Tango Português - Rüdiger Schneider - E-Book

Tango Português E-Book

Rüdiger Schneider

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Beschreibung

Mit einer List entflieht der Erzähler der kollektiven Angststörung, die über Deutschland liegt. Er durchbricht das touristische Reiseverbot, fliegt nach Sevilla, fährt weiter in das spanische Sanlúcar de Guadiana, um dort mit dem Philosophen Arnold Waidhammer über den virtuellen und digitalen Wahnsinn zu sprechen. Aber dann passiert darüber hinaus auf Waidhammers Finca am Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien, noch etwas ganz anderes.

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Seitenzahl: 61

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Handlung und Personen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

1

Mit Arnold Waidhammer hatte ich vor nunmehr dreißig Jahren in Bonn eine kleine Schriftenreihe gegründet: ‚Philosophie und Leben‘. Wir brachten Band 1 heraus und dabei ist es auch geblieben. Denn Arnold sagte nur ein paar Monate später: „Max, du kannst mich mal!“ Damit meinte er nicht nur mich, der ich versuchte, der Schriftenreihe eine wissenschaftliche Seriosität zu geben, sondern insbesondere auch die deutsche Mentalität, die er als ‚viereckig‘ bezeichnete. Sein Vorbild waren die Indianer, die er wegen ihrer Naturverbundenheit mehr und mehr lobte, während er das zunehmende Abgleiten in die Virtualität scharf kritisierte. Er verkaufte bis auf seinen alten VW-Käfer alles, was er hatte, und machte sich auf den Weg nach Spanien und Portugal. Und da ist er bis heute geblieben. Er hat ein kleines Grundstück in Nähe des spanischen Sanlúcar de Guadiana erworben, eine Hütte gebaut und lebt dort mit einer portugiesischen Zigeunerin zusammen. Als ordentlicher Mensch hat er der Hütte eine Nummer gegeben, damit er wenigstens Post empfangen konnte. Ein Handy oder Smartphone lehnte er ab. Über Briefe, was mir zunächst altmodisch vorkam, standen wir in Verbindung. Die einzige technische Errungenschaft, die er neben seinem Käfer beibehielt, war ein alter Fotoapparat, analog natürlich. So kam ich hin und wieder in den Genuss von Fotos aus seinem Leben.

Ich wunderte mich über die winzige Behausung. „Dort lebt ihr zu Zweit?“ schrieb ich erstaunt.

„Aber ja doch!“ antwortete er. „Wenn man sich liebt, ist Platz in der kleinsten Hütte.“

„Und wovon lebt ihr?“ wollte ich wissen.

„Saira fertigt Schmuck. Armbänder, Ohrringe, Hals- und Fußketten. Ich widme mich dem Malen kleiner Idyllen. Mit unseren Kunstwerken fahren wir von Sanlúcar runter an den Atlantik ins spanische Ayamonte oder auch an die Algarve. Sanlúcar und Ayamonte liegen direkt am Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien.“

Einmal schickte er auch vor einem Jahr ein Foto von Saira, seiner portugiesischen Zigeunerin. Es zeigt sie, wie sie in Ayamonte einem Touristen ein Armband anlegt.

„Ui!“ meinte ich in meinem Brief. „Die ist aber erheblich jünger als du!“

„Na und!“ schrieb er lakonisch zurück. „Was machen schon dreißig Jahre! Wir unterhalten uns prächtig.“

Ja, und dann, im März 2021, war es so weit. Ich hatte mehr und mehr, salopp gesagt, die Schnauze voll von dem zunehmenden digitalen Zwang und der Corona-Geschichte und hatte das Bedürfnis, mit Arnold zu reden. Ich absolvierte, nicht ohne kurz vor einem Brechreiz zu stehen, den obligatorischen Covid-Test, schaffte es auch zwei Tage später nach stundenlangem Bemühen auf meinem Smartphone den QR-Code einzuscannen, um das Ergebnis abzurufen, schaffte auch die Online-Anmeldung für den Flug nach Spanien und bekam mit ‚Iberia‘ trotz aller Reisebehinderungen einen Flug von Frankfurt nach Sevilla. Man muss wissen, dass man zu dieser Zeit in Deutschland nahezu eingesperrt war. Touristisches Reisen war untersagt. Aber Arnold, der in Ayamonte so seine Beziehungen hatte, hatte mir von einem Immobilienmakler ein Formular über den Kauf einer Finca besorgt, so dass ich beim Check-In am Frankfurter Flughafen sagen konnte:

„Ich bin kein Tourist. Ich will auswandern und in Spanien eine Finca kaufen. Ich komme höchstens noch einmal zurück, um alles aufzulösen.“

