The Gargoyle's Captive - Katee Robert - E-Book

The Gargoyle's Captive E-Book

Katee Robert

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Beschreibung

Ein Deal führt sie in die Arme eines Gargoyles

Als Monsterjägerin weiß Grace ganz genau, auf was sie sich einlässt, als sie den Deal mit dem Dämon abschließt. Sie will unbedingt herausfinden, was mit ihrer Mutter geschehen ist, die einige Jahre zuvor denselben Vertrag unterschrieben hat. Es kümmert sie nicht, dass sie an ein Monster - den Gargoyle - versteigert wird, denn sie plant nicht, lange bei ihm zu bleiben. Leider hat sie das Kleingedruckte nicht gelesen, denn jedes Mal, wenn sie versucht zu fliehen, fängt Bram sie wieder ein und bringt sie zurück - in sein Bett. Und nach und nach stellt Grace fest, dass sie Bram gar nicht mehr entkommen möchte - bis die Vergangenheit sie einholt ...

»Ich liebe Grace und wie sie es geschafft hat, Bram aus seiner Einsamkeit zu befreien!« Clarynathanwill

Band 3 der spicy A Deal with A Demon-Reihe von Bestseller-Autorin Katee Robert

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Seitenzahl: 292

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

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Die Autorin

Die Romane von Katee Robert bei LYX

Leseprobe

Impressum

KATEE ROBERT

The Gargoyle’s Captive

Roman

Ins Deutsche übertragen von Ulrike Gerstner

Zu diesem Buch

Als Monsterjägerin weiß Grace ganz genau, auf was sie sich einlässt, als sie den Deal mit dem Dämon abschließt. Sie will unbedingt herausfinden, was mit ihrer Mutter geschehen ist, die einige Jahre zuvor denselben Vertrag unterschrieben hat. Es kümmert sie nicht, dass sie an ein Monster – den Gargoyle – versteigert wird, denn sie plant nicht lange bei ihm zu bleiben. Leider hat sie das Kleingedruckte nicht gelesen, denn jedes Mal, wenn sie versucht zu fliehen, fängt Bram sie wieder ein und bringt sie zurück – in sein Bett. Und nach und nach stellt Grace fest, dass sie Bram gar nicht mehr entkommen möchte – bis die Vergangenheit sie einholt …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

1

Grace

»Lass mich raus, du gehörntes Scheißmonster!« Ich hämmere mit den Fäusten gegen die Tür, aber wie jedes Mal kommt keine Antwort. Mir war bewusst gewesen, dass es nicht einfach werden würde, doch ich hatte keine Ahnung gehabt, wie schwierig es der verdammte Dämon machen würde. Eigentlich hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die Zeit drängt, aber er hat mich in diesen Raum geworfen, sobald er mich in das Dämonenreich teleportiert hatte. Ich habe weder ihn noch irgendjemand anderen in den drei Tagen seither gesehen. Okay, es gab einen sehr aufregenden Moment, als ein Dämon mit Hörnern anstelle von Augen ein Siegel auf meine Haut tätowierte, das es mir ermöglicht, alle Sprachen zu verstehen, die im Dämonenreich gesprochen werden. Ramanu war zwar äußerst gesprächig, aber so kryptisch, dass ich mir am liebsten die Haare ausgerissen hätte. Trotzdem tat es mir leid, them gehen zu sehen. Egal, wie nervig they war, es war immer noch besser, als allein zu sein.

Seitdem ist niemand mehr in mein Zimmer gekommen.

Mit einem Fluch wende ich mich von der Tür ab. Meine Hände schmerzen, aber es ist fast eine Erleichterung, weil es wenigstens eine Abwechslungist. Ich habe bereits jeden Zentimeter des luxuriösen, gut ausgestatteten Schlafzimmers erkundet. Die Matratze lädt dazu ein, acht Stunden durchzuschlafen, aber ich bin zu angespannt, um den versäumten Schlaf nachzuholen.

