Teuflische Rache - Steffan Witsch - E-Book

Teuflische Rache E-Book

Steffan Witsch

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Beschreibung

Der Hilferuf einer ehemaligen Jugendfreundin erreicht Privatdektiv Steven Boy Welden. Jennifer ist die Hauptverdächtigte der polizeilichen Ermittlungen im Mord an ihrer Stieftochter und wird verhaftet. Jennifers Mann, der Millionär Axel Rossegger, bezahlt die Kaution für ihre vorläufige Haftentlassung. Aber Steven B. Welden kann nicht verhindern, dass ein Mordanschlag auf Jennifer beinahe gelingt und sie lebensgefährlich verletzt in die Klinik geliefert wird. Er muss den Mörder finden, bevor der noch einmal versucht, die Schwerverwundete endgültig zu töten. Doch der Killer ist Welden immer einen Schritt voraus.

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2016

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In dem Fünf Sternen Restaurant Waldorf Astoria, New York, hoch gelegen im siebten Stockwerk, hatte der Millionär und erfolgreiche Geschäftsmann Axel Rossegger im August 1968 nur engste Gäste geladen. Er feierte mit zweiter Gattin und Freunden eine ausgelassene Party anlässlich des den achtzehnten Geburtstags seiner Tochter Marie Lena und deren bestandener Führerscheinprüfung.

Gegen Mitternacht klagte seine schöne, junge Frau Jennifer über Migräne und verabschiedete sich von ihm. Nachdrücklich lehnte sie sein Angebot ab, ihr einen Fahrer zu besorgen, der sie nach Hause chauffieren würde. Sie schaute noch nach ihrer Stieftochter Marie Lena aus, konnte sie aber in dem Tohuwabohu nicht aufspüren. Wahrscheinlich hatte sich das Geburtstagskind bereits aus dem Staub gemacht und jagte mit dem nagelneuen Geschenk, einem feuerroten Alfa Romeo Spider durch die nächtlichen Straßen.

Der Lift brachte Jennifer Rossegger nach unten ins Parterre. Sie ging an dem unbesetzten Empfangspult vorbei, durch die große, leere Hotelhalle nach draußen auf die Straße. Vor dem Eingang des Grandhotels parkte das neue Kabriolett ihrer Tochter. Das Stoffverdeck war geschlossen. Auf der flachen Motorhaube hatte man eine übergroße, gelbe Samtschleife mit Klebebändern befestigt.

Neugierig trat Jennifer Rossegger auf das Fahrzeug zu. Dabei stieß sie mit der Schuhspitze geräuschvoll gegen einen dunklen Gegenstand auf dem Bürgersteig. Sie hob ihn auf und hielt irritiert ein bluttriefendes Messer in der Hand. Noch verstand sie nichts. Nur ihr Herzschlag beschleunigte sich leicht. Sie blickte in das Wageninnere und erkannte ihre Stieftochter zusammengesunken auf dem Fahrersitz. Der blonde Kopf ruhte auf dem Lenkrad. Marie Lena schien zu schlafen. Aus dem Fußraum loderte eine unruhige Flamme empor und spiegelte sich in der Seitenscheibe.

Hastig öffnete Jennifer den Verschlag und sagte vorwurfsvoll: „Aber Marie Lena, was machst du bloß? Willst du dein schönes Auto abbrennen? Komm schon, Liebes, wach auf, dir ist die Zigarette auf den Teppich gefallen.“

Sanft rüttelte sie die scheinbar Schlafende an der schmalen Schulter. Völlig unerwartet kippte das Mädchen aus dem Fahrzeug. Jennifer fing den Körper auf, starrte in ein todbleiches Gesicht, nahm die klaffende Schnittwunde am Hals wahr, aus der unentwegt Blut strömte. Völlig geschockt hielt Jennifer ihre Stieftochter im Arm. Da war Blut, überall klebriges, widerliches Blut. Wie hypnotisiert stierte sie auf die kleine, brennende Kerze auf der Beifahrerseite. Dann wieder in Marie Lenas Antlitz.

