The Doll and The Domination (The Pawn and The Puppet 4) - Brandi Elise Szeker - E-Book

The Doll and The Domination (The Pawn and The Puppet 4) E-Book

Brandi Elise Szeker

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Beschreibung

Als Skylenna, Dessin und ihre Freunde einen entscheidenden Fehler an Bord eines feindlichen Kriegsschiffs machen, landen sie in den höllischen Käfigen des Vexamen-Gefängnisses. Dort gibt es alles, von Vergnügungshaus-Nächten bis hin zu öffentlichen Hinrichtungen. Was passiert, wenn Patient Dreizehn nicht der einzige Großmeister ist, der das Spiel genießt? Lerne Kaspias Valdawell kennen, den Zwillingsbruder von Kane, aufgezogen von den wahnsinnigen Führern der Vexemen, um den perfekten Kommandanten zu erschaffen. Er ist der ultimative Aufseher für seine besonderen Insassen. Während ihres Aufenthalts kämpfen Dessin und Skylenna darum, ihre Familie zu schützen, Skylennas neue Fähigkeiten im Kampf zu verstehen und den bedrohlichen Methoden ihrer neuen Gefangenschaft zu widerstehen. Werden sie Zeit haben, um eine große Flucht zu planen? Oder wird diese grausame Gefangenschaft das geschickteste Spiel von Patient Dreizehn dominieren und sie zu gehorsamen Puppen in einem Zirkus machen?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Brandi Elise Szeker

 

 

The Doll and the Domination

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzung von Lara Gathmann

 

 

 

 

 

 

THE DOLL AND THE DOMINATION

 

 

 

© 2025 VAJONA Verlag GmbH

Copyright © 2024. The Doll and The Domination by Brandi Elise Szeker

the moral rights of the author have been asserted.

 

 

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel

»The Doll and The Domination«.

 

Übersetzung: Lara Gathmann

Korrektorat: Désirée Kläschen und Susann Chemnitzer

Umschlaggestaltung: Stefanie Saw

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz, unter Verwendung

von Motiven von Canva

 

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

Für dich, den Leser, der eine lange Liste von

Triggerwarnungen mit einem kleinen Fist Pump quittiert.

Schnapp dir deinen Vibrator und deinen Wodka.

Das hier ist abgefuckt.

 

Hinweis

 

Hey, du bist immer noch hier? Wenn ja, dann ist dies wahrscheinlich deine Einkaufsliste! Viel Spaß!

 

Dieses Buch enthält explizite Inhalte und könnte von einigen Leser*innen als anstößig empfunden werden. Bitte prüft die Triggerwarnungen vor dem Lesen. Das Buch ist nicht für Personen unter achtzehn Jahren bestimmt. Bitte bewahrt eure Bücher an einem Ort auf, an dem Minderjährige keinen Zugriff darauf haben. Es geht um eine düstere, dystopische Gesellschaft, die absichtlich problematisch dargestellt wird. Bitte beachtet, dass es sich um eine fiktive Welt handelt, die in keiner Weise die persönlichen Überzeugungen der Autorin widerspiegelt. Wir werden sehen, dass die Gesellschaft im Laufe der Serie wächst und ihren moralischen Kompass korrigiert.

Trigger: Grundlose Gewalt, Depression, Tod von geliebten Menschen, Selbstmord, grundlose/detaillierte Folter, körperliche Verletzungen (z. B. Brandwunden), Halluzinationen, Frauenfeindlichkeit, Pädophilie, (romantisierte) psychische Erkrankungen, Blut, Kindesmissbrauch, Tierquälerei und -tötung, Zerstückelung, Erwähnung von Inzest, weibliche Unterdrückung, Erniedrigung, Verhungern, Body Shaming, explizite sexuelle Szenen, explizite Sprache, religiöses Trauma, Horror, erniedrigende Sprache, Machtungleichgewicht, emotionale Manipulation, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe, einvernehmlicher Nicht-Konsens, zweifelhafter Konsens, Ausbeutung, Ertrinken, Erniedrigung, Essstörungen, negatives Körperbild, Sadismus.

 

Bitte lies nicht weiter, wenn du dir nicht sicher bist, ob die Inhalte dieses Buchs etwas für dich sind.

 

Anmerkung der Autorin

 

 

»DID is about survival. As more people begin to appreciate this concept, individuals with DID will start to feel less as though they have to hide in shame.«

– Deborah Bray Haddock

 

Die Repräsentation der DIS (dissoziativen Identitätsstörung) in diesem Roman erfolgt anhand einer moralisch grauen, gefährlichen Figur. Dies ist KEINE akkurate Darstellung einer DIS. Es ist eine symbolische Darstellung dessen, wie die DIS in der modernen Gesellschaft erscheint – gefürchtet, missverstanden und als ein Mysterium des Geistes zum Anglotzen. Bitte seid euch bewusst, dass der Rest der Serie eine Reise für die fiktive Gesellschaft und die Charaktere sein wird, um es besser zu verstehen und korrekt darzustellen.

Aber erlaubt mir, die Dinge für diese nicht fiktionale Welt richtigzustellen. Diese Menschen sind KEINE Ungeheuer. Sie sind KEINE Verbrecher.

Sie sind freundliche, intelligente, wunderbare Menschen, die Opfer von schrecklichem Unrecht und Missbrauch geworden sind.

Diese Nachricht soll euch ermutigen, die richtigen Fragen zu stellen und zu versuchen, die Situation besser zu verstehen. Für weitere Informationen über die DIS besucht bitte folgende Webseiten:

 

https://did-research.org/home/map

http://traumadissociation.com/index

PS: Wenn du mit den Darstellungen verschiedener Formen von Traumata in dieser Serie nicht übereinstimmst, nimm bitte Rücksicht auf diejenigen, die anders damit umgehen und sich als Überlebende ihrer Erfahrungen richtig repräsentiert fühlen. Jeder hat seine eigenen Begegnungen und Wege, um zu heilen. Auch wenn bestimmte Beschreibungen, Situationen oder Erklärungen nichts für dich sind, können sie jemand anderem helfen oder ihn stärken.

 

 

»Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.«

 

-Friedrich Nietzsche

 

 

Playlist

 

Ich habe über siebzig Songs für bestimmte Szenen in diesem Buch ausgewählt. Der Rest ist in der Reihenfolge der Szenen auf Spotify zu finden. Hier sind die Wichtigsten:

 

 

 

Daylight von David Kushner

Sikiliza Kwa Wahenga – Main Title von Michael Abels

Hero von Skillet

Breakfast of Champions von John Powell

Blood Oath von Benjamin Wallfisch

Dynasty von MIIA

Be Still von The Fray

Take on The World von You Me at Six

I’m Coming For It von UNSECRET, SAM TINNESZ, GREYLEE

Little Girl Gone von CHINCHILLA40 Cal von Hairitage, Rico Act

Skylenna

 

»Hat es dir die Sprache verschlagen, Bruder?«

Wir blicken alle zu Dessin, unsere Kinnlade hängt bis auf den Schwefelboden. Sie sehen gleich aus, so viel ist offensichtlich. Aber es ist ebenso klar, dass ihr Umfeld unterschiedlich war. Ihre Erziehung hat sie zu verschiedenen Kreaturen gemacht.

Kaspias Valdawell hat nicht diese Wärme in seinen dunkelbraunen Augen. Er hat nicht dieses schlagende Herz, das in seinem kalten Blick verborgen ist. Es ist fast ... schwer, ihn anzusehen. Im schwachen Licht der gelben und roten Glühbirnen erkenne ich die ungleichmäßigen Hautschichten auf seinem Gesicht und seinem Hals. Narben, die weitere Narben verdecken. Ein Bart und schwarze Tinte unter seinen Augen. Er ist groß, stark, unbeugsam mit prallen Muskeln wie Dessin, aber es hat etwas Krankes an sich, wie er seinen Zwillingsbruder ansieht.

Eine verdrehte Begierde, ihm Schmerzen zuzufügen.

»Uns wurde gesagt, du seist eine Totgeburt gewesen.« Dessin blinzelt nicht.

Kaspias lächelt für einige unheimliche Sekunden. »Davon habe ich gehört. Es ist ein bisschen traurig, wie leicht es für Vexamen-Spione ist, in eure labile Stadt einzudringen, oder nicht? Ich wurde in dem Moment entführt, als ich aus unserer Mutter herausgezogen und in mein neues Zuhause gebracht wurde.«

»Haben sie – Experimente an dir durchgeführt?«, fragt Dessin.

»Ich bin nicht wie du und deine« – er tippt sich mit zwei Fingern an die Schläfe – »Horde von Persönlichkeiten. Wenn die Versuchsperson ohne Mitgefühl aufgezogen wird, ist es schwieriger, sie zu brechen.«

»Es gibt zwei von euch?!«, platzt Niles angewidert heraus, während seine Augen zwischen den Zwillingen hin- und herspringen.

»Niles«, warnt Ruth leise.

Ich kann nicht einmal wegsehen, um Niles einen tadelnden Blick zuzuwerfen. Kaspias wurde als Baby entführt. Als Baby. Ein neu geborener Säugling. Sophia hatte nicht einmal die Chance, ihn zum ersten Mal zu halten.

Dessin holt kurz Luft. »Du bist einer von ihnen. Ein Soldat der Vexamen-Zucht.«

Ich möchte meine Hand zwischen die Gitterstäbe strecken und ihn berühren. Ihn wissen lassen, dass ich für ihn da bin. Dass er diese Nachricht nicht alleine verarbeiten muss.

