Tauchcomputer – Einblicke für Taucher und Tauchprofis - Wolfgang Wild - E-Book

Tauchcomputer – Einblicke für Taucher und Tauchprofis E-Book

Wolfgang Wild

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Beschreibung

Schon aus der Zeit der Tauchtabellen kennen wir die vollmundige Aussage: Unsere xyz-Tabelle ist konservativer als andere. Auch Tauchcomputer und Simulationsprogramme für PC und/oder Tablet machen diesen Anspruch geltend. Was wird damit suggeriert bzw. dem Taucher versprochen? Solchen Aussagen entgegen stehen nicht nur sog. "Produktrückrufe", die wir als Konsumenten fürchten und von denen auch Tauchcomputer nicht verschont sind. Deutliche Kritik gibt es auch an den Rechenmodellen diverser Tauchcomputer, was deren Validierung anbetrifft; soll heißen: Wurden diese bei echten Tauchgängen getestet – und falls ja, wie? In diesem eBook werden Tauchcomputer in Praxistests auf Schwachstellen untersucht, Eigenarten diverser Rechenmodelle ("Algorithmen") offengelegt, ohne den Leser mit Mathematik zu belästigen, und auch etwas Zukunftsmusik wird gespielt. Die Einschätzung des Autors lautet: heutige Tauchcomputer-Spielereien am Handgelenk des Tauchers haben keine Zukunft. Wer nicht sicher ist, auf die folgenden Fragen eine klare Antwort zu haben, sollte zu diesem eBook greifen: a. Was genau sind sog. "Tiefenstopps" und was spricht dafür/dagegen? b. Ist das Bühlmann ZH-L16C Modell tatsächlich von Bühlmann? c. Wienkes RGBM Modelle sind besser als das VPM Modell – oder nicht? d. Eine Aufstiegsgeschwindigkeit von 6 Metern pro Minute ist allemal besser als 18 Meter pro Minute – und leicht einzuhalten. Stimmt? e. Tauchcomputer sollten vor allem eins: Gelb sollten sie sein, gelb! Gelb? Autor Wolfgang Wild greift in diesem eBook auf seine langjährigen Erfahrungen zurück, die er beim Tauchen und in der Tauchausbildung weltweit gesammelt hat. Das eBook richtet sich an Taucher und Tauchprofis aller Tauchausbildungsorganisationen. Verfügbar für ipad, sony reader, kindle, iphone, kobo und in anderen Formaten.

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Copyright: © 2014 Wolfgang Wild

Verlag: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-9785-0

Das Buch darf - auch auszugsweise - nicht ohne schriftliche Genehmigung des Autors kopiert oder verbreitet werden.

Die Inhalte dieser Publikation wurden sorgfältig recherchiert, aber dennoch haftet der Autor nicht für die Folgen von Irrtümern, mit denen der vorliegende Text behaftet sein könnte.

 

Coverbild Gestaltung: propublishing

Cover Bild: innovasub.com, mit frdl. Genehmigung

 

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Einleitung

Was heißt beim Tauchen eigentlich „konservativ“?

Tauchtabellen – der BLOB-Effekt

Ein Beispiel für seriös entwickelte, validierte und dokumentierte Tauchtabellen – der Recreational Dive Planner (RDP)

Einige Gedanken zur Aufstiegsgeschwindigkeit

Exkurs – Wie kontrollieren Taucher ihre Aufstiegsgeschwindigkeit?

Sättigung, Halbsättigungszeiten und M-Wert

Halbsättigungszeit

M-Wert

Doppler-Sonographie und andere Möglichkeiten, um Gasblasen in unseren Geweben festzustellen

Zum heutigen Stand der Erkenntnisse, wie es zur Dekompressionskrankheit kommen kann

„Gewebe-Modell“ vs. „Blasen-Modell“

Gewebe-Modell / 1-Phasen-Modell

Blasen-Modell / 2-Phasen-Modell – erster Teil

Die Bühlmann Modelle ZH-L12 und ZH-L16

Gradientenfaktoren

Blasen-Modell / 2-Phasen-Modell – zweiter Teil

Der Angriff auf Bläschen in der Tiefe

Das VPM Modell

Das RGBM Modell

Tiefenstopps – Was ist das?

