Teufelswetter - Ivy Lang - E-Book

Teufelswetter E-Book

Ivy Lang

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Beschreibung

Auf einem Musikfestival an Halloween wird die junge Rachel Opfer eines Gewalttäters und nur in letzter Sekunde kommt ihr ein mysteriöser Fremder zu Hilfe. Rachel beschließt, bei ihrem Retter zu bleiben, der gleichwohl faszinierend wie furchterregend ist, denn Lou - so nennt er sich - ist der Teufel persönlich. Rachel schiebt schnell ihre Bedenken beiseite und während die beiden gemeinsam unterwegs sind, fängt das Wetter auf der Welt an, verrücktzuspielen. Die Tatsache, dass Lou Rachel gerettet hat, scheint die Naturgesetze auf den Kopf zu stellen und alles aus dem Gleichgewicht zu bringen. Denn: Nach und nach kommen Rachel und Lou einander näher. Zeitgleich geschieht in einer nahen Kleinstadt ein brutaler Mord an einem jungen Mädchen, und der Teufel sollte eigentlich den Sünder bestrafen. Aber in einer Welt, in der die Menschen sich immer mehr dem Teufel zuwenden, wird auch der Teufel immer menschlicher. So geschwächt ist er außerstande, seine Aufgabe zu erfüllen, während die Welt von schlimmen Unwettern heimgesucht wird und auch Rachel sich immer weiter einem Abgrund nähert.

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Seitenzahl: 497

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Das Buch

Auf einem Musikfestival an Halloween wird die junge Rachel Opfer eines Gewalttäters und nur in letzter Sekunde kommt ihr ein mysteriöser Fremder zu Hilfe. Rachel beschließt, bei ihrem Retter zu bleiben, der gleichwohl faszinierend wie furchterregend ist, denn Lou – so nennt er sich – ist der Teufel persönlich. Rachel schiebt schnell ihre Bedenken beiseite und während die beiden gemeinsam unterwegs sind, fängt das Wetter auf der Welt an, verrücktzuspielen. Die Tatsache, dass Lou Rachel gerettet hat, scheint die Naturgesetze auf den Kopf zu stellen und alles aus dem Gleichgewicht zu bringen. Denn: Nach und nach kommen Rachel und Lou einander näher. Zeitgleich geschieht in einer nahen Kleinstadt ein brutaler Mord an einem jungen Mädchen, und der Teufel sollte eigentlich den Sünder bestrafen. Aber in einer Welt, in der die Menschen sich immer mehr dem Teufel zuwenden, wird auch der Teufel immer menschlicher. So geschwächt ist er außerstande, seine Aufgabe zu erfüllen, während die Welt von schlimmen Unwettern heimgesucht wird und auch Rachel sich immer weiter einem Abgrund nähert.

Die Autorin

Ivy Lang lebt bei Frankfurt am Main. Das Erzählen von Geschichten, sei es als Film, als Drehbuch oder als Roman, war schon immer eine große Leidenschaft – und natürlich das Schreiben selbst. Dabei kombiniert sie Liebesgeschichten geschickt mit anderen Genres. Ivy Lang schreibt „Romance+“: Spannung, Action und auch die negative Kraft, die von Liebe ausgehen kann.

www.ivy-lang.de

Für all die verlorenen Seelen da draußen. Ihr seid nicht allein.

Inhaltsnotiz

In dieser Geschichte ist der Teufel eine Hauptfigur und wirkt in

Menschengestalt scheinbar harmlos.

Daneben wird Gewalt (auch sexuelle Gewalt) zum Teil explizit dargestellt.

Durch den Roman ziehen sich Verweise auf die christliche Religion, die

religiöse Lesende ggf. als unangemessen oder störend ansehen könnten. Diese

spiegeln nicht die persönliche Überzeugung der Autorin wider.

Siehe auch: http://trigger.ivy-lang.de

oder per QR-Code auf der Cover-Rückseite.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Epilog

Kapitel 1

Als er sie sah, dachte er, dass sie für ihn nicht von Interesse sein würde. Sie war nicht unschuldig – so wie es niemand ist –, sondern wirkte auf ihn eher langweilig. Ihre Augen blickten neugierig und auch ein bisschen fasziniert, so als ob sie nicht ganz glauben könne, dass sie tatsächlich hier war.

Er wandte sich ab, ging hinüber zur Bar. Er setzte sich, sah den Barkeeper wortlos an und bekam von diesem einen Pappbecher mit Bourbon hingestellt. Es war ein schlechter Bourbon. Nachdem er ihn hinuntergekippt hatte, sah er sich um. Es war voll. Viele tanzten, einige hatten sich seltsam kostümiert – ein typisches Halloween-Spektakel. Über die Köpfe der Menschen hinweg konnte er am anderen Ende des Festivalgeländes die Bühne sehen. Die Band hatte eine etwas ruhigere Nummer angestimmt und schon streckten alle ihre Feuerzeuge und Smartphones in die Luft. Eine junge Frau sang mit engelsgleicher Stimme eine verzweifelte Ballade.

Er fand es widerlich, wie immer. Er war hierhergekommen, um einen Job zu erledigen. Einen gewöhnlichen, langweiligen Job. Einen Job wie viele in der letzten Zeit. Er ließ seinen Blick umherschweifen. Schließlich fand er seinen Kandidaten.

Der Typ war fast ein Meter neunzig groß, hatte breite Schultern und massige Oberarme. Dank seiner Statur war er zweifellos in der Lage, einen erwachsenen Mann fertigzumachen. Er hatte ein wirres Glänzen in den Augen und ein hämisches Grinsen auf den Lippen.

Er würde noch heute zur Hölle fahren.

* * *

Rachel war leicht enttäuscht, als der Fremde seinen Blick von ihr abwandte und Richtung Bar in der Menge verschwand. Sie war auf dem Weg zur Bühne gewesen, als er ihr ins Auge fiel. Er hatte gerade das Festivalgelände betreten, trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, eine schwarze Krawatte und einen ebenfalls schwarzen Hut. Damit stach er aus der Menge der anderen Feiernden heraus, obwohl einige, wie sie, nicht verkleidet waren.

Der Fremde hatte seinen Blick schweifen lassen und dabei ihren gekreuzt. Er hatte sie angesehen, ganz unverblümt, analysierend. Die Band auf der Bühne hatte eine traurige Ballade angestimmt und die klare Stimme der Sängerin ließ die Fans für einen Augenblick ruhiger werden.

Ganz kurz, vielleicht nur für den Moment eines Atemzugs, spürte Rachel den Blick des Fremden auf sich und ihr wurde ganz komisch, leicht unwohl. Noch bevor sie dieses Gefühl hätte fassen und beschreiben können, war er aus ihrem Blickfeld verschwunden.

Rachel tauchte in die Menge, ließ sich treiben von der Musik und genoss es, nicht an zu Hause denken zu müssen. Sie spürte die Mystik des Halloweenfestes, so als würden alle Feiernden durch die Musik den Geistern der Finsternis diese Nachricht senden: Kommt doch her! Wir haben keine Angst!

Überall tanzten Menschen in Zombie- und Hexenkostümen. Einige hatten sich als Teufel verkleidet und scherzten mit falschen Priestern. Hier und da kreuzte ein Alien Rachels Blick. Es war surreal und amüsierend. Sie ließ sich nicht von den Geistergeschichten und dunklen Vorahnungen mancher Leute beeindrucken. Aber sie musste zugeben, dass ihr die Atmosphäre im Nirgendwo zwischen der Stadt Grand Junction, Colorado und dem Monument Valley ein herrliches Schaudern über den Rücken jagte.

Rachel war nicht spirituell, aber sie hätte es nicht abwegig gefunden, wenn einige böse Geister sich heimlich unter die Feiernden gemischt hätten. Es war wie als Kind, als sie nicht mehr an den Weihnachtsmann geglaubt, aber trotzdem immer einen Wunschzettel an ihn geschrieben hatte.

Die Band hatte ihren Auftritt beendet und die Bühne wurde für den nächsten Act vorbereitet. In der entstehenden Pause machten sich viele auf den Weg zur Bar. Rachel war allein auf dieses Festival gekommen und sah sich nach Gesellschaft um. Eigentlich hatte sie keine Probleme, auf Menschen zuzugehen. Doch die Grüppchen von Feiernden, die sich nun an ihr vorbeischoben, waren wie gekapselte Einheiten, die keine Eindringlinge zuließen. Auf der Suche nach jemandem, der wie sie allein unterwegs war, ließ Rachel sich mit der Menge von der Bühne weg zur Bar treiben.

Sein Name war Tommy. Er war ziemlich groß, sah aus wie ein Footballer. Ein schmieriger Typ, sein Lächeln wirkte aufgesetzt und seine Augen musterten Rachel unentwegt, als würden sie eine Ware begutachten.

Er hatte ihr einen Drink spendiert, gab sich locker und freundlich. Rachel war froh über die Gesellschaft, hörte ihm aber nur halb zu.

An der Bar hatte sie den Fremden erspäht, der ihr zuvor ins Auge gefallen war. Anscheinend in Gedanken versunken starrte er vor sich hin. Tommy redete über Musik und animalische Triebe und, dass er glaubte, dass Rachel seine Seelenverwandte sei. Er begann, Rachel anzuwidern.