Jennifer gefror zu Eis. Sie wollte schreien, aber kein Ton kam aus ihrem Mund. So bemerkte sie auch nicht die Gestalt, die lautlos hinter sie trat und einen dunklen Schatten über sie warf. Eine aufgeregte Stimme röhrte: „Mein Gott, Miss Rossegger, was haben Sie getan?“

Jennifer hörte zwar die Worte, begriff sie jedoch nicht. Sie war unfähig einen Gedanken zu fassen. Was hatte der Mann gesagt?

„Miss Rossegger, ich muss die Polizei rufen. Sie haben Ihre Tochter erstochen!“

Was redete der Mann für ungereimtes Zeug? Wieso sollte sie Marie Lena erstochen haben?

„Ganz ruhig, Miss Rossegger. Tun Sie nichts Unüberlegtes, geben sie mir das Messer! Ich will Ihnen helfen.“

Bestürzt blickte Jennifer auf ihre Hand und ließ die Stichwaffe fallen, als hätte sie glühendes Eisen angefasst. Sie quetschte die Leblose an sich und rief hektisch: „Schnell, schnell, verständigen Sie einen Arzt. Beeilen Sie sich, Mister. Meine Tochter ist verletzt. Sie blutet stark. Und löschen Sie die Kerze aus, bevor sich die Matte in Brand setzt und der Wagen explodiert. Oh mein Gott, Marie Lena sprich mit mir.“ Walter Cobin, der Nachtportier des Waldorf-Astorias, drängte sich in den engen Wagen hinein und erstickte die kleine Flamme mit Daumen und Zeigefinger. Dann bückte er sich nach dem Messer. Er benutzte dazu ein Taschentuch und achtete darauf, dass er die Klinge an der Spitze anfasste. Um die Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Er hatte das einmal in einem Kriminalfilm gesehen.

Er begutachtete die mögliche Tatwaffe und sagte: „Das Messer gehört zu unserem Tafelbesteck. Sie haben es gestohlen und damit ihre Tochter getötet.“ Schonungslos verurteilte er die kurz vor der Hysterie stehende Jennifer: „Was sind Sie nur für eine Teufelin. Sie erstechen ihre Stieftochter, um Alleinerbin zu werden und die Millionen ihres Mannes einzukassieren.“

Gequält antwortete Jennifer: „Was…was reden Sie nur. Sie sollen einen Arzt rufen. Beeilen Sie sich. Sie sehen doch, dass meine Tochter verblutet. Unternehmen Sie endlich etwas!“

Mitleidlos sagte Walter Cobin: „Ihrer Stieftochter kann kein Arzt mehr helfen. Sie ist tot! Sie haben sie getötet. Ich muss die Polizei informieren.“

„Sie sind verrückt!“ schrie Jennifer. Wahnsinnig lachte sie auf und sackte ohnmächtig zu Boden und begrub die tote Marie Lena unter sich.

***

New York schwitzte unter der brütenden Augusthitze. Drückende, dampfende Luft, die schwer auf den Menschen lastete und die Atemwege blockierte. Die kleinste Bewegung wurde zur Tortur, trieb den Schweiß aus den Körpern und erstickte jegliche Aktivität.

Im Büro der Privatdetektei Welden & Born spendete der quietschende Deckenventilator kaum Kühlung. Es war Montagvormittag und die beiden Detektive beschäftigten sich damit die Zeit totzuschlagen. Nervende Langweile, brutale Schwüle. Keine Aufträge, keine Telefonate, keine Besucher.

Fast apathisch lümmelte Steven Boy Welden mit offenen Hemdkragen und hochgekrempelten Ärmeln in seinen Stuhl und lagerte die Beine auf dem Schreibtisch. Er rauchte eine Zigarette und der Schweiß perlte von seiner Stirn. Vor ihm ein Glas Sodawasser und das Eis darin war schon lange geschmolzen.

„Was für eine gottverdammte Affenhitze“, beklagte sich der knapp 30jährige Privatdetektiv. Er war von schlanker, sehniger Statur und etwa einmeterachtzig groß, hatte dunkelbraune Haare und ein schmales, stoppelbärtiges Gesicht. In dem lediglich die gletscherblaue Augen und die kleine Narbe an der rechten Wange auffielen. „Ich wäre besser zu Hause geblieben. Da funktioniert wenigstens die Klimaanlage.“

Seinem Freund und Partner Jeck Born, der es sich auf dem Besuchersofa gemütlich gemacht hatte, schien die hohe Temperatur wenig zu beeindrucken. Er trug wie immer einen eleganten Sommeranzug und eine Krawatte. Nicht die geringste Transpiration auf der Stirn. Er war drei Jahre älter als Welden und von schlaksiger, fast dürrer Gestalt. Kragenlanges, fahl blondes Haar und buschiger Oberlippenbart, der an den Mundwinkeln etwas traurig herunterhing. Ansonsten glatt rasiert. Die tiefschwarzen Augen und die Falkennase gaben ihm ein leicht verwegenes Aussehen. Er griente: „Ich weiß nicht, worüber du dich beschwerst, Boy. Im Sommer ist es dir zu heiß und im Winter zu kalt.“

„Die Stadt ist tot, selbst die Gangster haben Ruhepause. Kein Mord, kein Bankraub, keine Entführung. Wir brauchen einen Job. Die Kasse ist leer“, lamentierte Welden. Er nippte am brachen Sodawasser. Schwerfällig nahm er dann die Füße vom Tisch und stelzte zum Kühlschrank. Er holte aus dem Gefrierfach einen Eiswürfel und rieb damit die Stirn und den Nacken ein. Die momentane Frische tat ihm gut. „Ist noch ein Bier da?“ fragte Born.

Argwöhnisch musterte ihn Welden: „Du willst doch nicht schon am Vormittag ein Bier trinken?“

„Warum nicht? Es gibt nichts Besseres für den Durst als ein kühles Bier.“

Wortlos warf ihm Welden eine Bierbüchse zu.

Geschickt fing Born sie auf, riss den Verschlusshaken hoch und bevor das Gebräu heraus zischte, setzte er die Dose an die Lippen und trank einen mächtigen Schluck. „Aaah“, sagte er zufrieden und wischte mit dem Handrücken den Schaum aus dem Bart. „Das solltest du auch probieren. Ist besser wie das fade Mineralwasser.“

In diesem Moment klingelte das Telefon.

Nach dem dritten Klingeln hob Welden den Hörer ab und sagte: „Privatdetektei Welden und Born, Ermittlungen aller Art. Was können wir für Sie tun?“ Er lauschte kurz und sagte abschließend: „Ich bin in einer Stunde bei Ihnen, Mr. Rossegger. Bis gleich.“

Wissbegierig fragte Born: „Was ist? Gibt’s Arbeit?“

„Kann ich noch nicht sagen. Möglicherweise. Ein Mister Axel Rossegger bittet mich um meinen Besuch. Ich soll mich in einer Stunde mit ihm treffen.“

„Was will er von dir? Und wo erwartet er dich?“

Welden schlüpfte in sein zerknittertes Leinenjackett. „Was er von mir will, hat er nicht gesagt. Wir treffen uns im Restaurant des Waldorf-Astoria Hotels.“

Anerkennend pfiff Born durch die Zähne: „Donnerwetter, das altehrwürdige Waldorf Astoria in der Park Avenue? Eine exklusive Adresse. Du solltest dich rasieren und dir eine Krawatte umbinden. Sonst werden sie dir den Eintritt verweigern.“

„Witzbold“, kommentierte Welden und griff nach der Türklinge.

Gänzlich unvorbereitet krachte ihm die Tür entgegen und er stolperte ein paar Schritte zurück. Zwischen Tür und Angel baute sich ein korpulenter Mann auf. Wild schnaubend wie ein Stier, Zornesröte im Gesicht und in den Fäusten eine Pistole haltend. Er sah aus wie der Rächer der Enterbten und richtete die Waffe auf Welden und schrie: „Habe ich dich endlich, du elender Bastard! Jetzt erledige ich dich!“ Postwendend fing er zu schießen an.