Ich hoffe, Mina geht es gut.

Ich bin mir sicher, wenn der Rest meiner Familie noch leben würde, hätten sie einiges zu sagen angesichts meiner Freundschaft mit … was auch immer Mina ist. Ein Vampir, ja. Aber noch etwas anderes. Ich habe noch nie jemanden mit einer Aura wie der ihren gesehen.

Azazel hält besser seinen Teil der Abmachung ein. Ich habe ihm sieben Jahre meines Lebens gegeben, und er rettete im Gegenzug die drei Vampire, die Minas Vater gefangen nahm. Die anderen beiden kenne ich nicht, aber wenn Ryland lebt und es ihm gut geht, wird er sich um Mina kümmern. Das sollte genügen.

Für eine Monsterjägerin habe ich in letzter Zeit mehr dieser so genannten Monster gerettet als getötet.

Aber es ist sinnlos, darüber nachzudenken. Es ist sinnlos, überhaupt über irgendetwas nachzudenken. Ich stecke fest, und doch bin ich genau da, wo ich hinwollte. Ich hatte zwar nicht damit gerechnet, in einem Raum eingesperrt und tagelang allein gelassen zu werden, aber ich bin im Reich der Dämonen.

Genau der Ort, an dem meine Mutter vor all den Jahren verschwunden ist. Ich habe sogar einen Pakt mit demselben Dämon geschlossen, obwohl ich erwartet hatte, dass es einfacher sein würde, herumzuschnüffeln und die gewünschten Antworten zu finden. Azazel schien nicht daran interessiert, sie mir zu geben, als ich ihn das erste Mal fragte.

Die Zeit verstreicht, aber wie viel vermag ich nicht zu sagen. Die Sonne geht vor meinem Fenster auf und unter, und die Leute widmen sich ihrem Tagwerk, doch ganz gewiss hat ein Tag hier mehr Stunden als zu Hause. Das ist gar nicht anders möglich, denn die Zeit zieht sich wie Kaugummi, während ich hier festsitze. Meine Mahlzeiten scheinen in regelmäßigen Abständen aufzutauchen, und das Essen ist zwar köstlich, aber schwer zuzuordnen. Vielleicht unterteilen Dämonen ihre Mahlzeiten nicht in Frühstück, Mittagessen und Abendessen, so wie es viele Menschen tun. Schwer zu sagen.

Ich bin den Antworten näher als je zuvor, und doch kommt es mir wie eine aussichtslose Aufgabe vor, sie zu finden.

Ich kann das Türschloss nicht knacken. Ich habe den Versuch aufgegeben, nachdem ich es zum Dutzendsten Mal aufgebrochen hatte und es bereits wieder verschlossen war, bevor ich den Knauf auch nur drehen konnte. Da muss Magie im Spiel sein – wobei dieser Ort so etwas wie ein verwunschenes Schloss ist, also gibt es natürlich Magie.

Ich sitze gerade auf dem Bett und zerreiße eines der vielen Kleider, die ich im Kleiderschrank gefunden habe, als sich die Tür öffnet und der Dämon selbst in Erscheinung tritt.

Azazel ist ein Riese von einem Scheißkerl. Er misst sicherlich weit über zwei Meter, wenn man seine Hörner mitrechnet, große geschwungene schwarze Dinger, bei denen man unwillkürlich an einen Stier denken muss. Seine Schultern füllen die Türöffnung aus, und unwillkürlich durchfährt mich ein kleiner Schauer der Angst. Irgendwann muss es ein Bibelgelehrter mit einem Feilscherdämon wie Azazel zu tun gehabt haben, als es darum ging, das Bild des Teufels zu entwerfen. Die blutrote Haut ist nicht von dieser Welt, und obwohl sein Gesicht nach menschlichen Maßstäben nicht gerade unattraktiv ist, ist es eindeutig nicht menschlich.