Auf der Bühne hatte sich die nächste Band eingefunden und die Verstärker wurden aufgedreht. Rachels Arm wurde von Tommy hart gepackt und er schrie gegen den Lärm der jubelnden Menge an, dass er jetzt gefälligst richtig feiern wollte.

Sie versuchte, ihn zu beschwichtigen. Er wurde zu aufdringlich. Es schien ihr besser, sich nicht weiter mit ihm abzugeben.

Also wand sie ihren Arm vorsichtig aus seinem Griff, setzte ein versöhnliches Lächeln auf und erklärte ihm, dass sie zur Toilette müsse.

Er griff sie von hinten an. Sie hatte den Toilettenwagen gerade verlassen, um sich wieder ins Getümmel zu stürzen. Aber sie kam nicht weit. Blitzschnell hatte er ihr auf dem schwach beleuchteten Weg seine Arme um Brust und Hals gelegt. Sie rief um Hilfe, doch die Menge tobte, die Musik dröhnte laut und der Sänger schrie hysterisch ins Mikrofon. Sie versuchte, sich loszureißen, aber der Angreifer hielt sie fest und zog sie mit sich, weiter weg von der Menge. Durch den Zaun aus Holzlatten, den man zur Trennung des Bühnenbereichs und dem Weg zu den Toiletten errichtet hatte, konnte sie niemand sehen.

Rachel spürte, wie der Boden unter ihr abschüssig wurde. Unter schwerem Atem zog der Angreifer sie in einen Graben abseits des Wegs. Panik stieg in ihr auf. Sie versuchte weiter, sich zur Wehr zu setzen, doch er drückte sie zu Boden. Sie erkannte Tommy, erkannte seinen stieren Blick und sah ein Messer aufblitzen. Nur ein paar Meter entfernt feierten mehrere tausend Menschen und sangen den Song mit, der von Hysterie und verkauften Seelen handelte.

Tommy hielt ihr das Messer an die Kehle und machte sich an ihrer Hose zu schaffen.

Jetzt passiert es, dachte sie. Er vergewaltigt mich und schneidet mir anschließend die Kehle durch.

Für einen Moment nahm sie nichts anderes wahr als den pochenden Bass der Musik.

Plötzlich wurde Tommy heftig zur Seite geschleudert. Rachel nutzte die Gelegenheit, um sich aufzurichten. Sie erblickte Tommy, der sich nur ein paar Meter von ihr entfernt vor Schmerzen gekrümmt auf dem Boden wand und stöhnte. Dicht neben sich hörte sie Schritte. Ihr wurde heiß, aber sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Dann erkannte sie den Fremden im schwarzen Anzug, der sich vor Tommy aufgestellt hatte und mit kaltem Blick auf ihn herabsah.

Tommy keuchte. Mit panischem Gesichtsausdruck flehte er seinen Angreifer an: »Bitte, bitte tu mir nichts.«

Der Fremde, der nicht sehr stark wirkte, packte Tommys Hals mit nur einer Hand und zog dessen Gesicht nahe an seines. Rachel saß auf dem staubigen Boden und konnte ihren entsetzten Blick nicht abwenden. Da spürte sie, wie ihr jemand behutsam und schützend die Hände vor die Augen legte.

»Das solltest du nicht mit ansehen«, hörte sie eine sanfte, weibliche Stimme sagen. Sie wandte sich um und erkannte die hübsche Sängerin, die zuvor mit ihrer Band aufgetreten war. Sie hatte rotblondes Haar und eisblaue Augen, die sogar im Dunkeln zu leuchten schienen.

»Komm mit. Ich helfe dir.« Sie nahm Rachels Arm. »Dieser Verrückte wird dir nichts mehr tun.«

Rachels Beine wollten ihr kaum gehorchen. In der Hitze, die sie umgab, konnte sie nur schwer atmen. Doch sie ließ sich von der jungen Frau stützen und von der seltsamen Szenerie wegführen. Mit jedem Schritt ließ die Hitze nach und ihre Sinne schärften sich durch das Adrenalin, das in ihr rauschte. Während ihr Herz raste, wollte Rachels Verstand begreifen, was soeben geschehen war. Der Drang, sich umzudrehen und zu sehen, was mit Tommy passierte, war groß, doch der Druck um ihren Arm verstärkte sich.

»Es ist alles gut«, sagte die Rothaarige und zog sie weiter. »Ich bringe dich in Sicherheit.«

Sie erreichten den Backstage-Bereich und die junge Sängerin, die sich als Michaela vorstellte, schob Rachel in ein Zelt, in dem sie ihre Garderobe eingerichtet hatte. Rachel bewegte sich mechanisch, beinahe willenlos. Sie hatte angefangen zu zittern.

Michaela führte sie zu einer weißen Couch und Rachel ließ es zu, dass die junge Frau ihr die Beine hochlegte und mit einer braunen Strickjacke zudeckte.

»Keine Angst. Es ist vorbei.«

Rachel fasste sich allmählich wieder und nach und nach sickerte die Erkenntnis in ihr Bewusstsein, dass sie soeben großes Glück gehabt hatte. Ihr Körper schmerzte. Vor allem ihre Handgelenke, die noch gerötet waren von Tommys festem Griff. Augenblicklich musste sie an den Fremden denken, der ihr wohl das Leben gerettet hatte.

Wer war er? Wie kam es dazu, dass er so plötzlich da gewesen war?

Sie bemerkte, dass Michaela sie beobachtete.

»Danke«, brachte sie heraus.

Michaela nickte gütig. »Du kannst bis zum Morgen hierbleiben. Hier kommt keiner rein.«

Beruhigend legte sie ihre Hand auf Rachels Arm und sofort ließ das Zittern nach. Eine wohlige Wärme durchfloss sie.

Michaela gab Rachel, die nun wieder etwas Farbe im Gesicht hatte, eine Flasche Wasser. Die beiden berieten, ob sie die Polizei rufen sollten, denn Rachel hatte damit gerechnet, dass die Cops jeden Moment auftauchen würden. War nicht der Typ, der sie gerettet hatte so etwas wie ein Cop? Michaela zog nur unbestimmt die Schultern hoch. Wenn er kein Cop war, dann war er vielleicht ein Privatdetektiv. Rachel vermutete, dass er nicht zimperlich mit Tommy umgegangen war. Schließlich schüttelte sie den Gedanken von sich und beschloss, die Polizei nicht einzuschalten. Am besten wäre es, die ganze Sache einfach zu vergessen, fand sie.

Michaela akzeptierte das, wenn auch mit leichtem Unbehagen, und so musste Rachel ihr versprechen, dass sie nach Hause fahren würde, sobald die Sonne aufging. Dabei wich sie Michaelas Blick aus. Den Gedanken, nun nach Hause zurückzukehren, obwohl sie es gerade erst vor einem Tag verlassen hatte, wollte sie nicht zulassen. Auch wenn es wahrscheinlich das Beste gewesen wäre.

Rachel beobachtete Michaela. Die Sängerin hatte begonnen, ihr Bühnenoutfit, eine sexy Kombination aus Vamp und Engel, auszuziehen. Ihr rotblondes Haar reichte ihr bis zur Hüfte und floss glänzend über ihre Schultern. Dass sie hier war, in Sicherheit bei dieser hilfsbereiten Frau, war für Rachel wie ein Wunder. Tatsächlich dachte sie in diesem Moment, dass sie ihr wie ein Engel vorkam. Sie runzelte die Stirn darüber. In ihrem Leben hatten Engel nie eine Rolle gespielt.

Violette Dunstschwaden kündigten den nahenden Sonnenaufgang an. Es dauerte nicht mehr lange, bis das goldene Licht der Sonne den Schrecken der letzten Nacht endgültig vertreiben würde.

Rachel fröstelte und zog die Strickjacke, die Michaela ihr gegeben hatte, eng um sich. Bei der Verabschiedung hatte Rachel ihr erneut versprechen müssen, dass sie nach Hause fahren würde.

Tatsächlich hatte Rachel das nicht vor. Vielmehr hatte sie vorgehabt, sich eine Mitfahrgelegenheit nach Las Vegas zu suchen, wo in ein paar Tagen ein Konzert ihrer Lieblingsband stattfand. Nach dem schrecklichen Ereignis der letzten Nacht war sie allerdings nicht mehr sicher, was sie tun sollte.

Die Menschenmenge hatte sich merklich ausgedünnt. Nur ein paar ganz harte Fans feierten für sich weiter. Andere hatten sich direkt zum Schlafen auf den Boden gelegt. Die Roadies hatten begonnen, die Bühne abzubauen. Die Bar war geschlossen. Es wurde nun von Minute zu Minute heller. In dieser Szenerie wirkten die herumliegenden Partyleichen friedlich, aber irgendwie auch so, als gehörten sie hier gar nicht hin.

Langsam trottete Rachel Richtung Parkplatz. Vielleicht war es Müdigkeit, die sie die vergangene Nacht wie einen Traum empfinden ließ. Unmittelbar nach dem Angriff auf sie hatte sie ihren ganzen Körper gespürt, ihre Schultern, die auf den harten Boden gedrückt worden waren, ihre Arme und Beine, die Tommy gewaltsam unter Kontrolle gehalten hatte. Nun fühlte Rachel sich leicht betäubt, so als würde sie eine Wattewolke umgeben. Wahrscheinlich der Schock, dachte sie. Sie fror immer noch.

Auf dem Parkplatz fragte sie sich durch. Ohne eine genaue Idee, wohin sie gehen wollte, war es allerdings nicht so einfach, jemanden zu finden, der sie mitnehmen konnte. Da fiel ihr Blick auf den Fremden, der ihr letzte Nacht das Leben gerettet hatte. Ein mulmiges Gefühl kam in ihr auf. Wenn er kein Cop oder Privatermittler war, war er dann vielleicht ein Killer?

Sie nahm ihren Mut zusammen und sprach ihn an. »Hey.«

Der Fremde lehnte an seinem Wagen und sah nur kurz zu ihr auf. »Hey.«

Im Licht der aufgehenden Sonne wirkte sein Gesicht klar und beinahe unschuldig. Er hätte der nette Schwiegersohn von nebenan sein können oder ein College-Student.

In seinen dunklen Augen jedoch lag etwas Wissendes und Skrupelloses.

»Ich habe das Gefühl, ich müsste mich bei dir bedanken«, sagte Rachel, »weil du mich gerettet hast.«

Der Fremde horchte auf und sah sie einen Moment forschend an. Er schüttelte den Kopf, stieß sich von seinem Wagen ab und ging ein paar Schritte auf sie zu. »Tommy war ein perverses Schwein. Hat in Denver zwei Mädchen vergewaltigt und aufgeschlitzt. Seine Zeit war gekommen.«

Die Kälte in seinen Worten schockierte Rachel. Er sah sie nur wissend an. In seinem Blick lag Geringschätzung und Rachel spürte, dass er sie für ein naives Mädchen hielt.

Als sie etwas sagen wollte, wandte er sich ab. »Dank mir nicht.«

Er holte einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und schloss den Wagen auf. Die Kiste war ziemlich alt und hatte schon Rost angesetzt.

»Na, jetzt hau schon ab«, sagte er zu Rachel und öffnete die Fahrertür.

Sie wollte nicht gehen. Und seine kalte Art schreckte sie nicht wirklich ab. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie etwas mit diesem Fremden verband. Ihr fiel das Nummernschild seines Wagens auf. Er war in Illinois zugelassen. Vielleicht bot sich hier die Gelegenheit für eine Fahrt nach Hause. Obwohl sie nicht nach Hause wollte.

»Fährst du nach Illinois?« Sie zeigte auf das Nummernschild.

»Den Wagen habe ich geklaut«, erwiderte der Fremde. »Ich muss nach Vegas.«

»Las Vegas? Wirklich?« Rachel konnte kaum glauben, welches Glück sie hatte. »Nimmst du mich mit?«

»Du willst nicht mit mir fahren.«

»Doch, eigentlich schon.«

»Eigentlich schon? Hör mal, Kleine, ich habe diesen Wagen geklaut. Im Kofferraum befinden sich Waffen, die ich nach Vegas bringen muss. Du willst nicht mit mir fahren.«

»Na ja, ich dachte … Ach, Mist! Ich habe eine Scheißangst nach dem, was letzte Nacht passiert ist. Ich bin nicht scharf darauf, mich allein nach Vegas durchzuschlagen, wenn du verstehst. Mag sein, dass du ein krimineller, gefährlicher Drecksack bist. Aber, wo wäre ich sicherer? Weißt du, was ich meine?«

Der Fremde blickte einen Moment überrascht drein und in seinen Blick mischte sich eine Art der Anerkennung, so als bewundere er ihren Mut.

Es war kein Mut, sie wusste nur nicht, was sie sonst tun sollte.

»Na gut. Von mir aus, hüpf rein.«

»Echt? Cool! Mein Name ist Rachel.« Sie sprang zur Beifahrerseite und warf ihre Umhängetasche auf den Sitz, bevor er es sich anders überlegen konnte.

»Ach was«, brummte er.

»Hast du auch einen Namen?«, fragte Rachel.

Der Fremde zog seinen schwarzen Hut. »Nenn mich einfach Lou.«

»Okay, Lou.« Rachel stieg in den Wagen.

Lou warf seinen Hut auf den Rücksitz und stieg ebenfalls ein. Er sah sie etwas argwöhnisch an, als er den Wagen startete.

»Lou, wo kommst du eigentlich her?«, fragte Rachel, die unbehagliches Schweigen hasste.

Lou grinste. »Aus dem Gestern.«

Kapitel 2

Im Radio spielten sie die Rolling Stones mit ›Sympathy For The Devil‹. Lou sah gelangweilt auf die Straße. Langsam und nur geringfügig schneller als erlaubt zuckelte der alte Wagen über die Landstraße.

»Wegen mir musst du nicht extra vorsichtig fahren«, meinte Rachel, der die Stille immer noch unangenehm war.

»Hier wimmelt es von Bullen«, gab Lou kurz zurück.

»Ich sagte doch, ich habe Waffen im Auto«, fügte er auf ihren leicht verwirrten Blick hinzu.

Rachel schluckte. Sie hatte gehofft, es wäre ein Scherz gewesen. Aber gut. Sie konnte nicht behaupten, dass dieser Kerl versuchte, sie zu täuschen. Und hatte sie nicht selbst gesagt, dass sie an der Seite eines gefährlichen Kriminellen am sichersten vor Psychopathen wie diesem Tommy war?

»Handelst du mit Waffen?«

Lou sah sie für einen Moment an, als könne er nicht glauben, dass sie ihm diese Frage stellte. Aber es amüsierte ihn auch. »Ich verkaufe alles, was illegal ist. Waffen, Drogen …« Er setzte ein fieses Grinsen auf. »Manchmal auch Menschen.«

Darauf wusste Rachel erst mal nichts mehr zu sagen. Sie schwieg, auch wenn die Stille im Wagen sie schier verrückt machte.

Sie fuhren durch einen kleinen Ort mit niedlichen Häusern und einer kleinen, gemütlich aussehenden Kirche.

»Oh, sieh nur!«, rief Rachel begeistert aus. »Ist diese Kirche nicht hübsch?«

Lou machte ein angewidertes Gesicht und spuckte aus dem offenen Fahrerfenster.

»Du bist wohl eine kleine Kirchenmaus, was?«

»Nein, ich glaube nicht an Gott. Ich finde Kirchen nur irgendwie schön. Sie strahlen etwas Magisches aus, findest du nicht?«

Lou sah sie forschend an. »Du glaubst nicht an Gott? Warum?«

»Ich bin nicht religiös erzogen worden. Warum auch? Warum an etwas glauben, das es nicht gibt?«

»Gott gibt es«, sagte Lou bestimmt.

»Woher willst du das wissen?«

»Ich weiß es. Aber ich hasse Ihn.«

Rachel glaubte, den Braten zu riechen. »Ah, Er hat dich wohl einmal sehr enttäuscht, wie?«

»Dich etwa nicht?«, fragte Lou zurück. »Sagst du nicht deshalb, dass du nicht an Ihn glaubst?«

Rachel schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht vom Glauben abgefallen. Ich habe nie an Ihn geglaubt. Also habe ich auch nie etwas von Ihm erwartet und bin deshalb auch nicht von Ihm enttäuscht. Logischerweise.«

Lou nickte nachdenklich vor sich hin. »Was für ein armseliges Leben muss das sein.«

Er sagte es nicht spöttisch, sondern beinahe mitfühlend. Er traf damit einen wunden Punkt bei Rachel. Ja, ihr Leben war armselig. Deshalb war sie von zu Hause geflohen.

»Ich habe im Sommer meinen Highschool-Abschluss gemacht. Mit durchschnittlichem Erfolg. Die Leute, die das Jahrbuch gemacht haben, hatten eine Abstimmung gemacht. ›Wer ist der Beliebteste?‹, ›Wer sieht am dümmsten aus?‹ und so weiter. Mein Name taucht nirgendwo auf.«

Lou verstand ihre Bitterkeit offenbar nicht. »Du bist traurig, weil sie dich nicht zur Miss Hässlich gewählt haben?«

»Ich tauche nicht auf, verstehst du? Als wäre ich nie da gewesen. Als würde ich nicht existieren.«

Rachel beruhigte sich etwas, auch wenn Lous hämisches Grinsen ihr wehtat. Alles, was sie sich wünschte, war etwas Bedeutendes in ihrem Leben zu haben, ein anderes Leben zu führen als der Durchschnitt. So verrückt es klang, sie spürte ihr Leben zum ersten Mal richtig in ihr brodeln, jetzt, da sie mit einem vollkommen fremden Kriminellen durch die Gegend fuhr und nicht wusste, was mit ihr geschehen würde.

Lou hatte seinen gleichgültigen Blick zurück auf die Straße gewandt. »Bei der nächsten Kirche halten wir an«, sagte er trocken. »Vielleicht ist es noch nicht zu spät für dich.«

»Was ist mit dem Teufel?«, fragte Lou, nachdem sie sich eine Weile angeschwiegen hatten.

Rachel, die aus dem Fenster gesehen und über die Trostlosigkeit ihres lächerlichen Durchschnittslebens nachgedacht hatte, sah ihn verwirrt an. »Dem Teufel?«

»Glaubst du an den Teufel?«

Rachel schnaubte verächtlich. »Aber ja. Mein Zuhause ist nämlich die absolute Hölle.«

Lou schüttelte tadelnd den Kopf. »Du hast keine Ahnung von der Hölle.«

Er wurde ihr unheimlich, doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass sie keine Angst vor ihm zu haben brauchte. Was er da sagte, über Gott und die Hölle, schien glaubwürdiger und überzeugender als alles, was ihr je jemand erzählt hatte.

»Du hast keine Ahnung von meinem Zuhause«, sagte Rachel und freute sich darüber, dass sie so schlagfertig war.

»Deine Eltern sind geschieden. Schon seit ein paar Jahren. Sie arbeiten beide hart, um über die Runden zu kommen. Sie können sich immer noch nicht gegenseitig in die Augen sehen.« Lou sagte es ohne Mitleid, ohne Abwertung oder Sarkasmus. Er referierte lediglich ein paar Fakten. Der springende Punkt war: Er sagte die Wahrheit.

Rachels Nackenhaare stellten sich auf und sie war mit einem Mal sehr angespannt. »Okay, wie … Woher weißt du das?«

Lou zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß vieles. Nicht alles, aber vieles.«

»Hey, hör auf damit. Das ist echt nicht mehr lustig. Okay?«

»Ganz ruhig«, sagte Lou. »Ich weiß, das macht vielen Menschen Angst.«

»Ja, du machst mir Angst. Was weißt du denn noch über mich?«

Lou blickte sie forschend an. »Warum willst du nicht nach Hause? Warum willst du lieber mit einem Typen wie mir durch die Gegend fahren?«

»Ich hasse mein Leben. Und zwar so sehr, dass ich meine Zeit lieber mit einem Killer verbringe, als in diese Hölle der Normalität zurückzukehren. So viel zu meiner Psyche.«

Lou reagierte patzig. »Erstens bin ich kein Killer, zweitens solltest du etwas mehr Dankbarkeit für dein Leben zeigen, statt hier wie ein blöder Teenager rumzuheulen. Und drittens: Lass diesen Vergleich mit der Hölle, verdammt noch mal.«

Für einen kurzen Moment war Rachel zu eingeschüchtert, um etwas zu erwidern. Dann wagte sie, vorsichtig zu fragen: »Bist du irgendwie ein Lebensberater oder haben dich am Ende meine Eltern geschickt?«

In diesem Moment fing Lou an zu lachen. Er lachte, dass ihm die Tränen kamen, und konnte sich kaum beruhigen. »Weit gefehlt, Kleine. Weit gefehlt.«

Rachel irritierte dieses Lachen sehr und es beängstigte sie auch, denn es bedeutete, dass sie diesen Fremden überhaupt nicht einschätzen konnte. Dennoch saß sie bei ihm im Auto.

Lou hatte sich wieder gefangen und sah Rachel an. »So gelacht habe ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr.«

»Jahrzehnte? Wie alt bist du denn?«

»So alt wie diese Welt, Kleine.«

Rachel verdrehte die Augen. »Kannst du denn nie eine Frage ernsthaft beantworten?«

»Das tue ich doch«, gab Lou zurück. »Ich lüge nicht, wenn es um mich geht. Aber fragen musst du schon selbst.«

»Wer bist du?«

»Siehst du, Kleine, bei dieser Frage kann ich gar nicht lügen. Denn ich bin der Teufel.«

»Okay, das reicht. Ich will sofort aussteigen. Du bist ja völlig krank.«

Lou grinste belustigt. »Aber doch nicht hier. Wir sind gerade mitten im Nirgendwo.«

»Du lässt mich jetzt sofort hier raus!«

»Schau mal.« Lou wies auf ein Schild am Straßenrand. »Da kommt gleich eine Tankstelle. Da lass ich dich raus. Versprochen.«

Lou hielt tatsächlich an der Tankstelle. Rachel sprang aus dem Wagen und sah sich um. Es gab nur zwei Zapfsäulen und eine Garage, in der wohl früher eine Werkstatt gewesen war. Ein größeres Gebäude daneben beherbergte einen Coffee-Shop. Ringsherum erstreckte sich karges, hügeliges Prärieland und der Shop wirkte wie eine Oase in der Wüste. Rachel ging ohne Zögern auf die Eingangstür des Coffee-Shops zu. Nur so schnell wie möglich unter normale Menschen kommen, dachte sie.

Lou sah ihr gelassen nach, stieg gemächlich aus dem Wagen und nahm seinen Hut vom Rücksitz. Dann folgte er ihr langsam.

Hinter der Theke im Coffee-Shop saß ein dicker, älterer Herr mit einem gutmütigen, leicht dümmlichen Gesicht. Er hatte ein Käseblatt vor sich auf dem Tresen liegen und war dabei, das Kreuzworträtsel zu lösen. Rachel schlug der Geruch von aufgebackenen Bagels in die Nase. Es war angenehm warm und ihr Gemüt beruhigte sich wieder etwas. Sie gähnte und es fiel ihr nun auf, dass sie seit mehr als vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte. Die bunt beleuchtete Uhr über der Theke zeigte, dass es kurz nach halb acht war. Rachel bestellte sich einen Kaffee. Eigentlich mochte sie Kaffee nicht besonders, doch sie brauchte jetzt etwas, das sie wachhielt.

»Zum Mitnehmen?«, fragte der Alte hinter dem Tresen.

Rachel schüttelte den Kopf und nahm auf einem Barhocker Platz.

Der Kaffee war heiß. Obwohl sie nicht mehr fror, hielt sie ihre Hände um die Tasse, als müsse sie sie daran wärmen. Als sie hinter sich die Tür hörte, wusste sie, dass Lou den Shop betreten hatte.

Lou begrüßte den alten Verkäufer höflich und bezahlte ihren Kaffee. Er gab ein hohes Trinkgeld. Rachel bemühte sich, ihn nicht anzusehen.

»Vielleicht könnten Sie uns weiterhelfen, Sir«, sagte Lou zu dem Verkäufer. »Diese junge Dame hier muss nach Nevada.«

Er zeigte auf Rachel. »Ich habe draußen ein Schild gesehen, dass hier ein Bus fährt. Stimmt das?«

Rachel sah ihn überrascht an. Er war verrückt. Er hielt sich für den Teufel und hatte sicher mehr Dreck am Stecken, als sie sich je vorstellen konnte. Und jetzt stand er hier und kümmerte sich darum, wie sie weiterkam.

Der alte Mann nickte und brummte. »Ja, hier fährt ein Bus nach Westen. Aber nur einmal am Tag.« Er drehte sich um und sah auf die Uhr. »Immer um halb drei nachmittags.«

Rachel resignierte. Das bedeutete, sie musste sieben Stunden hier warten. »Gibt es hier noch etwas, außer der Tankstelle?«, fragte sie.

Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ist nicht weit in die Stadt.«

»Wie weit?«

»Zu Fuß? Hmmm … ’Ne Stunde etwa.«

Wieder resignierte Rachel. Sie saß hier fest und war nicht begeistert von dem Gedanken, sich allein und zu Fuß auf den Weg in die nächste Kleinstadt zu machen. Noch weniger wollte sie sieben Stunden mit dem brummigen, alten Mann verbringen. Der schien sich nicht sonderlich für ihre Misere zu interessieren und hatte sich wieder seinem Kreuzworträtsel zugewandt. Erneut hörte sie die Tür. Lou war gegangen.

Rachel seufzte und nahm einen Schluck Kaffee.

»Was ist denn mit euch zwei? Hattet ihr Stress?«

Überrascht sah Rachel zu dem Alten, der von seinem Rätsel aufgeblickt hatte und sie verwundert ansah. Was genau meinte er?

Der Mann nickte mit dem Kopf Richtung Tür. »Na, ihr seid doch zusammen hier angekommen. Und du willst weiter nach Westen. Warum setzt er dich hier ab? Wenn ihr zusammen bis hierhergekommen seid, könntet ihr doch auch zusammen weiterfahren.«

»Nein, lieber nicht«, entgegnete sie ausweichend.

»Willst du etwa bis heute Nachmittag auf den Bus warten, Schätzchen?«

»Ich könnte in die Stadt laufen, mich umsehen und dort dann den Bus nehmen.«

»Der hält aber nicht in der Stadt.«

»Warum denn nicht?« Rachel war nun der Verzweiflung so nahe, dass sie mit Tränen kämpfen musste. Sie war müde, war in der Nacht beinahe von einem Psychopathen getötet worden und der Typ, der sie gerettet hatte, war ebenfalls weit davon entfernt, normal zu sein.

»Weil er dann von der Straße hier runter müsste.« Der Alte schlurfte zu ihr, um ihr Kaffee nachzuschenken, doch sie lehnte dankend ab.

»Hör mal«, begann er genervt, »ich weiß nicht, was zwischen euch beiden vorgefallen ist. Was ist das denn überhaupt für eine Art, ein Mädel einfach so hier auszusetzen?«

»Ist schon gut. Ich wollte raus.«

Der Alte stemmte die Hände in die Hüften. »Hat er dich etwa angegraben?«

Rachel schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Das nicht.«

»Vielleicht solltest du ihn einfach fragen, ob er dich weiter mitnimmt«, sagte der Alte und ließ sich seufzend auf seinem Hocker hinter der Theke nieder.

»Aber, ich kenne ihn ja gar nicht«, protestierte Rachel gegen den gut gemeinten Rat. »Er könnte ein Verrückter sein oder ein Psychopath oder ein Killer oder …«

Der Alte winkte ab. »Er könnte auch deine Mutter gefressen haben.«

Offensichtlich hielt er ihre Befürchtungen für sehr abwegig.

Aber er wusste ja auch nicht, was sie wusste, zum Beispiel von dem geklauten Wagen und den Waffen im Kofferraum.

Sie sah nach draußen. Durch die großen Fenster des Coffee-Shops konnte sie Lou sehen, der gerade getankt hatte und sich mit verschränkten Armen gegen den Kotflügel lehnte. Er wartet auf mich, dachte sie. Er weiß, dass ich gar keine andere Wahl habe, als wieder in sein Auto einzusteigen. Sie trank ihren Kaffee aus.

»Würden Sie an meiner Stelle in sein Auto einsteigen?«, fragte sie den alten Mann und ein leicht vorwurfsvoller Unterton lag in ihrer Stimme.

»Warum nicht«, erwiderte er mit einem Schulterzucken.

»Du kannst auch warten, bis jemand anderes hier vorbeikommt. Aber, ob ich dir raten würde, bei so einem Biker oder Trucker mitzufahren …«

Rachel verstand, was er meinte, obwohl er seinen Satz bedeutungsschwanger unvollendet ließ. Sie bedankte sich und verließ zögernd den Shop.

* * *

Ein Schmunzeln huschte über Lous Gesicht, als er sie auf seinen Wagen zukommen sah und er bemerkte, dass sie nervös war. Sie blieb in einigem Abstand zu ihm stehen und suchte nach den richtigen Worten.

»Warum hast du mich gerettet?«

»Habe ich nicht.«

Sie wirkte, als wolle sie etwas erwidern. Stattdessen sah sie ihn misstrauisch an.

Lou stieß sich vom Wagen ab. »Ich habe dir schon gesagt, mein Job war, Tommy, diesen Idioten, zur Hölle zu jagen. Dass du da warst, war reiner Zufall.«

Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht, doch sie schluckte heftig und ihm fiel auf, dass sie begonnen hatte, ihre Finger zu kneten.

»Du brauchst dich nicht zu fürchten«, sagte er ruhig und ging auf sie zu. Ihr Gesicht blieb angespannt, doch er registrierte, dass seine Worte zu ihr durchdrangen und sie beruhigten. »Ich verspreche dir, ich werde dir nichts tun.« Es war einfach. Nur noch ein kleiner Augenblick und sie würde ihm alles glauben.

»Zufall oder nicht, du hast mich gerettet.«

Die Kraft in ihrer Stimme ließ ihn sie abermals verwundert ansehen. Sie war bereit, wieder zu ihm ins Auto zu steigen, obwohl ihre Situation weniger aussichtslos war, als sie vielleicht glaubte. Die Straße war stark befahren. Sicher würde sich ihr eine Mitfahrgelegenheit bieten, wenn sie nur wartete. Trotzdem entschied sie sich für ihn.

Er hätte ihr alles versprochen, nur um sie wieder im Auto zu haben.

Kapitel 3

»Was ist mit deinen Eltern?«

»Was?!«

Rachel saß immer noch leicht angespannt neben Lou und sah ihn vorsichtig an, doch er hatte sich wieder der Straße zugewandt.

»Na ja, ich dachte, ich sollte nichts mehr von mir erzählen. Also frage ich dich ein bisschen aus.«

Rachel drückte ihre Tasche, die sie auf ihrem Schoß hatte, an sich, als müsse sie sich an ihr festhalten. Eigentlich ging es ihr schon etwas besser. Lou verhielt sich normal und war schweigend und konzentriert gefahren. Es war möglich, dass er jetzt einfach eine nette Unterhaltung führen wollte.

»Sie … sie sind im Grunde in Ordnung«, sagte Rachel langsam. »Manchmal liefern sie sich kleine Machtkämpfe. Das nervt mich ganz schön.«

»Bist du deshalb so unzufrieden?«

Rachel seufzte. Wie sollte sie ihm das erklären? Sie konnte es ja sich selbst kaum erklären. »Nichts passiert, verstehst du? Ich bewege mich nicht von der Stelle. Es sind nicht meine Eltern. Es ist …, ach, was rede ich hier eigentlich!«

»Wenn du das Gefühl hast, nicht voranzukommen, warum änderst du nichts?«

»Das tue ich doch. Jetzt. Ich meine, nicht direkt jetzt. Ich reise durchs Land. Mach, was mir gefällt.« Es klang eher nach einer verzweifelten Ausrede, dabei war Lous Frage im Prinzip ganz einfach und logisch. Am besten sage ich gar nichts mehr, dachte sie grimmig.

Als hätte Lou ihre Gedanken gelesen, sah er sie auffordernd an. »Na, los. Erzähl ruhig. Weißt du, ich habe gerade nichts anderes vor.«

Es kam Rachel vor wie in einem klischeehaften Film, in dem sich zwei völlig Fremde gegenseitig ihre Lebensgeschichten erzählten. Nun, eigentlich war sie diejenige, die erzählen sollte, während ihr Gesprächspartner von sich nur in Rätseln sprach. Doch irgendetwas an Lou erweckte Vertrauen in ihr und das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen, wurde beinahe übermächtig. Es war verrückt, das wusste sie, und bestimmt würde sie es später noch bereuen. Aber sie spürte auch, dass es guttun würde, zu erzählen. Also erzählte sie.

»Letzten Montag hätte ich eigentlich einen Job anfangen sollen. In der Firma meines Stiefvaters, oder dem Freund von meiner Mom, wie auch immer. Bürotätigkeiten und so.«

Sie schnaubte. »Ich bin einfach nicht aufgetaucht.«

Auf Lous fragenden Blick sagte sie: »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, in einem Büro zu arbeiten und Akten zu sortieren. Natürlich gab’s deswegen einen Riesenärger zu Hause. Da hab’ ich meine Sachen gepackt und bin gegangen.«

Lou nickte. »Das war doch sehr konsequent. Du bist also losgezogen.«

»Ich würde gerne erzählen, dass ich bei einem Kumpel oder einer Freundin untergekommen bin. Aber ehrlich gesagt habe ich keine so guten Freunde, die mich einfach mal so spontan aufnehmen würden.«

»Das sagst du so. Hast du denn überhaupt jemanden gefragt?«

Rachel schüttelte energisch den Kopf. »All diese Leute von der Highschool? Ich hatte schon während der Schulzeit kaum was mit denen zu tun. Was glaubst du, wie die geguckt hätten, wenn ich da einfach so aufgekreuzt wäre, mit der Bitte, mich bei ihnen pennen zu lassen.«

»Hast du keine beste Freundin oder so was? Mädchen haben doch immer eine beste Freundin.«

»Meine beste Freundin tourt zurzeit mit dem Rucksack durch Thailand, glaube ich. Also irgend so ein asiatisches Land halt und ist nicht zu erreichen. Die macht’s richtig.«

Es entstand eine unangenehme Pause, in der Lou nachdenklich vor sich hin nickte. Schließlich sah er Rachel an und sagte: »Das klingt, als wärst du ziemlich einsam.«

Rachel sah betroffen auf ihre Hände. Es tat weh, es so direkt gesagt zu bekommen. Auch wenn er recht hatte – sie wollte auf keinen Fall bemitleidet werden. »Deshalb habe ich mich ja aufgemacht. Um mal was anderes zu sehen und interessante Menschen zu treffen.«

»Und triffst gleich auf den interessanten Tommy«, sagte Lou. »Toll, was?«

»Eigentlich war das ein absoluter Glücksfall. Wenigstens habe ich jetzt mal was Spannendes zu erzählen.«

Nun sah Lou sie mit einer Mischung aus Unglaube und Besorgnis an. Rachel freute sich, dass sie ihn sprachlos machen konnte.

»Im Ernst«, sagte sie schließlich. »Mir ist noch nie etwas wirklich Schlimmes passiert. Jedenfalls nichts vergleichbar Schlimmes wie letzte Nacht.«

Lou schüttelte ungläubig den Kopf. »Wow. Das klingt, als hättest du bisher unglaublich viel Glück im Leben gehabt. Und du sagst es, als wärst du darüber enttäuscht.«

Sie sah ihn verständnislos an und zog die Brauen zusammen. Zugegeben: Von diesem Standpunkt aus hatte sie es noch nie betrachtet. Doch es änderte nichts daran, dass sie unzufrieden war. »Aber mir ist auch nie etwas passiert, das unglaublich toll, atemberaubend und einfach richtig gut gewesen ist. So gut, dass man es am liebsten immer wieder erleben will.«

»Das kommt alles sicher noch«, meinte Lou. »Dein Leben hat doch erst angefangen.«

Rachel lachte. »Das klingt wie eine Predigt.«

»Ich predige nicht. Ich sage dir nur ehrlich, was ich denke. So ehrlich wird selten ein Priester zu dir sein.«

Das ließ sie aufhorchen. »Du magst keine Kirchen und offensichtlich auch keine Priester. Wahrscheinlich bist du tatsächlich der Teufel«, schlussfolgerte sie ein wenig zu ironisch.

Ob er jetzt ausrasten würde? Es kam ihr vor wie damals, als sie mit ein paar Mädchen aus ihrer Schulklasse Gläserrücken gespielt hatte. Natürlich glaubte keine von ihnen an böse Geister, aber es hatte sich auch niemand getraut, diese Ansicht offen auszusprechen – man konnte ja nie wissen.

Nachdem sie sich mit einem erneuten Seitenblick auf Lou vergewissert hatte, dass er ihr die Bemerkung offenbar nicht übel nahm, seufzte sie erleichtert.

»Was hast du eigentlich mit den Waffen vor, die du im Kofferraum hast?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

»Ich übergebe sie an einen Händler in Vegas«, antwortete Lou sachlich. »Ich bin nur der Paketbote in diesem Fall.«

»Machst du das öfter?«

»Was soll ich sagen? Man kennt mich in der Branche als äußerst zuverlässig und diskret.«

Er warf ihr einen selbstgefälligen Blick zu.

Rachel glaubte zu wissen, was er meinte, auch wenn er nach wie vor ein Rätsel für sie war. Er wirkte nicht gefährlich und was er so sagte, klang eher belehrend als einschüchternd. Zweifellos wusste er eine Menge.

Da fiel ihr etwas ein. »Woher weißt du denn nun eigentlich, dass meine Eltern geschieden sind?«

Lou sah angestrengt auf die Armaturen vor sich und tat so, als hätte er ihre Frage nicht gehört.

»Du bist mir noch eine Antwort schuldig«, beharrte Rachel.

»Scheiße«, fluchte Lou. »Die Ölkontrolllampe ist angegangen.«

Er fuhr den Wagen rechts ran und stieg grummelnd aus.

Rachel fischte in ihrer Tasche nach ihrer Wasserflasche und nutzte die Gelegenheit, sich ein bisschen die Füße zu vertreten. Es war sehr warm geworden. Ein herrlicher Tag. Sie streckte sich und ging zu Lou, der sich über den Motor gebeugt hatte.

Rachel deutete mit dem Zeigefinger auf einen Deckel neben dem Motorblock und Lou öffnete den Drehverschluss.

»Du hast nicht zufällig etwas Öl bei dir, oder? Hätte ich das vorhin an der Tankstelle schon gewusst …«

Rachel schüttelte den Kopf. »Soll ich zurücklaufen?«

»Was hast du da?«, fragte Lou und deutete auf ihre Wasserflasche.

»Wasser. Zum Trinken.«

»Gib mir die Flasche.«

Sie reichte ihm die Flasche, obwohl sie nicht wusste, was er vorhatte. Er nahm einen kleinen Schluck und schien nachzudenken. Dann setzte er die Flasche an den Motor, zögerte kurz und sah Rachel abwartend an.

Sie verzog das Gesicht. »Du kannst da doch kein Wasser reinkippen.«

»Das habe ich auch nicht vor«, erwiderte Lou. »Würde es dir was ausmachen, dich kurz umzudrehen? Damit du nicht sehen kannst, was ich tue.«

Rachel sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

Lou holte tief Luft. »Ich krieg’ das wieder hin. Ich mag es nur nicht, wenn mir jemand zusieht.«

Dass Rachel ihn immer noch ungläubig ansah, verärgerte ihn. »Nun mach schon«, fuhr er sie an.

»Du willst nur nicht, dass ich sehe, wie du Wasser in den Motor kippst und ihn damit ruinierst.«

Lou schüttelte heftig den Kopf. »Nein, ich werde diese Wasserflasche ansetzen und es wird Motoröl herausfließen. Und weißt du, wieso ich das kann? Weil ich nun mal der Teufel bin. Ja, stell dir vor. Und wenn du siehst, was ich tue, führt dich das direkt in die Verdammnis, wenn du Pech hast.«

»Das glaubst du doch selber nicht«, entgegnete Rachel selbstbewusst, doch ihr Herz raste.

Lou packte sie hart am Arm. »Tu, was ich dir sage!«

Eingeschüchtert drehte Rachel sich um und sah nicht hin, als er sich am Motor zu schaffen machte. Erst, als sie hörte, wie er die Motorhaube zuschlug, wandte sie sich ihm wieder zu.

»Steig ein.« Lou sah sie versöhnlich an. »Es ist okay.«

Zögernd stieg Rachel zurück ins Auto. Lou startete und fuhr weiter, als sei nichts gewesen. Rachel war sich sicher, dass der Wagen noch eine Weile fahren würde. Doch früher oder später würde ihn ein Kolbenfresser zum Stehen bringen.

Sie fuhren schweigend weiter Richtung Westen auf der Landstraße. Der Wagen blieb nicht liegen. Mit flauem Gefühl im Magen sah Rachel auf die Armaturen.

Die Ölkontrolllampe war ausgegangen.

Erst nachdem sie eine Weile gefahren waren, wagte Rachel wieder zu sprechen. »Wie … wie ist das möglich? Ich meine, was hast du da gemacht?«

Lou seufzte. »Das ist schwer zu erklären, wenn du nicht glaubst«, sagte er deshalb nur.

»Ist das so was wie Jesus, der Wasser in Wein verwandelt hat, oder so?«

»Jesus«, sagte Lou mit einem sarkastischen Lachen untermalt. »Alles, was du glaubst über ihn zu wissen, ist irrelevant.«

»Ich glaube gar nichts«, erwiderte Rachel. »Aber ich kenne natürlich die Geschichten.«

»Die Bibel, was?« Lou schüttelte tadelnd den Kopf. »Dieses Buch wurde von Menschen verfasst. Menschen, die andere Menschen von irgendwas überzeugen wollten.«

Rachel sah neugierig zu ihm hinüber. »Es klang so, als würdest du an Gott glauben. Glaubst aber nicht an die Bibel?«

»Das sind ja auch zwei völlig unterschiedliche Dinge. Gott gibt es wahrhaftig. In der Bibel stehen nur Halbwahrheiten.«

Auch, wenn es absurd war, Rachel fand Gefallen an der Unterhaltung. Da sie den Vorgang mit dem Motoröl nicht verstand und Lou offensichtlich nichts erklären wollte, beschloss sie, die Sache zunächst einfach auf sich beruhen zu lassen. Früher oder später würde sie schon noch dahinterkommen.

»Ich kenne Menschen, die voll und ganz gläubig sind«, sagte sie. »Ist doch allein ihre Sache, was sie glauben.«

Lou schnaubte, als wolle er damit ausdrücken, dass sie absolut keine Ahnung hatte und starrte missmutig auf die Straße, so als würde sich das Gespräch in eine Richtung entwickeln, die ihm ganz und gar nicht zusagte.

Plötzlich brach es aus ihm heraus: »Das ist eines eurer Probleme. Diese Ignoranz. Es gibt nur eine Wahrheit.«

Rachel lief es eiskalt über den Rücken, trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen zu fragen: »Welche Wahrheit?«

Lou seufzte abermals. »Es macht keinen Sinn, mit dir darüber zu reden. Du glaubst an nichts.«

»Das ist nicht wahr«, erwiderte Rachel. »Ich glaube nicht an Gott.«

»Du glaubst nicht an dich selbst.«

Rachel zuckte unmerklich zusammen. Schon wieder hatte Lou es geschafft, dass sie sich klein fühlte. Die selbstbewusste Maske, die sie sich extra für ihren Trip übergestülpt hatte, bekam Risse und dieser seltsame Mann, der von sich behauptete, der leibhaftige Teufel zu sein, schien mit jeder Bemerkung größere Löcher in ihre dünne Rüstung zu reißen. Doch dann schüttelte sie energisch den Kopf.

»Das mag sein, tut aber nichts zur Sache.« Tatsächlich war sie mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem sie ihr in ihren Augen trostloses Leben einfach als gegeben akzeptierte. Sie wollte nicht mehr lamentieren.

Lou zog eine Augenbraue nach oben und sah sie kurz an. Sein Blick sagte: Na gut, wie du meinst.

»Wenn die Menschen an Jesus glauben und nach seiner Lehre leben, bin ich die Letzte, die das kritisiert, auch wenn ich nicht dasselbe glaube«, fuhr Rachel fort.

Lou verdrehte die Augen und seufzte, so als müsse er sich nun auf eine müßige Diskussion einstellen.

»Jesus«, sagte er dieses Mal leicht angewidert. »Jesus war ein Mensch. Und obendrein hat er auch noch versagt. Nenn mir einen Grund, warum es toll sein sollte, ihm zu folgen.«

Rachel zog die Schultern hoch.

»Ist doch egal, warum Menschen so leben wie sie leben. Wenn jemand zum Beispiel etwas Gutes für seine Mitmenschen tut, weil er meint, dass Jesus es so gutheißen würde, dann ist es doch gut so.«

»Hast du schon einmal etwas Gutes für deine Mitmenschen getan?«, fragte Lou, ohne zu zögern.

Rachel dachte kurz nach und nickte schließlich. »Ja. Ich habe Geld an eine Hilfsorganisation gespendet. Und ich habe einmal alte Kleider und Spielsachen von mir an ein Obdachlosenheim gegeben.« Sie sagte es nicht ohne einen gewissen Stolz in ihrer Stimme.

»Warum?«, fragte Lou.

Darauf fiel es Rachel schwer, direkt zu antworten. Tatsächlich hatte sie es nur getan, weil ihre Mutter sie dazu aufgefordert hatte. Weil es richtig sei, etwas für jene zu tun, die es brauchten.

»Ich sagte schon, es ist egal, warum.«

»Aber du hast es nicht getan, weil du ein religiöser Mensch bist und es sich eben als Christ so gehört«, stellte Lou fest.

