Gemüse, die in Holzkisten in den Regalen verstaut sind, steht in starkem Kontrast zu dem leicht modrigen Geruch in der Luft. Es gibt keine Fenster, und die einzige Lichtquelle ist eine einsame Glühbirne an der Decke, die ein gelbliches Licht auf ein zusammengesunkenes, schluchzendes Etwas wirft. Ein Mann. Carlo Forino. Zwei von meinen Jungs flankieren ihn und halten ihn davon ab, von dem Hocker aufzuspringen, auf dem er gerade sitzt.
Ich drehe einen Stuhl um und setze mich breitbeinig darauf, wobei ich die Unterarme über die stabile Holzlehne baumeln lasse, dann betrachte ich diese erbärmlich schlechte Imitation eines Menschen. Carlo atmet zu schnell, hyperventiliert regelrecht, vermeidet es aber, mir in die Augen zu sehen. Er weiß genau, warum er hier ist. Und er weiß auch, was gleich kommt.
Sein mühsames Atmen vermischt sich mit den gedämpften Klängen eines Klaviers, die durch die geschlossene Tür zu hören sind. Obwohl die Party größtenteils im Saal auf der anderen Seite der Villa stattfindet, dringen die Klänge bis in diese abgelegene Speisekammer.
»Wo ist unsere Kohle, Carlo?«, frage ich.
»Es lief die letzte Zeit nicht so gut in der Bar, Massimo«, stößt der Mann hervor. »Aber das ist nur eine kleine Durststrecke. Ich schwöre, ich zahle euch das Geld zurück. Ich brauche nur noch ein paar Tage Verlängerung.«
Ich verschränke die Arme über der Stuhllehne und lege den Kopf schief. »Eure geschäftlichen Probleme haben keinerlei Einfluss auf unsere Abmachung. Die Zahlungsfrist ist gestern abgelaufen.«
»Nächste Woche. Nächste Woche hab ich alles zusammen.«
»In Ordnung.« Ich nicke und wende mich Peppe zu, der links von mir steht. »Da drüben in der Schublade liegt eine Fleischerschere. Schneid ihm den kleinen Finger ab.«
»Massimo.« Elmos Stimme ertönt aus der Ecke des Raums. »Ist das echt nötig? Er hat doch schon gesagt, dass er zahlt.«
Ich schaue über meine Schulter und fixiere meinen Stiefbruder. Sein Gesicht hat einen merkwürdig grünlichen Farbton angenommen und er ringt die Hände. Selbst in seinem schicken, maßgeschneiderten Smoking sieht er aus wie ein Kind. Elmo ist letzte Woche achtzehn geworden, und sein Vater, der Don der Bostoner Cosa Nostra, fand, es sei an der Zeit, seinen Sohn stärker in die Geschäfte der Familie einzubeziehen. Dieses »Meeting« heute sollte Elmo auch in die weniger appetitlichen Seiten des Geschäfts einführen.
Zu schade, dass er einfach nicht für dieses Leben geschaffen ist. Im Grunde genau wie sein Vater.
»Wir sind keine Wohltätigkeitsorganisation, Elmo. Du willst doch wohl nicht, dass dieser Wichser den Leuten erzählt, dass La Famiglia gutmütig geworden ist, oder?«
Ein heulendes Wehklagen hallt durch den Raum.
»Nein, aber …« Elmos Blick wandert zu Carlo, der den Geräuschen nach zu urteilen gerade seinen Finger verloren hat. »Lieber Gott. Ich … Mir wird schlecht.«
Ich kneife mir in den Nasenrücken und atme tief aus. »Verschwinde einfach, Elmo.«
»Du weißt doch, dass ich das nicht darf. Dad hat gesagt …«
»Und ich habe gesagt, dass du dich verpissen sollst!« Wenn er jetzt vor unseren Leuten seinen Mageninhalt auskotzt, verliert er jeglichen Respekt. Und in der Cosa Nostra ist Respekt überlebenswichtig.
Ich stehe auf und gehe auf meinen Stiefbruder zu, ohne auf Carlos zunehmend pathetisches Geheule zu achten. Elmos Gesicht ist inzwischen so blass geworden, dass es beinahe transparent wirkt. Ich lege eine Hand auf seine Schulter und drücke sie beruhigend. »Ich spreche mit Nuncio und sorge dafür, dass er zur Vernunft kommt. Hast du dich schon für ein College entschieden?«
»Ja, aber … ich glaube nicht, dass er mich lässt. Er will …«
»Es ist mir scheißegal, was Nuncio will. Betrachte die Sache als erledigt. Und hör auf, ständig an deiner verdammten Krawatte herum zu zupfen.« Ich richte den schiefen Knoten. Der Junge ist definitiv kein Anzugtyp, das steht fest. Mein Schneider hat fast einen Nervenzusammenbruch bekommen, als er versuchte, Elmo beim Maßnehmen stillstehen zu lassen. »Geh und genieß einfach die Party. Ich komme gleich nach.«
Elmo atmet langgezogen aus und nickt dann. »Danke, Massimo.« Er tippt mir mit der flachen Hand auf die Brust, im nächsten Moment ist er auch schon zur Tür hinaus.
Ich drehe mich wieder um, bereit, mein Geschäft hier zu beenden. Carlo hält sich ein Geschirrtuch an die blutige Hand und winselt wie ein Kätzchen.
Vier Augenpaare verfolgen meinen Weg zum Regal, wo Peppe die Schere zwischen zwei Gläser mit sonnengetrockneten Tomaten gesteckt hat. Ich ziehe ein Feuerzeug aus der Tasche und halte die leicht gebogenen Klingen der Schere über die Flamme. »Gib mir deine Hand.«
»Wieso?«, krächzt Carlo.
»In den Fingern befinden sich zahlreiche Blutgefäße. Ich will nicht, dass du verblutest. Denn wenn du jetzt stirbst, wer bezahlt dann wohl deine Schulden?« Ich nicke den Jungs zu, meiner handverlesenen Truppe von Vollstreckern. »Haltet ihn fest.«
Carlo versucht, sich zu wehren, aber meine Männer überwältigen ihn mühelos. Peppe packt das Handgelenk des schluchzenden Bastards und hält mir seine verletzte Hand hin. Ich schiebe das Feuerzeug in meine Hosentasche zurück und greife nach den Fingern dieses unzuverlässigen Idioten.
»Du hast drei Tage«, knurre ich.
Dann drücke ich die erhitzte Klinge auf den blutigen Stumpf, der vorhin noch sein Finger war, und der Gestank von verbranntem Fleisch erfüllt den Raum.
»Massimo.« Die Tür zur Speisekammer schwingt auf und gibt den Blick auf Salvo frei. »Elmo meinte, du wärst hier und … Wonach zur Hölle stinkt es denn hier?«
»Persuasion. Für Schmarotzer.« Ich trete zur Seite und gewähre ihm einen unmittelbaren Blick auf den inzwischen ohnmächtigen Forino.
Salvo schluckt hörbar. Seine Augen sind weit aufgerissen, während sie über die Blutflecken schweifen und bei dem abgetrennten Finger auf dem Boden verweilen. »Heilige Scheiße.«
Ich schüttle den Kopf. Salvo und ich haben dieselbe Privatschule besucht und waren seit dem ersten Schultag beste Freunde. Während ich mich nie vom Glitzer der High Society habe beeindrucken lassen und diesen Scheiß hier schon seit Jahren mache, ist er bereits in vierter Generation in der Cosa Nostra und an den ganzen Prunk und die Macht, die mit viel Geld und Prestige einhergeht, gewöhnt. Sein Vater ist Capo und sein Großvater war zu seiner Zeit Unterboss. Das bedeutet, dass Salvo sich normalerweise nicht die Hände schmutzig macht und sich nicht einmal dazu herablässt, zuzusehen, wie die zwielichtigeren Teile unseres Geschäfts gehandhabt werden.