Instinktiv hatte sich Welden fallen lassen. Über seinen Kopf prasselten die Kugeln hinweg und hinter ihm zerbarst die Fensterscheibe. Tausend Glasscherben regneten auf ihn hernieder.

„Verdammt, was soll die Scheiße?“ fluchte er und rollte über den Teppich.

Mit einem gewaltigen Hechtsprung, der jedem Olympiasieger zur Ehre gereicht hätte, brachte sich Jeck Born hinter der Couch in Sicherheit.

Sogleich robbte Welden unter den Schreibtisch und neben ihm fetzten die Geschosse den Teppich auf. Der Verrückte hörte nicht auf zu schießen. Breit wie ein Kleiderschrank füllte er den Eingang aus und feuerte das volle Magazin auf Welden ab.

Spitze Holzspäne sprengten aus der Tischplatte, die Stehlampe platzte, das Telefon zerlegte sich in die Einzelteile.

„Verflucht, Jeck, mach was. Zieh endlich deine Knarre, bevor uns der Irre zur Hölle schickt“, bellte Welden. Leicht konfus krabbelte er um das Schreibpult herum.

Sofort giftete Born zurück: „Zum Teufel, Boy, mein Eisen hängt im Halfter am Kleiderhaken. Da komme ich nicht ran. Wo ist denn deine Kanone?“

„Die hängt neben deiner!“

Übereilt wechselte der Eindringling das leer geschossene Magazin und brüllte lauthals: „Zeige dich, du verfluchter Kojote, zeige dich, damit ich dich mit Blei voll pumpen kann!“

„Ich glaube, Boy, der Junge mag dich nicht“, meinte Born, tauchte hinter dem Sofa hoch und bombardierte den Schießwütigen mit einem Sitzkissen.

Der duckte sich, um dem Wurfgeschoss auszuweichen, dabei glitt ihm die Pistole aus den Fingern. Er kam nicht mehr dazu sie aufzuheben. Blitzschnell sprangen Welden und Born hinter ihren Deckungen hervor und stürzten sich auf den Mann. Gemeinsam prügelten sie auf ihn ein, bis er besinnungslos einbrach und sich nicht mehr rührte.

Kopfschüttelnd fragte Born: „Wer ist der Clown? Der schneit hier in unser Büro herein und ballert alles kurz und klein. Er hatte es auf dich abgesehen, Boy. Du hattest Glück, dass er nicht gerade ein Scharfschütze ist. Was ist, kennst du ihn?“ Erwartungsvoll blickte er den Freund an.

Doch der zuckte nur die Schultern, hockte sich auf die Ferse und durchsuchte den Bewusstlosen. Außer einem Taschenmesser und ein paar zehn Dollar Scheine fand er nichts bei ihm. Er richtete sich wieder hoch.

„Ich habe keine Zeit, ich muss weg“, sagte er mürrisch. „Keinen blassen Schimmer, wer der Kerl ist. Benachrichtige die Polizei, die soll sich um den Tobsüchtigen kümmern. Rufe von deinem Zimmer aus an. Meinen Apparat hat ja dieser Vollidiot totgeschossen. Mann, ich komme zu spät zu meinen Treffen. Hoffentlich geht uns der Auftrag nicht durch die Lappen.“

„Jetzt werde nicht nervös. Du schaffst das schon. Du hast noch einen halbe Stunde Zeit“, beruhigte ihn Born.

Fünf Minuten später steuerte Welden die silbergraue Chevrolet Corvette durch den Vormittagsverkehr. Er fuhr von seinem Büro in der Pierrepont Street auf die Clinton Street, erreichte schließlich die Brooklyn-Brücke, die Brooklyn mit Manhattan verband. Er bog in die Bowery Street ein und beschleunigte.

Direkt vor dem Waldorf Astoria stoppte er den Wagen. Er war zehn Minuten zu spät.

Ein Hoteldiener in einer Fantasieuniform eilte zu ihm und musterte ihn etwas distinguiert. Welden trug eine ausgewaschene Bluejeans, ein dunkelblaues Hemd, darüber das helle Leinensakko und braune Westernstiefeln. Er lächelte freundlich und warf dem Pagen die Wagenschlüssel zu. „Pass gut auf das Baby auf, Freund. Das ist eine 56 Corvette. Ich mache dich für den kleinsten Kratzer verantwortlich. Okay?“

„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte der Angestellte pikiert.

„Ich mache mir keine Sorgen, du solltest dir welche machen.“ Welden eilte die mit rotem Teppich überzogenen Stufen zum Hoteleingang hinauf.

Im riesigen Foyer herrschte emsiges Treiben. Vornehme Gäste und beflissentliche Bedienstete vermischten sich untereinander. Von man chen Besuchern wurde Weldens saloppe Erscheinung mit Befremden aufgenommen. Das Waldorf Astoria beherbergte nur Leute mit viel Geld und Adel, hier nächtigten nur die Oberen Zehntausend, hier war eine edle Gewandung erstes Gebot. Aber das störte Welden nicht im Geringsten. Auf Äußerlichkeiten legte er keinen Wert. Er drängte sich an das Empfangspult und fragte den snobistischen Portier: “Wo finde ich euer honoriges Restaurant? Mein Name ist Welden und mich erwartet Axel Rossegger.“

Der Concierge behielt einen verbindlichen Gesichtsausdruck. „Mr. Welden, einen Augenblick. Ich rufe den Pagen. Er bringt sie zu Mr. Rossegger.“ Affektiert griff er nach dem vergoldeten Glöckchen und bimmelte.

Kurz darauf folgte Welden einem Hotelboy zum Fahrstuhl. Sie fuhren auf die 22. Etage. Es war Viertel nach elf Uhr und das Restaurant war gut besetzt. Der Laufbursche führte Welden zu einem Tisch am Fenster, an dem ein männlicher Gast saß, der scheinbar gedanklich völlig abwesend durch die Panoramascheibe starrte.

Taktvoll zog sich der Junge zurück.

„Sie haben sich verspätet, Mr. Welden“, sagte der Mann am Fenster, ohne den Kopf zu wenden.

„Tut mir Leid, Mr. Rossegger, der Verkehr“, entschuldigte sich Welden lapidar.

Demonstrativ langsam drehte sich Axel Rossegger und blickte Welden ausdruckslos an. Er war ein blendend aussehender, graumelierter Mann. Welden schätzte ihn an die sechzig Jahre. Große und stattliche Erscheinung. Markantes, braungebranntes Gesicht, kohlschwarze, stechende Augen, mit einer Spur Überheblichkeit. Teurer, aschgrauer Maßanzug, schneeweißes Hemd und eine weinrote Seidenkrawatte mit goldener Spange, bestückt mit mehreren Diamanten. Am schmalen Handgelenk eine zwanzigtausend Dollar Uhr. Der Mann hatte Noblesse, keine Zweifel.

„Ich hasse Unpünktlichkeit, Mr. Welden und ihr Freizeitlook gefällt mir auch nicht. Das hier ist das Waldorf Astoria. Ich erwarte dass Sie sich dementsprechend kleiden. Eine Krawatte und ein simpler Anzug, sowie eine tägliche Rasur wäre das Mindeste.“

Obwohl Welden dringest einen Job brauchte erwiderte er trocken: „Ich bedauere, wenn Ihnen meine Kleiderordnung und mein Gesicht nicht zusagen, Mr. Axel Rossegger. Ich wusste nicht, dass sie so auf simple Unwichtigkeiten abfahren. Möglicherweise suchen Sie sich einen anderen Detektiv, der innen besser nach der Nase passt. Auf Wiedersehen!“ Abrupt machte er kehrt.

„Bleiben Sie hier, Mr. Welden“, holte ihn Rosseggers elitäre Stimme ein. „Kommen Sie sofort zurück und setzten Sie sich.“

Ungerührt ging Welden zu den Fahrstühlen.

Dort trat ihm ein schwergewichtiger Mann im schwarzen Anzug und verspiegelter Sonnenbrille entgegen. Die rechte Hand steckte in der Innentasche der Jacke.

„Geh mir aus dem Weg, mein Junge“, sagte Welden.

„Verursachen Sie kein Aufsehen, Mr. Welden“, knurrte der Bodyguard. „Mr. Rossegger wünscht, dass Sie zurückzukommen. Also tun Sie es. Wir wollen keinen Eklat. Hören Sie sich an, was er zu sagen hat. Dann können Sie gehen.“

„Was dein Boss wünscht, interessiert mich nicht und was er zu sagen hat ebenso wenig. Er mag zwar Geld wie Heu haben, aber das imponiert mir nicht. Wenn er sich beruhigt hat, soll er mich anrufen.“ Aus den Augenwinkeln beobachtete Welden, wie Axel Rossegger hinter dem Tisch aufstand und sich näherte.

Einige Gäste waren auf das kleine Intermezzo bereits aufmerksam geworden und schauten interessiert herüber. Ruhig sagte Axel Rossegger: „Das ist schon in Ordnung, Bill. Wenn Mr. Welden gehen will, dann kann er gehen. Es sei denn, er nimmt meine Entschuldigung an und leistet mir Gesellschaft bei einem Glas Wein.“

Einen Atemzug lang zögerte Welden.

„Ich brauche Ihre Hilfe, Mr. Welden“, fügte Rossegger hinzu.

Und Welden einen Job. Also nickte er und ging mit dem Millionär zurück an den Platz.

Der Oberkellner fragte nach ihren Wünschen. Rossegger bestellte französischen, halbtrockenen Weißwein und zwei Gläser.

„Bringen Sie mir eine eiskalte Flasche Pils“, sagte Welden. „Ich mag keinen Wein.“

Fragend sah der Ober auf Rossegger, dem man den erneuten Ärger anmerkte. Aber er hielt sich im Zaum und sagte: „Demnach eine Flasche Pils und ein Glas Weißwein. Danke!“

Welden lehnte sich im Stuhl zurück und steckte sich eine Zigarette an. „Kommen wir gleich zur Sache, Mr. Rossegger. Was kann ich für Sie tun?“ Gleichzeitig maßregelte er sich selbst:‚Sei etwas freundlicher zu deinem Klientel‚ denk daran du benötigst ein Engagement. Und der Mann stinkt nach Geld.’

Axel Rossegger knetete seine Handflächen. Er war sichtlich bemüht seinen Unwillen zu unterdrücken. Rau sagte er: „Damit wir uns gleich richtig verstehen, Mr. Welden. Eigentlich war es die Idee meiner Frau Jennifer Sie zu engagieren. Keine Ahnung warum. Ich versprach Jennifer, ich werde die besten Rechtsanwälte einschalten und sie wird in ein paar Tagen wieder auf freien Fuß sein. Doch sie wollte unbedingt Sie. Sie kennen doch meine Frau, Mr. Welden?“

Der Oberkellner brachte die Getränke und entfernte sich dann diskret. „Wieso sollte ich ihre Frau kennen?“ fragte Welden verwundert. „Wie heißt Ihre Frau? Jennifer? Tut mir leid, ich erinnere mich nicht.“

Befremdlich sagte Rossegger: „Das glaube ich ihnen nicht, Mr. Welden. So wie meine Frau von Ihnen sprach, waren Sie einmal gute Freunde. Aber das ist Vergangenheit, es macht mir nichts aus. Jennifer ist seit zwei Jahren meine Frau und wir führen eine glückliche Ehe.“

„Na, da gratuliere ich Ihnen herzlich. Eine glückliche Ehe ist selten. Doch auch wenn ich mich wiederhole, ich kenne keine Jennifer Rossegger. Trotzdem, wie kann ich helfen?“