Welche Stopp-Tiefe ist die Richtige?

Was tun? BLOB ist für Taucher keine Alternative!

Tauchcomputer in der Praxis

Von der Tabelle zum Computer – das Multilevel-Tauchen

DAN – Vorläufige Auswertungen der DAN Datenbanken

Tauchcomputer 1994 – Ergebnisse eigener Praxistests

Tauchcomputer 2009 – Praxistest der Zeitschrift Diver

Tauchcomputer 2009 – Praxistest der Zeitschrift Scuba Diving

Praxistests in der Druckkammer – Catalina Hyperbaric Chamber (USA) 2011

Die Crux mit der Technik

Schlusskapitel und Ausblick

Anforderungen an die Validierung von Tauchcomputern

Zukunftsmusik – Alternativen zum traditionellen Tauchcomputer

Bibliografie und Internetlinks

Einleitung

Tauchcomputer –Computer?

Hier einige Rückrufe von Tauchcomputern von der Homepage der Consumer Product Safety Commission (CPSC), die in den USA für Verbraucherschutz zuständig ist:

    AERIS Epic – könnte zur Dekompressionskrankheit führen

    Atomic Aquatics Cobalt – könnte zu Verletzungen führen

    Dacor Darwin Air – könnte zu ernsten Verletzungen führen

    Hollis DG03 – könnte zum Ertrinken führen

    Mares Nemo Air – mögliche Gefahr des Ertrinkens

    Oceanic ATOM 2.0 – könnte zur Dekompressionskrankheit führen

    UWATEC Aladin Air X NitrOx – Dekompressionskrankheit möglich

Quelle: www.cpsc.gov

Diese Beispiele von Tauchcomputer-Rückrufen betreffen nicht nur verschiedene Hersteller, sondern auch unterschiedliche Rechenmodelle („Algorithmen“) und diverse technische Probleme unserer beliebten Tauchgangsbegleiter: Ein Display, das nichts mehr anzeigt, ein O-Ring, der die Luft nicht hält und daher zu falschen Rest-Atemgaszeiten führt, ein „Bug“ im Rechenprogramm, den der Hersteller kennt und dies erst sieben Jahre später vor einem US-Gericht zugibt, usw. usw. Dass solche „Produktrückrufe“ zuhauf erfolgen und keinesfalls auf Tauchcomputer begrenzt sind, dürfte dem Leser bekannt sein; ein Blick auf obige Homepage oder für das Heimatland einfach mal googlen ist ganz einfach erschreckend und für uns als Konsumenten nicht nur nervig, sondern im Grunde inakzeptabel. Wir wollen doch Spaß bei unseren Tauchgängen haben – oder? Und dafür ist doch die Sicherheit beim Tauchen die Voraussetzung – oder?

Vom mechanisch-pneumatischen 1-Gewebe (!) Dekometer im Jahre 1959 (USA) über die legendären EDGE (USA, 1983) und Decobrain (Schweiz, 1984) zu den heutigen Modellen, hat der Tauchcomputer einen langen Weg zurückgelegt –über ein halbes Jahrhundert.

Und die Forschungen zu dem, was wir Taucher als Dekompressionstheorie bezeichnen, sind noch ein gutes Stück älter. Nimmt man John Scott Haldane als den Vater aller Tauchtabellen im Jahre 1908, so sind es deutlich über einhundert Jahre.

Alle Tauchausbildungsorganisationen halten es nach wie vor für wichtig, dass der Taucher auf irgendeine Weise lernt, was es mit der Anreicherung unserer diversen Körpergewebe mit Gasen auf sich hat, die sich in der jeweiligen Atemgasmischung befinden, die der Taucher unter Wasser atmet – und welche Hilfsmittel ihm zur Verfügung stehen, um Probleme aufgrund dieser beim Tauchen immer erfolgenden Gasaufnahme möglichst zu vermeiden.

Einige Tauchausbildungsorganisationen gehen weiter den Weg über die Tauchtabelle, andere haben diese komplett abgeschafft und setzen voll auf den Tauchcomputer und entsprechende Simulationsprogramme.

Zur Beruhigung: In diesem eBook wird der Leser NICHT mit mathematischen Gleichungen der diversen Tauchcomputer-Rechenmodelle gequält (hierfür gibt es Fachliteratur, die zum Teil wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird). Anliegen dieses eBooks ist es vielmehr, interessierten Tauchern und Tauchprofis vertiefte Einblicke in die Hintergründe des Tauchcomputers zu geben. Hierzu zählt auch das Verstehen von Tauchtabellen und von Besonderheiten der Dekompressionsmodelle, die heutigen Tauchcomputern zugrunde liegen. Natürlich muss dabei der berühmt-berüchtigte BLOB-Effekt zur Sprache kommen – und dass auf die Themen Aufstiegsgeschwindigkeit, Aufstiegstechnik und Stopp-Tiefe eingegangen wird, ist unerlässlich.

Weil viele eBook-Lesegeräte Internetzugang haben, werden für etliche im Internet frei zugängliche Dokumente an den betreffenden Stellen im Text externe Links angeboten.

Ein kurzer Hinweis noch zu den Quellenangaben: Diese befinden sich in diesem eBook direkt im Text, damit dem Leser das mühselige Springen in die Bibliografie im Anhang und zurück erspart bleibt. Und weil fast alle Autoren, die sich fundiert mit der Thematik befassen, in Englisch publizieren, finden sich häufig im Text in aller Kürze auch die entsprechenden Originalzitate – als Service für Leser, die Englisch verstehen.

Der geschätzte Leser wird leicht feststellen, dass sich die behandelten Themen an alle Taucher und Tauchprofis aller Tauchausbildungsorganisationen richten.

Viel Spaß beim Schmökern auf iphone, sony reader, kindle, ipad, kobo, Tablets …

 

Was heißt beim Tauchen eigentlich „konservativ“?

Schon aus der Zeit der Tauchtabellen kennen wir die vollmundige Aussage: Unsere xyz-Tabelle ist konservativer als andere. Auch Tauchcomputer und Simulationsprogramme für PC und/oder Tablet machen diesen Anspruch geltend. Was wird damit suggeriert bzw. dem Taucher versprochen?

 

Tauchtabellen – der BLOB-Effekt

Eine früher in Tauchzeitschriften gleichermaßen populäre wie triviale Gegenüberstellung von Tauchtabellen sah etwa wie folgt aus:

Man nehme verschiedene Tabellen, trage ihre Nullzeitgrenzen in eine Grafik ein – und siehe da, die Tabelle mit den kürzesten Nullzeiten für bestimmte Tiefen wurde als „am sichersten“ betitelt, denn sie war ja offensichtlich am „konservativsten“.

Die in der nachfolgenden Grafik exemplarisch herangezogenen Tabellen für das Tauchen mit Pressluft sind:

Deko’92VDST / Max Hahn (1992)

Deko 2000VDST / Max Hahn (1992)

Uni ZürichDruckkammerlabor Universität Zürich (1986)

RDPRecreational Dive Planner, DSAT/PADI (1988)

NAUIbasierend auf der US Navy Tabelle (1995)

US Navyhier die mittels Doppler modifizierten Werte (2007)

 

 

[Hinweis für eBook-Leser, deren Lesegerät keine Farben anzeigt: Die oberste, gestrichelte Linie ist die der Deko '92 Tabelle, die unterste, gepunktete Linie ist die der US Navy Tabelle.]

Die Grafik zeigt uns die Tauchtabelle mit den konservativsten Werten – oder?

Nicht ganz. Ich vergaß eine weitere Tauchtabelle, mit noch kürzeren Nullzeiten bzw. Nullzeitgrenzen:

 

[Hinweis für eBook-Leser, deren Lesegerät keine Farben anzeigt: Die oberste durchgängige Linie zeigt den BLOB-Effekt.]

Der Leser wird sich mit Recht fragen: Von welcher Tauchtabelle stammen denn die Werte dieser Linie? Nun, ich muss gestehen, von keiner auf dem Markt erhältlichen Tauchtabelle. Aber sie ist schnell gemacht: Man nimmt dazu einen Stift, platziert oberhalb der zuvor „konservativsten“ Linie einige Punkte und verbindet diese. Und siehe da, schon haben wir eine sicherere, weil konservativere „Tauchtabelle“ generiert. (Mit EXCEL dauert so etwas nur ein paar Sekunden …)

Frage: Gibt es noch eine Steigerung dieses enorm ökonomischen Entwicklungsverfahrens?

Antwort: Ja. Das BLOBPrinzip –BLeibe OBen. Denn natürlich ist es für Taucher am sichersten, nicht tauchen zu gehen und zu Hause zu bleiben, dann erspart man sich das ganze Gerödele mit der Ausrüstung und die Unsicherheit, sich möglicherweise eine Dekompressionskrankheit einzufangen. Anmerkung: Wobei man auch zu Hause davor leider nicht sicher sein kann. Raymond Rogers hat darauf hingewiesen, dass eine unbeschränkte Nullzeitgrenze nur in einem Bruchteil von einem Fuß Tiefe („a fraction of a foot depth“) existiert: „Dies würde bedeuten, dass man, wenn man lange genug in einer halb mit Wasser gefüllten Badewanne liegt, beim Aufstehen von der Dekompressionskrankheit befallen wird!“ (Rogers, Raymond, Haldanes Erneuerung, The Undersea Journal, Drittes Quartal 1988, in: PADI Instructor Candidate Workbook 1991). Der Leser und enthusiastische Taucher wird verstehen, wie es gemeint ist (augenzwinkernde Smileys kommen im eBook leider nicht gut raus …).

Also: So geht das natürlich nicht mit dem Thema „konservative“ Nullzeiten. Wenn man schon die „Leistungsfähigkeit“ einer Tauchtabelle (und natürlich auch die eines Tauchcomputers) testen will und diese mit anderen Tauchtabellen oder Tauchcomputern vergleichen möchte, dann müsste man vom Entwickler (modern: Designer) der Tabelle resp. des Computers wissen, wie es denn zur Konzeption bzw. zum Design kam. Welche Parameter (außer Tiefe bzw. Druck und Zeit) sind eingeflossen – und vor allen Dingen: Wie wurde denn überprüft, ob ein Taucher, der damit taucht, sicher und gesund wieder nach Hause kommt – soll heißen: ohne die Dekompressionskrankheit zu erleiden (höchstwahrscheinlich, zumindest).

Hierzu gibt es leider eine unrühmliche „Tradition“ unter den Designern, die sich von den Tauchtabellen zu den Tauchcomputern fortgesetzt hat: Nur mit wenigen Ausnahmen erfährt der Taucher –nichts (oder nichts Genaues). Wie lautet hierfür die Sprachregelung in der Werbung und auch in den entsprechenden Bedienungsanleitungen: „modifiziertes Haldane-Modell“ oder „für Sporttaucher angepasste Werte der US-Navy Tabelle“ oder „auf RGBM Basis“, usw. Es kann zwar sein, dass ein Taucher, der die Nullzeitgrenzen einer bestimmten Tauchtabelle resp. eines Tauchcomputers einhält, ohne Probleme auftaucht und nach einer gewissen Oberflächenpause genauso sicher und gesund weitertaucht – es kann aber auch sein, dass er ohne weiteres noch etwas länger unter Wasser hätte bleiben können, und das ist es doch, warum wir tauchen gehen, oder? Kurz: Vielleicht hat der Taucher mit dieser Tabelle resp. diesem Tauchcomputer wunderschöne Zeit unter Wasser verschenkt, weil er zu früh aufgetaucht ist und deshalb den Walhai, Nautilus oder anderes begiertes Getier eben nicht gesehen hat. Und er hat kostbares Atemgas ebenfalls verschenkt, denn bekanntlich kosten Flaschenfüllungen gewöhnlich etwas.

Merke:

Schauen wir uns ergänzend noch an, wie weit die oben als Beispiel gewählten Tauchtabellen auseinander liegen, wenn man sie für einen Wiederholungstauchgang strapaziert.

•      Tauchgang 1 – Tiefe 18 m, Zeit 50 Minuten

•      OFP – 60 Minuten

•      Tauchgang 2 – Tiefe 18 m, maximale Nullzeit?

Als maximale Nullzeit für den zweiten Tauchgang auf 18 Meter erlauben die obigen Tabellen:

•      6 Minuten– Deko 2000 und US Navy (2007)

•      10 Minuten – Deko'92

•      24 Minuten – NAUI (1995)

•      34 Minuten– Druckkammerlabor Uni Zürich (1986) und RDP/DSAT (1988)

Die Schwankung bei den von den Tabellen erlaubten Nullzeitgrenzen beim zweiten Tauchgang beträgt zwischen 6 Minuten und 34 Minuten, mithin eine Differenz von 28 Minuten bzw. über 500%. Heißt das, dass die 6-Minuten-Tabellen etliche 100% „sicherer“ sind als die anderen und die ausgiebig validierte DSAT-Tabelle mit ihren 34 Minuten „unsicher“? Davon abgesehen, dass ein Steigern des Eigenschaftswortes „sicher“ grammatikalisch zwar möglich, inhaltlich jedoch unsinnig ist (sicher – sicherer – am sichersten? Nein – entweder sicher oder nicht sicher, grammatikalisch vergleichbar mit „schwanger“, zum Beispiel), lautet auch hier die Antwort wie zuvor: Kann sein, muss aber nicht sein. Und: Wer rödelt für läppische 6 Minuten nochmals auf und steigt ins Wasser? Zugegeben: es gibt überall „Süchtige“…

Dem Taucher ist mit einem reinen Vergleich von Tabellenwerten – und dies gilt gleichermaßen für Tauchcomputer –überhaupt nicht geholfen. Der Taucher müsste viel mehr über diese Werte wissen, insbesondere, wie sie denn zustande gekommen sind und wie sie getestet (d.h. validiert) wurden.

 

Ein Beispiel für seriös entwickelte, validierte und dokumentierte Tauchtabellen – der Recreational Dive Planner (RDP)

Aus Sicht des Tauchers gibt es an der Entwicklung und Validierung des Recreational Dive Planners (RDP) von DSAT eigentlich nichts zu mäkeln: Die mathematische Gleichung (der „Algorithmus“), nach der Sättigung und Entsättigung berechnet werden, wurde langwierig ausgetüftelt (Details bei Bedarf bitte in nachfolgend genannter Dokumentation nachlesen), dann erfolgten ausgiebige trockene „Testtauchgänge“ in der Druckkammer unter ärztlicher Aufsicht und Begleitung, und wenn es dabei unter Einsatz der Doppler-Sonographie zu hörbaren Stickstoffblasen kam, die ein zuvor definiertes Ausmaß (engl. „grade“) respektive Lautstärke überschritten, wurden Koeffizienten der mathematischen Gleichung angepasst. Erst dann kam der nächste, ultimative Schritt bei der Validierung des Modells: 228 echte „nasse“ Tauchgänge im Puget Sound nahe der kanadischen Grenze im Westen der USA, bei Seattle (ja, es ist frisch dort unter Wasser, im Sommer ca. 12 Grad Celsius, d.h. die erfolgten Testtauchgänge haben eher als anstrengend zu gelten). Die Testpersonen waren junge und alte Taucher, Männlein/Weiblein, wenig/viel Taucherfahrung, viel Biopren/athletisch/hager, also ein guter Durchschnitt. Die Tauchgänge erfolgten über mehrere Tage, Multilevel-Tauchgänge und Wiederholungs-Multilevel-Tauchgänge inbegriffen. Nach ihrem Tauchgang wurden die Testpersonen mittels Doppler auf hörbare Stickstoffblasen überprüft, und erst nachdem keinerlei Probleme mehr zu verzeichnen waren, wurde der Algorithmus, der von Diving Science & Technology (DSAT) entwickelt wurde, freigegeben.

„Beim Testen der DSAT-Tabelle kam es nicht zu Caissonkrankheiten, und Dopplertests zeigten extrem niedrige Blasenwerte (Grad 0-2) – viel geringer als die Werte, die normalerweise mit dem Auftreten der Caissonkrankheit in Verbindung gebracht werden.“ („Grad“-Einteilung in vier Grade gem. Merrill Spencer, 1974; siehe Richardson, Drew, Fragen und Antworten zum Recreational Dive Planner, zu DSAT und zur Tauchtabellenforschung, The Undersea Journal, Drittes Quartal 1988, in: PADI Instructor Candidate Workbook 1991)

Insgesamt wurden 911 Testtauchgänge durchgeführt und evaluiert (Druckkammer und Freiwasser). Die Validierung erfolgte extern, das heißt: nicht durch DSAT selbst, sondern unter Leitung von Dr. Michael Powell am Institute of Applied Physiology and Medicine (IAPM) in Seattle, USA. Die gesamte Abschlussdokumentation - Development of no-stop decompression procedures for recreational diving: The DSAT Recreational Dive Planner (1994) - findet sich zum Herunterladen im Internet hier (für Leser, die im Englischen sattelfest sind); eine Vorabversion erschien bereits Ende 1987 unter dem Titel: Recreational Dive Planning … The Next Generation – New Frontiers in Hyperbaric Research, Santa Ana, California (USA).

Das folgende Bild aus der DSAT Dokumentation zeigt eine Taucherin in der Druckkammer nach ihrem „Testtauchgang“ am Rudergerät, um möglichst viele Stickstoffbläschen aus irgendwelchen Nischen in Körpergeweben herauszuagitieren. Erst danach wurde gedopplert, wobei die Testpersonen auch noch Kniebeugen machen durften.

Ohne dies zu tief auszuführen (alles ist ausführlich nachlesbar), hier nur noch stichpunktartig ein paar Details, die den Leser besonders interessieren dürften:

•   Da die Entwicklung der mathematischen Gleichung (Algorithmus) von der Tauchausbildungsorganisation PADI finanziell gesponsert wurde, hatte PADI sich das Exklusivrecht für einen darauf basierenden „Tauchgang-Planer für Sporttaucher“ gesichert und als Recreational Dive Planner (RDP) auf den Markt gebracht (im Jahre 1988). Damit hatten Sporttaucher zum ersten Mal eine Tauchtabelle, die Sporttaucher nicht mit zu kurzen Nullzeiten und Nullzeitgrenzen bestraft, denn die US Navy Tabelle war bekanntlich überhaupt nicht für Sporttaucher gedacht (und für TaucherINNEN schon gar nicht). Andere Tabellen gingen lieber „auf Nummer sicher“ und verkürzten ihre (wie auch immer zustande gekommenen) Nullzeiten; der BLOB-Effekt lässt grüßen …

•   Weil DSAT den Algorithmus freigegeben hatte, griffen etliche kluge (weil auf diese Weise u.a. Entwicklungskosten sparende) Tauchprodukte-Hersteller gleich zu, ließen sich gemeinsam einen Chip bzw. Mikroprozessor fertigen und montierten diesen in ihre Tauchcomputer. In den USA waren dies, nach Kenntnis des Autors, Dacor, Oceanic, Sherwood, US Divers (wenngleich auch nicht bei allen Tauchcomputer-Varianten dieser Hersteller). Damit hatten sie einen Tauchcomputer, der Sättigung und Entsättigung anhand einer validierten mathematischen Gleichung berechnete. [Auf andere Probleme von Tauchcomputern wird später eingegangen.]

•   Im RDP kommen 14 Kompartimente zum Zuge (5 – 10 – 20 – 30 – 40 – 60 – 80 – 100 – 120 – 160 – 200 – 240 – 360 und 480 Minuten – zum Begriff „Kompartiment“ siehe weiter unten). Als „Kontrollgewebe“ (engl. „controlling tissue“) wurde schließlich das 60-Minuten-Kompartiment gewählt. Zum „Kontrollgewebe“ noch einige Ausführungen, die Tauchprofis wahrscheinlich bekannt sind und insofern von diesen überlesen werden können: Alle Tauchtabellen und Tauchcomputer, deren Designmerkmal ein sog. „Gewebe-Modell“ ist (siehe weiter unten), verwenden ein spezifisches Kontrollgewebe, worunter dasjenige theoretische