»Was wolltest du denn?«, frage ich.
»Don V. hat gefragt, wann du dich zu den anderen Gästen gesellst«, murmelt er, ohne den Blick von dem abgetrennten Finger auf dem Boden zu lösen.
»Sobald ich mir die Hände gewaschen habe.«
»Ähm … okay.«
»Heb mir ein paar Garnelen auf, bevor Leone sie mir alle wegfrisst!«, rufe ich ihm noch hinterher, als er sich hastig wieder zurückzieht.
Ich betrete den großen Saal und nehme den Glanz und Glamour in mich auf. Das Werk meiner Mutter. Der Typ in dem auffälligen weißen Anzug klimpert immer noch auf dem Klavier, aber zum Glück hat er inzwischen zu einem lebhafteren Stück gewechselt. Der Don und meine Mutter unterhalten sich angeregt mit einigen der höheren Tiere der Stadt auf der anderen Seite des Raums, direkt neben dem aufwendig geschmückten Weihnachtsbaum. Auch wenn es gar keine Zweifel daran gab, verrät Nuncios breites Grinsen, während er links neben Richter Collins steht, wie sehr er all den Trubel und die anderen Vorteile genießt, die ihm die Führung der Familie bietet.
Wenn der Plan aufgegangen wäre, wie er sollte, wäre ich jetzt an seiner Stelle. Leider laufen die Dinge manchmal nicht ganz nach Plan.
Seit meinem zwölften Lebensjahr wurde ich dazu erzogen und ausgebildet, die Führung der Boston Cosa Nostra zu übernehmen. Während andere Väter ihre Söhne zu Footballspielen mitnahmen, schleppte mich meiner in zwielichtige Clubs und verfallene Gebäude, um mich mit Lieferanten zu treffen. Anstatt wie meine Freunde Videospiele zu spielen, lernte ich, wie man schießt. Während andere Jungs in meinem Alter in Pornomagazinen blätterten, saß ich mit meinem Vater im Büro unseres Buchhalters und lernte, wie man Geld wäscht. Jedes Mal, wenn ein großes Geschäft anstand, nahm mein Vater mich mit, um den Vertragsabschluss zu bezeugen. Obwohl mein Vater der Don von ganz Boston war, wurde ich im Gegensatz zu den Söhnen anderer privilegierter Familienmitglieder nicht verwöhnt. Unser Blut war definitiv nicht blau.
Mein Vater hatte als einfacher Arbeiter in einem der Lagerhäuser der Cosa Nostra angefangen. Mit siebzehn wurde er bereits in den Kreis der Vollmitglieder aufgenommen und arbeitete sich zwei Jahrzehnte lang nach oben, bis er schließlich zum Unterboss wurde. Vor acht Jahren übernahm er dann die Führung der Bostoner Familie. Dad glaubte, dass nur jemand, der alle Positionen auf der Karriereleiter der Cosa Nostra durchlaufen hatte, ein guter Anführer sein könnte. Denn nur jemand, der die Probleme der Fußsoldaten aus eigener Erfahrung kennt, würde im besten Interesse aller Mitglieder der Famiglia handeln und nicht nur im Interesse der höheren Ränge. Und da er wollte, dass ich seine Nachfolge als Don antrete, bedeutete das, dass auch ich all das durchlaufen musste.
Also tat ich es. Ich sammelte Geld von den Männern ein, die uns etwas schuldeten. Und prügelte die Scheiße aus denen heraus, die nicht zahlen konnten. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich mit Blutflecken auf der Kleidung nach Hause kam, nachdem ich aus erster Hand miterlebt hatte, wie die Cosa Nostra Gerechtigkeit walten ließ. Ich begleitete die Fußsoldaten auf ihren Runden durch die Nachbarschaft oder begleitete sie, um Vergeltung an anderen kriminellen Organisationen zu üben. Ich verbrachte deutlich mehr Tage in Spelunken am Hafen mit den Schlägern der Organisation – die dort Poker spielten und jede Menge Alkohol tranken –, als ich Abende mit meinen Schulfreunden verbrachte. Meinen Abschlussball verpasste ich, weil ich die Nacht auf einer Holzbank im Hinterzimmer eines Casinos verbrachte, während ein Arzt eine Kugel aus meinem Oberschenkel holte, nachdem ein Drogendeal schiefgelaufen war. Ein ziemlich aufregendes Leben für einen Teenager. Und mir gefiel es so.
Meine verpasste Kindheit habe ich nie vermisst, weil ich wusste, dass ich darauf vorbereitet wurde, die Familie zu übernehmen, sobald die Zeit dafür reif war. Doch diese Zeit kam zu früh. Ich war gerade erst achtzehn geworden, als mein Vater starb. Ein Jahrzehnt zu früh, als dass irgendjemand mich für diese Rolle auch nur in Betracht gezogen hätte. Ich war ein Welpe unter lauter erfahrenen Hunden. Und den alten Bastarden konnte man keine neuen Tricks mehr beibringen.
Bei der kurzfristig einberufenen Familienversammlung wurde Nuncio Veronese zum nächsten Don gewählt. Das war eine unerwartete Wendung. Bis dahin war ich mir sicher gewesen, dass Batista Leone die Führung übernehmen würde. Er war deutlich älter und auch erfahrener. Und der Stellvertreter meines Vaters. Ich glaube, Nuncio war selbst ziemlich überrascht, als er schließlich zum Anführer der Cosa Nostra in Boston ernannt wurde.
Veronese hatte kleine Kinder, und seine Frau war nur wenige Monate zuvor bei der Geburt gestorben. Bei derselben Versammlung wurde also ein Deal für ihn ausgehandelt, meine Mutter zu heiraten. Das taten sie auch kurz darauf. Ein kluger Schachzug. Es gibt keine bessere Möglichkeit, seine Position als neuer Don zu stärken, als die Witwe seines Vorgängers zu heiraten und dessen Sohn unter sein Dach zu holen. In Anbetracht meines Alters – erwachsen, nur eben noch nicht alt genug, um am Kopfende des Tisches zu sitzen – wurde ich auf die Position der »linken Hand« von Nuncio verbannt. Ein Bote, der im Namen des neuen Don Urteile verhängt und für Disziplin sorgt.
Lautes, fröhliches Gelächter ertönt von der Gruppe, die am Weihnachtsbaum steht, und reißt mich zurück zur Party. Wahrscheinlich hat Nuncio gerade mal wieder einen seiner Witze zum Besten gegeben. Ausgefallene Abendessen und Partys mit unseren Investoren, öffentliche Auftritte und Fundraising-Veranstaltungen für die Organisationen, über die wir Geld waschen, waren schon immer die Spezialität meines Stiefvaters, und er meistert sie mit Bravour.
Das Charisma dieses Mannes ist wirklich unübertroffen. Nuncio Veronese kann sogar eine ansonsten sehr vernünftige und rationale Person dazu bringen, sich die eigene Hand abzuhacken, und sie auch noch davon überzeugen, dass es zu ihrem eigenen Besten ist. Bis derjenige beinahe den Drang verspürt, ihm dafür zu danken. Die Leute fühlen sich zu ihm hingezogen, als wäre er die verdammte Sonne persönlich. Wichtige, einflussreiche Leute. Jeden zweiten Mittwoch spielt er mit dem Polizeichef Golf. Er ist in sämtlichen einflussreichen Haushalten um ganz Boston herum jederzeit herzlich willkommen. Jeder Prominente und jedes machthungrige Mitglied der Bostoner Elite hat mindestens einmal an einem von Nuncios sommerlichen Grillabenden im Hinterhof teilgenommen. Er hat es sogar geschafft, einen verdammten Richter des Staates Massachusetts zu unserer Silvesterparty einzuladen.