»Ich bin ein Kommandant der Vexamen-Zucht.« Kaspias fährt sich mit der Hand durch seinen kurzen Bart. »Und du bist ein Experiment, das schiefgegangen ist. Ein Produkt des Wahnsinns. Eine Versuchsperson, die auf die Öffentlichkeit losgelassen wurde.«

Hat er Dessin all die Jahre über im Auge behalten? Der Gedanke löst das Kitzeln einer Erinnerung unter der Oberfläche bei mir aus. Ich versuche, mich nicht darin zu verlieren, während ich mich in sie hineinziehen lasse. Die Dunkelheit verschluckt mich schneller als erwartet und ich werde in den Wald geschleudert. Der Geruch von Regen, der in die Erde sickert, und von Kiefern umgibt mich. Dessin sitzt auf seinem Motorrad und Vergangenheits-Skylenna umklammert seine Taille. Wir sind auf der Flucht – vor jemandem. Ein anderes Motorrad. Eine Gestalt, die ihr Gesicht nicht zeigen wollte.

Dessin schlingert mit dem Motorrad und tritt mit seinen Beinen aus, um den Verfolger von seinem Sitz zu stoßen. Sie fliehen, bevor ihr Verfolger sich den Helm abnimmt.

Ich sehe den Bart zuerst, und mir wird ganz mulmig zumute. Kaspias ist uns gefolgt. Hatuns beobachtet.

Ich bin wieder in meinem Käfig, die Knie schmerzhaft gegen den zerklüfteten Schwefel gepresst, und blinzle die Erinnerung weg, die mich aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Wie lange geht das schon so? Hatte Dessin wirklich keine Ahnung, dass diese Möglichkeit besteht?

»Du warst derjenige, der die Jagdfalle gestellt hat, in die ich geraten bin, mit dem Nadaskar. Und die Person auf dem Motorrad, die uns verfolgt hat, nachdem wir die Anstalt verlassen hatten, um Ruth zu suchen.« Ein schmerzhafter Schauer läuft mir über den Rücken, als Kaspias blinzelt. Und in dem Moment, in dem er seine Augen wieder öffnet, liegen sie auf mir. Dunkel und hohl.

»Skylenna«, sagt er, als würde er das Gefühl meines Namens auf seiner Zunge testen. »Die andere Laborratte. Woher könntest du nur wissen, dass ich hinter der Jagdfalle stecke?«

Ich starre ihn an. Ich bin zu stolz, um den langen Moment des Augenkontakts zu unterbrechen, obwohl ich mich sehr unwohl dabei fühle.

»Du hast es in deinem Kopf gesehen, nicht wahr?«, drängt er.

Ich schaue zurück zu Dessin, dessen Kiefer so fest zusammengebissen ist, dass es mich nicht wundern würde, wenn er sich einen Zahn abbricht.

»Hat er seinem kleinen Liebling nicht die Erlaubnis gegeben, zu sprechen? Ist das der Grund, warum du zu ihm schaust? Um seine Erlaubnis zu erbitten?« Seine Worte kratzen an meiner Haut wie Sandpapier.

Dessin ist auf den Beinen, schnell und gefährlich, wie ein Herzinfarkt. »Du magst von meinem Blut sein, aber täusch dich nicht. Ich werde dir die Zunge herausreißen, wenn du noch einmal so mit ihr sprichst.«

Ich stehe langsam auf und bemerke, wie wenig Kleidung ich anhabe. Ein roter Einteiler aus einem Bralette und einem spärlich verbundenen Höschen. Eine Metallkette führt zu meinem Hals. Der Ausschnitt ist tief und verführerisch, während die Seiten locker in Fetzen um meine Hüfte hängen. Der Rücken ist komplett offen, gehalten mit einem Träger um meinen Hals. Ich werfe einen Blick zu Ruth und Marilynn hinüber. Wir sind alle so gekleidet. Was für ein seltsamer Kontrast zu den weißen Patientenkitteln in der Anstalt.

»Sie ist deine Geliebte.« Kaspias zieht eine Augenbraue hoch. »Das wusste ich nicht. Ihr wart euch nahe, habt euch aber nie ... berührt. Es muss anstrengend sein, jeden Mann zu bedrohen, der sie mit hungrigen Augen ansieht. Sie ist verführerisch, nicht wahr?«

»Ich bin nicht sein Haustier und er spricht nicht für mich. Ich schneide dir gerne selbst die Zunge heraus«, sage ich mit einer Ruhe, die gleichzeitig beunruhigend und selbstbewusst ist.

Und zum ersten Mal, seit wir hier sind, lächelt Dessin.

 

 

Skylenna

 

»Ich mache es kurz.« Kaspias ignoriert meine Drohung und blickt den Rest der Gruppe gelangweilt an. »Versucht, zu fliehen, und euer Gleichgewicht wird euch orientierungslos machen und übel werden lassen. Das hier ist ein Gefängnis, aber es ist auch so viel mehr. Ihr müsst diese neue Umgebung ertragen, bis die Mazonist-Zwillinge bereit sind, euch zu empfangen.«

»Mazonist-Zwillinge?«, fragt Ruth.

Ich erinnere mich, dass Aurick mir von den Gründern von Dementia und Vexamen erzählt hat. Orin Blackforth und Abraham Demechnef. Malcolm und Maxwell Mazonist. Sieht aus, als wären sie noch am Leben.

»Die Anführer von Vexamen«, murmelt Warrose. »Wie alt sind die jetzt, hundert?«

»Ziemlich nah dran«, antwortet Dessin, ohne den Blick von seinem Bruder abzuwenden.

»Es gibt nur eine Regel. Da ihr nicht entkommen könnt, ist euer Konsens unerlässlich, meine Damen.« Kaspias richtet seinen unheimlichen Blick auf mich, dann auf Ruth, dann auf Marilynn. »Dies ist ein gemischtes Gefängnis. Aber wenn ihr einwilligt, Soldaten oder Kommandanten zu erfreuen, seid ihr von der Teilnahme an den Fun-House-Nächten befreit.«

Konsens?

Ich schaue zu Dessin, der bei diesem Wort vor Wut zu kochen beginnt.

»Was sind Fun-House-Nächte?«, frage ich.

Aber der Kommandant ist unnatürlich still, während er seinen Zwillingsbruder mit einem langen, beunruhigenden Blick fixiert. Die Sehnen in Kaspias’ Nacken treten hervor und bewegen sich hin und her, während er mit den Zähnen knirscht. Die dunklen, karamellfarbenen Augen zucken, als hätte er den Rest von uns vergessen, während er Dessins Äußeres begutachtet. Vergleicht er ihre Gemeinsamkeiten? Beurteilt er ihre Unterschiede? Untersucht er alle Schwächen, die Dessin haben könnte?

Die durchdringende Stille klingt mir in den Ohren. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich die Einschüchterung nicht tangiert, die aus den Poren dieses Kommandanten trieft. Dieses Verhalten erinnert mich an Dessin. Und doch ist mir noch nie das kalte Grauen in die Knochen gekrochen, nur weil ich mich in seiner Nähe befunden habe.

Kaspias tritt zurück in den Schatten des langen Flurs, der von der unheimlichen Musik einer altmodischen Pfeifenorgel, einer verzerrten Trompete und dem unzusammenhängenden Geplapper der anderen Gefangenen, die gegen ihre Käfige schlagen, erfüllt ist. Sein Gang ist so sanft und nahtlos wie Rauch, der sich im Wind verflüchtigt.

Unsere Gruppe ist still, aber unsere Gedanken sind laut. Wir brauchen einige Minuten, um uns auf unsere neue Situation einzustellen. Um die Informationen zu verarbeiten, die Kaspias uns ins Gesicht geworfen hat.

»Wie zum Teufel ist es möglich, dass er noch furchteinflößender ist als du, Dess?«, bricht Niles das Schweigen.

»Bitte.« Dessin seufzt. »Gib mir keinen Spitznamen.«

Ich lehne mich an die Gitterstäbe meines Käfigs, atme tief und ruhig ein und zerbreche mir den Kopf darüber, was als Nächstes kommt. Ich spüre, dass Dessin das Gleiche tut.

Mit einem lauten Klirren öffnen sich unsere Käfigtüren. Und dem Echo von Metall, das auf Stein schlägt, den schlurfenden Füßen und stöhnenden Gefangenen sowie dem Rumpeln auf dem Gang nach zu urteilen, kann man mit Sicherheit sagen, dass sie uns für heute entlassen. Ein Ansturm von männlichen und weiblichen Gefangenen stolpert aus der Dunkelheit in die Halle, schubst sich gegenseitig und hält sich an den Gitterstäben anderer Käfige fest.

Dessin gibt uns das Signal, stehen zu bleiben, als sie vorbeikommen. Es ist, als ob wir unsichtbar wären. Keiner scheint sich für die Neuankömmlinge zu interessieren. Einige Häftlinge hinken mit blutigen, nackten Füßen. Einige krabbeln über den zerklüfteten, rauen Boden. Und anhand ihrer verschwommenen Gesichter scheinen sie alle zerschrammt, geschlagen und verletzt worden zu sein.

Ich wende meinen Blick Dessin zu. Seine Augen wandern schnell über die Menschenmenge. Er studiert sie. Beurteilt ihre Verletzungen. Sein Verstand verschiebt die Puzzlestücke.

Wir warten, bis sich die Gänge leeren, und treten dann vorsichtig hinaus. Bevor wir den letzten Nachzüglern folgen, dreht sich Dessin zu mir um, zieht mich in die Sicherheit seiner Arme und drückt mich an seine nackte Brust. Ich lege meine Arme um seine Taille und spüre die erhabenen Brandnarben auf seinem Rücken. Ich streichle sie liebevoll.

»Geht es dir gut?«, fragt er, die Lippen auf mein Haar gepresst, sein heißer Atem wärmt mein Ohr.