Der Dämon verschränkt die Arme vor seiner massigen Brust und betrachtet das Chaos, das ich angerichtet habe. »Wenn du darüber nachdenkst, den Stoff zusammenzuknoten und aus dem Fenster zu klettern, muss ich dir davon abraten. Wir sind nicht nur zu weit vom Boden entfernt, als dass du es sicher nach unten schaffen könntest, sondern es gibt auch geflügelte fleischfressende Kreaturen, die hier in der Luft nach Beute jagen.«

Um ehrlich zu sein, habe ich eigentlich nichts mit dem Kleid vor. Es hilft einfach, etwas zu tun zu haben. Nicht, dass ich ihm das sagen würde. »Wenn man bedenkt, dass der Vertrag, den ich unterschrieben habe, besagt, dass ich nicht zu Schaden kommen darf, überrascht es mich, dass du diese Kreaturen um dein kostbares Schloss herumschwirren lässt.«

»Im Gegenteil, ihre Anwesenheit ist unglaublich nützlich. Sie halten die Gargoyles, die Inkubi und die Sukkubi davon ab, auf dumme Gedanken zu kommen. Mein Volk fliegt in der Regel nicht, und so ist der Himmel ein potenzieller Schwachpunkt.«

Ich suche in seiner Aura nach einer Lüge, sehe aber nur das tiefe Gelb der Belustigung, durchzogen vom satten Waldgrün des Stolzes, das immer vorhanden zu sein scheint. Er lacht über mich. Dieser Mistkerl. Ich zwinge mich, den Stoff nicht fallen zu lassen. Stattdessen reiße ich einen weiteren Streifen ab. »Wenn ich gewusst hätte, dass ich mich auf so langweilige sieben Jahre einlasse, hätte ich darauf bestanden, ein paar zusätzliche Klauseln in den Vertrag einzubauen.«

Es hat keinen Sinn, jetzt über den Vertrag nachzudenken. Er garantiert tatsächlich für meine Sicherheit und sichert mir zu, dass ich nicht gezwungen werde, etwas zu tun, was mir schaden könnte. Er enthält auch eine Klausel, die genau festlegt, was mit jedem Kind geschieht, das ich hier im Dämonenreich zur Welt bringe. Das wird aber mit Sicherheit nicht passieren.

Azazel tritt in den Raum, und die Tür schließt sich hinter ihm, als würde ein starker Windstoß sie ins Schloss fallen lassen. Ich zucke zusammen. Er nicht. Er wirft mir nur einen langen Blick zu. »Heute Abend wird es eine Auktion geben. Die Anführenden der anderen vier Territorien werden hierherkommen, und jede und jeder von ihnen wird einen meiner Menschen auswählen, der für die nächsten sieben Jahre seine oder ihre Gefährtin sein soll. Es wird einen zweiten Vertrag geben, der alle getroffenen Vereinbarungen noch einmal bekräftigt.«

Ich starre ihn ein paar Sekunden lang an. »Warum erzählst du mir das?«

»Weil du Grace Jaeger bist. Ich weiß, was deine Familie treibt, und ich weiß, wozu du fähig bist. Also werde ich hier und jetzt ganz offen zu dir sein. Wenn du auch nur ein einziges Wesen im Dämonenreich töten, verstümmeln oder anderweitig verletzen solltest, ist dein Vertrag null und nichtig. Sollte das passieren, werde ich dich auf dem Dach meines Schlosses aussetzen und den Jägern der Lüfte erlauben, sich nach Herzenslust an dir gütlich zu tun.«

Mein Schauer der Angst wird zu einem regelrechten Beben. »Bedrohst du immer die Menschen, mit denen du einen Handel abschließt?«

»Nein.« Sein Gesichtsausdruck verrät nichts. »Nur die, die aus einer Familie stammen, denen der Ruf vorauseilt, dass sie Gräueltaten an Nichtmenschen begangen haben.«

