Tatütata für Peter Sputnik - Axel Simon - E-Book

Tatütata für Peter Sputnik E-Book

Axel Simon

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Beschreibung

Als der leicht übergewichtige Landbusfahrer Peter Sputnik, ein einfacher Charakter von grundgutem Gemüt, erkennen muss, dass seine Verehrung für die Eisdielen-Bedienung Frollein Gitti nicht auf Gegenliebe stößt, geht für ihn die Welt unter. Leider geht die Welt tatsächlich unter. Zu dieser alarmierenden Erkenntnis gelangen nach einer Reihe von Verbrechen die Weltenlenker. Und sie wissen genau, dass es nur einen gibt, der den globalen Vernichtungsplan des gefährlichen V noch stoppen kann. Denn nur einer verfügt (wenn auch ungewollt) über die nötigen übermenschlichen Kräfte eines Superhelden, eben jener Peter Sputnik. Und der ist gerade ganz besonders schlecht drauf, weil er zu allem Liebesunglück auch noch seinen Job verloren hat. Widerwillig macht Sputnik sich auf die gefährliche Reise – die auch eine Reise zu sich selbst ist. Schließlich rettet er nicht nur die Welt, er erfährt jetzt zum ersten Mal, was Freundschaft bedeutet, dass es noch andere angenehme Frauen außer Frollein Gitti gibt und dass das Leben auch ohne Fahrpläne ziemlich lebenswert sein kann – wenn nicht sogar super! Ein so mitreißender wie poetischer Roman um einen modernen Parzival – voller wunderbarer Einfälle und Wendungen.

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Seitenzahl: 381

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Axel Simon 

Tatütata für Peter Sputnik

Roman

Es geht um Liebe und Vergeltung

und das Geheimnis des Krokantbechers.

(Ach was, es geht um alles.)

Eine Welt zum Reinbeißen. So frisch gewaschen, duftig und weit. So besummt und bezwitschert. In diese ganze Welt zwischen Birnlaub, Agathendorf und Trautmannsfelde wollte man sich einfach reinstellen. Wollte sich kniehoch von den blühenden Gräsern umrascheln lassen, die so vertraut nach Apotheke rochen, und zubeißen. Hei, war das schön hier! Zum Sich-drin-Wälzen schön! Es gab andere Landschaften, die ließen einen innehalten und sie mit dem gedankenverlorenen Blick einer wiederkäuenden Kuh betrachten. Wieder andere Landstriche – und nicht selten ganze Städte wie Döbling und Dallodyn – hingegen ragten so scharfkantig über ihre Horizonte, dass einem angst und bange werden konnte. Aber das hier, die weiche Senke rechts hinunter, dann der Wald, der sich bis über den nächsten zipfeligen Hügel hinabzog, und auch noch die Schultern der beiden folgenden Täler wieder hinauf, dort die Weinberge, immer schmaler werdend, das alles umrahmt, aufgelockert und hübsch kontrastiert von den Bordüren niedriger Strauchhecken, in denen Vögel wohnten, und saftigen Weiden mit unregelmäßig anwesendem Milchvieh… hei, das alles war so herzerfrischend appetitlich und zum Reinbeißen schön! Spechte, so hatte man bereits mehrfach beobachten können, hielten manchmal unvermittelt inne und warfen von höherer Warte einen Blick ins Land. Aber auch ohne Specht zu sein, konnte wohl jedermann Gefallen an alldem hier finden. Peter Sputnik dachte das nicht zum ersten Mal. Er dachte das jedes Mal, wenn er mit einer leichten Drehung am Steuerkranz den Bus der Linie 2 über den Scheitelpunkt dieser sympathisch hingeschmiegten Rechtskurve lenkte. Und jedes Mal war stündlich. Denn die Linie 2 (von den Bewohnern der Welt zum Reinbeißen umgangssprachlich «der Zweier» genannt) verkehrte stündlich. Samstags ab vierzehn Uhr und sonn- und feiertags allerdings nur zweistündlich. Das Leben hier nahm darauf Rücksicht.

Peter sah in den Rückspiegel. Frau Böll kam wahrscheinlich vom Arzt und saß wie immer direkt neben der Tür. Herr Tümmler hatte ein Paket von der Post in Birnlaub abgeholt, das er auf seinen Knien hielt. Peter hätte ihn gern gefragt, was da drin war, aber er wusste, dass Tümmler nicht von der schwatzhaften Sorte war. Außerdem ging es ihn nichts an. Aber gewusst hätte er’s trotzdem gern! Und dann waren noch die beiden dicken Döbel-Zwillinge im Zweier. Wie immer auf der letzten Bank. Und wie immer essend. Peter vermutete, dass die Döbels insgesamt dazu neigten, immer zu essen. Er konnte sich nicht, zumindest nicht jetzt, da er auskuppelte und den Bus im Leerlauf die geschlängelte Landstraße hinabrollen ließ, daran erinnern, einen von den dicken Döbels jemals ohne Kaubewegungen gesehen zu haben. Aber was ging’s ihn an. Wenn es ihnen schmeckte. Und wenn Tümmler nicht freiwillig offenbaren wollte, was in dem braunen Karton war… Er war mit grober Schnur verknotet. Und Peter meinte erkennen zu können, dass das helle Etikett auf dem holzbraunen Karton mit der Hand geschrieben war. Das sprach zumindest für ein privates Paket und nicht für eins vom Versandhaus Quirl oder vielleicht sogar aus Übersee. Oder, und der Gedanke machte Peter ganz aufgeregt, mochte Tümmler eventuell doch private, handetikettierte Paketpost aus Übersee beziehen? Möglich wär’s. Aber Tümmler? Peter schob diese Gedankenkette auf die kurze Bank, kuppelte wie immer neben dem Wegekreuz mit dem einarmigen Holzjesus ein und hielt schließlich butterweich an der Haltestelle Gotteswinkel. Es war eine gute Bremsung gewesen, eine, und darauf legte Peter Wert, die den Fahrgästen nicht mal das Fett unterm Kinn wabbeln ließ. Eine Bremsung, sagte er gern, muss so sein, dass der Fahrgast sie nicht spürt. Und selbst wenn einer – was verboten war – einen Becher mit Limonade dabeihatte, durfte die nicht bis zum Rand schwappen. Und schon gar nicht darüber hinaus.

Zischend ging die Doppeltür für Frau Böll auf. Peter Sputnik ließ die Augen über die Landstraße spazieren. Die gelbe Ziege von Kuschnichs war schon wieder allein unten am Bach unterwegs. Er sah in den Rückspiegel, erwartend, dass die alte Böll inzwischen ausgestiegen war (und warum sollte sie woanders aussteigen als hier am Gotteswinkel, wo sie wohnte, und beim Arzt in der Stadt). Aber sie war nicht ausgestiegen. Tümmler guckte aus dem Fenster. Wahrscheinlich hatte auch er die neugierige Ziege im Huflattich entdeckt. Oder er dachte an den unbekannten Inhalt seines Pakets. Was, dachte Peter, Tümmler beobachtend, wenn Tümmler selbst nicht weiß, was in dem Paket ist. Eine Überraschung aus Übersee! (Hatte Tümmler Kinder in Übersee?) Die Döbels kauten. Und die gute Frau Böll saß auf ihrem Platz vor der geöffneten Tür und rührte sich nicht. Peter lächelte. Er setzte die Dienstmütze auf, zog die Sicherheitshaltebremse an, verließ seinen Fahrersitz und tippelte mit den typischen Peter-Sputnik-Schritten nach hinten durch. Tümmlers Hand ruhte auf dem Etikett. Peter konnte im Vorbeigehen nichts erkennen.

«Nun aber schnöll, Frau Böll! Der Fahrplan wartet nicht, und hier ist Ihr Gotteswinkel.» Frau Böll schlief. Als zweimaliges Fingerschnipsen neben ihrem Ohr nicht gefruchtet hatte und auch Bestipsen der Schulter außer einem Schmatzer keine Wirkung zeigte, beugte sich Peter Sputnik zu Frau Böll hinab, legte ihren schlafenden Arm um seinen Hals und schob seinen Arm unter ihren Knien durch. Dann hob er sie an, war erstaunt, wie leicht sie war, und trug sie zur Tür hinaus wie eine Braut über die Schwelle. Er setzte sie sanft auf die Wartebank im Haltestellenhäuschen. Hier konnte sie in Ruhe ausschlafen, und wenn sie aufwachte, war sie praktisch schon zu Hause. Wieder im Bus, tippelte Peter Sputnik nach vorn durch, hängte die Dienstmütze mit der Aufschrift «Fahrer» an den Haken links hinter seinem Sitz und machte eine gutgelaunte Durchsage: «Keine Sorge, Herrschaften, die kleine Verspätung holen wir im Nu wieder auf.» Und wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, löste er die Bremse, legte den ersten Gang ein, fuhr los. Und schloss die automatische Doppeltür erst während des Anfahrens. Die Frau Böll hat einen Pferdekopf, dachte er, während er nun die empfohlene Richtgeschwindigkeit absichtlich etwas überzog. Das war ihm noch nie aufgefallen. Peter Sputnik drehte am Steuerkranz seines Zweiers und bog nach links Richtung Klaushausen ab. Die kleine Verspätung hatte er praktisch jetzt schon wieder aufgeholt. Er hatte die alte Frau, die nach Veilchenseife und kaltem Talg roch, getragen wie seine Braut. Peter dachte an Frollein Gitti. Er freute sich darauf, sie heute Abend im Cortina zu sehen. Er würde sich an seinen Tisch setzen, der flotten Radiomusik in der Sportsbar Cortina lauschen und Frollein Gitti zulächeln. Und sie würde wahrscheinlich sogar zurücklächeln und dann, wenn es ihre Zeit erlaubte – es konnte zuweilen gestoßen voll sein im Cortina – zu seinem Tisch herankommen. Und sie würde sehr hübsch aussehen und ihn fragen: «Na, Herr Sputnik, nach diesem aufregenden Tag wie immer?» Und er würde für einen Augenblick so tun, als müsse er überlegen, dann aber nicken: «Wie immer, bitte ja, Frollein Gitti.» Und sich – hei! – erst auf, dann über seinen Krokantbecher freuen. So, wie er sich jetzt, hier, in seinem Zweier, schon auf das Cortina und die Gitti freute.

Die Schwäne fingen an muffig zu riechen. Sie waren nur mausgroß, aber zu vierzig und sehr detailgetreu aus Hartkäse geschnitzt. Ihr Hiersein und Dasein als Buffetdekoration der Pressekonferenz in der Staatlichen Bildersammlung war durch die besonderen Umstände der letzten zwanzig Minuten nun unsinnig und zwecklos. Während vierzig Schwäne zu riechen anfingen, gab drei Räume weiter der Pförtner zu Protokoll: «Der neue Restaurator. Wer sonst. Mit Lichtbildausweis und Kennkarte. Wer ahnt denn so was. Sehr freundlicher junger Mann. Schlenkerte so mit den Armen beim Gehen. So.» Der Pförtner war aufgestanden und machte es vor. Dann setzte er sich wieder. Öffnete den oberen Hemdknopf. «Der ist da reingeschlenkert. Und kam kurz darauf mit dem Bild wieder raus. Wie? Nur eins. Nur das eine. Das reicht ja auch. Und, richtig, er pfiff. Sowohl beim Rein- wie auch beim Rausgehen. Beide Male dasselbe Lied. Warten Sie… ‹La Mer›. Ich würde es Ihnen vorpfeifen, aber Sie sehen ja selbst.» Damit verwies er unter Zuhilfenahme seines rechten Zeigefingers auf ein erbsengroßes Herpesgewächs an seiner Unterlippe.

Für ein Krematorium war es zu groß. Die Korridore, allesamt mit dunklem, penibel poliertem Stein ausgekleidet, waren zu lang und zu hoch. Nein, ein Krematorium war es nicht. Obgleich der Tod nicht weit war. Für eine Lehranstalt war es zu still. Kein Trampeln, kein Hasten, kein Kichern, kein Flachsen. Kein Leben. Die wenigen Menschen, die einem zufällig hereinspazierten Besucher hier begegnen würden, hatten es eilig. Sie verströmten den Geruch von erlesenen Aftershaves und Angstschweiß. Zweifellos hatten sie Prüfungen zu bestehen, aber solche, gegen die ein Staatsexamen ein Scheißdreck war. Auch eine Behörde konnte das Gebäude nicht sein. Denn die Leute hier trugen schwer an ihren Missionen, wenngleich diese manchmal nur eineinhalb eng beschriebene Seiten Aktennotiz in Anspruch nahmen und still im beigen Kartondeckel eines Dossierordners schlummerten. Nein, die, die hier in den hohen Fluren unterwegs waren, um kurz darauf in einer Aufzugkabine, einem Besprechungszimmer oder einem Abort zu verschwinden, die verwalteten nicht. Die hatten zu tun. Aber auch das würde einem, der sich zufällig hierher verirrt hatte, verborgen bleiben. Denn hierher verirrte man sich nicht. Und schon gar nicht zufällig. Allein um den Sicherheitskordon bis zur ersten halbautomatischen Glastür (Schleuse 4) zurückzulegen, bedurfte es dreier verschiedener Access & Identity Keys, kurz AIKs. Um im Inneren des Gebäudes vorwärtszukommen, konnten je nach Wichtigkeit der Person und Brisanz bis zu acht zusätzliche AIKs dazukommen. Vom regulären Abtasten unveränderlicher Persönlichkeitsmerkmale wie Pupillenabstand, Fingerabdruck und Stimme ganz zu schweigen, aber das war ohnehin nur für einen exklusiven Zirkel von etwa vierhundert Personen vorgesehen. Nein, in das unterirdische Zentralgebäude der Weltregierung verirrte sich niemand. Niemand war zufällig hier. Und niemand machte den Anschein, dass er gern hier war. Die Mienen waren ernst, die Gespräche waren sachlich (jegliches Platzhirschgebaren erstarb erstaunlicherweise mit dem Verlassen des untersten Levels eines Bereichsleiters).

Dem Mann im hellen Sommeranzug an der T-Querung des langen dunklen Korridors glitt der kleine Styroporbecher mit Espresso aus den Fingern und klatschte auf den Steinfußboden. Der Mann steppte zur Seite. Einige dunkelbraune Tropfen erreichten dennoch den Saum seines sommerhellen Beinkleides, was den Mann zu einem Fluch veranlasste. Dann war es wieder still. Die kleine Pfütze dunklen Kaffees auf dunklem Stein schäumte noch rasch etwas und dampfte dann stumm vor sich hin. Der Mann im hellen Anzug sah sich um. Niemand, bis auf die beiden Überwachungskameras, die nach seinem abrupten Sidestep automatisch auf ihn geschwenkt hatten, schien seinen Unfall bemerkt zu haben. Er rückte sich den Hemdkragen gerade, der gar nicht verrutscht war, vergewisserte sich rasch, dass die beiden Blätter des Dossiers im Inneren des beigen Ordners nicht durcheinandergeraten waren, und ging dann den dunklen Korridor entlang davon, wobei er quietschte. Viele hier quietschten, und die meisten schienen sich daran gewöhnt zu haben. Dem Mann indes war es unangenehm. Er hatte die Wildlederschuhe zum hellen Anzug gewählt. Es war seine Entscheidung gewesen. Nun hatte der neue Anzug – von dem er wusste, dass er ihm gut stand – dunkle, stecknadelkopfgroße Punkte am Hosensaum, und die weichen Gummisohlen seiner Schuhe quietschten entsetzlich laut. Diese Schuhe schrien! Dabei hatte er die schwierigste Aufgabe des Tages noch vor sich. Der denkende Mann mit dem Dossierordner hatte die nächste T-Querung erreicht und sah scheu zurück zu dem Espressoautomaten. Ein Mensch in froschgrünem Overall stand jetzt dort und wischte die Pfütze (die wahrscheinlich noch immer etwas dampfte) fort. Der Mann im hellen Anzug hatte niemanden gesehen, der seinen Unfall bemerkt haben konnte. Und doch war sofort jemand erschienen, um die Spuren zu beseitigen. Damit niemand in seinem Espresso ausglitt und Schaden nahm. Man achtete sehr aufeinander in dieser Welt. Und auf Makellosigkeit. Der Frosch ging mit einer geübten Zickzackbewegung seines breiten Poliermopps noch einmal über die fragliche Stelle und verschwand. Lautlos. Der Mann im hellen Anzug quietschte weiter laut den Gang hinab und hatte drei T-Querungen später mit Hilfe des Navigationssystems in seiner Armbanduhr den Raum gefunden, in den er beordert worden war. Vor der Tür rückte er sich den Hemdkragen noch einmal zurecht, der noch immer nicht verrutscht, aber mittlerweile innen feuchtwarm war. Er schluckte. Klopfte. Drückte die schwere Türklinke zu Raum 34B22 hinunter, trat ein und war überrascht. Er erinnerte sich, bereits mehrmals in Räumen der B-Kategorie gewesen zu sein. Meist als Zuhörer oder Protokollführer. Die B-Räume waren Konferenzräume für ungefähr einhundert Personen, mit Rednertribüne, Podiumsplätzen und Rängen für die Zuhörer, an deren Rückwand sich die verglasten Kabinen für Simultanübersetzer und Beobachter befanden. Wie jeder Raum der A- bis D-Kategorie – sein eigenes Büro gehörte zur L-Kategorie – war auch 34B22 abhörsicher. Und leer. Der Mann im hellen Anzug sah nervös auf seine Uhr. Das NaviSys zeigte eindeutig: Ziel erreicht. Und auch der analog wirkende Zeiger seiner digitalen Uhr überquerte die Zielgerade in exakt dieser Sekunde. Wurde er mit seinem Dossier in einem ganz anderen Raum des Gebäudes erwartet, war er dort zu spät. Bis er festgestellt haben würde, wo man ihn anstatt in 34B22 erwartete, und dorthin gelangt sein würde, wäre gut und gern eine Viertelstunde verstrichen. Erst das Missgeschick mit dem Kaffee und dann das. So eine Scheiße. Der Mann ihm hellen Anzug sah sich noch einmal in dem vollkommen leeren Raum um und drehte sich quietschend auf der Stelle, um wieder zu gehen, da stoppte ihn diese Stimme: «Sie sind hier richtig, Grønholm, falls das Ihre gegenwärtige Überlegung war.» Der Angesprochene drehte sich abrupt wieder auf der Stelle, was ein abermaliges gellendes Quietschen seiner Sohlen auf dem Steinboden zur Folge hatte. Er schluckte. Die Leute ihm gegenüber waren Biggs, Ti Liang und Millberger. Grønholm schwitzte in der Sekunde dieser Erkenntnis die messerscharfen Bügelfalten aus seinen sommerlichen Beinkleidern. Er war hier, um etwas für die Welt zu leisten. Um sich und anderen zu beweisen, dass er mehr draufhatte, als dafür zu sorgen, dass Container von A über B nach C kamen, oder bekanntzumachen, dass Fleurol-Waschgel das beste der ganzen Welt war («Fleurol, oh, wie das duftet!»). Grønholm war es durchaus gewohnt, mit Abteilungsleitern, Chefs und den Chefs seiner Chefs zu tun zu haben. Aber die hier, Biggs, Ti Liang und Millberger, waren die Chefs von allem. Die Chefs der Welt. Millberger bemerkte offenbar Grønholms Gedanken und streckte freundlich die Hand aus. Er hielt dabei die Handfläche waagerecht nach oben. Grønholm, verschwitzt, ratlos und bemüht, keinen unnötigen Schritt mehr zu machen, verstand und reichte Millberger den Ordner mit dem Dossier. Ti Liang nickte ihm zu. Sie lächelte und zündete sich eine Zigarette an. Biggs ging unruhig, die Hände tief in den Hosentaschen, auf und ab. «Es ist gut, Grønholm. Auftrag erledigt. Sie können nun gehen. Danke», sagte Millberger und schlug den Aktendeckel auf. Ti Liang blies den Rauch ihrer Zigarette durch die Nase aus, und Grønholm verneigte sich leicht gegen Millberger, bemüht, in diese Bewegung die anderen beiden Weltenlenker mit einzubeziehen. Er ging ein paar Schritte rückwärts (wie in alten Filmen), drehte sich um und eilte hinaus. Bemüht, gelassen zu wirken, schloss er die Tür zu 34B22 hinter sich mit markanter Armbewegung und ging betont ruhig die zweihundertvierundvierzig Schritte zur nächstgelegenen T-Querung. Dort, im toten Winkel – als gäbe es noch immer eine Sichtlinie zwischen 34B22 und ihm–, lehnte er sich schnaufend an die Wand. Sein Anzug fühlte sich an, als habe er ihn feucht aus der Waschmaschine genommen und gleich angezogen. Er hatte alles richtig gemacht. Er war pünktlich und höflich gewesen. Er hatte sich auf Geheiß entfernt. Konnte man ihm vorwerfen, dass seine Schuhsohlen quietschten? Aber was ihn wirklich beunruhigte: Er hatte den drei wichtigsten Personen der Welt ein unbedeutendes Dossier über die Melasseproduktion in Mittelamerika überreicht. Und offenbar hatten sie genau darauf gewartet. Millberger hatte das Papier angesehen. Ihm wäre ein Irrtum sofort aufgefallen. Was wollten die drei Weltenlenker mit einem unwichtigen Dossier, und warum trafen sie sich ohne ihre vielköpfigen Entouragen in einem unangemessenen Raum? Da stimmte doch etwas nicht! Da war doch etwas im Gange!