Ich nicke gegen seine Schulter, Tränen brennen in meinen Augen. Die Emotionen schnüren mir die Kehle zu, nicht weil ich Angst habe, sondern weil ich das brauchte. Sein muskulöser Körper presst sich gegen meine weichen Rundungen. Seine stählernen Arme umklammern mich so fest, dass ich nicht weiß, ob er mich jemals wieder loslassen wird.

»Du wirst mir nicht von der Seite weichen, solange wir hier sind.« Er schiebt seine Hand in die Haare an meinem Hinterkopf und zieht mich noch näher zu sich heran. »Hast du verstanden?«

Ich schmelze ein wenig bei seinen Worten. »Okay.« Ich möchte ebenfalls nicht von ihm getrennt sein. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das etwas ist, was wir kontrollieren können.

Wir lassen uns los, damit ich Ruth und Niles umarmen kann. Warrose und Dessin, die sich offensichtlich immer noch nicht wieder gut verstehen, nicken einander zu. Und ich werfe einen Blick über Niles’ Schulter auf Marilynn, die uns mit müden saphirblauen Augen und geschürzten Lippen beobachtet.

»Ich wette, du wünschst dir, du wärst bei Aurick geblieben, was?«, necke ich sie.

Ihre runden, verträumten Augen gleiten zurück zu mir. »Es ist ja nicht so, dass das Schicksal mir eine Wahl gelassen hätte.« Ihr Ton ist von Dornen und Glasscherben durchzogen. Ich trete zurück und beschließe, dass jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt ist, um mehr über ihre kratzbürstige Persönlichkeit zu erfahren.

»Wollen wir noch eine Gruppenumarmung machen?«, zwitschert Niles.

Wir stöhnen unisono auf.

Dessin dreht sich zu uns um, seine Gegenwart ist von kalter Berechnung und einem Plan geprägt, der sich in seinem Kopf zusammenbraut. Seine muskulösen Arme sind über seiner nackten Brust verschränkt. Und Gott, ich möchte ihn wieder berühren.

»Ihr dürft kein Anzeichen von Schwäche zeigen. Haltet euer Kinn hoch. Blickt gerade nach vorne. Wir wissen nicht, was für ein soziales System hier herrscht oder wie die Hierarchie aussieht.«

Wir nicken alle zögernd. Mein Magen knurrt vor Hunger und dreht sich vor Vorfreude.

»Aber bist du nicht der Alpha in Gefangenschaft? Du bist der berüchtigte Patient Dreizehn. Sollten wir aus diesem Grund nicht sicher sein?«, fragt Niles.

»Ich lege meine Karten erst offen, wenn ich weiß, welches Spiel wir spielen.« Sein Blick wandert von Niles zu Ruth. »Wenn es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt, geht ihr aus dem Weg und überlasst es Warrose oder mir, damit umzugehen. Habt ihr verstanden?«

»Oder mir«, sagen Marilynn und ich gleichzeitig.

Dessin wirft mir einen nachsichtigen Blick zu, dann sieht er Marilynn mit zusammengekniffenen Augen an. »Du kannst dich verteidigen?« Wir haben das bereits besprochen, aber bisher hat noch niemand Marilynn kämpfen gesehen.

»Kann ich«, sagt sie ausdruckslos.

Niemand stellt das Selbstvertrauen in ihrer Aussage infrage.

»Ruthie und ich sind also die verdammten Kleinkinder, die ihr alle beschützen müsst?«, schimpft Niles.

»Ja. Bleib in deinem Bettchen und lass die Erwachsenen das regeln.« Warrose klopft ihm grinsend auf den Rücken.

Ruth senkt ihren Blick auf den Boden und schluckt eine Emotion hinunter, die ich nicht lesen kann. Etwas Wütendes oder Hilfloses. Unsicherheit macht sich auf ihren sommersprossigen Wangen breit.

Dessin schnippt mit den Fingern und mahnt uns, unsere Stimmen zu senken. »Wir werden nicht mehr über unsere Schwächen sprechen.« Er tippt sich einmal ans Ohr, dann deutet er an die Decke. Wir wissen nicht, wer zuhört, formt er mit den Lippen.

Ohne ein weiteres Wort gehen wir durch den langen Flur, folgen den flackernden gelben und roten Glühbirnen und der unheimlichen Musik, die sich mit weißem Rauschen vermischt. Der scharfkantige Boden pikst und schmerzt unter unseren nackten Füßen und die abgestandene Luft riecht nach buttrigem Popcorn und Süßigkeiten mit einem versteckten Aroma von verfaultem Obst.

Ich frage mich, wie dieser Ort im Vergleich zum Emerald Lake Asylum sein wird. Ob dieses Gefängnis besser oder schlechter ist. Ich zwinge mich, positiv zu denken, bis ich mich daran erinnere, dass dies dieselben Leute sind, die ihren Müttern die Babys von der Brust stehlen. Dies ist dasselbe Land, in dem der ›Fleischkarneval‹ stattfindet.

Es muss noch schlimmer sein. Solche Leute haben keine angenehmen Unterkünfte für Gefangene.

Ich atme stockend ein. Balle die Hände zu Fäusten und lockere sie wieder. Worauf zum Teufel haben wir uns da eingelassen? Und warum mussten wir Niles und Ruth mitbringen? Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihnen etwas zustoßen würde ...

»Du knirschst mit den Zähnen, wenn du gestresst bist«, sagt Dessin mit Blick auf die dunkle Halle vor uns.

»Ich habe ein schlechtes Gefühl.«

Er nickt. »Ich auch.«

Fuck.

Ich denke an Chekiss, DaiSzek und Knightingale. Eine Welle der Erleichterung wärmt meine Haut. Wenigstens sind sie in Sicherheit. Sie sind weit weg von der Brutalität dieses Ortes. Aber ich kann nicht anders, als sie zu vermissen.

»Ignorieren wir die aufreizenden Outfits einfach, die die Mädels tragen, oder reden wir drüber?«, fragt Niles von hinten.

Ich höre Dessin tief in seiner Brust knurren.

»Ich versuche, nicht daran zu denken, Niles«, grummelt Warrose.

Wir sind allerdings nicht die Einzigen. Die Männer tragen keine Shirts. Nur schäbige schwarze Hosen mit Löchern und einem Bund, der locker um die Hüften sitzt.

»Sieht nicht schlecht aus«, fügt Niles hinzu und hält dann inne, um nachzudenken. »Viel besser als diese Baumwollkittel und Stoppersocken, stimmt’s?«

Schweigen.

»Wer vermisst die Stoppersocken?«, fragt er erneut.

Ein längeres Schweigen.

Niles gluckst vor sich hin. »Ich hatte gerade ein Bild im Kopf, wie Dessin Stoppersocken trägt.«

Dessin dreht sich blitzschnell zu ihm um, stürzt sich auf Niles und kommt ihm so nahe wie ein Tornado, der die Erde streift. »Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, uns hier rauszuholen, Niles. Und ich war schon gestresst, bevor du angefangen hast zu reden. Aber jetzt bin ich weit darüber hinaus. Und warum? Weil ich in diesem Moment an mein Mädchen denke, das nur mit einem Fetzen Zahnseide bekleidet in der Nähe von Gefangenen herumläuft. Willst du wissen, was passiert, wenn ich mir vorstelle, dass andere Männer auf Skylennas perfekten Hintern starren?«

Niles schüttelt den Kopf, seine grünen Augen sind größer, als ich sie je gesehen habe.

»Dann töte ich Menschen.«

Niles atmet nicht. Er blinzelt nicht.

»Kannst du mir nur dieses eine Mal das Leben ein wenig leichter machen?«, fragt Dessin mit einem langsamen Ausatmen.

»Ich halte die Klappe, Sir.«

Dessin nickt einmal und dreht sich mit fast schwarzen Augen und einem finsteren Blick zu mir um.

Ich schenke ihm ein Lächeln. »Seine Bewältigungsstrategie ist Humor.«

»Wenn ich es nicht bewältigen darf, dann darf er es auch nicht.«

»Wie würdest du es denn gerne bewältigen?«

»Mit meiner Faust in deinen Haaren und meinem Schwanz in deiner feuchten Pussy«, murmelt er rau in mein Ohr, seine Stimme angestrengt und giftig.

Die Hitze schießt direkt in meinen Unterleib. Ich spanne meine inneren Wände an.

»Verstanden.«

Er lächelt, die schwelende Wut auf seinen Zügen beginnt sich zu legen.

»Niles hat einen ziemlich guten Punkt«, sagt Warrose und wirft einen kurzen Blick auf Ruth. »Es muss doch etwas anderes geben, was die Mädchen anziehen können.«

»Dir haben die von Demechnef genehmigten Kleider nicht gefallen und jetzt gefällt dir mein knapper Gefangenen-Bikini nicht?«, erwidert Ruth.

»Ich hasse es, verdammt. Von einem Extrem zum anderen. Du bist« – er wirft einen Blick auf ihren Körper und schaut dann mit einem Grunzen weg – »halb nackt.«

Ruth zuckt mit den Schultern. »Es ist irgendwie gemütlich.«

Warrose schüttelt mit fest zusammengebissenem Kiefer den Kopf. Er sticht hervor wie eine riesige Eiche in der Wüste. Nackte Brust mit erhabenen Tätowierungen, schöne bronzene Haut und haselnussbraune Augen, die diesen Gang ganz allein erhellen könnten. Er bindet sein dunkles Haar mit einer Schnur zurück.

Ich ertappe Ruth dabei, wie sie ebenfalls seine Muskeln begutachtet. »Du bist auch halb nackt, du Heuchler.« Sie blickt ihn finster an.

»Das ist nicht dasselbe«, ruft Dessin über seine Schulter.