Seit der Zeit meines Vaters als Don hat sich die Cosa Nostra einem »populistischeren« Ansatz zugewandt und offene Konfrontationen mit dem Gesetz vermieden. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Nuncio als Nachfolger meines Vaters ausgewählt wurde. Die Familie war überzeugt davon, eine gute Wahl getroffen zu haben.
Sie haben sich geirrt.
Nuncio ist kein schlechter Mensch. Und genau das ist auch sein schlimmster Fehler. Er ist nicht dazu geeignet, die Führung einer Mafiafamilie zu übernehmen, denn wenn es um die dunkle Seite unseres Geschäfts geht – die Seite, die brutale und abscheuliche Arbeit erfordert – fehlt ihm dazu der Mumm. Das wurde bereits kurz nach seiner Übernahme mehr als deutlich. Als er zum ersten Mal einen Mann töten musste, wäre der arme Bastard beinahe in Ohnmacht gefallen. Er schaffte es nicht einmal, dem Verräter eine Kugel in den Kopf zu jagen, sondern traf stattdessen nur dessen Schulter. Zum Glück waren nur wir beide zusammen im Raum. Ich musste für ihn einspringen und den Job zu Ende bringen. Damals war ich in Elmos Alter. Und es war bei weitem nicht mein erster Mord gewesen.
Abgesehen von dem blutigen Zeug hoffte ich, dass Nuncio zumindest in anderen Bereichen durchhalten würde. Aber er erwies sich auch als absolut unfähig, die geschäftlichen Angelegenheiten und Finanzen der Familie zu regeln. Nicht, dass er es nicht versucht hätte. Innerhalb von nur drei Monaten nach seiner Übernahme steckte er unser gesamtes gewaschenes Geld in ein riesiges Bauprojekt, versäumte es aber, vorher die Risiken zu analysieren oder die voraussichtlichen Kosten exakt zu berechnen. Wir verloren unsere gesamte Liquidität und standen plötzlich mit einem halbfertigen Wohnblock in der Vorstadt da, ohne genug Geld für die Fertigstellung des Rohbaus. Ich musste mehrere Verbindungen meines Vaters nutzen, um Investoren zu finden, die bereit waren, die Einheiten schon zu kaufen, noch bevor die Rohbauphase abgeschlossen war. Nach diesem Fiasko fragte Nuncio mich vor jeder Investition um Rat. Seit meinem neunzehnten Geburtstag traf ich also, ohne dass der Rest der Familie davon wusste, jede einzelne Geschäftsentscheidung für den Don.
Also machten Nuncio und ich unseren eigenen Deal. Ich erledige die Schwerstarbeit. Verwalte die Finanzen. Gebe bei Investitionen den Ton an. Verstümmele und töte Menschen, wenn nötig. Und er erträgt dafür diesen ganzen schwachsinnigen, aufgeblasenen Mist. Wie Partys für Leute zu schmeißen, die einem sowieso in den Rücken fallen, sobald man sich umdreht. Oder zu Wohltätigkeitsveranstaltungen zu gehen und die wichtigen Leute, die wir dringend auf unserer Seite brauchen, zu umschmeicheln. Wenn ich fünfundzwanzig werde, macht er mich zum Capo. Danach zum Unterboss. Und wenn die Zeit reif ist – wenn ich als »alt genug« angesehen werde, um die Zügel der Familie zu übernehmen –, wird er zurücktreten. Wenn nicht, bringe ich ihn eben um.
»Hey, Massimo.« Brio, der Capo, der unsere Casinos leitet, holt mich ein, während ich mich durch die Menge bewege. »Hat der Boss schon was zu dem Expansionsplan gesagt, den ich ihm letzte Woche vorgestellt habe?«
»Ja.« Ich nehme eine Champagnerflöte vom Tablett eines Kellners. »Er sagte, es wäre ein Haufen Scheiße. Bei dem aktuellen Umsatzniveau gibt es für mindestens zwei Jahre keine weitere Expansion.«
»Verdammt! Ich hab wochenlang an den Details gearbeitet und nach geeigneten Standorten für das neue Casino gesucht. Ich hab sogar recherchiert, was …« Ich lasse Brio weiter ununterbrochen vor sich hinplappern, während er sich über die Entscheidung des »Don« beschwert, und betrachte die Leute im Raum.
Es ist beinahe Mitternacht, daher amüsieren sich alle, mehr oder weniger betrunken vom reichlich fließenden Champagner. Ich tue so, als würde ich die beiden winzigen Gestalten nicht bemerken, die sich hinter dem Geländer auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock verstecken. Meine Stiefschwestern lieben es, sich aus dem Bett zu schleichen und die Partygäste heimlich zu beobachten. Mutter wird ihnen den Hintern versohlen, wenn sie sie erwischt.
Nera war drei, als meine Mutter Nuncio heiratete, und Zahara war noch ein Baby, nicht einmal ein Jahr alt. Beide betrachten meine Mutter als ihre eigene und nennen sie sogar »Mom«. Das macht mir nichts aus. Die kleinen Racker sind echte Nervensägen, die ich meistens zu ignorieren versuche, aber meine Mutter liebt sie wie ihr eigen Fleisch und Blut. Worüber ich sehr froh bin. Ich war kein verschmustes Kind, das sich für Umarmungen und Küsse interessiert hätte. Deshalb freue ich mich, dass sie endlich die Chance hat, eine liebevolle, fürsorgliche Mutter für zwei Mädchen zu sein, die sich im Gegensatz zu mir nach ihrer Wärme und Nähe sehnen.
Mein Blick wandert zu einem Paar, das halb versteckt hinter einer Marmorsäule im Eingangsbereich steht und tuschelt. Sieht so aus, als würde Elmo gerade versuchen, Tizianos Schwester anzubaggern. Meine Güte, sie ist fast doppelt so alt wie er und wird ihn ohne Probleme vernaschen und wieder ausspucken, wobei sie ihm zweifellos das Herz brechen wird.
Aus irgendeinem absolut unerklärlichen Grund habe ich mich mit meinem Stiefbruder angefreundet. Vielleicht liegt es daran, dass er – abgesehen von meiner Mutter – der einzige wirklich gutherzige Mensch ist, den ich kenne. Der Junge könnte keiner Fliege was zuleide tun, obwohl er in die Mafia-Welt hineingeboren wurde und ständig von hinterlistigen Schlangen umgeben ist. Er ist alles, was ich niemals sein werde. Freundlich. Fürsorglich, vor allem den ihm nahestehenden Menschen gegenüber. Und selbstlos bis zum Erbrechen.
Tief im Inneren habe ich mich immer gefragt, wie es wohl wäre, einen Bruder zu haben. Als kleiner Junge habe ich mich nach einem Vertrauten, dem ich meine Sorgen anvertrauen könnte, gesehnt. Dem ich hätte erzählen können, wie sehr ich ständig unter dem Druck stand, die Erwartungen meines Vaters zu erfüllen. Dem ich von dem bitteren Nachgeschmack in meinem Mund hätte erzählen können, jedes Mal, wenn ich einen Mann verstümmeln oder töten musste. Und von dem Gefühl der absoluten Leere, das sich einstellte, sobald dieser Nachgeschmack irgendwann nachließ.
Doch allzu bald verschwand das bittere Brennen. Ich gewöhnte mich einfach daran. Mord wurde zu einem Job wie jeder andere. Hin und wieder drang jedoch ein einzelner Gedanke in meinen Kopf. Ein Gefühl der Ungerechtigkeit, weil ich jemandem das Leben genommen hatte, allerdings war ich nicht im Entferntesten beunruhigt darüber. Auf der anderen Seite wurde mir klar, dass ich irgendwann aufgehört hatte, den Druck zu spüren, unter dem ich gestanden hatte. Und diese Erkenntnis zerrüttete mich innerlich noch weiter.
Meinem Vater gegenüber hätte ich diese Bedenken nicht äußern dürfen, ohne schwach zu wirken. Und meiner Mutter davon zu erzählen, kam erst recht nicht in Frage. Sie klammerte sich immer noch an die Illusion, dass ihr Sohn ein guter Mensch sei. Aber einem Bruder? Ja, einem Bruder könnte ich mich anvertrauen. Und Elmo ist für mich das, was einem Bruder am nächsten kommt.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich diesen merkwürdigen Drang verspüre, Elmo vor den Klauen derer zu schützen, die ihn für ihre eigenen egoistischen Bedürfnisse ausnutzen wollen. Er träumt davon, aufs College zu gehen und ein ganz normales Leben zu führen. Und ich werde verdammt noch mal dafür sorgen, dass das auch so geschieht.
Mitten in die Feierlichkeiten hinein ertönen plötzlich von irgendwo in der Nähe der Eingangstür erhobene Stimmen. Mein Blick wandert zum Eingang, wo sich zwei offensichtlich betrunkene Männer streiten. Großer Gott. Ich schaue mich im Raum um und suche nach einem von unseren Sicherheitsleuten, um die Idioten rauswerfen zu lassen, als auch schon die Fäuste fliegen. Der eine schubst den anderen, brüllt seinem Gegner ins Gesicht und ergreift ihn an der Jacke.
Sofort laufe ich auf die beiden zu und sehe aus dem Augenwinkel, dass Elmo gerade dasselbe tut. »Elmo!«, brülle ich. »Bleib zurück!«
Entweder hört er meinen Befehl nicht oder er beschließt, mich zu ignorieren, weil er glaubt, die Situation beruhigen zu können. Ich renne mit voller Geschwindigkeit, aber da er näher dran war, erreicht Elmo die wütenden Männer wenige Sekunden vor mir.
Meine Fingerspitzen berühren schon beinahe seine Jacke, als ich zu ihm hechte, um ihn wegzuziehen. Und in exakt diesem Moment zerreißt ein ohrenbetäubender Knall die Luft.
Für den Bruchteil eines Herzschlags ist das Geräusch dieses Schusses das Einzige, was ich noch höre.
Keine Musik. Kein Gelächter. Nur die ohrenbetäubende Explosion. Und dann stolpert Elmo rückwärts und prallt gegen meine Brust.
Um uns herum bricht Geschrei aus.
»Elmo!«, brülle ich und schlinge meinen Arm um seinen Körper, um ihn zu stützen.
Sein Smoking fühlt sich nass an unter meiner Hand, sein Blut rinnt mir über die Finger. Ich sehe nur noch Rot und lasse mich von rasender Wut verzehren. Irgendwo tief in meinem Hinterkopf ist mir bewusst, dass hier viel zu viele Menschen sind. Zu viele Zeugen. Ein Großteil von ihnen gehört nicht einmal zur Familie. Darunter auch der Polizeichef von Boston.
Doch es ist mir scheißegal.
Ich pfeife auf die Konsequenzen, greife hinter meinen Rücken und zücke meine Glock. Zusammen mit meinem nächsten Atemzug entweicht ein animalisches Brüllen meiner Kehle und ich jage dem Arschloch, das gerade meinen Stiefbruder erschossen hat, eine Kugel direkt zwischen die Augen.
Kapitel 3
Zahara
Elf Jahre später Zahara, 14 Jahre alt
»Hey, seht mal! Ist das nicht unser Lepra-Mädchen?«
Um mich herum ertönt Gelächter. Ich lasse das Kinn noch tiefer sinken, umklammere den Bücherstapel in meinen Armen fester und beschleunige meine Schritte. Das widerliche Kribbeln in meinem Nacken verstärkt sich, als ich mich zwischen den Schülern im Flur und ihren vorurteilsbehafteten Blicken hindurchzwänge.
Mittlerweile sollte ich mich längst daran gewöhnt haben. An die Hänseleien. Die gemeinen, boshaften Beschimpfungen. Es reicht schon bis zur Grundschule zurück. Zuerst kamen nur Fragen. Was ist dir denn passiert?Tut das weh? Ich versuchte zu erklären, dass meine Haut einfach so aussieht und es völlig normal ist, genau wie meine Mom es mir gesagt hatte. Trotzdem hielten sich die Kinder meistens von mir fern – niemand wollte mit mir spielen, einige wollten mich nicht einmal ansehen.
In der Highschool wurde es noch schlimmer. Die Tage der friedlichen Ignoranz waren endgültig vorbei. Ekelhaft. Das sieht ja furchtbar aus. Oder das allgegenwärtige … Fass mich bloß nicht an. Ich will mich nicht anstecken. Es hatte keinen Sinn, zu erklären, dass Vitiligo, die Weißfleckenkrankheit, nicht ansteckend ist. Es war ihnen sowieso egal.
Und da ich immer versuche, sie zu ignorieren, anstatt mich zu wehren, bin ich ein leichtes Ventil für ihre eigenen Unsicherheiten. Deshalb demütigen sie mich. Fügen mir Schmerzen zu. Sowohl körperlich als auch mit Worten.
Seltsamerweise stört mich das Mobbing gar nicht mehr so sehr. Es sind vielmehr die mitleidigen Blicke, die ich nicht ertragen kann. Also versuche ich, so unsichtbar wie möglich zu bleiben, und gebe mein Bestes, um bloß keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Zu schade, dass diese Strategie bei Kenneth Harris nicht funktioniert.
»Braun steht dir, Lepra.« Ein höhnisches Grinsen umspielt Kenneths Lippen. Er bleibt direkt vor mir stehen, versperrt mir den Weg zum Haupteingang der Schule und stemmt die Hände in die Hüften. »Aber ich glaube, du hast vergessen, dir die Wettervorhersage für heute anzusehen. Du musst doch kochen in diesem Netzding. Oder ist das etwa ein Moskitonetz?«
Gelächter hallt durch den Flur.
»Lass mich bitte vorbei«, murmele ich und starre auf meine Schuhspitzen.
»Natürlich.« Er tritt einen Schritt zur Seite.
Mit angehaltenem Atem husche ich an ihm vorbei, doch Kenneth zieht an einem meiner Ärmel. Das unverkennbare Geräusch von zerreißendem Stoff folgt, als die feinen Fäden nachgeben.
Tränen sammeln sich in meinen Augenwinkeln, während ich auf den zerstörten Spitzenstoff in Kenneths pummeliger Faust schaue. Ich habe viele Tage an dieser Bluse gearbeitet und das Schnittmuster so verändert, dass die Ärmel lang genug sind, um auch meine Hände zu bedecken. Ein stundenlanger Einsatz, nach dem mein Rücken und meine Finger geschmerzt haben, was diesem Idioten natürlich völlig egal war.
»Sorry, Lep.« Lachend wirft er das zerfetzte Material auf den Boden. »Aber hey, sieh es mal positiv. Jetzt passt du doch viel besser zum Wetter.«
Um uns herum stehen über ein Dutzend Leute – alles Kumpel von diesem Arschloch – und ich spüre, wie jeder von ihnen meinen nackten Arm anstarrt. Sie glotzen auf die Verfärbungen an meinem Ellbogen, meinem Unterarm und meinem Handgelenk. Der Drang, jedem von ihnen mit bloßen Händen die Augen auszukratzen, ihnen ins Gesicht zu brüllen, sie sollen aufhören, so dazustehen und mich anzugaffen, steigt in mir auf.
Doch ich tue es nicht.
Ich tue es nie.
Stattdessen beiße ich mir auf die Unterlippe, damit sie nicht zittert, und hebe das Stück Spitze vom Boden auf. Ich umklammere es so fest, dass sich meine Fingernägel in die Handfläche bohren, drehe mich um und gehe weiter den Flur entlang. Ich darf keine Szene machen, sonst erfährt mein Vater davon. Dann schickt er mich wahrscheinlich auf eine andere renommierte Schule, eine, auf die noch mehr hochnäsige Kotzbrocken gehen als hier. Oder er beschließt, mich einfach zu Hause unterrichten zu lassen. Noch immer kann ich seine gedämpften Worte aus dem Gespräch mit seinem Stellvertreter letzte Woche in den Ohren hören: Meine arme kleine Zara, ich mache mir solche Sorgen um sie. Sie hat immer solche Schwierigkeiten, mit stressigen Situationen umzugehen.
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte ihm einfach die Wahrheit sagen. Dass ich mir vorgestellt habe, wie er an meiner Schule auftaucht, für Aufruhr sorgt und jeden anbrüllt, der mir jemals wehgetan hat. Oder wie er diesem Arschloch Kenneth die Scheiße aus dem Leib prügelt. Leider wird so etwas niemals passieren. Mein Vater mag zwar der Boss der Cosa Nostra in Boston sein, aber er würde meinetwegen niemals Aufheben verursachen. Die Söhne und Töchter seiner Geschäftspartner besuchen diese Schule, und der Don würde es nicht riskieren, lukrative Partnerschaften aufs Spiel zu setzen, nur weil irgendein Junge sein antisoziales, ängstliches Kind »aufgeregt« hat.
Das Image ist alles in La Famiglia, und Nuncio Veronese würde sich niemals zu etwas herablassen, das so deutlich unter seiner Würde ist. Es wäre sehr viel leichter, mich einfach auf eine andere Schule zu schicken, so wie er es schon einmal getan hat. Und dann würde ich mich erst recht wie eine Versagerin fühlen.
Ich eile gerade über den Schulhof zur Westseite des Campus, als plötzlich eine Hand meinen Arm berührt und mich zusammenzucken lässt.
»Hey, Zara! Kommst du mit zu Dania, einen Film schauen?«
Ich zwinge mich zu einem zaghaften Lächeln und sehe zu meiner Schwester auf. »Nein. Ich … ich muss noch lernen.«
»Bist du sicher?«, fragt Nera. »Wir könnten … O mein Gott, was ist denn mit deiner Bluse passiert?«
»Mein Ärmel hat sich an einer Türklinke verfangen«, lüge ich.
»Ach ja?« Ihre Augen verengen sich angesichts meiner ruinierten Bluse. »Belästigt dich wieder jemand?«
»Natürlich nicht. Ich hab nur nicht darauf geachtet, wo ich hintrete. Das ist alles.«
Mit neun Jahren habe ich den Fehler begangen, meiner Schwester zu gestehen, dass ich in der Schule gehänselt wurde. Ich erzählte ihr, dass ein Junge aus ihrer Klasse mich mit einer Reihe von Schimpfnamen bedacht hatte. Obwohl sie damals selbst erst elf war, suchte Nera den kleinen Tyrannen während der Pause auf und prügelte sich mit ihm. Sie erlitt eine Prellung am Kinn und musste zwei Wochen lang nachsitzen. Und als wir nach Hause kamen, erteilte Vater ihr Hausarrest, weil sie sich »unangemessen verhalten hatte für ihre Herkunft« und »Schande über den Namen Veronese« gebracht hatte.
Ich werde meine Schwester nie wieder in eine Situation bringen, für die sie Ärger bekommt, nur weil sie mich verteidigen wollte. Weil ich zu feige bin, für mich selbst einzustehen. Zum Glück findet der Großteil ihres Unterrichts dieses Jahr in einem separaten Gebäude statt und sie bekommt von meinen Begegnungen mit Kenneth in der Regel nichts mit.
»Viel Spaß. Bis heute Abend.« Ich drücke Neras Hand und gehe zu dem Auto, das am Eingang des Campus auf mich wartet. Es steht direkt hinter dem großen SUV von Hannahs Vater, und ich sehe, wie meine Freundin hinten einsteigt und mir kurz zuwinkt. Ich bin froh, dass sie zu ihrem Tanzkurs muss und daher keine Zeit hat, stehen zu bleiben und zu plaudern. Sie würde sofort merken, dass etwas nicht stimmt, da sie meine Zusammenstöße mit Kenneth, dem Arschloch, oft genug mitbekommen hat.
»Miss Veronese.« Peppe, mein Chauffeur, nickt und hält mir die Tür auf.
Ohne seinen Blick zu erwidern, schlüpfe ich auf den Rücksitz.
Die Fahrt zu unserem Haus dauert etwa eine halbe Stunde, und normalerweise verbringe ich diese Zeit damit, ziellos aus dem Fenster zu starren. Heute kann ich jedoch nicht stillsitzen. Obwohl die Fenster geschlossen sind und die Klimaanlage nicht eingeschaltet ist, läuft mir ein eisiger Schauer über den Rücken, und die feinen Härchen auf meinem nackten Arm stellen sich auf. Flashbacks von der Szene im Schulflur überschwemmen mich. Ich würde wirklich gern mit jemandem darüber reden können, nur um den hirnlosen Kenneth auch einmal laut als Arschloch bezeichnen zu können. Wenn mein Bruder Elmo noch am Leben wäre, würde er Kenneth ganz bestimmt windelweich prügeln. Er würde auch nicht zulassen, dass mich jemand anfasst oder beschimpft. Zumindest will ich das glauben. Ich erinnere mich kaum noch an Elmo, aber Nera schon. Und sie sagt, er wäre der beste Bruder auf der ganzen Welt gewesen.
Seufzend greife ich in meine Tasche, um mein Handy herauszuholen. Dabei fällt mein Blick auf die Ecke eines violetten Notizbuchs, das zwischen den anderen Büchern hervorschaut. Darin skizziere ich meine Entwürfe für maßgeschneiderte Kleidung.
Und schreibe alberne Briefe an meinen Stiefbruder, der im Gefängnis sitzt.
Alles begann vor ein paar Jahren, als ich noch in der Mittelstufe war. In der siebten Klasse gab uns der Lehrer die Aufgabe, einen Brief an einen Freund oder ein Familienmitglied zu schreiben, die im Ausland leben. Zuerst dachte ich darüber nach, meinen Brief an eine imaginäre Tante oder Cousine zu richten, da ich keine echten Verwandten hatte, die dafür in Frage gekommen wären. Aber irgendwie kam es mir blöd vor, jemandem zu schreiben, den es nicht gab. Und dann tauchte aus irgendeinem Grund Massimo in meinen Gedanken auf.
Mein Stiefbruder wurde verhaftet, weil er den Mann getötet hat, der Elmo ermordet hatte, als ich drei Jahre alt war. Ich habe keinerlei Erinnerungen mehr an ihn. Weder Nera noch ich haben Massimo seit der Nacht, in der Elmo starb, wiedergesehen. Massimo erlaubt außer meinem Vater niemandem, ihn im Gefängnis zu besuchen, und Dad erzählt uns kaum etwas über unseren Stiefbruder. Obwohl wir streng genommen eine Familie sind, ist er für meine Schwester und mich nahezu ein Fremder. Aber seit Moms Tod bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob diese Verbindung überhaupt noch existiert.
Vor ihrem Tod fragte ich Mom nach dem Bild, das auf ihrer Kommode stand. Ein Foto von ihr und einem jungen Mann in seinen späten Teenagerjahren. Er hatte dunkles Haar, genau wie sie. Ich war neugierig auf den Jungen, und sie sagte mir, dass er Massimo hieße. Dann erzählte sie mir ein paar Anekdoten aus seiner Kindheit. Die Geschichten hörte ich gern, aber es machte sie immer traurig, über meinen Stiefbruder zu sprechen, weshalb sie es auch nur selten tat. Sie versuchte, ihren Kummer über ihr eigenes Kind im Gefängnis dadurch zu vergraben, indem sie Nera und mich mit all ihrer Liebe überschüttete. Laura Veronese war eine sehr warmherzige, liebevolle Frau und die beste Mom, die man sich wünschen konnte. Aber schon als Kind hatte ich den Schmerz in ihren Augen gesehen. Er war immer da. Als ich neun war, starb sie an einer Embolie. Und obwohl der Arzt sagte, es sei ein massives Blutgerinnsel in ihrem Blutkreislauf gewesen, bin ich mir sicher, dass sie eigentlich an gebrochenem Herzen gestorben ist.