Rachel nickte nur.

»Siehst du«, sagte Lou.

»Das meinte ich mit Ignoranz. Dir ist egal, aus welchem Grund ein Mensch etwas Gutes tut. Tut er aber etwas Böses, ist es plötzlich nicht mehr egal, nicht wahr?«

»Es ist mir egal, ob sein Grund sein Glaube an Jesus ist oder ein anderer«, gab Rachel patzig zurück.

»Und wenn jemand aufgrund seines Glaubens etwas Böses tut?«, fragte Lou weiter.

Rachel schwieg einen Moment dazu. Sie war zuerst versucht, zu sagen, dass es so etwas nicht gäbe, doch dann wurde sie nachdenklich. Tatsächlich passierte es jeden Tag überall auf der Welt.

»Es passiert jetzt in diesem Moment über eine Million Mal auf der Welt«, sagte Lou. »Und immer scheint ihr einen präzisen Grund zu haben, nämlich Gott. Ihr legt euch euren Glauben so zurecht, wie ihr ihn gerade braucht.«

Rachel konnte dem nur zustimmen. Er hatte ja völlig recht mit dem, was er sagte. Aus diesem Grund war sie selbst nie einer Religion beigetreten.

»Glaube und Religion helfen, in einer Gesellschaft eine gewisse Ordnung aufrecht zu erhalten. Aber es geht schief, sobald unterschiedliche Sichtweisen aufeinandertreffen.«

»Es gibt so viele Religionen wie Menschen auf der Welt«, entgegnete Lou wissend. »Im Grunde glaubt jeder das, was er will.«

»Moment mal. Das würde ja dann bedeuten, dass sich die Menschen untereinander gar nicht verstehen, wenn es wirklich so extrem wäre.«

»Tatsächlich verstehen sich aber sogar Menschen prächtig miteinander, die komplett unterschiedliche Dinge glauben«, führte Lou ihren Gedanken fort. »Was sagt dir das?«

Rachel zog die Schultern hoch und sah Lou abwartend von der Seite an.

»Nicht der Glaube, Jesus oder Gott oder Jahwe, Mohammed oder Buddha sind der Grund, weshalb Gutes oder Böses geschieht. Es ist der Mensch allein.«

»Und wo kommt da der Teufel ins Spiel?«, fragte Rachel frech und bereute es sofort. Wenn sie eines von Lou wusste, dann dass sie den Teufel in seiner Gegenwart nicht ins Lächerliche ziehen durfte.

Lou schnaubte einige Male, so als müsse er sich beherrschen, um nicht aus der Haut zu fahren. Er bedachte Rachel mit einem bösen Blick, der sie erschaudern ließ und sagte nichts.

Rachel hatte das Gefühl, ihn besänftigen zu müssen, doch ihr fiel nur ein dummer Spruch ein, den sie mal irgendwo gehört hatte.

»Der Teufel denkt wie ein Mensch.«

Lou, der mit gerunzelter Stirn auf die Straße gestarrt hatte, blickte sie kurz erstaunt von der Seite an. Dann richtete er seinen Blick zurück auf die Straße und lächelte in sich hinein.

Im nächsten Moment trat Lou auf die Bremse und legte den Rückwärtsgang ein. Sie waren an einer Abzweigung vorbeigefahren, die Lou nun offenbar doch nehmen wollte. Er setzte den Wagen einige Meter zurück und bog nach rechts auf eine kleine Seitenstraße ein. Er wirkte, als habe er einen spontanen Einfall gehabt.

»Wieso …?« Rachel hatte sich gerade mit ihm arrangiert und sie hatten sich sogar gut unterhalten. Sie hatte fürs Erste genug von unheimlichen Überraschungen.

Ein paar Meter parallel zur Landstraße führte die Seitenstraße zu einer großen, weißen Kirche. Sie war auf einem Hügel errichtet worden und von ihr aus hatte man sicher einen großartigen Blick auf die sie umgebende Wüstenlandschaft.

Lou brachte den alten, rostigen Wagen auf dem Hügel zum Stehen. Von hier aus konnte Rachel die Straße bis zum Horizont im Westen verfolgen.

Lou zeigte auf die Kirche. »Ich habe doch gesagt, ich lasse dich an der nächsten Kirche raus.«

Rachel sah durch das Beifahrerfenster auf die hölzerne Fassade der Kirche. Die Eingangstür stand halb offen. Unschlüssig wandte sie sich zu Lou um. Was sollte das nun?

»Willst du sie dir nicht wenigstens ansehen?«, fragte Lou.

Sie zögerte einen kurzen Moment und stieg dann aus dem Wagen. Ihr gefiel die Kirche, auch wenn die weiße Farbe an einigen Stellen abblätterte und der Unterbau etwas morsch aussah. Hinter sich hörte sie Lou aus dem Wagen steigen und die Tür zuwerfen.

Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich, mit dem Rücken zu ihr, gemütlich an seinen Wagen. Er machte keine Anstalten, ihr in die Kirche zu folgen.

»Hey!«, rief Rachel ihm zu.

»Kommst du nicht mit?«, fragte sie, als er sich zu ihr umblickte.

Lou verzog das Gesicht, blickte an der Kirche empor bis zur Glocke und wieder nach unten, spuckte aus und schüttelte den Kopf.

Rachel ging weiter. Bevor sie die drei Stufen zur Eingangstür betrat, drehte sie sich noch einmal um und rief: »Du wartest, bis ich wiederkomme, oder?«

Lou nickte und leise, sodass Rachel es nicht hören konnte, sagte er: »Mal sehen, ob du da überhaupt wieder rauskommst.«

Kapitel 4

In der Kirche war es dunkel und wesentlich kühler als in der brennenden Mittagssonne draußen. Durch die Ritzen zwischen den Holzlatten der Außenverkleidung drang etwas Sonnenlicht. Die Luft war trocken und staubig. Rachel schritt langsam durch die Bankreihen, setzte sich schließlich vor dem Altar in die zweite Reihe und ließ ihren Blick schweifen. Sie liebte diese Stille, die in Kirchen herrschte. Ihre Faszination für Kirchen hatte sie wohl von ihrem Großvater geerbt, der sie als Kind immer mal wieder zu einem seiner Restaurationsprojekte mitgenommen hatte. In diesen großen, stillen Hallen und Sälen fühlte sie sich immer versucht, laut zu rufen und zu hören wie ihre Stimme hallte, aber das hatte sie sich natürlich nie getraut.

Es war nichts zu hören, auch von draußen nicht. Nur das Holz knackte hin und wieder. Rachel war schrecklich müde und musste gähnen. Für einen Moment dachte sie sogar daran, sich einfach hier der Länge nach auf eine Bank zu legen und ein Nickerchen zu machen.

Da bemerkte sie, dass sie nicht mehr allein war. Jemand war von hinten herangetreten und näherte sich der Bank, auf der sie saß. Rachel blickte sich ängstlich um und war überrascht, Michaela zu erkennen.

»Hallo Rachel«, sagte sie und lächelte.

»Was machst du denn hier?«

Eine blöde Frage, dachte Rachel, doch ihr fiel nichts anderes ein, um ihr Erstaunen auszudrücken.

Ohne, dass ihr besonnenes Lächeln von ihrem Gesicht verschwand, setzte Michaela sich zu ihr. »Ich folge euch beiden schon die ganze Zeit.«

Rachel konnte ihre Verwunderung nicht verbergen. »Wie, du folgst uns? Warum?«

»Wegen Lou.«

Als Rachel sie verwirrt ansah, fügte Michaela hinzu: »Lou ist meine Aufgabe.«

Da Rachel sich auf Michaelas Worte keinen Reim machen konnte, ließ sie ihren Blick durch die Kirche schweifen. Ihr fiel auf, dass im hinteren Teil nun einige Kerzen brannten.

»Rachel«, sagte Michaela mit festem Tonfall, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. »Hat Lou dir gesagt, wer er ist?«

Rachel kicherte unsicher. »Er hält sich für den Teufel.«

Michaela nickte und Rachel stutzte. »Das meinst du doch nicht ernst.«

Doch Michaela schien das keineswegs abwegig zu finden und das beunruhigte Rachel sehr.

Wieder nickte Michaela, ganz so, als ob sie ihren Gedanken gehört hätte. Ihre eisblauen Augen sahen sie fest an. »Sein Name, Lou, ist eine Kurzform von Luzifer.«

Rachel war sich nicht sicher, ob sie glauben sollte, was sie da hörte. Michaela wirkte überzeugend. Sie kannte die junge Frau zwar auch erst seit letzter Nacht, aber sie war gutmütig und vertrauenswürdig. Dass sie jetzt bestätigte, dass Lou der Teufel war – oder Luzifer – war für Rachel beängstigend und verwirrend zugleich.

»Er ist ein wenig unheimlich«, sagte sie langsam. »Aber, wenn er der Teufel wäre, müsste er dann nicht böse sein? Oder irgendwie anders aussehen?«

»Was ist wohl wahrscheinlicher?«, entgegnete Michaela. »Dass der Teufel aussieht wie ein dämonischer Ziegenbock, der alle in Angst und Schrecken versetzt? Oder dass er auftritt, wie ein eloquenter, intelligenter Mann, der aussieht wie der nette Nachbar, der die Menschen nahezu feinfühlig verführt?«

Mit ihren Worten beschrieb sie exakt das, was Rachel auch von Lou gedacht hatte.