Die Bemerkung schmerzt umso mehr, da er nicht unrecht hat. Ich verfolge vielleicht nur Monster, die bereits einem Menschen Schaden zugefügt haben, aber meine Großeltern? Meine Urgroßeltern? Meine Ur-Ur-Großeltern? Man könnte beliebig viele »Ur« hinzufügen – je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto weniger scherten sich die Jaegers darum, was ein Monster wirklich ausmacht. Für sie ging es weniger um die Tat an sich als um die Blutlinie. Ich habe die Tagebücher gelesen. Ich weiß genau, wie beschissen es war. »Ich würde so etwas nicht tun.«

»Das spielt keine Rolle. Ich möchte, dass es zwischen uns keine Missverständnisse gibt. Zu viel hängt von den nächsten sieben Jahren ab, und ich will nicht, dass jemand mein Volk gefährdet.«

Ich verkneife mir eine instinktive Reaktion. Eigentlich ist Azazel nicht unfair, so frustrierend ich dieses Gespräch auch finden mag. »Ich werde niemandem etwas tun, der sich nicht zuerst mit mir anlegt.« Als Azazel mich nur anstarrt, fluche ich. »Ich werde niemandem wehtun«, stelle ich klar, »der mir nicht zuerst wehtut. Mehr kann ich nicht anbieten.«

»Wenn dir jemand Schaden zufügt, werde ich mich darumkümmern.« Die Art, wie er das sagt, signalisiert, dass das Gespräch beendet ist. Er deutet auf den Schrank. »Du musst heute Abend mit deinem Kleid Eindruck schinden.«

Etwas in mir möchte sich ihm aus reiner Bosheit widersetzen, aber die Wahrheit ist, dass ich den Vertrag aus freien Stücken eingegangen bin. Jetzt einen Wutanfall zu bekommen nützt niemandem und wäre, offen gesagt, peinlich. »Ich würde gerne wissen, was mit meiner Mutter passiert ist.« Das ist dieselbe Frage, die ich ihm gestellt habe, gleich nachdem er mich hierher teleportiert hat.

»Nein, würdest du nicht.« Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht aus dem Zimmer. Wieder schwingt die Tür geräuschvoll zu, beinah kracht sie ins Schloss. Ich würde gerne Azazel dafür verantwortlich machen, aber ich habe ihm hinterhergesehen, als er wegging. Er hat die Tür nicht mal berührt.

Manchmal hasse ich Magie.

Sogar meine eigene. Vor allem meine eigene. Denn bevor Azazel sich umdrehte und wegging, wandelte sich seine Aura in ein blasses Blau, das mir nur allzu vertraut ist. Kummer.

Und plötzlich überkommt mich die Erkenntnis, dass meine Mutter tot ist.

Ich möchte sagen, dass es genau das ist, was ich erwartet habe. Sie hat einen Pakt mit einem Dämon geschlossen und ist nie wieder nach Hause zurückgekehrt. Ich gehe schon seit Jahren davon aus, dass ich eine Waise bin. Aber nachdem ich den Vertrag gesehen hatte, wollte ein kleiner Teil von mir glauben, dass sie vielleicht aus irgendeinem Grund in der Dämonenwelt bleiben wollte. Dass sie vielleicht noch am Leben ist. Dass ich vielleicht nicht wirklich die Letzte meiner Familie bin.

Ich wusste es besser, aber anscheinend ist dieses hoffnungsvolle kleine Kind, das seine Mutter vermisst, noch nicht komplett an Kummer gestorben. Oder zumindest war es das nicht, bis es die gleiche Emotion in Azazels Aura widergespiegelt sah.

Ich ziehe mich ganz brav an. Es hat keinen Sinn, sich dem Befehl zu widersetzen. Ich habe das Gefühl, dass ich zur Auktion geschleppt werde, egal was ich anziehe, und mein Stolz ist noch nicht tot.

Ich finde ein lilafarbenes Kleid, das für meinen Zweck dienlich ist, und ich nehme mir sogar die Zeit, die vorhandenen Kosmetika zu nutzen. Es handelt sich dabei um eine bekannte Marke, was bedeutet, dass sie aus dem Menschenreich importiert wurde. Wie aufmerksam.