Die Leute sagen, das wäre genau genommen gar nicht möglich, aber da bin ich anderer Meinung. Ich bin mir sogar sicher, denn genau so fühlte es sich auch an, als Dad Nera und mir sagte, dass Mom von uns gegangen sei. Wir schlossen uns in meinem Zimmer ein und weinten, klammerten uns an die vielen Kleider, die sie für uns genäht hatte. Obwohl wir viel Geld hatten und Mom es sich hätte leisten können, uns alles zu kaufen, was wir wollten, zog sie es vor, die meisten unserer Kleider selbst zu nähen. Deshalb habe ich kurz darauf selbst angefangen, zu nähen. Dadurch fühle ich mich ihr irgendwie nahe.
Seit Moms Tod war Massimo das einzige Familienmitglied – abgesehen von Dad und Nera –, das mir noch geblieben war. Er lebte zwar nicht im Ausland, aber er war real. Deshalb nahm ich ein Blatt Papier aus meinem Notizbuch und schrieb meinem Stiefbruder, den ich nicht einmal mehr kannte. Er hätte genauso gut auf einem anderen Planeten leben können, und das erschien mir für die Schulaufgabe ideal.
Wahrscheinlich hat er gelacht, als er den Brief bekam. Ich kann mich nicht einmal mehr an alles erinnern, was ich darin geschrieben habe. Ich behauptete, ein paar schicke Kugelschreiber mit seinem Namen darauf zu haben, die ich in einer Kiste im Keller gefunden hätte. Ich glaube, zuerst habe ich sogar gefragt, ob ich sie haben dürfte, und dann den Satz durchgestrichen und als Aussage umformuliert, damit er nicht ablehnen konnte. Irgendwie hatte ich wohl erwartet, dass er mir zurückschreiben würde, aber das hat er nicht getan. Und irgendwann glaubte ich, dass er meinen unverlangt eingesandten Brief wohl weggeworfen hatte.
Ich hatte auch gar nicht vor, ihm noch weitere Briefe zu schreiben.
Nachdem diese Schulaufgabe erledigt war, vergaß ich meine unaufgeforderten und wahrscheinlich auch unerwünschten schriftlichen Ergüsse. Aber nur für ein paar Monate. Bis ich es kaum noch aushielt, meine Wut und meinen Frust jemandem zu sagen. Jemandem, der mich dafür weder verurteilen noch mitleidig ansehen würde. Oder schlimmer noch, mir sagen würde, dass ich wegen eines »Versehens« überreagiere.
Als ein Idiot auf Danias Geburtstagsparty Saft über mein neues Kleid verschüttete und mich dafür auch noch auslachte, war das definitiv kein »Versehen«! Also schrieb ich Massimo, als ich nach Hause kam, einen Brief und schimpfte ganze drei Absätze lang darüber, wie bescheuert Jungs sind. Nachdem ich ihm meine Probleme gebeichtet hatte und mich etwas besser fühlte, fügte ich noch ein wenig Blödsinn über einen Ausflug hinzu und erzählte, wie eines der Mädchen sich im Bus übergeben musste, nachdem sie zu viele Süßigkeiten gegessen hatte. Obwohl die Lehrerin sie ermahnt hatte, es langsam angehen zu lassen. Ich dachte, das würde er vielleicht lustig finden, und ich wollte nicht als negative Person rüberkommen.
Aber es kam keine Antwort. Trotzdem schrieb ich weiter. Alle paar Monate verfasste ich einen Brief, der voller dämlicher, unwichtiger Dinge war. Zum Beispiel, wer zu einem schicken Mittagessen bei uns zu Hause gewesen war und welches Essen serviert wurde. Oder wie der Klempner, der unseren verstopften Abfluss repariert hatte, am Ende die Küche unter Wasser gesetzt hatte. Ich schimpfte auch viel über die Schule. Vor allem über den Matheunterricht. Und weil ich so stolz auf meine Leistung war, schickte ich Massimo sogar eine Skizze von dem allerersten Kleid, das ich für mich selbst genäht hatte.
Da ich schon immer zu schüchtern war, um mit anderen Menschen zu reden oder offen über meine Gefühle zu sprechen, wurde das Schreiben an Massimo in den letzten zwei Jahren zu einer Art Stressabbau. Es klingt bestimmt mitleiderregend, aber diese Briefe waren für mich das, was einem Freund, mit dem ich über alles reden konnte, was mich beschäftigte, am nächsten kam. Es fühlte sich sicher an. Ich wusste, dass er mich nicht kritisieren oder verurteilen würde, weil Massimo meine Briefe natürlich gar nicht erst zu lesen bekam. Er hatte auf keinen einzigen meiner Briefe jemals geantwortet.
Jetzt gerade brauche ich meinen Freund wirklich, während ich auf den zerfetzten Spitzenstoff in meiner Hand starre. In meinem Kopf schwirren all die Dinge umher, die ich ihm sagen möchte.
»Ist alles in Ordnung, Miss Veronese?«
Ich schaue hoch und begegne Peppes Blick im Rückspiegel. Er trägt zwar einen schicken marineblauen Anzug, hat aber trotzdem eine besondere Ausstrahlung. Er wirkt roh und wild, vielleicht sogar gefährlich. Jedenfalls wirkt er auf mich nicht wie ein gewöhnlicher Fahrer, obwohl er schon sehr lange als solcher arbeitet.
»Ja, alles in Ordnung«, murmele ich.
Als er wieder auf die Straße blickt, hole ich mein violettes Notizbuch heraus und blättere zu einer leeren Seite vor, die auf die Skizze einer Bluse mit wunderschönen Laternenärmeln folgt, an der ich gearbeitet habe. Dann hole ich einen Stift heraus und beginne meinen Brief wie immer mit »Lieber Massimo«. Nicht, dass ich ihn wirklich lieb hätte oder so. Es ist einfach die übliche Art, einen Brief zu beginnen, denke ich, daher habe ich bisher jeden Brief an ihn so adressiert.
Mindestens zehn Minuten verbringe ich damit, die komplizierten Details der Bluse zu beschreiben – angefangen bei den Schwierigkeiten, das Muster genau hinzubekommen, bis hin zu den komplexen Details der Manschetten und der verdeckten Knopfleiste hinten. Danach schweife ich zu den Stoffen ab, die ich für die Bluse in Betracht ziehe, und liste die Vor- und Nachteile jedes einzelnen auf.
Dann erzähle ich Massimo von dem Grillfest, das Dad Anfang der Woche veranstaltet hat und bei dem die meisten Famiglia-Mitglieder anwesend waren. Es war ein großes Ereignis. In zwei Absätzen beschreibe ich die Outfits der Gäste und auch den Klatsch und Tratsch, den ich während der fünfzehn Minuten, die ich unter den Gästen verbracht habe, aufschnappen konnte.
Während ich die Worte zu Papier bringe, geht es mir schlagartig besser, aber die Geschichte mit Kenneth liegt mir immer noch schwer im Magen. Ich bin noch ganz benommen von der Begegnung, und ohne wirklich die Absicht zu haben, meinem Stiefbruder einen weiteren Haufen meiner Sorgen vor die Füße zu kippen, füge ich ein paar kurze Sätze über das Geschehene hinzu. Ich gehe nicht zu sehr ins Detail, beende den Brief aber damit, dass ich Kenneth Harris als Arschloch bezeichne, dem mal jemand in den Hintern treten sollte.
Dann unterschreibe ich den Brief wie immer –mitZahara.
Ich mag meinen vollständigen Namen, aber abgesehen von meinen Lehrern nennt mich niemand so. Für alle anderen bin ich immer nur Zara. Als ich klein war, konnte ich Zahara noch nicht aussprechen. Ich stolperte über die Silben und sagte stattdessen nur »Zara«. Und dabei ist es geblieben. Ich liebe meinen Namen wirklich, aber im Moment kommt es mir albern vor, alle darum zu bitten, mich Zahara zu nennen. Daher lasse ich es bleiben.
»Peppe«, ich tippe dem Fahrer auf die Schulter, »ich muss kurz bei der Post anhalten.«
Als wir zu Hause ankommen, regnet es in Strömen. Ich warte nicht darauf, dass Peppe mir die Tür öffnet, sondern springe direkt aus dem Auto und laufe über die Einfahrt zum Vordereingang. Ich glaube, er hat meinen zerrissenen Ärmel gar nicht bemerkt, und das soll auch so bleiben. Wenn er es meinem Vater erzählt, wird der mich nur zur Rede stellen. Dann habe ich keine andere Wahl, als ihm eine Erklärung zu liefern. Und ich bin heute nicht in der Stimmung, mir noch mehr Ausreden auszudenken.
Als ich ins Haus renne, klatschnass von meinem kurzen Sprint durch den Regenguss, fällt mein Blick auf einen Stapel Post auf dem antiken Beistelltisch im Foyer. Dad ist anscheinend noch nicht zu Hause. Er bringt die Post immer direkt in sein Arbeitszimmer, sobald er zurückkommt. Als ich vorbeigehe, fällt mir ein etwas ungewöhnlich aussehender weißer Umschlag zwischen all den typischen langweiligen Rechnungen und bunten Einladungen auf. Links oben befindet sich ein bedrucktes Etikett.
Ich ziehe den Umschlag heraus, um ihn mir genauer anzusehen, und lasse ihn dabei beinahe fallen. Er ist an mich adressiert. Und auf dem Rücksendeetikett steht der Name der Justizvollzugsanstalt, in der mein Stiefbruder seine Strafe verbüßt.
Ich sehe mich um, um sicherzustellen, dass mich niemand gesehen hat, und laufe dann die Treppe hinauf, direkt in mein Zimmer. Außer unserem Hausmädchen Iris weiß niemand, dass ich Massimo schreibe. Und das sollte auch so bleiben.
Irgendetwas sagt mir, dass mein Vater nicht erfreut darüber wäre, wenn er von meinen Briefen erfahren würde. Immer, wenn er den Namen meines Stiefbruders erwähnt, bekommt seine Stimme einen ganz merkwürdigen Tonfall. Nur ganz subtil, aber es fühlt sich an, als würde er ein wenig feindselig klingen. Meinem Stiefbruder gegenüber? Oder wegen der Situation? Was auch immer der Grund ist, er bekommt schlechte Laune und ich fürchte, er würde mir sowieso verbieten, Massimo weiterhin zu schreiben, wenn er davon wüsste.
Ich schließe meine Tür, lehne mich gegen das stabile Holz und atme einmal tief durch. Vorfreude kribbelt in meiner Brust und meine Hände zittern, als ich den Umschlag aufreiße. Hat Massimo mir tatsächlich geantwortet? Was könnte er wohl geschrieben haben? Vielleicht hat er gefragt, wie es uns allen geht. Oder vielleicht erzählt er mir, wie sein Leben im Gefängnis aussieht.
Als ich es endlich schaffe, die gefalteten Seiten herauszuziehen, streiche ich die Knicke glatt, während mein Blick über den Inhalt schweift. Zwei ganze Seiten! Beide Seiten jedes Blattes sind mit zahlreichen Diagrammen und Formeln gefüllt, dazwischen sind wahllos Notizen in einer ordentlichen Männerhandschrift eingestreut. Es dauert eine ganze Minute, bis mir klar wird, was ich da sehe.
Eine Übersicht über lineare Gleichungen – deutliche Erklärungen bestimmter Aspekte, wie zum Beispiel, was sie sind und wie sie funktionieren.
Ein verstohlenes Lächeln huscht über meine Lippen. Letzte Woche habe ich in meinem Brief an Massimo neben dem belanglosen Alltagsquatsch erwähnt, dass ich in Algebra gerade lineare Gleichungen lerne und beim besten Willen nicht begreife, worum es dabei überhaupt geht.
Anscheinend hat er meine Briefe also doch gelesen.
Massimo
Hochsicherheitsgefängnis, in einem Vorort von Boston
»Spada. Du hast Post.«
Ich hebe den Kopf und schaue auf den Justizvollzugsbeamten, der über den Hof auf mich zukommt.
»Geh ne Runde spazieren«, sage ich zu meinem Zellengenossen, der hinter mir auf der Hantelbank sitzt.
Das Surren der Tätowiernadel auf meinem linken Schulterblatt hört auf, und einen Moment später höre ich, wie der Künstler davonhuscht. Der Typ ist immer ein bisschen nervös, aber er versteht sein Handwerk.
Ich strecke die Hand aus und nehme den Umschlag aus der ausgestreckten Hand des Aufsehers. »Wie geht es deinem streitsüchtigen Cousin, Sam?«
»Gut. Er ist immer noch in der Reha, sollte aber nächste Woche entlassen werden.« Der Wärter wirft einen Blick über die Schulter. »Danke«, flüstert er, sobald er sich wieder mir zuwendet.
»Sorg einfach nur dafür, dass er sich vom Gebiet der Triads fernhält, wenn er entlassen wird. Die Chinesen waren ziemlich scharf drauf, ihm eine Lektion dafür zu erteilen, dass er in ihrem Revier Geschäfte gemacht hat.«
»Ich weiß. Danke, dass du ein gutes Wort für ihn eingelegt hast, Spada.«
Ich nicke. »Hast du dafür gesorgt, dass niemand meine Post durcheinanderbringt?«
»Natürlich. Jeder weiß, dass deine Sachen tabu sind. Brauchst du sonst noch was?«
»Nein. Das wäre alles, Sam.«
Ich warte, bis der Wärter gegangen ist, dann reiße ich den Umschlag auf und ziehe das gefaltete Blatt heraus. Ein weiterer Brief von meiner kleinen Stiefschwester. Ich würde es niemals zugeben, aber ihre Post hat unerwartet sehr viel Heiterkeit in die Tristesse meines gegenwärtigen Lebens gebracht. Auch wenn ihre Briefe meistens nichts weiter als das Geplapper eines Teenies enthalten.
Bis vor ein paar Tagen habe ich mir nicht die Mühe gemacht, ihr zu antworten. Ich hatte Wichtigeres zu tun, als über die neuesten Filme zu reden – die ich natürlich sowieso nicht gesehen hatte – oder über die Schnittmuster meiner Stiefschwester. Und es war mir auch scheißegal, wie groß ihre Nahtzugaben waren. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, durch die mit mir zusammen inhaftierten Menschen Verbindungen zu allen möglichen anderen Mafiaclans herzustellen und bestehende zu festigen, hinterlistigen Angriffen im Hochsicherheitstrakt auszuweichen und damit, nicht getötet zu werden, wenn ich mich umdrehte oder auch nur eine verdammte Minute lang die Augen schloss.
Letzte Woche jedoch bestand die Hälfte ihres verdammten Briefes aus einer Hasstirade über lineare Gleichungen. Und dann fragte ich mich, warum ich zwei Stunden meiner Zeit damit verbrachte, Erklärungen zu mathematischen Problemen für die kleine Nervensäge aufzuschreiben. Auch wenn es schon Jahre her ist, erinnere ich mich immer noch sehr gut an diesen Mist. Das Lernen war mir immer leichtgefallen, egal in welchem Fach. Mein Studienberater an der Highschool versuchte sogar, meinen Vater davon zu überzeugen, dass ich in Harvard Jura studieren sollte. Als ich das hörte, habe ich mich totgelacht.
Anscheinend ist das Nähen wieder mal das Hauptthema meiner Stiefschwester, denn ich lese fast eine komplette Seite über irgendeinen Scheiß namens Schrägband und verdeckte Nähte. Kopfschüttelnd versuche ich, den ganzen Mist irgendwie zu verarbeiten.
Beim Weiterlesen erregt der nächste Absatz meine Aufmerksamkeit. Nachdem Zahara einige der Gäste auf Nuncios Grillparty zitiert und ihre Outfits anschaulich beschrieben hat, hat sie noch ein paar Bemerkungen über Themen eingefügt, die sie dort mitbekommen hat. Eins davon weckt ganz besonders mein Interesse – ein Treffen zwischen Nuncio und einem Immobilienmakler. Das Treffen hat Nuncio gar nicht erwähnt, als er mich letzten Donnerstag besucht hat.
Ich tippe mit der Fingerspitze auf den Briefrand und denke weiter darüber nach. Die heimlichen Anrufe bei Salvo liefern mir die Informationen, die ich über Angelegenheiten innerhalb der Cosa Nostra benötige, sowie Updates über Geschäftsabschlüsse. Aber er steht dem Don nicht nahe genug, um mich auch über die Vorgänge in Nuncios Haus zu informieren. Peppes Informationen sind in dieser Hinsicht wertvoller, aber als Fahrer beschränkt sich sein Zugang auf die Personalunterkünfte und die Küche. Was im Hauptteil des Hauses vor sich geht oder während der Partys, die Nuncio so gerne veranstaltet, kann er mir nicht sagen. Diese Informationen wären allerdings sehr, sehr wertvoll, aber bisher gab es keine Möglichkeit, sie zu erhalten.
Ich betrachte den Brief. Vielleicht gibt es ja jetzt eine. Ich muss nur das Geschreibsel meiner Stiefschwester in eine brauchbarere Richtung lenken.
Alle Skrupel und Moralvorstellungen, die ich vor meiner Inhaftierung noch besaß, sind in diesem verdammten Höllenloch längst ausgelöscht worden. Ein unschuldiges Mädchen als Mittel zum Zweck zu benutzen, um meine Pläne voranzutreiben, stört mich nicht im Geringsten. Es könnte funktionieren. Ich muss ihr nur eine subtile Anleitung geben, welche Art von Informationen sie in ihre Briefe aufnehmen sollte. Alles, was auch nur im Entferntesten mit meinen nicht ganz legalen Angelegenheiten zu tun hat, muss aus unserer Korrespondenz herausgehalten werden.
Ich konzentriere mich wieder auf den Brief und lese den letzten Absatz.
Es sind nur ein paar Sätze über einen Typen namens Kenneth, einen älteren Schüler an ihrer Schule. Es gibt keine Einzelheiten darüber, was er getan hat, und sie klingt eher unbeteiligt. Ihre Worte kommen ohne die übliche Teenager-Dramatik aus, ganz im Gegensatz zu ihren Ausführungen über lineare Gleichungen. Trotzdem kann ich ihre Verzweiflung zwischen den Zeilen lesen. Und spüren.
Nach zwei Jahren mit ihren Briefen bin ich mit den Eigenheiten ihres Geistes inzwischen vertraut. Ich weiß zwar nicht, wie meine Stiefschwester aussieht, da ich sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen habe, aber ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sie denkt. Sie hat so getan, als wäre es »keine große Sache« gewesen, aber ich bin mir verdammt sicher, dass es eine war. Und ungeachtet des Mangels an familiärer Bindung ihr gegenüber werde ich nicht zulassen, dass jemand einer der meinen etwas antut.
Ich falte den Brief zusammen, stecke ihn in meine Tasche und gehe dann über den Hof zu einer Gruppe von Insassen, die auf einer Betonplatte Karten spielen.
»Kiril.« Ich hebe mein Kinn zu dem Mann ohne Hemd, der am Kopfende des Tisches sitzt. Sein Oberkörper ist mit Tattoos übersät, und er hat ein Augenbrauenpiercing am linken Auge. »Schon wieder verloren?«
Der Bulgare sieht mich finster an und murmelt dann etwas in seiner Muttersprache. Der Rest seiner Jungs lässt die Karten fallen und verschwindet eilig. Ich setze mich auf den freien Platz rechts von ihm und verschränke die Finger hinter dem Kopf.
»Probleme im Job, Spada?«
»Nope.« Ich schüttle den Kopf und scanne den Hof nach potenziellen Spionen ab. »Und um dein Problem wird sich morgen wie vereinbart jemand kümmern.«
»Ich will, dass es schmerzhaft wird.«
»Das habe ich bereits weitergegeben. Keine Sorge. Dein Onkel wird mit äußerster Sorgfalt behandelt werden.«
»Gut. Ich schulde dir was.«
Ich lächle. »Du schuldest mir deutlich mehr als nur was. Wenn du so weitermachst, werde ich mich um alle deine problematischen Familienmitglieder gekümmert haben, bis du hier rauskommst.«
Ein kehliges Lachen dröhnt aus seiner Brust. »Wie zum Teufel machst du das nur, Spada? Du bist hier wie lange schon eingesperrt? Fünf Jahre? Und trotzdem kriegst du draußen alles geregelt, als wärst du persönlich vor Ort.«
»Fast elf Jahre«, sage ich. »Und wie ich das mache? Tja, durch die Loyalität von den Leuten, die mich kennen. Geld. Viel Geld. Und Beziehungen. Ein paar Gefallen. Aber vor allem durch Angst. Das ist definitiv der beste Motivator.«
»Mm-hmm. Erinnere mich dran, mich niemals mit dir anzulegen.« Er zwinkert mir gutmütig zu.
Einer der Aufseher im Wachturm signalisiert das Ende des Ausgangs, und die Insassen machen sich zurück auf den Weg zum Eingang von Block D – meinem heimeligen Zuhause für weitere siebeneinhalb Jahre. Einige gehen allein mit gesenkten Köpfen, aber die meisten sind in größeren Gruppen unterwegs. Sie halten sich an ihre Gang, um sich zu schützen, und versuchen, die Aufmerksamkeit der im Hof stationierten Wachen nicht auf sich zu ziehen.
Dieser verdammte Ort ähnelt manchmal wirklich einem Zoo.
»Du musst was für mich tun, Kiril.«
»Sag schon.«
»Irgendein kleiner Wichser belästigt meine Stiefschwester in der Schule.« Ich senke den Kopf zur Begrüßung, als der Anführer einer der kleineren Banden in meinem Block vorbeigeht. »Du musst einen deiner Neffen schicken, um mit dem kleinen Scheißer zu reden. Wenn du das tust, betrachte ich die Schuld für die Sache mit deinem Onkel als vollständig beglichen.«
»Abgemacht. Wie intensiv soll das Gespräch denn sein?«
»Ein paar gebrochene Knochen sollten genügen.«
»Sollen meine Jungs auch eine Nachricht überbringen?«
»Ja.« Ich begegne Kirils Blick. »Wenn er sich Zahara Veronese das nächste Mal auf weniger als sechs Meter nähert, wird er sein Essen nur noch durch einen Strohhalm zu sich nehmen. Für den Rest seines Lebens.«
Kiril hebt seine gepiercte Augenbraue. »Ich hätte nicht gedacht, dass dir irgendjemand so wichtig ist, dass du einen Gefallen dafür verschwenden würdest. Vor allem nicht für eine Stiefschwester?«
»Das Mädchen ist mir scheißegal. Aber sie muss sich auf Wichtigeres konzentrieren als auf mobbende Schulkameraden. Sorg einfach dafür, dass es erledigt wird.« Ich stoße mich von der Bank ab. »Dieser kleine Mistkerl sollte sich künftig lieber zusammenreißen.«