»Woher weißt du über ihn Bescheid?«

»Er ist meine Aufgabe«, sagte Michaela erneut. »Seit jeher.«

Rachel verstand nicht. »Wer bist du?«

Michaela lächelte freundlich und sagte: »Du bist nicht sehr bewandert in diesen Geschichten. Ich bin der Erzengel Michael.«

Rachel erfasste die Tragweite von Michaelas Worten nur langsam.

»Ich habe den Teufel aus dem Paradies vertrieben«, fuhr Michaela fort. »Seitdem treibt er unter den Menschen sein Unwesen. Verstehst du, Rachel? Er ist meine Aufgabe. Ich muss dafür sorgen, dass der Schaden, den er anrichtet, so gering wie möglich bleibt.«

Wieder konnte Rachel nur unsicher kichern. »Ich dachte irgendwie, Engel sehen aus wie Männer, oder so.«

Michaela zuckte mit den Schultern und für einen kurzen Moment dachte Rachel, dass ihr dieses beinahe überlegen wirkende Schulterzucken bekannt vorkam. »Ich bin ein Engel. Wir haben kein Geschlecht. Dass ich dir in Form einer jungen Frau erscheine, hängt damit zusammen, dass ich dieses Aussehen gewählt habe, um bei dir mehr Vertrauen zu erwecken.«

Rachel schüttelte sich. Es war eine Angewohnheit von ihr, um allzu verwirrende Gedanken loszuwerden und auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden.

»Eigentlich glaube ich nicht an Engel und Teufel, das Paradies und so«, sagte sie, obwohl sie spürte, dass Michaela die Wahrheit sagte. Hatte sie letzte Nacht nicht selbst gedacht, dass sie ihr wie ein Engel vorkam? Was auch immer das heißen mochte.

»Ich weiß, du brauchst Beweise«, sagte Michaela und nahm eine kleine Kerze aus ihrer Tasche. Mit ruhiger Hand entfachte sie den Docht ohne Streichholz oder Feuerzeug. Einfach so.

Rachel konnte nur auf die brennende Kerze starren, die Michaela liebevoll auf die Buchablage der Kirchenbank vor ihr abstellte.

»Lou könnte das übrigens auch.«

»Wie?«, fragte Rachel einsilbig.

Für sie war das alles zu viel, aber sie wollte auch endlich Klarheit haben. Sie war jetzt bereit, jede Erklärung anzunehmen, glaubwürdig oder nicht.

»Lange bevor Gott diese Welt und den Menschen erschuf, war Luzifer ein Engel wie ich und die anderen auch«, begann Michaela geduldig. »Als Gott sich an das große Projekt machte, die Welt zu erschaffen, war Luzifer nicht sehr begeistert. Er war der Meinung, dass Gott uns, Seine Engel und Freunde vernachlässigen würde. Er weigerte sich, Ihm zu dienen. Gott ist stets um Versöhnung bemüht und so war es auch damals mit Luzifer. Doch als Gott den Menschen erschuf, wurde Luzifer eifersüchtig. Er konnte es nicht ertragen, dass Gott den Menschen eine Gabe gab, die wir nicht besitzen.«

Auf Rachels fragenden Blick sagte Michaela: »Den freien Willen.«

Rachel nickte und ließ das Gehörte einen Moment sacken. In der entstandenen Stille sah sie sich erneut in der Kirche um.

Michaela fuhr fort: »Es kam zu einem großen Streit zwischen Gott und Luzifer, in dem es darum ging, dass Luzifer Gott aufforderte, sich zwischen uns, Seinen Engeln, und Seiner neuen Schöpfung zu entscheiden. Am Ende schwor Luzifer, dass er Gott den Rücken zukehren und alles dafür tun würde, um Seine Schöpfung zu sabotieren. Ein paarmal hätte er es fast geschafft.«

Sie schwieg daraufhin und in ihren Augen blitzten Tränen auf. Von Erinnerungen ganz gefangen genommen, ging ihr Blick scheinbar ins Leere.

»Und was war dann?«, fragte Rachel und holte sie aus ihren Gedanken.

Michaela lächelte und freute sich sichtlich, dass Rachel ihr Glauben schenkte. »Gott gab den Menschen die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Da Er sich nicht auf einen Machtkampf mit Luzifer einlassen wollte, zog Er sich aus dem Leben der Menschen zurück und überließ ihnen die Freiheit, zu tun, was immer sie für richtig hielten.«

»Das war vielleicht keine so gute Idee«, warf Rachel ein.

»Es stimmt«, bestätigte Michaela und wirkte traurig. »Es gibt viel Leid auf der Welt und die Menschen fragen sich, wo Gott ist und warum Er nicht einschreitet. Es wird immer schlimmer. Die Menschen, so hat sich herausgestellt, sind leider alles andere als gut zu anderen Menschen, zu ihrem Planeten und zu sich selbst.«

»Und was hat Lou damit zu tun?«

»Genau das ist der Punkt. Die Menschen sind von sich aus so schlecht, dass der Teufel kaum etwas dazutun kann. Er findet ohnehin nur Gefallen daran, gute Menschen zum Bösen zu verführen. Doch es gibt kaum noch gute Menschen, so scheint es.«

»Also hat er nicht mehr viel zu tun, wie?« Rachel glaubte, allmählich zu verstehen.

Michaela schien für einen Moment in Gedanken versunken zu sein. Mehr zu sich selbst sagte sie schließlich: »Wenn die Menschen sich von sich aus immer mehr dem Bösen zuwenden, wird auch der Teufel immer menschlicher.«

»Wie hängt das denn zusammen?«

»Siehst du, Rachel, es hängt alles mit allem zusammen. Lou ist ein Negativ. Ist er schlecht gelaunt, gibt es das herrlichste Wetter. Ist er glücklich, zieht ein Unwetter herauf. Und: Etwas tut sich hier. Ich weiß nicht genau, was, aber es beunruhigt mich.«

Ihr ernster Tonfall besorgte Rachel. »Was ist denn los?«

Michaela sah nachdenklich in die Flamme der brennenden Kerze. »Irgendetwas stimmt nicht. Ich hatte es schon wahrgenommen, als ich zu dem Festival gekommen bin. Und dann ist etwas passiert, das eigentlich völlig unmöglich ist.«

In Michaelas Gesicht spielten die Erinnerungen an die letzte Nacht. Sie schloss für einen Moment die Augen, seufzte tief und blickte dann zu Rachel. »Lou hat dich vor diesem Tommy gerettet. Das bedeutet, er hat – zufällig oder nicht – etwas Gutes getan. Denkst du, der Teufel würde so etwas tun?«

Langsam schüttelte Rachel den Kopf.

»Wenn er gekommen war, um Tommy zur Hölle zu schicken, und er hätte gesehen, wie er dich angreift, dann hätte er doch abgewartet, bis dieser Mistkerl noch einen Mord auf seiner Rechnung gehabt hätte, oder nicht?«

»Wahrscheinlich«, sagte Rachel mit rauer Stimme.

Die Erinnerung an das Erlebnis der letzten Nacht ließ sie immer noch schaudern.

»Siehst du«, erwiderte Michaela. »Er hat trotzdem eingegriffen und dir damit das Leben gerettet. Und das ist es, was hier nicht stimmt. Wahrscheinlich begreift er es selbst nicht einmal.«

»Wieso?«

»Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft sind leere Wörter für Lou. Oh, ich bin mir sicher, er ist genauso verwirrt wie du und ich. Deshalb hat er dich mitgenommen. Deshalb wartet er ab, was passiert. Ich denke, er will wissen, wohin das noch führt.«

»Wohin was führt?«

»Das mit dir. Er macht diese Erfahrung auch zum ersten Mal. Er wartet ab. Es muss ihn faszinieren.«

»Das bedeutet, er beobachtet, was ich tun werde?«

Michaela schüttelte den Kopf.

»Ich kann nicht sagen, was geschehen wird. Ich weiß nur, dass er kein Interesse an deiner Seele zu haben scheint. Sonst hätte er schon längst zugeschlagen, vermute ich.«

»Vermutest du?«, fragte Rachel empört.

»Wie gesagt, ich weiß nicht, was passieren wird. Ich kann dir nur sagen, wer er ist und dich warnen. Wenn du dich bewusst für den Teufel entscheidest, wird dich das in die Verdammnis führen.«

»Das heißt, wenn ich wieder zu ihm ins Auto steige, komme ich in die Hölle?«

»Nicht zwingend.« Michaela schien einer direkten Antwort auszuweichen.

»Es kommt darauf an, wie sehr du dich auf ihn einlässt. In deinem Innersten. Und ob er dich will.«

Darüber musste Rachel nun erst einmal nachdenken.

Michaela erhob sich langsam aus der Bank. »Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt«, sagte sie und wirkte erleichtert. »Du musst wissen, auf was du dich einlässt. Wenn es um deine Seele geht, kannst du dich jederzeit an Gott wenden. Glaub mir, Er versteht es.«

Rachel nickte nur.

»Und da du immer Beweise brauchst …« Michaela zog ein kleines Fläschchen aus ihrer Tasche und reichte es Rachel.

»Was ist das?« Zögernd nahm Rachel das Fläschchen an sich.