Genau zwei Stunden nachdem Azazel gegangen ist, öffnet sich leise meine Tür. Eine klare Aufforderung. Das ist alles, was ich mir seit Tagen gewünscht habe, und doch sträube ich mich, hindurchzugehen. Nach dieser Sache gibt es kein Zurück mehr. Bei diesem Gedanken muss ich fast lachen. Von dem Moment an, als ich den Vertrag unterschrieb, gab es kein Zurück mehr.

Nein, wir können den Bogen sogar zurückschlagen bis zu dem Zeitpunkt, als ich Azazels Namen von Minas Lippen hörte. Oder noch weiter zurück, bis zu dem Augenblick, als meine Mutter den Dämonendeal einging und nur eine Nachricht mit den spärlichsten Details hinterließ.

Es gab nie eine andere Wahl, als den ersten Schritt zu tun und aus meinem Zimmer zu treten. Es überrascht mich nicht im Geringsten, dass ich auf dem Flur vier weitere Frauen antreffe. Ich nehme sie mit einem Blick wahr, aber letztlich sind sie weniger wichtig als das, was als Nächstes passiert. Keine von ihnen sieht aus wie ich, wie eine Jägerin. Es sind ganz normale Menschen. Ich weiß nicht, ob das beruhigend oder beängstigend ist.

Letzten Endes spielt es keine Rolle. Ich drehe mich um und stapfe in die Richtung, die sich am passendsten anfühlt, wobei ich mir der Tatsache bewusst bin, dass mir die anderen folgen wie kleine Entenküken, die zur Schlachtbank geführt werden. Nur dass es kein Gemetzel geben wird. Bloß weil meine Mutter gestorben ist, heißt das nicht, dass Azazels Deals Mist sind. Mein Leben wäre einfacher, wenn es so wäre. Es gäbe weniger Fragen, die mir nachts den Schlaf rauben.

Um mich herum spüre ich die Magie des Schlosses. Das Gefühl war schwächer, als ich in meinem Zimmer war, was meinen Verdacht bestätigt: Es gab sowohl Zauber als auch Mauern, die mich einsperrten. Dies ist ein wahrhaftig verzaubertes Schloss. Entzückend.

Das Schloss spuckt uns schließlich durch eine Tür aus, die in einen großen Raum führt. Die Lichter sind alle auf unsere Gesichter gerichtet, aber als ich mich auf das kurze Podest begebe, sehe ich Schuppen, Tentakel und Flügel. Ungeheuer. Und nicht von der Sorte, die man in der menschlichen Welt findet. Wir sind so weit von den ehemaligen Blutlinien entfernt, die diese Wesen hier ausmachen, dass die meisten unserer Monster nicht anders anmuten als der Rest der Menschheit, zumindest die meiste Zeit. Ich habe das Gefühl, dass die Geschöpfe in diesem Raum derzeit so menschlich aussehen, wie es ihnen nur möglich ist.

Bevor sich die Reiche teilten und ein Überschreiten der Grenzen so gut wie unmöglich wurde, jagten meine Vorfahren diese Art von Kreaturen.

Vielleicht sollte mich dieser Gedanke mit so etwas wie Zielstrebigkeit oder generationsübergreifender Wut erfüllen, aber ich fühle mich nur müde. Mein Kopf ist zu sehr mit der Farbe Blau gefüllt, als dass ich mir Sorgen über eine Vergangenheit machen könnte, die weit vor meiner Geburt lag.

Ich dachte, ich sei mit der Trauer um meine Mutter fertig. Es hatte so lange gedauert, bis ich die Hoffnung aufgab, dass sie jemals zurückkommt; ich hätte es besser wissen müssen, als dieses Gefühl wieder aufleben zu lassen, als ich auf Azazel traf. Und doch bin ich hier und fühle mich noch genauso verloren wie mit zwanzig.