»Ganz genau. Niemand wird uns Männern zurück in unsere Käfige folgen. Ihr drei seid es, die wir rund um die Uhr bewachen müssen.« Warrose weigert sich, wieder zu Ruth hinunterzusehen.

»Sprich für dich selbst«, schnaubt Niles von hinten, der Dessins Ausbruch offensichtlich vergessen hat. »Ich bin ein Sexmagnet. Alle Frauen in der Nähe werden sich um mich reißen, sobald sie meine gebräunte Brust und meinen trainierten Rücken sehen.«

»Deine haarlose Brust«, korrigiert Ruth.

Warrose und Dessin brechen in tiefes, schallendes Gelächter aus.

Ich lächle. Gott, ich hoffe, dieser Ort prügelt uns nicht den Humor aus dem Leib.

 

 

 

Ich trete einen langsamen Schritt vor dem überfüllten Raum vor mir zurück.

»Jesus«, haucht Warrose.

»Müssen wir« – Ruth unterbricht sich lange genug, um laut zu schlucken – »das tun?«

Ich möchte zurück in meinen überdimensionalen Vogelkäfig rennen. Wenigstens hatten wir in der Anstalt mehr Privatsphäre als hier.

Die Decke läuft spitz zu wie ein Zirkuszelt. Die Wände haben eine schwarze, felsige Struktur. Der Boden ist nass und schlammig, aus der Decke ragen riesige gebrochene Rohre, aus denen ein tosender Wasserfall nach unten sprüht.

Und unter diesem Wolkenbruch? Ein Raum voller nackter Männer und Frauen, die ihre Morgendusche nehmen. Eine Gruppendusche.

Wächter stehen zu beiden Seiten des Eingangs, sie tragen lederne Schulterpanzer mit stachelbesetzten Riemen und stumpfen Messingnieten. Sie beobachten die nackten Gestalten, die sich umeinander drehen, mit einem amüsierten Funkeln in den Augen.

Der Eingang ist immer noch voll von Häftlingen, die sich ihrer zerlumpten Kleidung entledigen und sie in ein Loch in der Wand werfen. Aber wir bewegen uns nicht. Sogar Dessin scheint von dem Mangel an Privatsphäre überrascht zu sein.

»Bewegung!«, brüllt uns ein Wächter mit langem Bart und blutunterlaufenen Augen an. »Ihr werdet nicht gefickt, wenn ihr nicht darum bittet. Jetzt zieht euch aus!«

Dessin grunzt und wirft dann einen Blick über seine Schulter zu uns anderen. »Kein Blickkontakt. Rein und wieder raus.«

Wir nicken alle. Aber verdammt, mein Herz rast. Mein Magen schreit bis in meine Kehle. Und jeder Muskel zieht sich zusammen und fleht mich an, loszulaufen. Ich beobachte, wie Dessin seine schwarze Hose aufknöpft, aber ich schaue schnell weg. Es fühlt sich nicht richtig an, seinen Körper zu würdigen, wenn wir wie Vieh behandelt werden.

Mit einer schnellen Bewegung trete ich aus den Stoffstreifen, die die wichtigsten Teile meines Körpers bedecken. Hände und Arme strecken sich aus, um ihre Uniformen in das große Loch in der Schwefelwand zu werfen wie in einen Wäscheschacht. Ich tue es ihnen mit angehaltenem Atem gleich, dann lege ich meine Hände schnell über meine Brüste und zwischen meine Schenkel. Dessin macht sich nicht die Mühe, sich zu bedecken. Ich bin mir sicher, dass es für Männer einfacher ist, sich frei mit dem zu bewegen, was Gott ihnen gegeben hat.

Dessin, Warrose und Niles treiben uns in die Mitte des Raumes und stoßen dabei mit nackten Körpern zusammen, während sie sich ihren Weg durch den Schauer bahnen. Ich zische, als mich der Strahl wie Eisbrocken trifft. Gänsehaut kribbelt über jeden Zentimeter meiner Haut.

Ruth und Marilynn schmiegen sich eng an mich, die Ellbogen gegen meine gepresst, während wir unsere Brüste bedecken und unsere Stirnen zusammenpressen, um die Szenerie draußenzuhalten, die wir lieber nicht sehen wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Männer realisieren, was sie tun, aber sie haben einen Kreis um uns gebildet.

Ich blicke durch den ungleichmäßigen Strom des Rohrwassers auf Dessins vernarbten Rücken, Warrose’ tätowierte Schultern und Niles’ braungebrannte Arme, die uns in einem engen Kreis schützen. Sie sind den anderen Gefangenen zugewandt und stellen sicher, dass sich uns niemand nähert, dass keine Blicke auf uns haften, während wir unbekleidet sind.

Du wirst so nicht weitermachen können, Dessin. Mein Herz zerreißt bei dem Gedanken, was ihm gerade durch den Kopf geht. Er muss vor lauter Alphatier-Energie, die durch seine Adern fließt, den Verstand verlieren. Ich bin nackt und ein Haufen wilder Vexamen-Gefangener bekommt es zu sehen.

Ich sehe in Ruths runde braune Augen und sie lächelt mich unterstützend an. »Das ist besser als das simulierte Ertrinken, oder?«, gluckst sie und versucht, die positiven Seiten zu sehen.

Ich schnaube. »Allerdings.«

»Werden wir die ganze Zeit, die wir hier sind, so duschen?«, fragt Marilynn, deren dunkelrotes Haar in nassen Strähnen über ihre Schultern und Brust hängt.

»Allerdings«, antwortet Dessin über seine Schulter und fährt sich mit den Fingern durch das nasse Haar.

»Sie wollen uns nur beschützen«, flüstere ich.

Marilynn nickt und wirft einen Blick auf Niles’ Rücken, als versuche sie etwas zu verstehen.

»Lass dich nicht von seiner albernen Persönlichkeit täuschen.« Ich lehne mich näher an ihn heran. »Niles ist äußerst loyal und sehr beschützend, genau wie die anderen.«

»Auch wenn er nicht die nötige Männlichkeit besitzt, um das zu untermauern«, flüstert Ruth und kichert, als Niles ihr den Ellbogen in den Rücken stößt.

Am anderen Ende des Raumes beginnen die Häftlinge, die Dusche zu verlassen, und nehmen sich Lumpen von den Haken an der Wand, um sich abzutrocknen.

»Wir warten, bis der Raum leer ist«, murmelt Dessin Warrose und Niles zu und reicht uns Seifenstücke. Sie sehen bereits benutzt aus. Mit getrocknetem Blut und Schmutz verschmiert. Ich ziehe eine Grimasse, nehme es aber trotzdem an. Bedürftige dürfen nicht wählerisch sein.

Wir seifen uns schnell ein und mein Blick wandert aus Versehen Marilynns Körper hinauf. Sie hat mehr Busen als Ruth und ich. Um einiges. Kurvig, als hätte sie nie versucht, sich an die Lady-Doll-Kur zu halten.

»Defemúrox egex domïnozoz yuevezezï?«

Wir drehen unsere Köpfe zu der leisen Männerstimme hinter uns. Klein. Dünn. Glatze. Langer, geflochtener platinblonder Bart.

Und ein voll erigierter Schwanz, der auf Marilynn zeigt.

»Er will wissen, warum ihr Jungs die neuen – saftigen Fotzen für euch behaltet«, würgt Ruth den letzten Teil der Übersetzung heraus, als würde es ihr körperlich wehtun, die Worte zu wiederholen.

»Ja, so viel habe ich aus seiner winzigen, strammstehenden Männlichkeit geschlossen«, sagt Dessin.

»Aber ist das wirklich seine Männlichkeit?« Warrose dreht sich langsam zu dem blonden, bärtigen Mann um, als wolle er seinen maskulinen Körperbau zur Schau stellen. »Es sieht eher wie eine Klitoris aus.«

Ruth verschluckt sich an dem Wasser, das immer noch von der Decke auf uns herabrieselt. Warrose grinst, als er hört, wie sie versucht, gleichzeitig zu atmen und zu lachen.

Der Mann starrt Warrose an, dann zeigt er mit gerötetem Gesicht und zitterndem Finger auf Ruth. »Haxasfertiú mehzezï damö nadastraskazez!«

Sein kleiner, nackter Körper stürmt aus dem Duschraum.

»Er sagt ... Die da wird bis Ende der Woche auf meinem Schoß auf und ab hüpfen.« Warrose tauscht einen Blick mit Dessin. »Ich werde ihn zuerst töten.«

Wir schlurfen zu dem Wandregal mit den Lumpen. Dessin wirft uns jeweils einen zu und wendet sich ab, während wir uns alle abtrocknen. Niles stupst Ruth an, doch sein Blick bleibt auf den Boden gerichtet. »Sieh dich an, Ruthie. Du findest schon Freunde.«

Sie seufzt. »Der Morgen fängt ja gut an.«

»Sollen wir Babyschwanz-Glatze einladen, mit uns zu frühstücken?« Niles zieht sich eine saubere schwarze Hose an, während ich in meine neue knappe Uniform schlüpfe. Sie riecht nach Schweiß und fettigem Essen. Ich versuche, nicht zu würgen.

»Bis dahin ist er tot, Niles«, murrt Warrose.

»Kein Töten. Zumindest jetzt noch nicht. Wir müssen uns unauffällig verhalten, bis wir einen Fluchtplan ausgearbeitet haben«, flüstere ich der Gruppe zu.

Dessin nickt zögernd.

»Lasst uns versuchen, zu frühstücken, ohne in einen Streit zu geraten«, sage ich, nachdem ich Ruth geholfen habe, in die armseligen Fetzen ihrer Uniform zu schlüpfen.

Ich bin dankbar, dass ich das nicht alleine durchmache. Ich dusche nicht mit Fremden. Sie sind meine Familie. Ich schmiede keine Pläne alleine, sondern arbeite mit einigen der größten Köpfe unserer Zeit zusammen. Wir halten uns gegenseitig den Rücken frei.

Wir folgen dem Flur, bis dieser in einen Saal mündet. Die Musik wird lauter, die gelben und roten Glühbirnen bedecken die Decke vollständig. Es ist hell, wie ein riesiger Kronleuchter. Runde Tische füllen sich mit Häftlingen, die zum Frühstück Platz nehmen.

Und dieser Geruch ...

Roher Fisch und etwas Saures. Wie Milch, die mehrere Tage lang gestanden hat.

Dessin und ich tauschen einen Blick und ich kräusle die Nase zu ihm. Sein Mundwinkel wandert leicht nach oben. Nicht genug, um es als Lächeln zu werten, aber als seine subtile Art, mir zu sagen, dass es ihm gefällt, wenn wir schweigend kommunizieren.

Köpfe drehen sich, um uns besser sehen zu können. Die Blicke schweifen über jedes Mitglied unserer Gruppe, sie sprechen miteinander, ohne den Blick abzuwenden.

»Servieren die hier Galle mit einer Portion Scheiße als Beilage?« Niles kneift sich die Nase zu, um sich vor dem Gestank zu schützen.

»Pssst«, zische ich, fletsche die Zähne in seine Richtung. »Willst du jetzt wirklich die Aufmerksamkeit auf uns lenken?«

Er seufzt dramatisch und fährt sich mit der Hand durch sein nasses, goldenes Haar.

»Stellen wir uns zum Essen an«, schlägt Dessin vor und nickt in Richtung des Tresens, von dem die Gefangenen Teller und Tassen holen.

»Ich würde lieber verhungern«, murmelt Niles vor sich hin.

Ich trete an den Metalltresen heran und vermeide es, jemanden direkt anzuschauen. Der heutige Tag ist dazu da, nicht aufzufallen und zu beobachten. Wir müssen verstehen, wie dieser Ort hier läuft; dann können wir Ärger machen, wenn es unseren Plänen entspricht. Auf der anderen Seite des Tresens stehen Häftlinge in schwarzen Schürzen, die Metallteller und -tassen verteilen, Töpfe mit dampfendem, grauem Brei umrühren und Small Talk in einer anderen Sprache führen. Sie sind älter, vielleicht in ihren Sechzigern oder Siebzigern, und möglicherweise ist das der Grund, warum ihre Aufgabe darin besteht, Mahlzeiten zu servieren.

»Was ist das?«, fragt Niles die Frau mit dem langen, strähnigen Haar in der Farbe von Gewitterwolken.

Ihre gealterten blauen Augen fliegen zu ihm hoch und sie hebt eine haarlose Augenbraue.

»Haujezez nos gelecknezez demornatéz Demechnef?« Ihr Ton ist anklagend. Schärfer als ein Schwert.

Ich habe Demechnef in dem Satz gehört, das kann nicht gut sein.

»Wie bitte?« Niles tippt sich ans Ohr, als ob er sie einfach nicht gehört hätte. Gott, er wird uns noch alle umbringen.

»Sie will wissen, ob wir Soldaten von Demechnef sind«, sagt Ruth zögernd und schaut zwischen Dessin und mir hin und her.

Ich halte inne. Dem Tonfall der alten Frau nach zu urteilen, ist es keine gute Sache, Demechnef-Soldat in einem Vexamen-Gefängnis zu sein. Ich schüttle den Kopf in Ruths Richtung. »Sag ihr nein.«

»Nexéz«, antwortet Ruth ihr.

Aber die alte Frau schreit bereits etwas, zeigt auf Dessin und mich und brabbelt so schnell, dass es wie ein einziges Wort klingt. Die anderen Gefangenen aus der Küche sehen uns mit einer Mischung aus Neugier und Verurteilung in den Augen an. Dann verstummt der Rest des Raumes.

Ich versuche meine Lunge mit Luft zu füllen, aber sie hat anscheinend beschlossen, für heute Feierabend zu machen. Es ist so still, dass ich Warrose seufzen und Dessin tief in der Kehle knurren hören kann.

Ohne ein weiteres Wort kippen die Häftlinge, die das Essen servieren, den grauen Brei vor unseren Füßen auf den Boden. Ich zucke zusammen und weiche zurück, um der stückigen Schweinerei auszuweichen. Aber Dessin schaut nicht einmal nach unten. Seine nackten Füße sind mit den Spritzern bedeckt und er wendet seinen immer dunkler werdenden Blick nicht von der Frau vor uns ab.

»Bist du sicher, dass du dieses Spiel mit mir spielen willst?«, fragt er sie, wohl wissend, dass sie kein Wort von dem versteht, was er sagt. Aber eine Welle von Gänsehaut läuft mir die Arme und Beine bei der Herausforderung in seiner Baritonstimme hinab, rau, scharfkantig und mit der Absicht, diese Frau leiden zu lassen.

Der ältere Koch spuckt ihm vor die Füße und murmelt einen Satz, der sicher beleidigend gemeint ist.

Ich berühre leicht Dessins starren, unnachgiebigen Arm. Die Muskeln sind so stark angespannt, dass sie zu einem unbeweglichen Stein werden. »Nicht auffallen«, erinnere ich ihn. Aber er scheint mich nicht zu hören. Seine gesenkten Augenlider und sein zusammengebissener Kiefer sind auf die Frau mit dem faltigen, finsteren Gesichtsausdruck gerichtet. Sie ist mit Narben übersät und hat etwas am Hals, das wie frische Wunden aussieht. Ich frage mich, wie viele Jahre ihres Lebens sie in Gefangenschaft verbracht hat.

»Setzen wir uns.« Warrose stößt Dessin mit dem Ellbogen an.

Dessin wirft ihr einen letzten Blick zu, dann wendet er sich zu der Menge an Gefangenen um. Einige sind aufgestanden, um die Konfrontation zu beobachten. Andere sitzen noch, haben aber aufgehört zu essen. Sie haben aufgehört zu reden. Sie haben aufgehört, sich zu bewegen.

Und der Raum ist so still, dass ich unsere Füße über den Boden laufen hören kann, bis wir einen leeren Tisch erreichen.

Ich schätze, es kommt nicht jeden Tag vor, dass sie Demechnef-Bürger in dieses Gefängnis bringen. Das sollte unseren Aufenthalt angenehm machen.

Wir starren einander an und warten darauf, dass sich der Raum mit lockeren Gesprächen füllt und dem Geräusch von Löffeln, die Schüsseln auskratzen. Aber das passiert nicht; alle Augen sind auf uns gerichtet, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Also schlägt Warrose mit der Faust auf den Metalltisch, was Ruth, Marilynn und mich aufschrecken lässt.

»Fuck«, stöhnt er.

Langsam kehrt der Raum zu seiner vorherigen Lautstärke zurück. Und ich kann wieder atmen. Die Luft entweicht zischend meiner Brust und meine verkrampften Muskeln lockern sich, werden zu Schleim unter meiner Haut.

»Wir kriegen das hin«, versichere ich dem Tisch, obwohl meine Hände in meinem Schoß zittern und mein Magen knurrt, als wäre ein Tier darin gefangen, das versucht, sich einen Weg durch meine Speiseröhre zu bahnen, um zu entkommen.

»Ich hoffe, das ist so ein Erster-Tag-Aufnahme-Ding.« Warrose sieht zu Dessin auf, als könne dieser erklären, wie es weitergehen wird.

Aber Dessin schüttelt nur den Kopf, aus ihm dringt ruhige Wut.

»Es wird schon gut gehen. Wir sind es gewohnt, nicht zu essen. Stimmt’s, Mädels?«, fragt Ruth aufmunternd.

Dessins Kiefer zuckt. Ja, das ist nicht der Weg, seine Stimmung aufzuhellen, Ruth.

»Wow, das hat mich irgendwie noch mehr angepisst«, sagt Warrose.

Ich schaue zu Marilynn auf und frage mich, was sie gerade denkt. Sie sagt nicht viel. Selbst ihr Gesicht ist unleserlich. Und ehrlich gesagt gefällt mir das nicht. Wir müssen in der Lage sein, einander bedingungslos zu vertrauen. Ohne zu hinterfragen, für wen sie wirklich arbeitet. Wir befinden uns in feindlichem Gebiet und können uns nur aufeinander verlassen.

»Du warst so still«, sage ich und beobachte ihre Reaktion wie ein Adler.

Marilynn schaut auf, ihre saphirblauen Augen verengen sich. »Ich bin immer still.«

Die Interaktion erregt die Aufmerksamkeit unseres Tisches. Sie schauen zwischen uns beiden hin und her.

»Ich dachte, du hättest vielleicht mehr zu sagen, jetzt, da wir im Gefängnis sind und nur noch miteinander reden können.«

Dessins dunkler Blick gleitet misstrauisch zu Marilynn.

Sie zuckt mit den Schultern, ihre Bewegung zeugt von Gereiztheit, und dreht ihr nasses Haar zwischen den Fingern. »Ich habe ein ziemlich isoliertes Leben geführt. Reden gehört nicht zu meinen Stärken.«

»Seltsam. Ich liebe es zu reden«, unterbricht Niles. »Und darf ich mal sagen, wie hungrig ich bin?«

»Wir sind in dieser Situation, weil du deinen Mund aufgemacht hast, Niles.« Ruth rutscht auf ihrem Stuhl hin und her und rückt ihren zerfetzten Body zurecht, in der Hoffnung, dass er mehr Haut bedeckt.

Warrose lehnt sich über den Tisch zu Dessin. »Du glaubst doch nicht, dass sie versuchen werden, uns auszuhungern, oder?«

»Nein.« Dessin schüttelt den Kopf. »Wir sind zu wertvoll für die Mazonist-Brüder. Sie würden uns niemals hier drin sterben lassen.«

Aber sie können uns durchaus glauben lassen, dass wir sterben werden.

Ich greife unter den Tisch und streiche mit meiner Hand über Dessins Oberschenkel. Er seufzt. Die Spannung, die seinen Blick trübt und seine Stirn runzelt, beginnt sich aufzulösen. Ich möchte mich auf seinen Schoß setzen, mit meinen Händen durch sein Haar streichen, seinen scharfen Kiefer küssen und ihn aus seiner schlechten Laune herausholen.

Aber wenn so viele Augen auf uns gerichtet sind, muss ich mich damit begnügen –

Mit der Schnelligkeit einer Viper schnappt seine Hand nach meiner, umfasst meine Handfläche und meine Finger, verschlingt sie komplett. Mein ganzer Körper entspannt sich. Wärme strahlt von seiner Haut aus, kribbelt mein Handgelenk hinauf und bis in meinen Arm.

Mir war nicht klar, wie sehr ich seine Berührung brauche. Wie sehr ich die Nähe zu ihm brauche. Aber das ist unsere Schwäche, nicht wahr? Wir brauchen uns gegenseitig. So wie wir Luft brauchen, die unsere Lungen füllt.

»Wie kommen alle in der inneren Welt mit den Ereignissen zurecht?«, frage ich ihn leise, während die anderen über den Geruch, der aus der Küche dringt, diskutieren.

Dessin blickt mich aus dem Augenwinkel an. »Nicht gut.«

»Und Kane?«

Er schüttelt den Kopf.

»Wegen – Kaspias?«

Seine Kehle hüpft als Antwort.

Ich drücke seine Hand. Gott, ich wünschte, ich könnte jetzt mit Kane reden. Er muss wissen, dass ich für ihn da bin. Er ist wahrscheinlich verwirrt und am Boden zerstört, dass sein Zwillingsbruder die ganze Zeit am Leben war. Und noch schlimmer – dass er hier gewesen ist, in Vexamen.

»Wir werden hier rauskommen«, versichere ich ihm. »Das ist nur ein weiteres Abenteuer. Nein, eigentlich ist es ein weiteres Spiel.«

»Oh?«

Eine Idee erhellt meine Gedanken. »Machen wir es interessant, ja? Dein Teil des Spiels ist es, einen Fluchtweg zu planen. Meine Aufgabe ist es, uns von dem zu befreien, was sie uns in die Ohren gesteckt haben.«

»Und was bekomme ich, wenn ich unseren Fluchtweg zuerst finde?«

»Was willst du?«

Er beugt sich vor, seine Lippen streifen mein Ohr. »Ich will dich in deinem Käfig ficken. Ich will, dass du dich an den Gitterstäben festhältst, während ich deine Beine um meine Hüften schlinge und meinen Schwanz so hart in dich ramme, dass dich das ganze Gefängnis meinen Namen schreien hört.«

Eine Welle von Lust rast zwischen meine Schenkel und mein Kitzler pocht vor Hitze. Ich gebe mir große Mühe, bei seinen Worten nicht zu stöhnen.

»Deal«, sage ich viel zu schnell.

»Und was soll ich dir geben, wenn du gewinnst, Baby?« Sein Mund ist immer noch heiß und haucht in mein Ohr, sodass mir ein Schauer den Rücken hinabläuft.

Ich denke einen Moment darüber nach. »Wenn das alles vorbei ist, wenn der Krieg vorbei ist –« Ich breche ab, unsicher, ob ich es überhaupt sagen soll.

»Ja?«

Ich wende mich ihm zu, meine Stimme wird leise und sanft. »Ich möchte, dass du mir ein Baby machst. Ich möchte, dass du mich heiratest.«

Er blinzelt, und seine schönen, hickorybraunen Augen weiten sich. Ich bereue sofort, dass ich das Thema jetzt angesprochen habe. Ja, ich wollte schon immer ein Märchen. Und als ich ein kleines Mädchen war, habe ich mir meinen Hochzeitstag mit Kane vorgestellt. Aber wer bin ich, dass ich das Thema anschneide, während wir eingesperrt sind? Während wir gerade ausgehungert werden?

Etwas blitzt in seinem Gesicht auf. Eine Emotion, die normalerweise nicht da ist. Etwas Warmes und Hoffnungsvolles. Etwas Kraftvolles und Unvergleichbares.

»Deal.«

Wir sehen uns einen langen Moment lang an. Und ich weiß, dass er denkt, was ich jetzt denke. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mich rittlings auf ihn zu setzen, seinen Schwanz aus der Hose zu ziehen und diese Mini-Uniform zur Seite zu schieben, damit er mich mit allem ausfüllen kann, was er hat. Ich will sein Baby. Ich will, dass alle von ihnen die Väter unserer Kinder sind.

»Das ist eine wirklich starke sexuelle Spannung.«

Dessin und ich drehen unsere Köpfe und mein Blick fällt sofort auf Niles, der uns stolz zunickt.

»Im Ernst, wie wollt ihr es so lange aushalten, ohne zu ficken?«, fragt er.

»Halt die Klappe, Niles«, zische ich.

Gruselige Musik dröhnt aus den Lautsprechern, während die Lichter aufleuchten. Alle Gefangenen stehen auf, bringen ihr Geschirr weg und verlassen den Raum.

Wir stehen ebenfalls auf und folgen ihnen mit leerem Magen. Ja, das ist unerfreulich. Aber Meridei hat das Gleiche mit mir gemacht, als ich ihre Patientin war. Und Ruth hat recht: Wenn die Lady-Doll-Kur uns eines gelehrt hat, dann ist es, unseren Hunger zu kontrollieren.

 

 

Skylenna

 

Wir werden in ein Stadion geführt. Eine große Halle, wie ein Theater, aber mit blinkenden Lichtern, Spiegeln, rotierenden roten und weißen Rädern, schwingenden Vorrichtungen und einer Bühne in der Mitte.

Die Gefangenen haben sich verteilt, sitzen entspannt auf den Stühlen, nutzen die Schaukelgeräte für ihren Sport und unterhalten sich zwanglos.

»Das ist wie ... eine Pause?«, fragt Niles.

»Sieht so aus.« Warrose scannt den Bereich misstrauisch. »Wahrscheinlich hält es die Gefangenen davon ab, durchzudrehen.«

»Vielleicht ist das hier ja doch besser als die Anstalt«, sage ich.

Aber irgendetwas stimmt nicht. Die Bühne ist fleckig und die Luft riecht nach brennendem Holz, Kupfer und Erbrochenem. Mein Blick wird sofort von der Ecke der Bühne angezogen. Gefangene scharen sich um einen stöhnenden Mann.

Ich stupse Dessin an und deute auf ihn.

Wir gehen näher heran, um die Situation zu untersuchen. Vorsichtig, um uns nicht zu schnell zu bewegen oder zu nahe zu kommen. Unauffällig. Wir wollen nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen als ohnehin schon.

Plötzlich verwandelt sich das Stöhnen in ein kehliges Schmerzensgeheul. Wir halten ein paar Meter von der Menge entfernt an, als jemand aus dem Weg tritt und den Blick auf einen alten Mann eröffnet, der seine Unterarme umklammert, während er mit zusammengebissenen Zähnen stöhnt. Eine alte Frau neben ihm schüttet eine braune Flüssigkeit über seine –

»Scheiße«, stößt Warrose hervor und streckt eine Hand zurück, um Ruth daran zu hindern, einen Schritt nach vorne zu machen.

Die Hand des alten Mannes fehlt. Alles, was übrig ist, ist ein blutiger Stumpf. Ein scharfer, hervorstehender Knochen. Fleischfetzen hängen an der Stelle, wo einst seine Hand war.

»Devmez ezeakaz ubne bileadéf!«, schreit die alte Frau und hält sein Gesicht in ihren Händen, während die anderen ihn festhalten.

»Wir müssen sicherstellen, dass es sich nicht infiziert«, übersetzt Ruth entsetzt.

»Wie hat er seine Hand verloren?«, frage ich, aber die Frage kommt nur als Flüstern heraus, ein einzelner Atemzug, der in der nervösen Energie um uns herum verschwindet.

Der alte Mann erbricht sich auf die Oberschenkel der alten Frau, aber sie scheint es nicht zu bemerken, während die anderen sein Handgelenk mit Mullbinden umwickeln.

»Eine Aufmerksamkeit der Fun-House-Nächte«, verkündet eine starke Frauenstimme hinter uns.

Ich wende mich von dem sich windenden alten Mann ab und blicke auf zwei riesige Frauen mit verschränkten Armen – kurzes lockiges Haar, fleckige rote Wangen und eine Körpergröße, die fast der von Dessin entspricht.

»O mein Gott«, keucht Niles und weicht von ihr zurück.

Die Erste ist ein dicker Eichenbaum von einer Frau. Breit und muskulös. Ich starre sie mit offenem Mund an, schaue hoch und hoch und hoch.

»Helga Bee reicht«, sagt sie stolz. »Das hier ist Gerta.« Sie zeigt auf die etwas, aber nicht wesentlich kleinere Frau neben sich.

»Ihr sprecht kein Altalkadonisch wie die anderen?«, fragt Ruth.

»Doch, tun wir. Aber wir wussten, dass die Demechnef-Experimente das nicht tun.« Ihre großen, käferartigen Augen sezieren uns einzeln, wie ein Kind, das ein Vergrößerungsglas über einen Haufen von Insekten hält.

Ich zögere einen Moment. »Wie viele Gefangene sprechen unsere Sprache?«

Helga Bee kratzt sich an der Schulter, wodurch sich die milchweiße Haut kirschrot färbt. »Etwa fünfundsiebzig Prozent.«

Dessin zieht die Brauen hoch. »Wir haben nichts anderes als Altalkadonisch gehört.«

Sie zuckt unschuldig mit den Schultern. »Das liegt daran, dass jeder aus unserem Schwesterland hier gemieden und isoliert wird, Fliegenhirn.«

Fliegenhirn. Ich lache fast.

Warrose kommt mir zuvor.

»Ich mag sie«, gluckst er und schaut zu Dessin, um dessen Reaktion auf den neuen Spitznamen zu beobachten. Dessin zieht eine Grimasse und sieht Helga Bee an, als wolle er irgendetwas tun, um sie in ihre Schranken zu weisen.

Warrose lacht noch lauter.

Ich schaue mich nach den Gefangenen um, die in der Arena verteilt sind, uns genau beobachten und unsere Interaktion mit Helga Bee und Gerta mit einem finsteren Blick verfolgen.

»Warum redet ihr mit uns, wenn der Status quo darin besteht, uns zu ignorieren?«, fragt Marilynn.

»Wir haben uns den stumpfen Trends hier nie angeschlossen«, erklärt sie und setzt sich auf den Rand der Bühne. »Gerta und ich kommen aus den East Vexello Mountains, dem einzigen Gebiet, das vom Vexamen-Gesetz ausgenommen ist. Wir sind geborene Rebellen!«

Das muss wie die Bärenfalle sein. Ein Ort außerhalb der gesellschaftlichen Normen. Ein Abschnitt des Landes, der von der extremen Lebensweise ausgenommen ist.

»Wie seid ihr hierhergekommen?«, fragt Ruth.

Helga Bee schnalzt mit der Zunge. »Schlechte Idee. Frag nie einen anderen Gefangenen, was er getan hat, um in den Zirkus geworfen zu werden!«

Erst als ich einen Blick auf Gerta werfe, fällt mir auf, warum Niles so still ist. Sie grinst ihn schweigend an und zwirbelt mit geröteten Wangen und schwingenden Hüften ihr krauses braunes Haar um den Finger. Niles bemüht sich, sie nicht anzuschauen.

»Du bist wirklich ein hübscher Mann«, sagt Gerta mit einer etwas tieferen Stimme, als ich erwartet hätte.

Niles blickt nicht auf. »Danke, ich weiß.«

Ich rolle mit den Augen.

»Du sagtest etwas von einer Fun-House-Nacht?«, fragt Dessin schroff.

Helga Bee richtet sich auf. »Ja. An zufällig ausgewählten Tagen haben wir Fun-House-Nächte in diesem großen, alten Raum.« Sie macht eine ausladende Bewegung mit den Händen. »Die Besten der Vexamen-Zucht kommen, um bei dem zuzusehen, was auch immer die Zirkusdompteure geplant haben, was sie unterhalten soll.«

»Unterhalten ... Wie?«, fragt Dessin behutsam.

Helga Bee lächelt ihn an und wackelt mit ihren erdbeerblonden Augenbrauen, als wolle sie fragen: »Willst du das wirklich wissen?

»Ach, weißt du, das Übliche. Rauschlauf, Rauschtanz, Schwunggrube, Massenjagd ...«

»Ich brauche eine Erklärung für alles, was du gerade aufgezählt hast«, sagt Dessin.

»Und dann gibt es natürlich noch die Vex-Ernte-Nächte für diejenigen, die sich drei Strikes erlaubt haben. Dabei dürfen die Soldaten zusehen, wie missratene Gefangene bestraft werden.«

»Was für Strafen?«, frage ich, während sich das Grauen wie ein Stein auf den Grund meines Magens senkt.

»Okay, also da gibt es den Blutfalken. Davon willst du nicht wirklich eine Beschreibung – aber ich gebe dir eine weniger eklige Erklärung. Sie schneiden dir die Lunge heraus und breiten sie wie Flügel aus, bis du langsam auf der Bühne stirbst.«

»Wieso zum Teufel ist das die weniger eklige Version?« Niles erschaudert und weicht ein Stück von Gerta zurück, die unauffällig versucht hat, sich dicht neben ihn zu stellen.

»Und dann gibt es noch die Vexamen-Kerzen, bei denen ein Gefangener, der bei einem Fluchtversuch erwischt wurde, in Öl getaucht und angezündet wird.«

Ich spüre, wie Niles sich versteift; sein ganzer Körper scheint zu Stein zu werden. Mein Magen dreht sich. Ich schüttle den Kopf angesichts der Bilder, die mir durch den Kopf gehen. Okay, dieser Ort könnte schlimmer sein als die Anstalt.

»Wofür bekommt man Strikes?«, fragt Warrose, dessen Stimme tief und kratzig klingt, als würde er einen Wutanfall unterdrücken, der sich an die Oberfläche drängt.

»Fluchtversuche, Morde, Selbstmordversuche, Nichtteilnahme an einer Fun-House-Nacht«, antwortet Gerta, während sie Niles’ Gesicht streichelt.

Ich tausche einen gequälten Blick mit Dessin. Großartig. Wenn wir bei dem Versuch, hier auszubrechen, erwischt werden, bekommen wir einen Strike, der zu einer Blutfalken-Situation oder zur Verbrennung bei lebendigem Leib führen kann.

»Verdammt«, hauche ich. Aber ich sehe, wie sich die Räder in Dessins Kopf bereits drehen. Das ist seine Spezialität. Er kann überall einen Fluchtplan schmieden. Allerdings denkt er jetzt nicht nur an sich selbst. Er muss sich jedes Detail genau überlegen, denn es könnte dazu führen, dass einer unserer Freunde einen Strike bekommt.

»Wann ist die nächste Fun-House-Nacht?«, bricht Dessin das Schweigen und rollt seinen Nacken, um die aufgestaute Spannung abzubauen.

»Vielleicht in ein paar Tagen.« Helga Bee grinst und erhebt sich aus ihrer sitzenden Position. »Mein Rat? Steht es durch, ohne viel Aufhebens zu machen. Tage wie diese sind dazu da, um unsere Wunden zu pflegen und uns zu erholen.« Sie nickt in Richtung des Mannes, der wegen seines blutenden Handgelenks aufheult.

Instinktiv greife ich nach Dessins Hand und schlinge meine Finger um seine warme Handfläche. Es ist wie meine eigene Kuscheldecke. Eine leichte Berührung, um die Angst zu lindern, die sich in mir aufbaut und es mir schwer macht, gleichmäßig zu atmen.

Seine große Hand bewegt sich und legt sich schützend und gleichzeitig sanft um meine.

Helga Bee beobachtet uns neugierig. »Ihr beide seid verpaart?« Sie sieht Warrose und Ruth an, dann zuckt ihr Blick fast zu Niles und Marilynn. »Seid ihr alle miteinander verpaart?«

»Nein!« Das Wort explodiert halb aus Ruths und Warrose’ Mündern.

Sie ziehen eine Grimasse und entfernen sich einen kleinen Schritt voneinander.

Verpaart? »Dessin und ich sind zusammen.« Seine Hand umschließt meine als Antwort fester.

Sie saugt ihre schmalen Lippen skeptisch in den Mund. »Der Rest von euch sollte wenigstens so tun, als ob.« Ihre Worte sind leise und grob, ein heftiges Flüstern, während sie sich umschaut, um sicherzustellen, dass niemand anderes sie hört.

»Warum?«, frage ich sie.

Sie zuckt mit ihren breiten Schultern. »Es wird helfen, die männlichen Gefangenen von euren Frauen fernzuhalten.«

Dessin zieht mich näher an seine Seite, aber der Rest unserer Gruppe macht keine Anstalten, Helga Bees Rat zu befolgen. Ich räuspere mich und schaue Warrose an. Er macht einen Schritt auf Ruth zu und zuckt mit den Achseln, als wäre das alles, was er tun könnte. Ruth rollt mit den Augen.

»Besser«, sagt Helga Bee, die unsere Körpersprache immer noch misstrauisch beäugt. »Aber ihr solltet alle an euren schauspielerischen Fähigkeiten arbeiten. Lasst euch von Mama und Papa der Gruppe inspirieren. Ich könnte ihre sexuelle Spannung mit einer Klinge durchschneiden.«

»Ich weiß nicht, was du gerade gesagt hast, aber ich stimme dir zu.« Niles nickt und stößt einen Fluch aus, als Gerta ihr pralles Gesicht an seinen Bizeps schmiegt.

Marilynns Lippen kräuseln sich nach oben, nicht genug, um als Grinsen zu gelten, aber es ist eine subtile Veränderung ihres Mundes, eine stille Anpassung, die zeigt, dass Niles sie amüsiert. Und ehrlich gesagt, würde ich ihr nicht trauen, wenn es nicht so wäre. Niles kann zwar sehr nervig sein, aber er ist auch schonungslos amüsant.

»Welchen Einfluss hätte die Tatsache, dass wir nicht verpaart sind, auf die Fun-House-Nächte?«, fragt Dessin.

»Sie werden dir die Möglichkeit geben, an einer privaten Luststunde mit einem Soldaten der Vexamen-Zucht teilzunehmen. Die meisten Menschen wehren sich, lassen sich aber auf den Deal ein, wenn die Alternative zermürbende Demütigung und Bestrafung ist. Und je länger du durchhältst, desto begehrenswerter wirst du für die Kommandanten. Es ist ein Spiel für sie, zu sehen, wie du kriechst, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.« Sie holt tief Luft und kratzt sich mit ihren zu langen, gelben Fingernägeln über die milchige Haut. »Es ist schmutzig und barbarisch, aber es sorgt für ein saftiges Drama, wenn man sich langweilt.«

Ich stöhne. Deshalb war der blonde Mann mit dem Bart heute Morgen in der Dusche so gereizt. Er war auf der Suche nach Frauen, die nicht verpaart sind.

»Warte«, rufe ich Helga Bee hinterher, als sie sich zum Gehen wendet. »Sie haben uns heute nichts zu essen gegeben. Wie lange wird das so bleiben?«

Wenn wir die Fun-House-Nächte überleben wollen, brauchen wir unsere Kräfte. Und im Moment knurrt mein Bauch so laut, dass es jeder hören kann.

Helga Bee zuckt zusammen. »Ja, das ist ein Scheißpech, nicht wahr? Ich weiß es nicht. Wenn euch jemand etwas von seinem Essen abgibt, wird er auch ausgehungert.«

»Und was sollen wir jetzt machen?« Dessin tritt vor und zieht mich mit sich.

»Finde es heraus, Fliegenhirn. Ich bin eine Frau, die sechs Mahlzeiten pro Tag braucht. Ich kann es mir nicht leisten, euch dabei zu helfen.«

 

Dessin

 

Ich will jemanden ausnehmen.

Zu sehen, wie Skylenna heute ohne eine richtige Mahlzeit in ihren Käfig zurückmusste, hat mir ein Loch in die Brust gestochen. Sie hat versucht, sich nicht den Bauch zu reiben. Sie hat sogar versucht, das knurrende Geräusch ihres Hungers mit einem jämmerlichen kleinen Husten zu überspielen.

Es ist meine Aufgabe, für diese Familie zu sorgen. Ich weiß nicht, wann ich mich selbst in diese Position gewählt habe; der genaue Zeitpunkt ist unklar. Ich nehme an, es geschah in dem Moment, als ich Skylenna in der Anstalt traf. Ich hatte sie aus der inneren Welt heraus beobachtet, hatte zugesehen, wie sie und Kane aufwuchsen, sich stritten, im Regen spielten, über Jack weinten und in der Lagune schwammen. Ich kannte sie gewissermaßen, oder zumindest hatte ich das Gefühl, sie zu kennen.

Aber in dem Moment, als sie das dreizehnte Zimmer betrat, wanderten meine Augen die Länge ihrer glatten Beine hinauf, und mein Herz schlug wie eine Kriegstrommel in meiner Brust, als sie mich mit diesen wunderschönen smaragdgrünen Augen ansah.

Ich habe erwartet, dass sie zittern würde. Dass sie den Blickkontakt meiden würde. Ich war mir des Rufs, den ich hatte, durchaus bewusst. Ich war sogar stolz darauf. Ich habe verdammt hart gearbeitet, um jede Person dazu zu bringen, meine Anwesenheit zu fürchten. Achtsam, sie nicht zu nahe an mich heranzulassen, damit Demechnef sie nicht für Informationen ins Visier nahm. Aber mein Mädchen schreckte nicht zurück. Sie streckte die Hand aus und schüttelte meine, und sie wich meinem Blick nicht aus. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. Ich meine, ich erinnerte mich an sie als süßes, niedliches, kleines Mädchen. Ich erinnerte mich an Kanes kindliche Träume, sie eines Tages zu heiraten. Aber mein Gott, sie war umwerfend.

Es liegt nicht in meiner Natur als rächender Alter, mich den Bedürfnissen von irgendjemandem außerhalb meines Systems zu beugen. Um die anderen Alter zu schützen. Um denen zu schaden, die uns verletzt haben. Deshalb war ich völlig überrascht, als ich genau in diesem Moment alles tun wollte, um sie zu beschützen, alles, um sie glücklich zu machen.

Sicher, ich hätte sie für Kane beschützt. Er konnte an nichts anderes denken als an sie. Aber ich war am Arsch, weil ich der Alter war, der ihren verrückten Plan mit Leichtigkeit ausführen sollte. Ich war derjenige, von dem man nicht erwartete, dass seine Gefühle für sie sich ihm in den Weg stellen würden. Das ist einer der Gründe, warum Kane sich in die innere Welt zurückziehen musste. Er konnte es nicht ertragen, sie anzulügen, sie im Ungewissen zu lassen, selbst wenn sie diejenige war, die diese verdammte Sache inszeniert hatte.

Das macht die Situation so viel schlimmer.

In meinem Inneren wächst diese Fäulnis, dieser schmerzhafte Wunsch, diesem Gefängnis zu entkommen und uns alle in Sicherheit zu bringen.

Das ist nicht deine Schuld, Mann, flüstert Kane. Aber er kann mir nichts vormachen. Die herzzerreißende Schuld strömt in einem langsamen, giftigen Rinnsal von ihm zu mir.

Normalerweise habe ich Zeit, mir einen Fluchtplan auszudenken, sage ich ihm wütend. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass mit jedem Augenblick, der vergeht, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass einer von ihnen stirbt. Dieses Blut klebt an meinen Händen.

Kane seufzt, antwortet aber nicht.

Uns an den Tod oder einen vorgetäuschten Tod zu verlieren, hat einen unwiderruflichen Abdruck auf ihrer Seele hinterlassen. Ich kann nicht zulassen, dass sie noch jemanden verliert, den sie liebt.

Kane brummt seine Zustimmung. Aber er kann den endlosen Strom von Gewissensbissen nicht aufhalten, der aus ihm dringt. Plötzlich taucht eine Erinnerung daran auf, wie er Skylenna sagte, er habe ein schlechtes Gefühl wegen des Kriegsschiffs. Die Mission. Er wünschte, er hätte sich mehr angestrengt, uns zu überzeugen, hierzubleiben.

Geh dich in der Ambrose-Oase ausruhen, sage ich zu ihm mit einer Spur von Gelassenheit. Ich brauche einen klaren Kopf, wenn ich die bisher beste Flucht hinbekommen will. Deine Schuldgefühle werden mich bei lebendigem Leibe auffressen, Bruder.

Kane ist lange Zeit still, aber ich weiß, dass er noch da ist.

Sag ihr, dass ich sie liebe, okay? Ich liebe sie so sehr. Der Schmerz in seinen Worten reicht aus, um mich zu lähmen. Ich nicke und in nur einem einzigen Moment ist der schwere Überschuss an Schuldgefühlen von mir abgefallen und ich bin wieder sauer.

»Befrei dich aus deinem Kopf.« Eine charmante, zarte Stimme flattert durch meinen Käfig. Ich drehe den Kopf und sehe sie an, die Stirn gegen die schiefen schwarzen Gitterstäbe zwischen uns gepresst. »Hör mir zu.« Skylenna lächelt süß und schickt eine Welle der Lust direkt zu meinem Schwanz.

»Meine Aufmerksamkeit ist immer auf dich gerichtet, Baby.«

»Mit wem warst du gerade zusammen?«, fragt sie leise, knapp über einem Flüsterton, als wollte sie Einzelheiten über das, was in meinem Kopf vorgeht, für sich behalten. Zwischen uns.

»Kane.« Ich stoße einen Atemzug aus.

Ihre Stirn runzelt sich. Ich widerstehe dem Drang, mit dem Daumen über ihre Sorgenfalten zu streichen.

»Er möchte, dass ich dir sage, dass er dich liebt.«

In ihren grünen Augen glänzen Tränen, als sie lächelt und den Blick abwendet, wobei ihre Wangen erröten. »Und was ist mit dir?«, fragt sie, ohne mir in die Augen zu sehen. »Liebst du mich?«

Sie kennt die Antwort auf diese Frage bereits. Ich kann es so klar wie den Morgenhimmel in ihrem weichen Gesichtsausdruck sehen. Sie fragt trotzdem, möchte diese Bestätigung haben. Ich warte, bis sie zu mir hinüberschaut, und nicke dann einmal.

Skylenna grinst vor sich hin und streicht mit den Händen unbewusst über ihre Arme, um Wärme zu erzeugen.

»Hast du Hunger?«, frage ich. Ich weiß nicht, warum ich das Thema überhaupt anspreche. Ich habe ihr nichts zu essen anzubieten. Ein wütender, ziehender Schmerz schwillt in meiner Brust an. Das dringende Bedürfnis, die Gefangenen zu töten, die diese Küche leiten. Die Arschlöcher, die beschlossen haben, uns auszuhungern.

Sie schüttelt den Kopf. »Nein.« Lüge. »Aber mir ist kalt.«

Ich schiebe mich näher an die Gitterstäbe heran, die uns trennen, und ziehe sie mit meinen Händen an mich heran, indem ich meine Arme um ihre schlanke Gestalt schlinge, so gut ich es eben kann.

Verdammt, sie fühlt sich gut an mir an. Meine Hände wandern an ihren weichen Kurven auf und ab.

Sie atmet langsam durch die Nase ein und stößt einen hörbaren Seufzer gegen meine nackte Brust aus. Ein kleines Geräusch, das ich als Zeichen dafür erkenne, dass sie meinen Duft genießt. Ich kann es nachvollziehen. Sie riecht immer so süß und hübsch. Regentropfen, Jasmin und Lilien. Und es ist immer am stärksten auf ihrem Kopf. Mein Schwanz zuckt, als sie ein glückliches, schläfriges, leises Stöhnen ausstößt.

»Wenn du jetzt irgendwo auf der Welt sein könntest, wo wäre das?«, frage ich und versuche mich von dem animalischen Bedürfnis abzulenken, mit meinen Fingern durch ihre warme Mitte zu fahren und sie mir in den Mund zu stecken, nur damit ich sie wieder schmecken kann.

»Das ist leicht. Unter den Sternen. Im Red Oaks.«