Terror. Königs Erläuterungen. - Thomas Möbius - E-Book

Terror. Königs Erläuterungen. E-Book

Thomas Möbius

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Beschreibung

Königs Erläuterung zu Ferdinand von Schirach: Terror - Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben. In einem Band bieten dir die neuen Königs Erläuterungen alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst. Das spart dir lästiges Recherchieren und kostet weniger Zeit zur Vorbereitung. Alle wichtigen Infos zur Interpretation. - von der ausführlichen Inhaltsangabe über Aufbau, Personenkonstellation, Stil und Sprache bis zu Interpretationsansätzen - plus 4 Abituraufgaben mit Musterlösungen und 2 weitere zum kostenlosen Download ... sowohl kurz als auch ausführlich. - Die Schnellübersicht fasst alle wesentlichen Infos zu Werk und Autor und Analyse zusammen. - Die Kapitelzusammenfassungen zeigen dir das Wichtigste eines Kapitels im Überblick - ideal auch zum Wiederholen. ... und klar strukturiert. - Ein zweifarbiges Layout hilft dir Wesentliches einfacher und schneller zu erfassen. - Die Randspalte mit Schlüsselbegriffen ermöglichen dir eine bessere Orientierung. - Klar strukturierte Schaubilder verdeutlichen dir wichtige Sachverhalte auf einen Blick. ... mit vielen zusätzlichen Infos zum kostenlosen Download.

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Seitenzahl: 152

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN

Band 331

Textanalyse und Interpretation zu

Ferdinand von Schirach

TERROR

Thomas Möbius

Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen

Zitierte Ausgaben: Schirach, Ferdinand von: Terror. Ein Theaterstück und eine Rede. München: btb, 2016.

Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. phil. habil. Thomas Möbius, Studium Germanistik/ev. Theologie/Philosophie, Studienrat an einem Gymnasium in Mannheim und an der German European School in Singapur, Akademischer Oberrat an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, nach Professuren in Freiburg, Osnabrück, Greifswald und Aachen, Professor für Germanistische Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.

1. Auflage 2017

ISBN 978-3-8044-7034-7

© 2017 by Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Eurofighter © ullstein bild – Niering

Hinweise zur Bedienung

Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.

Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).

Verknüpfungen zu Textstellen innerhalb des Textes (Querverweise) Querverweise, z. B. „s. S. 26 f.“, können durch Tippen auf den Verweis aufgerufen werden. Verwenden Sie die „Zurück“-Funktion Ihres ePub-Readers, um wieder zum Ursprung des Querverweises zu gelangen.

Verknüpfungen zu den Online-Aufgaben Im Abschnitt 6 „Prüfungsaufgaben“ finden Sie einen Hinweis zu zwei kostenlosen zusätzlichen Aufgaben. Diese Aufgaben können über die Webseite des Verlages aufgerufen werden. Tippen Sie auf die Verknüpfung und Sie werden direkt zu den Online-Aufgaben geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt.

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INHALT

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

2. Ferdinand von Schirach: Leben und Werk

2.1 Biografie

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

3. Textanalyse und -Interpretation

3.1 Entstehung und Quellen

3.2 Inhaltsangabe

3.3 Aufbau

3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken

Personenkonstellation

Charakteristiken der Hauptfiguren

Angeklagter Lars Koch

Verteidiger Biegler

Staatsanwältin Nelson

Vorsitzender

Zeuge Christian Lauterbach

Zeugin und Nebenklägerin Franziska Meiser

Schöffen

3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen

3.6 Stil und Sprache

Wortwahl, Stil und Sprache

Argumentative Struktur

Das Verhör durch die Staatsanwältin

Begründungen für die jeweiligen Urteile

3.7 Interpretationsansätze

Terror als Kriminalstück

Terror als ethisch-politisches Drama

Utilitaristisches vs. gesinnungsethisches Prinzip

Der „Daschner-Fall“

Dilemma-Situationen

4. Rezeptionsgeschichte

5. Materialien

Definition „Kriminalroman“

Auszug aus dem Grundgesetz

Auszug aus dem Luftsicherheitsgesetz

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz

Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft

Jeremy Bentham: Über das Prinzip der Nützlichkeit

Max Weber: „Gesinnungsethik“versus „Verantwortungsethik“

Albert Schweitzer: Leben als solches ist stets heilig

John Rawls: Eine Vertragstheorie der Gerechtigkeit

Ferdinand von Schirach: Die Würde ist unsere Antwort

6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen

Aufgabe 1 *

Aufgabe 2 *

Aufgabe 3 *

Aufgabe 4 ***

Literatur

Zitierte Ausgabe

Gebundene Ausgabe

Weitere Quellen

Sekundärliteratur

Interviews, Rezensionen, weitere Online-Quellen

Internet-Adressen (Stand Oktober 2016)

Verfilmung

1.Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, hier eine Übersicht:

Im zweiten Kapitel werden das Leben Ferdinand von Schirachs und der zeitgeschichtliche Hintergrund beschrieben:

Ferdinand von Schirach wurde 1964 in München geboren. Er studierte Rechtswissenschaft in Bonn, absolvierte 1994 das Zweite Juristische Staatsexamen und ließ sich als Strafverteidiger in Berlin nieder. Sein erster Erzählband Verbrechen erschien 2009. Seither ist er literarisch äußerst produktiv.

Die Zeit war politisch geprägt durch die Nachwirkungen des Anschlags auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 und den darauffolgenden „Kampf gegen den Terror“, der sich innenpolitisch vor allem durch zunehmende staatliche Überwachung und verschärfte Sicherheitsgesetze bemerkbar machte. Daneben führte die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche zu einer immer stärkeren Verwischung der Grenze zwischen privatem und öffentlichem Bereich.

Das Drama Terror wurde 2015 uraufgeführt und veröffentlicht. Es zählt im weitesten Sinne zum Genre der Kriminalliteratur, es ist ein „Gerichtsdrama“ („courtroom-drama“) und weist motivgeschichtliche Parallelen zu anderen Werken desselben Genres auf.

Im dritten Kapitel bieten wir eine Textanalyse und Interpretation.

Entstehung und Quellen:

Thematisch entstand Terror im zeitgenössischen Kontext der zunehmenden islamistischen Terrorgefahr in Europa; nach den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahre 2001 nahm die terroristische Bedrohung in allen Ländern der Erde zu, es kam zu einer Fülle von Anschlägen, die zum Teil auch auf europäische Ziele gerichtet waren: Am 24. 05. 2014 ereignete sich ein Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel mit vier Toten (vgl. die Tabellen auf S. 20 ff. dieser Erläuterung), am 07. 01. 2015 erfolgte ein Anschlag auf die Pariser Zeitschrift „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt, bei dem 15 Menschen starben, am 21. 08. 2015 gab es einen Anschlagsversuch im Thalys-Zug 9364 von Amsterdam nach Paris, der vereitelt werden konnte, am 13. 11. 2015 kam es zu einer Anschlagsserie in Paris mit mindestens 132 Toten und 350 Verletzten, am 18. 07. 2016 kam es zum ersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland in einem Zug bei Würzburg; die Liste ließe sich problemlos fortsetzen. Das Drama Terror wurde 2015 veröffentlicht, die Doppel-Uraufführung fand am 03. 10. 2015 am Deutschen Theater in Berlin sowie am Schauspiel in Frankfurt am Main statt. In den Spielzeiten 2015/2016 und 2016/2017 steht das Drama auf über 55 Bühnen im In- und Ausland auf dem Spielplan.

Inhalt:

Der Pilot eines Bundeswehr-Kampfjets schießt befehlswidrig eine Passagiermaschine mit 164 Menschen an Bord ab, die von einem Terroristen gekapert worden ist und sich im Anflug auf die Allianz-Arena in München mit 70 000 potenziellen Opfern befindet. Vor Gericht geht es um die Frage, ob der Bundeswehr-Pilot für den Mord schuldig gesprochen werden kann. Der Verteidiger beruft sich auf eine Abwägungsentscheidung, immerhin habe der Pilot mit seiner Handlung vielen Tausend Menschen das Leben gerettet. Die Anklage wirft dem Piloten Befehlsmissachtung vor, vor allem habe er die Menschenwürde missachtet, da er durch seine Gegenrechnung von Menschenleben die Passagiere instrumentalisiert habe, die aber nichtsdestotrotz genauso ein Recht auf Leben haben wie alle anderen. Am Ende des Stückes soll das Publikum die Entscheidung – Verurteilung oder Freispruch – treffen.

Chronologie und Schauplätze:

Das Drama spielt in der Gegenwart, Handlungsort ist Berlin, Deutschland, es werden die Orte Oberappersdorf (Ort des Abschusses), München (Allianz-Arena) und Uedem (NATO-Gefechtsstand und Nationales Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum) genannt.

Die Gerichtsverhandlung selbst ist undatiert. Da der Angeklagte aber bereits seit sieben Monaten in Untersuchungshaft ist (vgl. S. 19) und der Abschuss am 26. Mai 2013 „des vergangenen Jahres“ (S. 26) stattfand, lässt sich der Januar 2014 als Datum der fiktiven Verhandlung annehmen. Die Ereignisse vom 26. Mai werden in Rückblicken aus verschiedenen Perspektiven rekonstruiert.

Personen:

Die Hauptpersonen sind:

Angeklagter Lars Koch:

31 Jahre alt, Major der Luftwaffe

verheiratet, hat einen zweijährigen Sohn

schießt die entführte Passagiermaschine mit 164 Menschen an Bord ab, da er mit der Tat 70 000 potenzielle Opfer des geplanten Terroranschlages in der Münchner Allianz-Arena retten will

Verteidiger Biegler:

erfüllt die Rolle des Strafverteidigers,  schützt ggf. seinen Mandanten, hält Plädoyer

provoziert zuweilen den Vorsitzenden

Staatsanwältin Nelson:

erfüllt die Rolle der Anklägerin, nimmt Angeklagten geschickt ins Kreuzverhör, um seine Schuld zu beweisen, hält Plädoyer

argumentiert beim Verhör so, dass der Zeuge/Angeklagte in eine argumentative Sackgasse gerät

Vorsitzender:

leitet das Verfahren, führt Zeugenvernehmungen durch, verkündet das Urteil

stellt Verbindung zum Publikum her

Zeuge Christian Lauterbach:

Duty Controller (Stabsoffizier der Luftwaffe) im Nationalen Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum

kann präzise und rational den Hergang der Ereignisse am Abschusstag berichten

Zeugin und Nebenklägerin Franziska Meiser:

Krankenschwester aus München, Witwe eines Abschussopfers

schildert emotional die Ereignisse am Abschusstag

Schöffen:

das jeweilige Publikum der Aufführung

Stil und Sprache:

Das Drama ist in Alltagssprache verfasst. Da es vor Gericht spielt, werden juristische Fachtermini verwendet. Außerdem spielen technische Begriffe aus der Militärsprache eine Rolle. Die Haupttexte folgen teilweise der Mündlichkeit mit Auslassungen, Ein-Wort-Sätzen oder auch Wiederholungen. Die Urteile, aber auch weite Passagen der Gesprächsbeiträge der beteiligten Juristen sind durch eine juristische Sprachverwendung geprägt. Die sparsamen Nebentexte geben Hinweise auf sichtbare Bewegungen der Figuren, auf deren Bekleidung sowie die Einrichtung des Gerichtssaals.

Interpretationsansätze:

Zwei sich ergänzende Interpretationsansätze bieten sich an:

Terror ist

ein Werk, das formal-gattungsmäßig als Kriminalliteratur zu begreifen ist, da es um die Aufarbeitung eines Straftatbestandes vor Gericht geht.

ein politisches Buch, das sich thematisch-inhaltlich vor allem mit der Verschärfung der Sicherheitsgesetze infolge der gestiegenen Terrorgefahr auseinandersetzt und dies am Beispiel des 2005 erlassenen Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) und seiner 2006 erfolgten Revision durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unternimmt.

2.Ferdinand von Schirach: Leben und Werk

Ferdinand von Schirach (*1964) © ullstein bild – Ulrich Baumgarten

2.1Biografie

JAHR

ORT

EREIGNIS

ALTER

1964

München

Geburt

1968

Stuttgart

Umzug der Familie nach Stuttgart

4

1974– 1984

St. Blasien/ Schwarzwald

Besuch des Jesuiten-Kollegs, Abschluss mit dem Abitur

10–20

1984– 1986

Bundeswehrdienst

20–22

1987– 1991

Bonn

Studium der Rechtswissenschaft

23–27

1992– 1994

Köln/Berlin

Referendariat am Oberlandesgericht Köln und am Kammergericht Berlin, Assessorexamen

28–30

seit 1994

Berlin

Tätigkeit als Rechtsanwalt, spezialisiert auf Strafrecht

34 bis heute

2009

Erzählband Verbrechen als erste Buchpublikation

45

2015

Drama Terror erscheint im Piper Verlag

51

Ferdinand von Schirach wurde 1964 in München geboren. Seine Eltern sind der Kaufmann Robert von Schirach und dessen Frau Elke (geb. Fähndrich). Der Großvater war Baldur von Schirach (1907–1974), der als sogenannter „Reichsjugendführer“ maßgeblichen Einfluss auf die systemkonforme Erziehung in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur hatte und der als Gauleiter und Reichsstatthalter in Wien für die Deportation von 185 000 Juden verantwortlich war, wofür er in den Nürnberger Prozessen zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Ferdinand von Schirach beschreibt in seinem Essay Du bist, wer du bist. Warum ich keine Antworten auf die Frage nach meinem Großvater geben kann (2011) seine Kindheitserinnerung an seinen Großvater:

„Wir machten jeden Tag einen Spaziergang zu einem Kiosk außerhalb des Parks. Er musste langsam gehen, im Gefängnis war er auf einem Auge fast blind geworden, Netzhautablösung. Manchmal sprachen ihn Leute auf der Straße an, aber das mochte ich nicht. Und wir spielten jeden Tag Mühle, er gewann immer mit dem gleichen Trick. Irgendwann dachte ich so lange darüber nach, bis ich verstand, wie er das machte. Danach spielte er nicht mehr mit mir. Ich war damals fünf, sechs Jahre alt. Es hatte auch etwas Gutes: Wir wurden in Ruhe gelassen, wir lebten in unserer eigenen Welt. Aber irgendetwas umgab mich, das ich nicht erklären konnte. Ich wuchs anders auf als die Kinder im Ort, ich hatte kaum Kontakt zu ihnen. Mir blieben die Dinge fremd, und ich fühlte mich nie ganz zu Hause. Ich konnte das niemandem sagen, vielleicht können Kinder so etwas nie.“[1]

Ferdinand von Schirach verbrachte die ersten vier Lebensjahre in München, danach zog die Familie in die Nähe von Stuttgart. Seine Schulzeit verbrachte er von 1974 bis 1984 im Jesuiten-Kolleg St. Blasien im Schwarzwald (Gymnasium mit angeschlossenem Internat), wo er 1984 die Allgemeine Hochschulreife erwarb. Über die Zeit im Internat erzählt er ausführlich in seinem Essay Was übrig bleibt (2010):

„Die Kinder erzogen sich selbst, die Jesuiten setzten nur den Rahmen. Nichts davon würde ein moderner Pädagoge ertragen: nicht, wie wir nachts, weil wir laut gewesen waren, das Johannesevangelium abschreiben mussten, bis uns die Augen zufielen, und nicht die Ohrfeigen, die wir manchmal bekamen.“[2]

Im Rückblick sieht von Schirach es als positiv an, dass er in dieser Zeit „vermutlich aus Langeweile“[3] mit dem Lesen begonnen habe:

„Nabokov sagt, dass Kinder sich langweilen müssen, daraus entstehe alles. Ich erinnere mich an Gespräche über Bücher und über das Theater, und ich weiß, dass es sie ohne St. Blasien nicht gegeben hätte oder zumindest nicht so intensiv.“[4]

Nach der Bundeswehrzeit immatrikulierte er sich an der Universität Bonn im Fach „Rechtswissenschaft“, das er 1992 mit dem Ersten Juristischen Staatsexamen abschloss. Nach Referendarsstationen in Köln (Oberlandesgericht) und Berlin (Kammergericht) legte er 1994 das Zweite Juristische Staatsexamen ab. Seither praktiziert von Schirach als Anwalt in Berlin und hat sich insbesondere auf das Strafrecht spezialisiert. Zu seinen Mandanten zählten auch Personen des öffentlichen Lebens wie der DDR-Politiker Günter Schabowski, der BND-Spion Norbert Juretzko und die Familie des Schauspielers Klaus Kinski; aus diesem Grund fällt im Zusammenhang mit seinem Namen zuweilen auch die Bezeichnung „Prominentenanwalt“.[5]

Mit dem Erzählband Verbrechen trat von Schirach erst im Alter von 45 Jahren als Schriftsteller in die Öffentlichkeit. Bereits in diesem Erstlingswerk zeigt sich sein Interesse an außergewöhnlichen Kriminalfällen, das auch alle anderen bislang erschienenen Werke dominiert. Neben zwei weiteren Erzählbänden, Schuld (2010) und Carl Tohrbergs Weihnachten (2012), sind bislang zwei Romane, Der Fall Collini (2011) und Tabu (2013), erschienen. 2015 publizierte er mit Terror sein erstes Theaterstück. Der Band Die Würde ist antastbar (2014) versammelt ausgewählte Essays zu zeitaktuellen Fragestellungen, meist mit einem juristischen Hintergrund versehen. Von Schirach verbindet in seinen literarischen Texten Erfahrungen und vor allem erlebte Stoffe aus seiner Tätigkeit als Strafverteidiger mit den Möglichkeiten, die ihm literarische, fiktionale Realitätsmodelle geben, um damit die Frage nach dem Motiv einer Straftat immer wieder neu zu thematisieren. Dabei geht es im Kern immer um ethisch-moralische Grundprobleme.

Sein bislang noch recht schmales literarisches Werk ist überaus erfolgreich. So erwarb beispielsweise die Constantin-Film recht bald nach Erscheinen der Bücher die Filmrechte der beiden ersten Erzählbände; 2012 verfilmte Doris Dörrie die Erzählung Glück, das ZDF produzierte 2013 aus sechs Erzählungen des Bandes Verbrechen (Fähner, Tanatas Teeschale, Grün, Der Igel, Summertime, Notwehr) eine Mini-Serie, die nicht nur nach Asien verkauft werden konnte, sondern in Deutschland auch für den Grimme-Preis nominiert wurde. Auch sechs Erzählungen aus dem Band Schuld (Der Andere, DNA, Volksfest, Schnee, Ausgleich, Die Illuminaten) wurden 2014 vom ZDF verfilmt, 2015 ausgestrahlt und von mehreren Millionen Zuschauern gesehen.

Das Drama Terror wurde ebenfalls verfilmt; am 26. 04. 2016 war laut der Webseite von Ferdinand von Schirach der letzte Drehtag des Films, bei dem Lars Kraume die Regie führt und in dem Florian David Fitz als Angeklagter, Martina Gedeck als Staatsanwältin, Burghart Klaußner als Richter, Lars Eidinger als Verteidiger, Jördis Triebel als Nebenklägerin und Rainer Bock als Zeuge mitspielen. Die Verfilmung wurde einmalig am 14. Oktober 2016 in vielen deutschen Kinos gezeigt. Am 17. Oktober 2016 erfolgte dann die Ausstrahlung im deutschen Fernsehen (ARD) sowie zeitgleich in Österreich, der Schweiz, der Slowakei und in Tschechien. Die Fernsehzuschauer dieser Länder hatten die Möglichkeit, die Abstimmung vorzunehmen. Außerdem wurde das Stück samt dem Urteil in der unmittelbar anschließenden Talkshow Hart aber fair mit Frank Plasberg diskutiert.

2.2Zeitgeschichtlicher Hintergrund

ZUSAMMENFASSUNG

In diesem Kapitel wird der zeitgeschichtliche Hintergrund von Ferdinand von Schirach beleuchtet, der zum Teil auch als politischer Hintergrund der Handlung in Terror genommen werden kann.

Wichtig für den Zeitraum von den 1960er Jahren bis heute:

nach dem wirtschaftlichen Wiederaufbau in den 1950er Jahren Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit in den 1960er Jahren

Politisierung aller Lebensbereiche in den 1970er und 1980er Jahren

Wiedervereinigung in den 1990er Jahren

Auseinandersetzung mit den ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Folgen der Wiedervereinigung seit den 1990er Jahren

Ereignisse im Ausland, vor allem die Bürgerkriege im ehemaligen Jugoslawien und die islamistischen Terroranschläge, beeinflussen die deutsche Innenpolitik

In der Bundesrepublik waren die 1950er Jahre bestimmt durch den Wiederaufbau, der sich, auch unterstützt durch massive amerikanische Finanzhilfen („Marshallplan“), bald zum sogenannten „Wirtschaftswunder“ entwickelte. Am Ende der 1950er Jahre waren der Wiederaufbau und die politische Westintegration der Bundesrepublik (NATO-Beitritt 1955, EWG-Vertrag 1957) abgeschlossen. Die einseitige Ausrichtung auf wirtschaftlichen Erfolg und das nach den Kriegsjahren durchaus verständliche Nachholen von Konsumbedürfnissen zeigten in der Adenauer-Ära ihre Schattenseiten beispielsweise in der einseitigen Orientierung an materiellen Wünschen und in der Verdrängung der NS-Vergan­genheit: Schon kurz nach Kriegsende forderten erste Stimmen, einen „Schluss­strich“ unter die deutsche Vergangenheit zu ziehen; viele ehemalige Nazis und Parteimitglieder konnten in der Bundesrepublik in Wirtschaft, Justiz und Politik Karriere machen; von Schirach hat diesen Umstand in seinem Roman Der Fall Collini thematisiert. Nicht zuletzt an diesem Desinteresse an einer Aufarbeitung während der sogenannten „Adenauer-Ära“ entzündeten sich die Studentenproteste Ende der 1960er Jahre.

Ferdinand von Schirach wurde 1964 geboren, sodass er als Jugendlicher die Auswirkungen der Studentenproteste durch die Politisierung aller Lebensbereiche bereits bewusst wahrnehmen konnte: Von 1966 an regierte die SPD die Bundesrepublik, zunächst in einer großen Koalition, ab 1969 in einer Koalition mit den Liberalen unter Bundeskanzler Willi Brandt bzw. Helmut Schmidt. Die SPD setzte mit ihrer innenpolitisch umstrittenen Ostpolitik auf Entspannung und Vertrauensbildung zwischen den Machtblöcken („Ostverträge“ 1972). Gesellschaftlich waren die 1960er und 1970er Jahre von heftigen Auseinandersetzungen, kulturellen Umbrüchen und Generationskonflikten geprägt: Eine marxistisch-maoistisch orientierte „Außerparlamentarische Opposition“ (APO) richtete sich gegen die Politik der Großen Koalition (z. B. 1968 gegen die „Notstandsverfassung“), gegen den Krieg der USA in Vietnam sowie grundsätzlich gegen die Werte einer bürgerlichen Gesellschaft („Studentenrevolte“, Auseinandersetzung mit der verdrängten NS-Vergangenheit der Eltern-Generation). In den 1970er Jahren mündeten militante Ausläufer der Protestbewegung in den Terrorismus der RAF („Rote Armee Fraktion“), in deren Verlauf zahlreiche Straftaten (darunter über 30 Morde) begangen wurden.

Die DDR, die sich seit 1961 durch den „Mauerbau“ von dem Westen abgeschottet hatte, reagierte in den 1970er Jahren auf die lauter werdende Kritik ihrer Intellektuellen an der herrschenden Bevormundung und den Entwicklungen im sogenannten „real existierenden Sozialismus“ mit der Bespitzelung durch die Staatssicherheit und einem Heer „inoffizieller Mitarbeiter“, der Verhängung von Berufsverboten, mit Inhaftierung sowie mit Ausbürgerungen und Abschiebungen. Prominente DDR-„Dissidenten“ waren Jürgen Fuchs, Wolf Biermann, Rudolf Bahro, Erich Loest, Hans Mayer und Bettina Wegener.