Ich vergrabe das Gefühl tief in mir, packe es in eine kleine Schachtel und wickle es in Ketten, bevor ich es in die dunkelste Ecke meiner Seele werfe. Ich bin von Raubtieren umgeben, und ich kann es mir nicht leisten, mit den Gedanken woanders zu sein. Man hat mir Sicherheit versprochen, aber der Vertrag sieht Strafen für Zuwiderhandlungen vor – keinen magischen Schutz davor.

Ich bin so abgelenkt, dass ich gar nicht merke, dass die Auktion begonnen hat. Wenn »Auktion« überhaupt das richtige Wort ist. Bei den wenigen, an denen ich teilgenommen habe, gab es mehrere Bieterszenarien, aber bei dieser hier geht es einfach um Farben … Oh. Oh. Die Farben unserer Kleider. Ich höre jemanden »Lila« sagen – die Farbe, die ich trage –, doch die Lichter sind zu grell, als dass ich erkennen könnte, wer mich beansprucht hat.

Aber ich kann ihre Auren sehen.

Es gibt viel rote Wut und das kränkliche Gelbgrün mit einem Hauch von Braun, das Hass bedeutet. Diese Wesen können sich nicht leiden. Allerdings noch beunruhigender ist das helle Rosa der Lust, das sich durch den ganzen Raum zieht. Diese Monster wollen uns. Der Vertrag mag eine Klausel enthalten, die verhindert, dass wir in irgendeine intime Situation gezwungen werden, aber wenn wir weggeschickt werden, weg von Azazels wachsamem Auge, wer wird dann da sein, um diese Regelung durchzusetzen?

Ich kann mich verteidigen … wahrscheinlich.

Aber was ist mit den anderen?

Noch während ich die Reihe von uns entlangschaue und die Angst in den Gesichtern der anderen vier bemerke, in ihren allzu menschlichen Auren, verändern sich die Lichter. Azazel bewegt sich zielstrebig, und was dann kommt, geschieht fast schneller, als ich folgen kann. Jede von uns wird zu einer anderen Tür gebracht, von der ich sicher bin, dass sie vorher noch nicht da war. Ich erhasche einen besseren Blick auf die Ungeheuer.

Ein Drache. Ein Krake. Ein Wesen, das fast menschlich wirkt, abgesehen von der Größe, der rauchgrauen Haut, dem langen Schwanz, den kohlschwarzen Krallen an den Händen und den Hufen. Also eigentlich alles andere als menschlich. Und schließlich ist da noch jemand, der noch menschlicher aussieht. Er ist auch groß. Er ist überall groß. Die Schatten bewegen sich, und ich erkenne seine riesigen Flügel und zwei Paar Hörner, die aus seinem weißen Haar herausschauen.

Er sieht mich direkt an.

2

Bram

Die Verzweiflung hat einen Beigeschmack, mit dem ich nur allzu vertraut bin, und sie durchdringt jeden Zentimeter dieses Raumes. Wir Anführer spüren das alle auf unsere Weise, obwohl jeder von uns eher sterben würde, als es zuzugeben. Sol, der Drache, fühlt sich in die Enge getrieben, aber in seiner Energie schwelt eine vorsichtige Hoffnung, die mir die Kehle zuschnürt. Thane, der Krake, will eigentlich gar nicht hier sein. Und Rusalka … Nun, in ihrer Energie vibriert keine Verzweiflung, nur eine tiefe Vorfreude, die mich beunruhigt.

Ich will Azazel zu nichts verpflichtet sein.

Leider habe ich keine verdammte Wahl.

Keiner von meinen Leuten will mich haben. Nicht mit dem Fluch, der auf mir lastet und den ich den falschen Entscheidungen meines Vaters zu verdanken habe. Ich habe die geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen in den anderen Adelsfamilien ausgereizt. Sie wollen ihre Häuser nicht mit dem meinen verbinden, selbst wenn das bedeutet, dass die Kinder, die daraus hervorgehen, nach mir das Land regieren werden. Nicht, wenn sie sich so sicher sind, dass der Fluch ihrem Leben ein Ende setzen wird, bevor sie überhaupt die Führung übernehmen können.