Während Grønholm sich den jetzt tatsächlich verrutschten, feuchtwarmen Hemdkragen gerade zog und grübelnd den langen, hohen Korridor hinunterquietschte, nahm Millberger das Melasse-Dossier aus dem portablen Decodierungs-Scanner. Ti Liang drückte ihre Zigarette an der dunklen Steinverkleidung der Wand aus. Sie tat dies, indem sie die Kippe mit ihrem Rücken vor der visuellen Raumüberwachung verdeckte, um keinen der froschgrünen Overalls mit seinem Putzkarren anzulocken. Millberger hatte den Bericht überflogen und reichte das Papier, das decodiert kaum mehr halb so lang war, an Biggs. Der las und wiegte unwirsch den Kopf. Ti Liang schnippte die Zigarettenkippe mit der Schuhspitze unter den Tisch der Gremientribüne und las nun ihrerseits. Sie zog die linke Braue hoch und sah Biggs und Millberger an: «Scheint zu stimmen.» – «Ich weigere mich zu glauben, dass dieser Verrückte uns ernsthaft bedrohen kann.» – «Ich hatte auch gehofft, dass wir mit ein paar zerstörten Städten davonkommen, aber das hier…», Biggs schnaubte und ruderte mit der Rechten hilflos in der Luft herum, «…das übersteigt beinahe meine Phantasie.» – «Er kann es offenbar, und er wird es tun, daran hat er nie Zweifel aufkommen lassen.» – «Der fordert nicht mal etwas! Er erpresst uns nicht mal! Kein ‹wenn Sie nicht… dann…›. Das ist es, was mir Angst macht.» Ti Liang zündete sich die nächste Zigarette an: «Er setzt uns schlicht und einfach davon in Kenntnis, dass er die Welt zerstören wird.»

Unten auf der Straße hupten sie. «Fahr, du Sausack!», rief einer. Oben im Zimmer bahnte sich ein Kampf an. Wenn er es wollte, und nur dann, würde der Schatten seiner rechten Stiefelette, die – er wusste nicht mehr, wie – auf den Rand des Tischchens gelangt war, schon in Kürze mit geöffnetem Maul durch den gleichmäßigen Efeubewuchs der Seidentapete zum Sprung auf das klobige Fabelwesen weiter rechts ansetzen, das im richtigen Leben der Quast eines Vorhangvolants war. Der junge Mann im Bett rieb sich mit den Fingerknöcheln über die Sommersprossenkolonie rechts neben seiner Nase. Er hatte noch andere davon, an anderen Stellen des Körpers, und manche davon jetzt nicht sichtbar, obwohl er nackt auf dem Bett lag. Aber reiben tat er nur die neben der Nase. Der Wind strich durch das angelehnte Fenster und bauschte die Gardine wie ein Segel. «La mer… au ciel d’été confond/​Ses blancs moutons/​Avec les anges si purs.» Er pfiff es nur beiläufig. Hörte auf, als es an der Tür klopfte. Dienstleistungsklopfen. Kein Polizeiklopfen. Er kannte die Unterschiede. «Nur herein!», rief er und bedeckte seine Blöße erst, als er hörte, wie draußen die General Key Card durch die Scannerführung glitt. «Ihr Anzug, mein Herr», sagte der Page und bemühte sich, nicht auf die transparente Hülle zu treten, die den Anzug umraschelte. «Danke, hängen Sie ihn an den Schrank, und dann nehmen Sie sich eine der drei Münzen, die dort auf dem Tischchen liegen, ja? Neben dem Stiefel. Auf Wiedersehen.» Der Page nahm eine der Münzen (sie waren gleich groß, also nahm er irgendeine), stellte den Stiefel dabei auf den Boden, verneigte sich noch leicht in der Tür und verschwand mit diesem vertrauenerweckenden, soliden Schnapp, das nur Hoteltüren von sich geben. Der Mann auf dem Bett beschloss, sich nur Türen dieser Art in sein Haus einbauen zu lassen. Dabei hatte er gar keins. Wollte gar keins. Er wollte nur dieses Schnapp. Pfeifend widmete er sich der Weiterentwicklung des Geschehens auf der Tapete. Der Eingriff des Pagen hatte das geöffnete Schattenmaul aus dem Bild genommen.

Bilder waren etwas Wunderbares. Die Schönheit der Bilder hatte er am Meer entdeckt. Wenn man zwei Finger unten in das Loch schob, das auch innen ganz warm von der Augustsonne war, und sie dann vorsichtig drehte, sodass sie dem aufwärtsgebogenen Kanal folgen konnten, fühlte man es, glatt und weit hinten. Auch ohne Geld. Man spürte ihre Wölbungen ganz deutlich an den Fingerspitzen, musste trotz der Vorfreude aber konzentriert bleiben, um den wachsamen Augen des Strandwächters zu entgehen. Man musste mit der freien Hand so tun, als drehe man am Knopf des Automaten, so, als klemme Münze oder Kugel, als habe man hier zu tun. Dann gelang es in etwa jedes dritte Mal, eine Kugel aus dem Kaugummiautomaten am Pier zu ergattern. Und mit ein bisschen Glück eine der länglichen Aktionsbomben, die unter den Kugeln versteckt waren. In den beiden Automaten links neben dem, zu dem er immer ging, waren stets wechselnde Aktionen gewesen, gern Fußballer, Seevögel und Eroberer. In seinem Automaten waren Bilder. Gemälde. Alte und jüngere. Winzig klein, denn sie mussten gerollt in diese – man könnte ihm ein Bein abhacken, wenn die nicht wirklich so hießen – Aktionsbomben passen, klein, aber enorm interessant. Boldonis «Madonna unterm Kreuze» hatte er am Ende der Ferien dreimal gehabt. Zwei davon gegen Seevögel oder Stürmer zu tauschen wäre ihm nicht in den Sinn gekommen.

So harmlos hatte das mit ihm und den Bildern angefangen, der Mann auf dem Bett schwang die Füße herum, stand auf und ging mit schlenkernden Armen zum Fenster. Am Meer hatte er von der Schönheit der Bilder erfahren, im Internat von ihrer Macht: Das Porträt eines unbekannten Mädchens, aus einer Illustrierten ausgeschnitten, konnte Wunder bewirken, hatte er festgestellt. Statt Pferdeküssen hagelte es nun Nachfragen: «Woher kennst du solche Frauen, Äffchen? Die ist mindestens zweiundzwanzig und hat eine glatte 80C.» Über sich hörte er das Brummen der Hotelstaubsauger. Zu ihm würden sie erst morgen wieder kommen. Sein Zimmer war bereits gemacht worden, er hatte darum gebeten, bevor er zur Pressekonferenz ins Museum aufbrach.

Es war so einfach gewesen, wie er sich das vorgestellt hatte. Mit der Dienstbeflissenheit eines Restaurators und ganz im Bewusstsein der Wichtigkeit des bevorstehenden Ereignisses hatte er den Pförtner mit dem beachtlichen Lippenherpes gebeten, den Alarm für Raum 8 zu unterbrechen. Nur für zwei Minuten. Er wolle nochmal rasch nach dem Bild sehen. Heute müsse schließlich alles tipptopp sein. Der Pförtner hatte genickt, den Knopf gedrückt, und dann war er rein, nicht weiter als zehn Meter an Direktor Sass (der sich nach der zweiten Flasche Cabernet im Kreise der Freunde und Förderer gern «der Tausendsass» nennen ließ) vorbei in Raum 8, hatte das Bild links und rechts am Rahmen gepackt und es vom Haken genommen: Öl auf Leinwand, vierzig auf sechzig Zentimeter, Gewicht inklusive Rahmen fünf bis sechs Kilo. Und dann hatte er das gemacht, was er immer machte, wenn er das machte. «Meine Visitenkarte» nannte er es in seinen projektreflektierenden Monologen. Als er daran dachte, hob sich ein kleiner Baukran im Efeu-Schattentheater auf der Seidentapete. Eine Erektion, wie er erfreut feststellte, als er an sich hinabsah. Wohl wahr, man durfte erregt sein: Da, wo es galt, keine Zeit zu verlieren, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, zu verharren. Zwei Sekunden reglos das jeweilige Bild zu betrachten, die Augen darüber streifen zu lassen, ohne den Kopf zu bewegen. Und dann erst den geordneten Rückzug anzutreten. Jetzt war es hier, stand wie ein Geist, komplett in armdickes, schneeweißes Grand-Hotel-Badelaken-Premiumfrottee eingeschlagen, auf dem Sideboard. Keine acht Meter entfernt. Der Moment, es in Ruhe zu betrachten, war noch nicht da. Er wollte dazu allein sein.

Kurz darauf hatte es wieder an der Zimmertür geklopft, was den Baukran zum Sinken bewog, die Laune des Mannes am Fenster jedoch hob. Auf sein «Herein!» war wieder das Gleiten der Key Card im Schlitz zu hören gewesen und dann das unendlich vornehme Klingeling eines Zimmerservice-Servierwagens. Der nackte Mann am Fenster vertraute seinen Ohren und bot nur seine Rückseite zur Ansicht. Alles andere hätte unangemessen provokant gewirkt, aber so, vermutlich im künstlerisch wertvollen Halbschatten, Silhouette eines Jünglings im Efeuhain, genoss er die Blicke, die er auf seinem Rücken ahnte. Sie waren allein gekommen, das hörte er, ein Servierwagen und ein Wagenlenker. Nicht der Page von vorhin. Der hier raschelte anders. «Lassen Sie’s irgendwo stehen und nehmen Sie sich eine der beiden Münzen auf dem Tischchen, ja? Danke, adieu.» Nach ein paar Sekunden wieder das grundsolide Schnapp der Tür. Der Mann am Fenster drehte sich zum Zimmer um, wobei die raue Haut seiner Ellbogen die nackte Haut seiner Hüfte striff. Wunderbar: eine Flasche Mittelklasse-Weinbrand, Pfefferminzlikör – leider nicht die Marke, die er hatte haben wollen – und einer der besten Single Malts, die er kannte (einer von der medizinischen Sorte, einer mit dem strengen Ton von Halsauspinseln und Salbeitee). Er eilte zu dem Servierwagen, warf nebenbei einen Blick auf das zerwühlte Bett, begann, nur eins der beiden mitgelieferten Gläser zu befüllen. Die ungewohnte Marke Pfefferminzlikör sorgte für eine stärkere Trübung als sonst und erzeugte einen Farbschlag, den man ohne Übertreibung widerwärtig nennen konnte. Aber es schmeckte himmlisch. Er hatte sich ein großes Glas eingeschenkt und nahm wieder seinen Platz am halbgeöffneten Fenster ein. Die kühle Luft von draußen bauschte den Voile der Gardine und beeinflusste die Ausrichtung des kleinen Baukrans. Oben im Haus, aber jetzt bereits an anderen Positionen als vorher, hörte er das vertraute Brummen der Hotelstaubsauger.

Acht hatten sie gehabt, acht Staubsauger und acht Zimmermädchen, für jede Etage eins. Dazu zwei Tennisplätze und eine Panoramaaussicht auf acht Kilometer hellen Sand. Das erste Haus am Platze! Das Hotel am Meer. Jedes Jahr drei Wochen. Die letzte im Juli und dann bis Mitte August. «Die Sonne sticht dann nicht mehr so», pflegte seine Mutter zu sagen. Sie musste es wissen. In den Ferien, der einzigen Zeit des Jahres, die er mit seinen Eltern verbrachte, war seine Mutter jeden Tag am Strand gewesen. Sie residierte ausnahmslos im Schatten zweier mit Bedacht aufgestellter großer Sonnenschirme und blätterte in Illustrierten. Diese Konstruktion belebte den Ort enorm. Die Angewohnheit der Sonne, auch Ende Juli/​Anfang August ihre Position zu verändern, zog die Notwendigkeit nach sich, dass regelmäßig französelnde Hotelpagen erschienen, um die beiden schattenspendenden Schirme dem anzupassen. Seine Mutter, hatte er festgestellt, genoss den stündlichen Auftritt der Pagen außerordentlich, da sie wusste, dass die neugierigen Augen der Jungen in den Operettenuniformen ihren großen, reifen, aber beileibe noch nicht welken Körper betrachteten. Sie schloss dann die Augen, es war, als spürte sie die unruhigen Blicke der Fünfzehnjährigen auf ihrem Körper herumwandern wie rastlose Insekten. Den Nacken hinauf bis in die feuchten Kringel am Ansatz. Den Bogen der Korallenkette hinab in die verschatteten Täler des Strandkleides. Übers Grübchen am Knie kitzelten die Blicke und an den Innenseiten der Schenkel entlang. Beiläufig nur. Natürlich nur beiläufig. Dienstbeflissen nur. Darauf bedacht, die Getränkebestellung der Dame aus Zimmer 28 aufzunehmen. Er wusste es jetzt und hatte es damals geahnt, wie sehr sie sich wünschte, das Gesehene würde nachts in den verschachtelten Dachkammern der Pagen wieder aufleben – sie würde dort leibhaftig wiederauferstehen. Er selbst erinnerte sich an seine Mutter nur in drei Zuständen. Ruhig unter ihren beiden Schirmen, umgeben von irgendwelchen Illustrierten. Ruhig unter ihren beiden Schirmen, aber umgeben von mindestens zwei, oft vier Halbwüchsigen in Uniformen mit Goldtressen und schief sitzenden Käppis, die an den Schirmen drehten und Gläser forträumten und sich verbeugten und dankbar kleine Münzen in warmen Händen verschwinden ließen. Und unruhig an den wenigen Tagen, an denen die Schirme dem Wind und manchmal auch dem Regen weichen mussten: Dann blieb sie allein am Meer. Wie eine Rachegöttin wandelte sie dann umher, seltsam verloren, wo andere mit beiden Händen die Hutkrempen festhielten und sich tapfer gegen den Wind stemmten, da wandelte sie. Zehn Schritte hinauf und zehn Schritte hinunter. An derselben Stelle, an der sonst die Schirme in den Sand gerammt wurden. Unruhig und stundenlang, als erwarte sie die Rückkehr ganzer Kriegsflotten an dieser Stelle des Strandes. Es kam vor, dass frische Hotelgäste oder alleinstehende Herren mit Entdeckerdrang seine Mutter ansprachen, weil sie vermuteten, sie habe an dieser Stelle etwas verloren, einen Ohrring oder einen kleinen Hund oder einen kleinen Jungen.

Den Mann im Hotelzimmer juckte es am Knie. Er kratzte sich. Wie der Vater sich unterhalb der Schläfe gekratzt hatte im Hotel am Meer. Nach dem Frühstück hatte sich der Vater an jedem Tag mit seiner schweren Aktentasche in ein sogenanntes Geschäftszimmer seitlich der Halle zurückgezogen und gerechnet. Er bekam die Post hierher ans Meer nachgeschickt, die sichtete er und las sie, und dann rechnete er Einnahmen gegen Ausgaben. Nach dem Mittagessen, das man gemeinsam am immer gleichen Tisch einnahm, saß der Vater wieder im Geschäftszimmer, sah aufs Meer hinaus und zu seiner Frau. Während der Berechnungs- und Planungsphasen seines Vaters trug man Getränke ins Geschäftszimmer und leere Gläser wieder heraus. Eines Tages trug man den Vater heraus. Er war bei seinen Berechnungen auf etwas gestoßen, vermutete man, das seinen Planungen widersprach. Man trug ihn in die Hotelhalle und presste Strandlaken auf das kleine Loch, das er sich in den Kopf geschossen hatte. Vergebens. Nach dem Tod des Vaters waren sie nur noch einmal hierher ins Hotel am Meer gefahren. Wieder in der letzten Juliwoche. «Die Sonne sticht dann nicht mehr so», hatte die Mutter gemeint. Man sah sie nun nicht mehr am Strand, nun ging sie ins Geschäftszimmer. Was sie einnahm, stammte ausnahmslos aus kleinen braunen Schraubgläsern. Zu viel sei es gewesen, hatte der Kurarzt später zu ihm gesagt. Sie war ans Meer gefahren, um zu sterben, vermutete er heute. Er selbst hatte von alldem nicht viel mitbekommen, war wie immer am Wasser entlanggelaufen, war geschwommen und hatte versucht, sich mit einer Möwe anzufreunden. Was nicht gelungen war.

Seit dem Tod der Mutter war er auch in den milden drei Ferienwochen von Ende Juli bis Mitte August, in denen die Sonne nicht mehr so stach, im Internat geblieben. Er bemühte sich, diese Zeit zu genießen. Dort, wo sonst fünfundzwanzig schliefen, schlief nun er allein. Lag oft stundenlang unterm Bett und hörte den Mäusen zu, die im Dachstuhl wohnten. Es konnte nicht schaden, sich auf die Strafen von morgen vorzubereiten, fand er.

Zwanzig Minuten später. Der nackte Mann am Fenster war bei seinem zweiten Drink und damit beschäftigt, seine Gedanken in die Gegenwart zurückzurudern. Die Staubsauger wanderten durch das große Gebäude wie weidende Tiere. Das Wasserrauschen nebenan – er hatte nicht gehört, wann es begonnen hatte – riss ab. Nackte Haut quietschte auf dem Email der Duschwanne. Eine unterschwellige Passion für Geld hatte er von seinem Vater geerbt. Unregelmäßige Sommersprossenkolonien, ein Talent zur Exhibition und eine Affinität zu Hotelpersonal von seiner Mutter, dachte er, während man sich im Bad abrubbelte. Mit den kleinen Handtüchern vermutlich, die beiden größten verbargen immer noch das Gemälde auf dem Sideboard. «Darf ich Ihr Cologne benutzen?», rief es von drinnen. Ohne eine Antwort abzuwarten, hörte er zwei Piffs, dann erschien sie im Zimmer, rosig vom warmen Wasser und wahrscheinlich von Natur aus. Die dunkelroten Flecken unterhalb ihrer Kniescheiben versetzten den Baukran in Bewegung, er warf sich den Morgenmantel über und ihr eine Kusshand zu. Sie schlüpfte zielgerichtet in ihre Kleider, nippte zwischendurch an seinem Drink. Fand ihn «grässlich». Die Klingen klirrten leise, als sie ihren breiten Gürtel wieder umschnallte: ein Office-Messer, ein breites Fleischmesser und ein ganz kurzes mit spitzer, gebogener Klinge. «Zum Gemüseputzen», hatte sie ihm erklärt, als er des Bildes wegen sicherheitshalber den Personalaufzug genommen hatte, wo er auf sie gestoßen war. Zwischen ihnen hatte sich ein so angeregtes Gespräch entwickelt, dass seine linke Stiefelette kurz darauf auf dem Tisch stand und sie rote Flecken an beiden Knien hatte. Sie war jetzt fertig. Strahlend weiß, gestärkt und freundlich. Sah genauso aus wie vor zwei Stunden im Aufzug. Nur ihre kurzen Haare waren jetzt feuchter. Sie strahlte ihn an, gab ihm einen eiligen Kuss, war schon an der Tür und spähte durch einen Schlitz hinaus auf den Flur. «Wenn Sie wollen, nehmen Sie sich die Münze, die auf dem Tischchen liegt, ja? Danke, adieu.» Sie wollte, war damit schon draußen auf dem Flur, steckte den Kopf noch einmal herein: «Und Sie sagen mir wirklich nicht, was da drunter ist?», fragte sie, mit dem Kopf auf das backblechgroße, flache Ding hinter Flauschfrottee zeigend. «Eine Fälschung, wie ich gesagt habe», wiederholte er, was er tatsächlich schon gesagt hatte, als sie ins Zimmer gekommen waren. Sie zog einen Flunsch wie eine schlechte Schauspielerin, die «kokette Enttäuschung» präsentiert. Dann: solides Schnapp. Sie war fort. Der Lüfter im Bad stellte sich drei Sekunden später automatisch ab. Jetzt – endlich – waren sie allein.

Er war ein rätselhafter Vogel. Auch deshalb mochte er ihn und nahm ihn überallhin mit. Obwohl es das Reisen erschwerte und ihn auffälliger machte. Was er an dem Vogel so schätzte, war dessen Diskretion. Seit er mit der Sousköchin – deren Namen er schon wieder vergessen hatte, seinen hatte er gar nicht erst genannt – das Zimmer betreten hatte, und die ganze Zeit des anschließenden sous und au-dessus hatte der Vogel regungslos auf der großen Lampe gesessen, als gehörte er zur Dekoration. Lediglich die Räude seines Gefieders, deren Ursache selbst Koryphäen ein Rätsel war, hätte den genauen Beobachter auf den Gedanken bringen können, dass dieser weiße Kakadu auf der Lampe ein Lebewesen war. Ein unregelmäßig befiedertes, allerdings mit Vernunft begabtes Wesen, das nun, nach dem dritten Sonortürschnappen, augenblicklich die Augen öffnete und die Flügel spreizte. «Also los, Nathan, bitte!», sagte der Mann und streifte seinen Morgenmantel ab. Der Vogel flatterte wie ein misstrauischer Nestling, dem der Gebrauch der Dinger auf seinem Rücken nur in der Theorie vertraut ist, und hob ab. Wegen seiner langen Reglosigkeit und der Befiederungsmisere brauchte es drei volle Platzrunden, bis man Nathans Flugbild als ebenmäßig bezeichnen konnte. Bei seinem nächsten Anflug schoss der Kakadu steil auf das Gemälde hinab, griff mit beiden Krallen fest zu und nahm das schwere Frottee, taumelnd aber souverän, mit sich fort. Öl auf Leinwand, vierzig auf sechzig Zentimeter, ein vorwiegend beigebraunes Landschaftsmotiv mit dem treffenden Titel «Mühle am Bach neben Weiden», entstanden etwa 1675.

«Mühle am Bach neben Weiden» zeigte tatsächlich nichts außer einer Mühle am Bach neben Weiden. Das Besondere an diesem Bild, das jeden Betrachter mit einer gewissen Offenheit empfing: Es war vierhundert Jahre lang eine Fälschung gewesen. Man hatte es dem jüngeren der drei Buitersen-Brüder zugeschrieben, es als solches auf etwa 750000 taxiert. Bis in einem Kurator, in dessen Hände es leihweise gegeben worden war, das Misstrauen keimte und er einen renommierten Kreis für die Fachgebiete Landschaft, Niederlande und Beigebraun zu Rate zog. Das dunkle Braun, wie nasser Torf, fast ein Schwarz, besonders im Schatten unter den kleinen Bäumen und im weiteren kraftvoll gezackten Verlauf des Baches, all das war anders als bei allen Buitersens. Dass da kollektiv Witterung aufgenommen worden war, brachte Gelder zum Fließen, die eine gründliche Analyse des Gemäldes ermöglichten. Das Ergebnis von Neu- und Umdeutungen, von Durchleuchtungen spektraler und mentaler Art war so eindeutig, wie es bei einem so alten Ding nur sein konnte: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelte es sich bei «Mühle am Bach neben Weiden» nicht um einen Buitersen d. J. und auch um keinen anderen Buitersen. «Mühle am Bach neben Weiden» war ein echter Oumelkerke! Das hatte einen ordentlichen Rums in der Branche getan, wie zahlreiche mehrsprachige Artikel in Fachzeitschriften konstatierten und Direktor Sass, der Tausendsass, im Zirkel der Förderer seines kleinen feinen Hauses nicht müde wurde zu raunen. Clovis van de Oumelkerke, einer der großen spirituellen Seelendeuter, Schöpfer unzähliger Allegorien und zu Herzen gehender Menschenbilder, hatte klammheimlich Landschaft gemalt. Eine Sensation. Eine Wertsteigerung der unveränderten 2400Quadratzentimeter farbverkrusteter Leinwand auf das Zehnfache inkludierend. Gäbe es ein Walhall für die Großen unter den wirklich großen Malern aller Epochen, Clovis van de Oumelkerke wäre dort ein Zimmer reserviert, ganz gewiss. Und nicht bloß eine Dachkammer. Auch ohne «Mühle am Bach neben Weiden».

Der nackte Mann hatte sich, ohne seinen Blick von dem friedlichen Bild zu nehmen, einen dritten Drink gemixt. Er erhob das Glas. Fast vierhundert Jahre ein Buitersen. Ein paar Monate später in aller Munde. Heute früh Grund genug für eine geplatzte Pressekonferenz mit phantasievoller Buffetdekoration. Und nun wahrscheinlich der Grund für ein fest verankertes Trauma in einem für lange Zeit vom Wahnsinn umnebelten Museumsdirektor.

In Kairo vorletztes Jahr war es ein nicht zu leugnender Nervenkitzel, als er danach das dortige Objekt zwei volle Tage gegen den hoteleigenen Kunstdruck an der Wand seines Zimmers getauscht hatte. Noch jedes Mal hatte er danach etwas gefunden, was das nicht zur Routine werden ließ. Andere bezahlten an schlecht beleuchteten Orten viel Geld an sinistre Zeitgenossen, um so etwas zu fühlen. Er musste nur seinen Job machen. Und sich etwas ausdenken. Der nackte Mann trank aus, verriegelte die Zimmertür von innen und begab sich dorthin, wo er ganz bei sich war: unters Bett. Hier lag er still lang ausgestreckt, genoss die Kühle des Bodens, das Beschirmende des massiven Aufbaus über sich. Es war ein Astor Integral, ein Qualitätsmöbel der gehobenen Hotellerie, alles andere hätte ihn auch verwundert.

Und da tauchte dieser Gedanke im Zimmer auf, ganz ohne General Key Card war der ins Zimmer gelangt und schob sich nun zu ihm unters Bett: Wäre es nicht aufregend, das angezahlte Honorar zurückzugeben und – dieses Bild zu behalten?

Krokant war das Kind von Krokodil und Samarkand. Krokant klang schon besonders! Und es schmeckte ganz besonders besonders. Der Krokantbecher im Cortina war Peter Sputniks Heimat, zumindest ein Teil davon und nicht der schlechtere. Das Cortina war neben seinem Bus und seinem Bett einer der wenigen Orte, die er nicht missen mochte. Er war gern hier. Und, wie in seinem Bus und seinem Bett, war er deshalb regelmäßig hier. Täglich. Allabendlich. Anderen mochte sein Tagesablauf einförmig und wenig abwechslungsreich erscheinen, ihm war er das Nest. Abends zwischen sechs und sieben ein Butterbrot geschmiert, dann die Tagesjacke gegen die Abendjacke gewechselt und nochmal raus. Nochmal den Wind um die Nase wehen lassen! Tags kam der Wind nur bis zur Windschutzscheibe in seine Nähe, weswegen sie so hieß. Nun, wenn es dämmerte und sich die grauen Knäuel am Himmel schläfrig zusammenschoben, wollte er den Wind. Er hatte deshalb seine Windjacke an. Die Abendjacke war das gleiche Modell wie die Tagesjacke, nur in einer anderen Farbe. Er hatte beide zusammen gekauft. Beide Jacken waren also exakt gleich alt und durch regelmäßiges Wechseln ihrer Bestimmungen von Tag auf Abend und umgekehrt achtete Peter Sputnik darauf, dass der Grad ihrer Abnutzung annähernd gleich war. Die derzeitige Tagesjacke war schokoladenbraun. Die, die er jetzt als Abendjacke trug, war luftmatratzenblau. Die Jacken hatten beide kontrastfarbige, gestreifte Elastikbündchen am Saum, am Kragen und an beiden Ärmelenden. Die schob Peter Sputnik nun hoch bis kurz vor die Ellbogen. Dann guckte er wie der Mann aus der Lotteriewerbung, rieb beide Handflächen ganz schnell aneinander, dass ein hohes, schabendes Geräusch entstand und die Hände innen ganz warm wurden, und lehnte sich auf seinem Barhocker – schließlich war das Cortina eine Sportbar und kein einfaches, simpel bestuhltes Eiscafé wie das Venezia in Agathendorf – zurück. Damit Platz war. Für den rechten Arm von Frollein Gitti, die seinen Krokantbecher brachte. Er liebte alles daran. Er liebte das schnelle Klackklack ihrer Absätze auf den hellen Steinfliesen. Er liebte das Rascheln ihrer Kittelschürze, wenn sie die Schulter vorschob, um den Coppa exakt so vor Peter hinzustellen, dass das Zeichen des Cortina, das reich und schwungvoll verzierte C, zu ihm zeigte, das man hier auf den Servietten und den blitzblanken Schaufensterscheiben, der Preistabelle über der Eistheke und auf den Bechern und Gläsern hatte. «Prächtig!» – «Una coppa croccante. Alla salute!» Wie sie das sagte, was immer das heißen mochte… Sie sagte es jedes Mal leicht anders, nie gleich, nie wie eine schöne Eisbecherbringmaschine, immer wie eine schöne Frau. Er sah sie nicht an, lächelte still vor sich hin, betrachtete die Spitze des Coppa mit den vielen spiralförmig aufgestäubten Krokantsplittern darauf. Er lauschte ihren sich rasch entfernenden Absätzen. Wartete, bis sich die Härchen auf seinen Unterarmen wieder flach hingelegt hatten. Dann nahm er wie immer den langstieligen Löffel und berührte damit dreimal schnell hintereinander den Rand des Glasbechers. Das klang, als ob er eine Rede halten wollte. Wollte er aber nicht. Ihm war selten nach Reden zumute. Nachdem er so Löffel und Glas miteinander bekannt gemacht hatte, stach er die alleroberste Spitze des weichen Krokantspiralberges ab und ließ sie im Mund verschwinden. Er ließ das Eis im Mund schmelzen und hörte, wie seine Spucke und das Schmelzeis sich miteinander vermengten. Er versuchte sich daran zu erinnern, wann ihm klar geworden war, dass er das Frollein Gitti aus der «Eis- und Sportbar Cortina seit 1962» liebte. Irgendwann war er auf der Rückfahrt von Trautmannsfelde aufgeschreckt, weil er wie eine Marienerscheinung die schreiende Gitti vor sich sah, von Ärzten umstanden und von Schwestern betupft, wie sie ihr erstes Kind gebar. Da hatte er geschwitzt, und da war ihm klar geworden, dass es Liebe war. Dass Gitti eine hübsche Person war, das war ihm schon vorher aufgefallen. Sie roch so gut nach Seife und hatte das Haar immer so schön hochgesteckt. Er mochte ihr Rascheln und das Klackern ihrer Schuhe. Er dachte oft an sie. Er hatte sich vorgenommen, ihr demnächst zu sagen, dass er sie liebte und all das. Er fand, sie sollte das wissen. Vier schöne Minuten später hatte Peter Sputnik den Grund des Bechers erreicht. An Haltestellen sachte bremsen und in Eisdielen schnell sein, das war seine Natur. Vom Grund des Bechers lachte ihn rot und verheißungsvoll die Likörkirsche an, der Abschluss jedes Krokantbechers im Cortina. Und er wusste, wer sie dort unten verborgen hatte. Peter Sputnik zögerte den Moment, da er sie auf den Löffel nahm und am Innenrand des Coppa nach oben zog, noch etwas hinaus. Er wollte nicht, dass es schon zu Ende war. Er sah hinüber zur Eistheke, wo Frollein Gitti rasch und mit dieser bewundernswerten Präzision die kompliziertesten Bestellungen in knisternde, rot-weiß gestreifte Papierpakete verwandelte. Eins der Döbel-Kinder stand mit einem großen Zettel zappelnd vor der Glasscheibe mit den zwanzig bunten Eisfächern. Manche waren schon tief ausgeschürft, andere bereits wieder aufgefüllt worden. Gitti fuhr mit der Eiszange gerade in einen unversehrten Topf mit hellgrüner Eiscreme, die Peter nicht kannte, weil sie im Krokantbecher nicht vorkam. Er nahm die Kirsche mit spitzen Lippen von dem langstieligen Löffel herunter. Der zappelnde Döbel sah genau in diesem Augenblick zu ihm her. Sputnik und Döbel sahen sich an, und der Döbeljunge formte unbewusst Sputniks gespitzten Mund nach. Zwei Fische in der Nacht.

Als Frollein Gitti das sehr große, knisternde, rot-weiße Paket vor den Jungen auf das Dach der blitzenden Glastheke stellte, sah der Döbel wieder nach vorn und kramte in seiner Hosentasche hungrig nach dem Geld. Peter Sputnik schluckte die Kirsche unzerkaut herunter. Er spürte, wie sie in seinen Bauch rutschte. Er streifte sich die Elastikbündchen seiner Abendjacke wieder nach vorn bis zu den Handgelenken und dachte, während der Döbelbube, das große Paket auf beiden Armen, mit dem Hintern die Glastür mit dem (spiegelverkehrten) C darauf aufschob und im Dunkeln verschwand, an das Lied, das er in seiner Küche für das Frollein Gitti geschrieben hatte. Zum Zwecke der Inspiration hatte er immer wieder ein paar Töne auf seiner Melodika dazu angeblasen. Die Melodie war ihm dabei noch nicht ganz klar geworden, nichts hatte sich in den Vordergrund gedrängt, nichts war am nächsten Tag unverhofft wiedergekehrt, um sich nachdrücklich in Erinnerung zu rufen. Er würde noch daran arbeiten müssen… der Text immerhin kam ihm in den Sinn. Der Titel des Liedes lautete:

FROLLEIN GITTI UND DAS GEHEIMNIS DES KROKANTBECHERS

Das Lied ging so:

Ich schlendre durch die Straßen der großen Stadt.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Und suche einen Menschen, der was Besondres hat.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Ich betrachte die Gesichter, die so verschlossen und grau!

Doch im Grunde meines Herzens sehne ich mich – nach dieser Frau!

Sie heißt Gisela Schmitt und ist mir täglich nah.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Sie ist die Attraktion in meiner Lieblingsbar.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Sie ist die tollste Frau, die ich kenne!

Und sie bringt mir den Coppa, den leis ich ihr nenne!

Sie ist Gitti!! Frollein Gitti!!

Meines Herzens und Lebens Mitti!!

(Das schien ihm noch unfertig, übertrieben. Aber er mochte es trotzdem.)

Ich mag ihr Rascheln und liebe ihr Lächeln,

und ist sie mir nah, muss ich Luft mir zufächeln!

Sie ist Gitti!! Frollein Gitti!!

Meines Herzens und Lebens Mitti!!

Sie ist kein Mädchen, keine Mutti, keine Tante,

Nein, meine Gitti bringt mir immer – den Coppa Croccante!!

Sie ist Gitti!! Frollein Gitti!!

Meines Herzens und Lebens Mitti!!

Eis mit Krokant! Voll bis zum Rand!

Und unten drin, da findet, auch wer nicht danach sucht,

verheißungsvoll und feuerrot eine süße Frucht.

Gruß von Gitti!! Frollein Gitti!!

Meines Herzens und Lebens Mitti!!

Und irgendwann dann kommt der Tag, an dem ich mich trau:

Dann sing ich dieses Lied für diese tolle Frau!

Nur für Gitti!! Frollein Gitti!!

Meines Herzens und Lebens Mitti!!

Denn ohne sie ist’s nicht so schön, das hab ich längst erkannt,

drum halt ich an um ihre Hand und mache das charmant,

am besten tu ich’s morgen schon bei einem – Eis mit Krokant.

Ich schlendre durch die Straßen der großen Stadt.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Und denke an den Menschen, der was Besondres hat.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Ich seh lächelnd die Gesichter, die verschlossen und grau.

Dubi-du-dumm, dubi-du-dumm, dubi-du-dumm.

Denn in Gedanken bin ich nur bei dieser einen Frau!!

Dubi-du-dumm. Dubi-du-dumm. Dub-du-didumm.

Herrlich! Hei, das war seine Welt! Er war sagenhaft glücklich! Er sah, wie ihr Arm im Glaskasten der Eistheke hin- und hersauste und weitere Knisterpakete vorbereitete. Er hörte das Klappern der Blechformen hinten in der Eisküche beim Padrone. Er freute sich auf seine Tour morgen. Das Leben war schön!! Das Lied, das niemand außer ihm kannte, vor sich hin summend, stand er auf, schob den Stuhl an den Tisch und ging nach vorn zur Theke, um zu zahlen.