„Na gut, Sie sind also geschäftlich unterwegs. Gate 24 B. Boarding ist um 11.20 Uhr.“

Die junge Dame am Schalter schob mir Pass und Bordkarte zu, blickte noch einmal auf und bemerkte:

„Mein Gott, Herr Winter, da sind Sie schon 74 und wollen noch einmal Ihr Leben ändern!?“

„Soll ich hier in einer Psychiatrie versauern?“ entgegnete ich. „Außerdem ist das Klima in Spanien und Portugal angenehmer. Ich meine nicht nur das Wetter.“

Das war im April, am Gründonnerstag. Tatsächlich hatte ich nur ein Ticket für den Hinflug nach Sevilla. Dort beschaffte ich mir einen Leihwagen und fuhr nach Sanlúcar de Guadiana. Vielleicht bleibe ich wirklich da. Zumindest aber will ich Arnold überreden Band 2 unserer Reihe ‚Philosophie und Leben‘ endlich herauszugeben.

2

Ich will den Tag beschreiben, der mich trotz der Aussichtslosigkeit zu verreisen veranlasste, Arnold zu besuchen. Es war Samstag, der 6. März. Mein Kühlschrank war leer. Das betraf Getränke wie auch andere Lebensmittel. Ich gehe ungern einkaufen. Wegen der Masken, die man tragen muss, wegen der vorwurfsvollen Blicke, wenn man einmal den Abstand zu anderen Kunden nicht genau einhält und überhaupt wegen der ganzen Stimmung, die man nicht anders als eine kollektive Angststörung bezeichnen kann. Nicht nur das Land war im Lockdown, sondern auch Seele, Herz, Gemüt der Bürger. Tag für Tag glitt man etwas mehr in die Depression. Freunde und Verwandte besuchten sich nicht mehr, man wurde täglich, nein stündlich mit Zahlen des RKI, mit Bildern von Intensivstationen und Massengräbern bombardiert, der Tod lauerte in Gestalt eines unsichtbaren Virus und seiner Mutanten an jeder Ecke.

Samstag, der 6. März, war auch der Tag, an dem man zum ersten Mal beim Discounter für 25 Euro ein Päckchen mit Selbsttests kaufen konnte. Ich hatte nicht vor, solch ein Päckchen zu erwerben und mich an den Testorgien zu beteiligen. Die 25 Euro gebe ich lieber für einen guten Wein aus.

Ich fuhr also gegen Mittag zum Aldi, erledigte rasch meinen Einkauf, sah an der Kasse das Schild: ‚Selbsttests ausverkauft‘. „Aha, dachte ich, deshalb ist es an einem Samstag hier so ungewöhnlich leer. Die Leute waren alle schon am frühen Morgen hier, um ein Päckchen mit den Tests zu ergattern.“

Irgendwie musste der deutsche Bürger neben seiner Neigung zu bedingungslosem Gehorsam auch eine masochistische Ader haben. Wer hat schon Freude daran, sich täglich tief in Rachen und Nase zu bohren und einen Würgereiz zu provozieren? Da entkorke ich lieber eine Flasche Wein.

Nun gut, der Einkauf beim Aldi war erledigt. Jetzt ging es zu einem Tabak- und Zeitungsladen. Bei einer bekannten Boulevardzeitung sah ich die Schlagzeile: ‚Amis impfen jetzt schon Affen!‘ Und bei einem anderen Blatt sah mir entgegen: ‚Brasilianische Variante des Virus ist gefährlicher, ansteckender und unempfindlicher gegen Antikörper!‘ Ein Foto von Friedhofskreuzen aus dem brasilianischen Manaus war zugeschaltet.

Das mit den Affen interessierte mich. Ich kaufte mir das Boulevardblatt, schlug es neugierig schon im Laden auf und stieß sogleich auf eine doppelseitige Anzeige von Lidl für Selbsttests. ‚Wir versorgen Deutschland. Reduziere das Risiko… bevor du Oma und Opa besuchst, bevor du zur Arbeit gehst, bevor du einen Freund triffst. In Kürze auch in deiner Filiale erhältlich. Schnelles Ergebnis in 15-20 Minuten.‘

Wenn einem das an einem Samstag widerfährt, ist das nicht erheiternd. „Du musst jetzt etwas Schönes erleben“, dachte ich, „dich von all diesen miesen Eindrücken befreien.“

Mit einem Breisiger Freund spielte ich ab und zu Schach. Ach ja, ich vergaß zu sagen, dass ich in Bad Breisig – das liegt am Rhein so ungefähr in der Mitte zwischen Bonn und Koblenz - alleine ohne Frau lebe. Irgendwie waren mir die Damen, was an mir liegen muss, immer