Deshalb sitze ich hier in der Burg meines Feindes und tue so, als wäre alles in Ordnung. Oh, ich weiß, dass Azazel wesentlich besser ist als seine Vorgängerin, aber das bedeutet nicht, dass ich ihm jemals verzeihen oder vergessen werde, wofür er verantwortlich ist. Es war immerhin nicht seine Vorgängerin, die den Pakt mit meinem Vater schloss, der mit dem Tod meiner Familie endete. Auch ohne dieses Element der Schuld ist es noch nicht allzu lange her, dass sich das gesamte Dämonenreich im Krieg befand und ich mein Bestes tat, um genau die Leute zu töten, die jetzt hier mit mir in diesem Raum sitzen.

Azazel wusste nur zu gut, womit er uns ködern musste, um uns in seine Falle zu locken.

Und es ist eine Falle. Er ist zu gerissen, um irgendetwas aus reiner Herzensgüte zu tun, was bedeutet, dass er ein halbes Dutzend Intrigen gesponnen hat, und alle drehen sich um die fünf menschlichen Frauen, die auf dem Podium stehen. Sind sie Spitzel? Spioninnen? Oder gar Attentäterinnen? Wenn wir das herausfinden, wird es zu spät sein. Ich sollte gehen.

Nur habe ich nicht die geringste Wahl.

Alle Frauen sind schön und werden mir wahrscheinlich zum Verhängnis werden. Aber da müssen sie sich hinten anstellen, hinter den Adligen in meinem Territorium und dem Schicksal, das entschlossen scheint, noch mal nachzutreten, wenn ich am Boden liege. Wieder und wieder.

Es gibt für mich nur einen Weg nach vorn. Einen Handel und eine menschliche Begleiterin.

Ich beiße die Zähne zusammen und betrachte die Frauen etwas genauer. Blasse Haut. Gebräunte Haut. Blond, brünett, rothaarig. Sowohl wunderschön dick als auch schlank und irgendetwas dazwischen. Menschlich, jede von ihnen.

Unbewusst bleibt meine Aufmerksamkeit an der großen dunkelhaarigen Frau in Lila hängen. Im Gegensatz zu den anderen blickt sie mit einem provozierenden Ausdruck in den Raum, der fast gewalttätig wirkt. Da die Lichter in einem bestimmten Winkel ausgerichtet sind, kann sie keine Einzelheiten von uns erkennen, aber das hindert sie nicht daran, uns mit ihren dunklen Augen herauszufordern. Es fühlt sich an, als würde sie über die Entfernung hinweg ihre Nägel direkt in meine Brust schlagen.

Sie ist eine schlechte Wahl. Ich brauche jemanden, der gefügig und unterwürfig ist. Jemanden, der keine Wellen schlägt, der die wenigen Verbündeten, die ich in meinem Territorium noch habe, nicht verprellt. Jemanden wie die zitternde Rothaarige oder die lächelnde üppige Brünette in Blau.

Aber als ich den Mund aufmache, sind die Worte, die ich spreche … »Für mich sind sie alle gleich« Lügen. Ich bin ein gottverdammter Lügner. »Lila.«

Azazel wirft mir einen kurzen Blick zu, den ich nicht deuten kann, aber er nickt. Ich achte kaum darauf, wie der Rest der Auktion abläuft, und ein Anführer nach dem anderen einen der Menschen für sich beansprucht. Am Rande des Raumes erscheinen Türen, und jedes Paar wird durch eine von ihnen geführt. Es wird einen Vertrag geben, um die Details auszuhandeln. Wieder beweist Azazel seine Cleverness, indem er uns keine Zeit gibt, in der Nähe der anderen Anführer zu verweilen. Er behauptet, er wolle Frieden, und seine Handlungen scheinen darauf hinzudeuten, dass er die Wahrheit spricht – zumindest oberflächlich betrachtet. Aber ich weiß es besser, als dass ich darauf vertrauen würde.

Der Raum, in dem wir warten müssen, ist gerade groß genug, dass ich meine Flügel ausbreiten kann. Ich widerstehe jedoch dem Drang. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass Azazel denkt, er hätte mich nervös gemacht, selbst wenn das stimmt. Stattdessen beobachte ich die Frau.

Sie schreitet von einer Ecke des Raumes zur anderen, mit ihren langen Beinen legt sie die Strecke mit gleichmäßigen Schritten zurück. Sie ist muskulöser, als ich dachte, und ihre sehnige Kraft kommt in ihrem eng anliegenden lila Kleid voll zur Geltung. Wie die anderen ist sie bildschön – aber es ist die Art von Schönheit, die man bei den Höllenkatzen findet, die das Territorium der Sukkubi und Inkubi heimsuchen. Wunderschön und tödlich und nur allzu bereit, dir das Gesicht zu zerbeißen.

Auch in ihrer Energie ist nicht ein Fünkchen Angst zu spüren. Nur das dunkle Orange der Verärgerung. Ich weiß nicht, ob das ein Grund zur Erleichterung oder eher zur Sorge ist. Soweit ich weiß, sind diese Menschen neu in diesem Reich und wurden größtenteils von den Feilscherdämonen isoliert gehalten. Sie sollte schockiert oder verängstigt sein.

Dafür muss es eine plausible Erklärung geben. »Bist du eine Hexe?«

Sie schnaubt. »Wohl kaum.«

Ich sollte aufhören zu reden, sollte warten, bis Azazel kommt. Solange der Vertrag nicht unterzeichnet ist, besteht die Möglichkeit, dass die ganze Sache abgeblasen wird. Aber ich ertappe mich dabei, wie ich mich bewege, damit sie mich wieder ansieht. »Du nimmst das alles ziemlich gelassen.«

»Ich habe einen Deal mit einem Dämon geschlossen. Im Vergleich zu Azazel bist du nur ein Kerl mit Fledermausflügeln. Nichts Besonderes.« Sie grinst. »Aber putzige Hörner. Echt niedlich.« Meine Hörner sind nicht niedlich.

Ich verspüre den instinktiven Drang, meine Hörner zu berühren, was ich mir jedoch tunlichst verkneife. Diese Frau ist mir in Sekundenschnelle unter die Haut gegangen, und das verheißt nichts Gutes für die nächsten sieben Jahre. Ich habe das vielleicht nicht gewollt, aber ich habe mir geschworen, dass ich charmant und freundlich sein werde. Der Vertrag sieht vor, dass ich mein Bestes gebe, um meinen neuen menschlichen Partner dazu zu verführen, mir das zu schenken, was ich vor allem brauche. Ein Kind.

Aber ich kämpfe bereits gegen den Drang an, zu knurren, statt zu lächeln, zuzuschnappen statt zu verführen. Ich bin ganz schön am Arsch.

Bevor ich etwas Dummes tun kann, öffnet sich die Tür und Azazel kommt herein. Er hält für einen Augenblick inne, fast so, als hätte er ein Blutbad erwartet, und geht dann zu einem Schreibtisch, der in dem Moment auftauchte, als die Tür geöffnet wurde. Ich spüre, wie sich die Magie des Schlosses bündelt, um ihm das zu geben, was er braucht, aber es fasziniert mich, dass der Mensch davon nicht überrascht zu sein scheint.

Erneut bin ich sicher, dass sie schon früher mit Magie in Berührung gekommen ist.

Und erneut frage ich mich, ob das alles eine ausgeklügelte Falle ist.

Ich mache mir keine Illusionen über meine Position. Ich bin der schwächste der derzeitigen Anführer. Den anderen mag nicht klar sein, wie prekär meine Stellung in diesem Moment ist, aber Azazel weiß es. Seine sorgfältig formulierte Einladung ließ das durchblicken. