Tagespflege planen und entwickeln - Udo Winter - E-Book

Tagespflege planen und entwickeln E-Book

Udo Winter

0,0
31,90 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Angebot "Tagespflege" profitiert von gestiegenen Leistungen und erhöhter Nachfrage. Doch wie ist es um neue Tagespflege-Konzepte bestellt? Lassen sich individuellere Angebote im Rahmen von Quartierskonzepten realisieren? Welche neuen Hygieneanforderungen sind seit der Corona-Pandemie zu beachten? Udo Winter analysiert die aktuelle Situation, stellt mögliche Konsequenzen und Chancen für die wirtschaftlich gesicherte Zukunft vor. Er vermittelt Impulse und praxisnahe Hilfen zum Aufbau und Betrieb einer Tagespflegeeinrichtung. Von den gesetzlichen Vorgaben bis zu organisatorischen und fachlichen Anforderungen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 145

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Udo Winter

Tagespflege planen und entwickeln

Die neue Generation

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2021

Besuchen Sie uns im Internet: www.tp-tagespflege.net

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Titelfoto: Adobe Stock, macrovector (composing)

ISBN 978-3-7486-0515-7

Inhalt

Einführung

– Konzeptionelle Weiterentwicklung der Tagespflege

1 Leistungsrechtliche Aspekte der Tages- und Nachtpflege

1.1 Leistungen Pflegestärkungsgesetz 2(PSG 2)

1.2 Eckpunkte Pflegereform 2021 (Stand Dez. 2020)

2 Konzeptionelle Möglichkeiten der Tagespflege

2.1 Strukturelle Veränderungen

Veränderung des Lebenswandels und Lebensstils

Strukturelle Veränderungen der Tagespflege

2.2 Tagespflege im städtischen undländlichen Bereich

2.3 Notwendigkeit der Veränderung derAngebotsstruktur

Zielgruppe

Öffnungszeiten

Aufbau von Serviceleistungen

Betreuungsgruppen

2.4 Tagespflege und Tagesstätte

2.5 Nachtpflege

2.6 Tagespflege als Bestandteil eines Quartierszentrums

2.7 Tagespflege und vollstationäre Pflege

– Planung einer Tagespflege

3 Gesetzliche Grundlagen für den Betrieb einer Tagespflege

3.1 Rahmenverträge nach § 75 SGB XI für die teilstationäre Pflege

3.2 Heimgesetz

3.3 Leistungs- und Qualitätsmerkmale § 84 Abs. 5 SGB XI

3.4 Qualitätssicherung

3.5 Anforderungen Gesundheitsamt

3.6 Arbeitsstättenverordnung

4 Tagespflege planen

4.1 Marktanalyse

4.2 Planungsablauf

4.3 Baukosten

5 Bauliche Anforderungen Tagespflege

5.1 Räumliche Anforderungen

5.2 Raumprogramm Tagespflege

Gesamtanlage

Eingangsbereich

Büro für Leitungskräfte/Verwaltung/ Mitarbeiter

Pausen- und Umkleideräume Mitarbeiter

Behandlungsraum

Abstellräume/Putzmittelraum

Pflegebad

WC-Anlage

Küche

Wohn- und Essbereich

Ruhe- bzw. Schlafraum

Mulitfunktions-/Therapieraum

Außenraumgestaltung/Terrasse

– Betriebliche Grundlagen einer Tagespflege

6 Personalanforderungen

6.1 Personalschlüssel

6.2 Leitende Pflegefachkraft

6.3 Weitere Personalanforderungen

Stellvertretende leitende Pflegefachkraft

Pflegekräfte

Betreuungskräfte

Hauswirtschaftskräfte

Fahrer

Einrichtungs-/Heimleitung

7 Beförderung

7.1 Fachliche und gesetzliche Anforderungen an den Fahrdienst

7.2 Fahrdienst wirtschaftlich führen

8 Tagespflege wirtschaftlich führen

Anlagen

Anlage 1:Übersicht Investitionskostenförderung der einzelnen Bundesländer (Stand Januar 2020)

Anlage 2: Heimrechtliche Zuständigkeit

Anlage 3: Beispiel Inhaltsverzeichnis Hygienekonzept

Anlage 4: Auszug aus der Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung ArbStättV)

Anlage 5 Landesrechtliche bauliche Mindestanforderungen Tagespflege

Autor

Einführung

Seit den letzten Veröffentlichungen „Tagespflege planen“ 2015 und „Tagespflege betreiben“ 2017 hat sich die Struktur des Pflegemarktes sehr verändert. Schon mit Einführung des Pflegestärkungsgesetzes I wurde die finanzielle Situation Pflegebedürftiger in der häuslichen Umgebung erheblich verbessert. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II sind die finanziellen Mittel für die ambulante und teilstationäre Pflege nochmals erhöht worden.

Noch gravierender war die Einführung neuer Pflegebedürftigkeitsrichtlinien, indem u. a. die drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade abgelöst wurden. Die Einführung des Pflegestärkungsgesetzes II und die damit verbundenen maßgeblichen gesetzlichen Veränderungen führten zu der zu erwartenden Investitionssteigerung in der ambulanten Versorgung. Davon profitierte insbesondere das Angebot der Tagespflege. Von Mai 2016 bis Oktober 2019 ist die Zahl der Tagespflegeeinrichtungen von 4.259 auf ca. 5.400 Einrichtungen[1] gestiegen und die Nachfrage nach Tagespflegeeinrichtungen wird weiterhin steigen.

Seit der Corona-Pandemie sind auch die Anforderungen an den Betrieb einer Tagespflege gestiegen. Das betrifft besonders die Hygieneanforderungen. Allgemein ist in den letzten Jahren der Aufwand der Planung, Realisierung und des Betriebes einer Tagespflege anspruchsvoller geworden.

In dieser neuen Veröffentlichung geht es um eine Aktualisierung des bisher erschienenen Bandes „Tagespflege planen“ und um die konzeptionelle Weiterentwicklung der Tagespflege. Tagespflege kann man heute und besonders in der Zukunft nur im Verbund mit anderen Angeboten betrachten und planen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie sich die Tagespflege als Bestandteil z. B. eines Quartierskonzeptes weiterentwickeln kann und muss. Die meisten Konzepte der Tagespflegeeinrichtungen basieren noch immer auf der Grundlage erster Konzepte des Kuratoriums Deutscher Altershilfe (KDA). Lassen sich diese Ursprungskonzepte auf die neue Generation bestehender Einrichtungen noch so einfach übertragen? Benötigen wir nicht mehr individuelle Angebotsformen? Müssen bzw. sollten Tagespflegeeinrichtungen über mehr als 20 Plätze verfügen?

Was wir zukünftig vermehrt benötigen sind tragfähige Versorgungskonzepte. Konkret werden Konzepte benötigt, die die unterschiedlichen Bedarfe und Lebenslagen der Bevölkerung des jeweiligen Standortes berücksichtigen und eine umfassende, wohnortnahe Versorgung und Pflege zugänglich machen. Entsprechende Konzepte sollten zudem generell der Prämisse ‚ambulant vor stationär‘ folgen und auf den Erhalt von Autonomie und Teilhabe zielen. Das bedeutet, dass ein breites Spektrum an Dienstleistungen angeboten werden muss, angefangen bei niedrigschwelliger Unterstützung bis hin zu einer umfassenden sozialen und pflegerischen Versorgung.

Der Aufbau von Angeboten in der gesundheitlichen, pflegerischen und sozialen Versorgung ist in den letzten Jahren in vielen Regionen in Deutschland deutlich vorangeschritten. Zu nennen sind u. a. die Einrichtung von Pflegestützpunkten, der Ausbau von Seniorenwohnungen und ambulanten Wohnpflegegruppen, die Erweiterung niederschwelliger Angebote und auch die Stärkung der Kurzzeit- und Tagespflege. Nicht zu unterschätzen ist auch das bürgerschaftliche Engagement, wie u. a. die Nachbarschaftshilfe und die ehrenamtliche Unterstützung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Bei all diesen Angeboten spielt die Tagespflege eine entscheidende Rolle. Damit das Angebot der Tagespflege auch weiterhin attraktiv bleibt, benötigen wir vermehrt eine Weiterentwicklung im ambulanten Bereich und besonders bei den Tagespflegeeinrichtungen selbst. Wir müssen noch vermehrt individuelle, bedürfnisorientierte kleine pflegerische und soziale Angebote entwickeln. Das gilt besonders für den ländlichen Raum.

Es gibt schon einige interessante Weiterentwicklungen im Bereich der Tagespflege. U. a. Tagespflegeeinrichtungen mit erweiterten Öffnungszeiten und Dienstleistungsangeboten, Tagespflegeeinrichtungen in Verbindung mit Nachtpflege und Tagespflege als Bestandteil eines Quartierszentrums. Diese Angebote tragen dazu bei, die ambulante Versorgung Pflegebedürftiger zu verbessern. Wie kein anderes Angebot unterscheiden sich Tagespflegeeinrichtungen in ihren Angeboten und unterschiedlichen Strukturen in den Regionen der Bundesrepublik. Jede Tagespflege ist hinsichtlich ihrer Räumlichkeiten und Ausstattung sehr individuell. Das macht das Besondere der Tagespflege aus.

Auf der Grundlage meiner Erfahrungen soll dieses Buch einen Überblick über die grundlegende Konzeption bzw. Weiterentwicklung der Tagespflege (Kapitel I) geben. Auch werden noch einmal die aktuellen gesetzlichen sowie bauplanerischen Grundlagen (Kapitel II) und wichtige Faktoren für den erfolgreichen Betrieb einer Tagespflege (Kapitel III) mit all ihren Möglichkeiten dargestellt.

Hinweis:

Ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den folgenden Ausführungen auf die Unterscheidung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet.

[1]Eigene Recherche (Pflegelotse) und AOK Landesverbände

Kapitel I – Konzeptionelle Weiterentwicklung der Tagespflege

Bedürfnisorientierte Betreuungs- und Pflegeangebote sowie zeitgemäße, finanzierbare neue Wohnformen mit dem Ziel der Stützung des sozialen Umfeldes nehmen immer mehr an Bedeutung zu. Bestehende ambulante, teilstationäre und vollstationäre Pflegeangebote müssen zukünftig organisatorisch und qualitativ zusammenwachsen. Die jetzige und besonders die zukünftige Generation Älterer wünscht sich kleine überschaubare Wohn- und Pflegeeinrichtungen, in denen je nach Bedarf und Notwendigkeit bedürfnisorientiert betreut und gepflegt wird und jeder Pflegebedürftige über die Leistungen selbst bestimmen kann.

1Leistungsrechtliche Aspekte der Tages- und Nachtpflege

Vorab noch einige Anmerkungen zu dem Auslöser des „Booms“ der Tagespflege. Mit jeder Reform des SGB XI verbesserten sich die Leistungen für die Nutzung insbesondere der Tagespflege. 2017 wurden mit Einführung des Pflegestärkungsgesetzes 2 noch einmal die Leistungen für die Tages- und Nachtpflege beträchtlich erhöht.

1.1Leistungen Pflegestärkungsgesetz 2(PSG 2)

Übersicht Sachleistungen des PSG 2 für die Tages- und Nachtpflege (Stand Dez. 2020)

Pflegegrade

Sachleistungen nach § 41 SGB XI

plus Entlastungsbetrag

Pflegegrad 1

0,00 €

125 €

Pflegegrad 2

689 €

125 €

Pflegegrad 3

1.298 €

125 €

Pflegegrad 4

1.612 €

125 €

Pflegegrad 5

1.995 €

125 €

Für die Pflegeleistungen und Fahrtkosten kann jeder Pflegebedürftige, je nach Pflegegrad, die Sachleistungen in von Höhe 689 € bis 1.995 € verwenden.

Der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 € für jeden Pflegebedürftigen kann für Unterkunft/Verpflegung und für die Investitionskosten ausgegeben werden.

Wichtig

Wer seinen Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nicht voll ausschöpft, kann zudem den nicht für den Bezug von ambulanten Sachleistungen genutzten Betrag (max. 50 %) des hierfür vorgesehenen Leistungsbetrages – für Entlastungsangebote und die Tagespflege verwenden.

In einigen Bundesländern erhalten Tagespflegeeinrichtungen noch eine Investitionskostenförderung, entweder als Pauschalförderung pro Platz oder als Folgeaufwendungen pro belegtem Platz (siehe Anlage 1 Übersicht Investitionskostenförderung der einzelnen Bundesländer Stand –Januar 2020).

Regional ist es auch möglich, dass Leistungen der Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI) in Höhe von jährlich 1.612 € genutzt werden können. Entweder für die Begleichung der gesamten Kosten oder nur für Pflegeleistungen. Die Leistungen für Kurzzeit- und Verhinderungspflege können miteinander kombiniert werden. Wenn Leistungen für Kurzzeitpflege im Jahr nicht oder nicht vollständig abgerufen werden, können bis zu 50 % (806 €) der Leistungen für die Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden. Die Leistungen der Verhinderungspflege lassen sich so auf max. 2.418 € im Kalenderjahr erhöhen.

1.2Eckpunkte Pflegereform 2021 (Stand Dez. 2020)

25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung werden die Strukturen überprüft und mit der „Reform 2021“ wird beabsichtigt, die Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen. Im November 2020 wurden die Eckpunkte der Pflegereform festgelegt.

Für die Tagespflege wird es nach dem derzeitigen Stand einige Veränderungen geben.

Ab den 01.07.2021 werden u. a. die Sachleistungen für die Tagespflege um voraussichtlich 5 % erhöht.

Geplante Veränderungen der Sachleistungen lt. Eckpunktepapier

„Pflegereform 2021“ für die Tages- und Nachtpflege (Stand Nov .2020)

Pflegegrade

Sachleistungen nach § 41 SGB XI

Sachleistungen nach

§ 41 SGB XI ab 01.07.2020

Entlastungs-betrag

Pflegegrad 1

0,00 €

0,00 €

125 €

Pflegegrad 2

689 €

Ca. 723 €

125 €

Pflegegrad 3

1.298 €

Ca. 1.363 €

125 €

Pflegegrad 4

1.612 €

Ca. 1.693 €

125 €

Pflegegrad 5

1.995 €

Ca. 2.095 €

125 €

Hinsichtlich der Pflege zu Hause ist im Eckpunktepapier zur Pflegereform 2021 vorgesehen, Fehlanreize zu beseitigen:

„Fehlanreize im Versorgungssystem beseitigen: Anbieter setzen mittlerweile immer häufiger auf Projekte, die betreutes Wohnen mit dem Angebot von Tagespflege kombinieren. Ältere Menschen erhoffen sich durch diese neuen Wohnformen mehr individuelle Freiheit sowie eine geringere finanzielle Belastung, ohne Abstriche in der Versorgungssicherheit machen zu müssen. Studien zeigen jedoch, dass diese Hoffnung nicht selten spätestens bei Eintritt höheren Unterstützungsbedarfs trügerisch ist. Die Attraktivität für Anbieter solcher Modelle ergibt sich häufig aus der Kombination aller im ambulanten Bereich möglichen Leistungen in einem vermeintlich stationären Pflegesetting, ohne jedoch die Anforderungen eines klassischen Pflegeheims erfüllen zu müssen. Um die Nutzung solcher Versorgungsformen nicht unangemessen zu privilegieren, sollen bei Inanspruchnahme von ambulanten Pflegesach- und/oder Geldleistungen die Leistungen der Tagespflege ab dem 1. Juli 2022 auf 50 Prozent begrenzt werden“[2].

Welche Konsequenzen hat das für die Tagespflege?

Tagespflegeeinrichtungen im Verbundsystem mit Betreutem Wohnen und ambulanter Pflege erhalten aus den oben genannten Gründen nur 50 % der Sachleistungen.

Es ist zu vermuten, dass Träger zu viel Leistungen aus solchen Verbundsystemen erwirtschaften. Hierbei wurden allerdings nicht die Wünsche und Bedürfnisse der Mieter von Betreuten Wohnanlagen berücksichtigt. Gerade Pflegebedürftige bevorzugen solche ambulanten Verbundsysteme, um selbstbestimmt zu leben und je nach Notwendigkeit entsprechende Hilfeleistungen individuell in Anspruch nehmen zu können. Auch ist nicht geklärt, was unter „Betreutem Wohnen“ zu verstehen ist. Es gibt mit Ausnahme in NRW und Baden-Württemberg keine verbindliche Definition von „Betreutem Wohnen“ und/oder „Service Wohnen“. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es hier noch sehr viel Klärungsbedarf. Ggfs. müssen solche Verbundsysteme, wovon auch Quartierszentren betroffen sind, vertragsrechtlich neu definiert werden.

Definitiv nicht mehr möglich ist zukünftig die Inanspruchnahme von Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI. Es wird zukünftig ein Entlastungsbudget 2.0 geben. Aus den Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege wird als Entlastungsbudget ein Gesamtjahresbetrag in Höhe von jährlich 3.300 € gebildet. Bisher kann davon ausgegangen werden, dass die Leistungen des Entlastungsbudgets nicht für Tagespflege genutzt werden können.

Anmerkung:

Sobald konkrete gesetzliche Rahmenbedingungen zur Pflegereform 2021 vorliegen, wird ein kostenloses zusätzliches Update als PDF-Datei erhältlich sein!

http://haeusliche-pflege.net/download_buch/download

[2]Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Eckpunkte der Pflegereform 2021, 04.11.2020

2Konzeptionelle Möglichkeiten der Tagespflege

Bestehende Konzeptionen von Tagespflegeeinrichtungen müssen den Strukturen und Bedürfnissen der Pflegebedürftigen der jeweiligen Region des Standortes angepasst werden, wobei zwischen städtischem und ländlichem Bereich unterschieden werden muss. Ziel ist eine möglichst lückenlose ambulante Versorgung Pflegebedürftiger. Das bedeutet auch, dass die Tagespflege sich den Besonderheiten der Region anpassen muss und ggfs. auch das Leistungsangebot erweitern sollte.

2.1Strukturelle Veränderungen

Veränderung des Lebenswandels und Lebensstils

Die sozioökonomische Lebenssituation älterer Menschen befindet sich seit Jahren im Wandel. Das betrifft die demografische Entwicklung wie die Lebenslage und den Lebensstil. Bis 2060 wird die Anzahl der über 65-Jährigen um 5,611 Mio. steigen. Der Anteil der über 65-Jährigen wird sich von 21,8 % der Gesamtbevölkerung auf über 30 % im Jahr 2060 erhöhen[3]. Schon allein diese Tatsache bedeutet, dass auch in den nächsten 40 Jahren die Nachfrage u. a. nach Tagespflegeplätzen steigen wird und der Bedarf angepasst werden muss.

Die Zunahme des Anteils älterer Menschen, die steigende Lebenserwartung und die derzeit bessere Lebensqualität im höheren Alter verändert die Lebenssituation der alten Generation. Immer mehr Ältere leben im eigenen Haushalt. Die Anzahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte nimmt kontinuierlich zu. Diese Entwicklung wird dadurch unterstützt, dass aufgrund der Lebens- und Arbeitsmarktsituation Familien weit verstreut leben. Das Zusammenleben im größeren Familienverband an einem Ort ist damit eher die Ausnahme, nicht mehr die Regel[4].

Auch die Lebens- und Bedürfnislage der Menschen ändert sich kontinuierlich. Mit steigender Lebenserwartung ist die Wahrscheinlichkeit groß, besonders im hohen Lebensalter pflegebedürftig zu werden.

Anteil der Pflegebedürftigen der Altersklassen 60 bis über 80 Jahre (%)

Altersklasse

Gesamtanteil in %

60 bis 69 Jahre

3,14 %

70 bis 79 Jahre

8,55 %

80 Jahre und älter

33,10 %

QUELLE: EIGENE BERECHNUNG NACH ANGABEN DES STATISTISHEN BUNDESAMTES 2018

Pflegebedürftigkeit und die Versorgung im Alter spielen für die Mehrheit der Älteren eine große Rolle. In fast allen Untersuchungen der letzten 20 Jahre lautet der Wunsch des Großteils der Bevölkerung, bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit möglichst in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben. Eine vollstationäre Unterbringung kommt nur dann infrage, wenn alle anderen Optionen, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, nicht mehr möglich sind. Der Wunsch, in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben, wird u. a. damit begründet, dass man auch bei Pflegebedürftigkeit eigenständig und selbstbestimmt leben möchte. Um diesem zunehmenden Wunsch zu entsprechen, reicht eine ambulante Versorgung durch ambulante Pflegedienste allein nicht aus. Die Pflege und Betreuung in der eigenen Häuslichkeit kann nur mit Unterstützung der Tagespflege gesichert werden. Hinzu kommt, dass zunehmender Personalmangel auch bei ambulanten Pflegediensten eine Erweiterung der ambulanten Pflegeinfrastruktur erschwert. Tagespflege trägt dazu bei, ambulante Pflegedienste zu entlasten.

Strukturelle Veränderungen der Tagespflege

Die Reform der PflegeVG (PSG 2) und die damit verbundene finanzielle Entlastung für die Inanspruchnahme ambulanter und teilstationärer Leistungen und die Einführung von fünf Pflegegraden führte in den letzten Jahren zu einer Veränderung der Gästestruktur in Tagespflegeeinrichtungen.

Eine zunehmende Zahl von Pflegebedürftigen und Angehörigen ist der Ansicht, sie können mit ambulanter und teilstationärer Unterstützung länger in der eigenen Häuslichkeit bleiben und eine vollstationäre Pflege hinauszögern oder sogar verhindern. Das führt dazu, dass in den letzten Jahren immer mehr Gäste mit höherem Pflegegrad (PG 4 und PG 5) die Tagespflege besuchen. Trotz gesundheitlich kritischem Zustand. Objektiv betrachtet, kann es sein, dass oftmals Pflegebedürftige mit PG 4 und PG 5 in einer vollstationären Pflegeeinrichtung besser versorgt sind. Um Pflegebedürftige mit PG 4 oder 5 fachlich optimal zu versorgen, ist die personelle Ausstattung, insbesondere die Anzahl der Fachkräfte in den Tagespflegeeinrichtungen für Schwerpflegebedürftige, unter den jetzigen Voraussetzungen nicht gegeben. Auch muss bedacht werden, dass mit der steigenden Anzahl an Gästen mit höherem Pflegegrad die Verweildauer in der Tagespflege sinkt. Je höher der Pflegegrad, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Fluktuation in der Tagespflege steigt.

Auch der Anteil der nicht mobilen Gäste steigt kontinuierlich. Tagespflegeeinrichtungen können in der Regel allerdings nur eine sehr begrenzte Zahl an Rollstuhlfahrern aufnehmen. Die zunehmende Zahl an Rollstuhlfahrern stößt besonders an die Grenzen des Fahrdienstes. Mit Zunahme der Rollstuhlfahrer nehmen die Anforderungen an die Fahrzeuge zu. Es werden ggfs. mehr Fahrzeuge mit einer besseren Ausstattung benötigt.

Besuchten in den letzten Jahren überwiegend ältere Frauen über 75 Jahre die Tagespflege, so hat sich in den letzten drei Jahren der Anteil der männlichen Gäste erhöht. Teilweise beträgt der Anteil schon über 50 %. Auch die Nachfrage „jüngerer“ Pflegebedürftiger (unter 60 Jahre) und älterer Menschen mit Behinderung steigt. Es ist davon auszugehen, dass besonders die Zahl älterer Menschen mit Behinderung, die nicht mehr eine beschützende Werkstatt besuchen, sich in den nächsten Jahren erheblich erhöhen wird.

Alle diese Veränderungen führen dazu, dass ggfs. die Inhalte und damit die Konzeption den Anforderungen der Gäste in der Tagespflege angepasst werden muss.

2.2Tagespflege im städtischen undländlichen Bereich

Die Nachfrage an Tagespflegeplätzen ist ungebrochen. In den nächsten Jahren wird die Zahl der Tagespflegeeinrichtungen weiterhin steigen. Wobei man schon genau hinschauen muss, in welchen Regionen noch ein Bedarf vorhanden ist. Im städtischen Raum ist sicherlich in den nächsten Jahren mit einer Bedarfsdeckung zu rechnen. Der Anteil an Tagespflegeeinrichtungen im ländlichen Raum ist allerdings noch unbefriedigend. Obwohl gerade in vielen ländlichen Regionen die Zahl alter und pflegebedürftiger Menschen in den nächsten Jahren überproportional steigen wird. Schlagwort „Landflucht“! Immer mehr Menschen der jüngeren Generationen ziehen in Ballungszentren. Die ältere Generation bleibt in den Gemeinden. Aufgrund unzureichender Infrastruktur, schlechter Verkehrsanbindung, unzureichender kultureller und sozialer Angebote, schlechterer medizinischer Versorgung durch Hausärzte und fehlender Lebensmittelgeschäfte entsteht zunehmend eine soziale Isolation der älteren Bevölkerung. Erschwerend kommt hinzu, dass die ambulante Versorgung in Gemeinden mit ca. 2.000 Einwohnern und weniger immer schwieriger sicherzustellen ist. Lange Anfahrtswege und fehlende Pflegekräfte benachteiligen immer mehr kleine ländliche Kommunen. Ländliche Räume müssen bereits jetzt und auch zukünftig als Brennpunkte des demografischen Wandels besonders betrachtet werden.

Ausbau Tagespflege in ländlichen Regionen

QUELLE: Eigene Darstellung des Autors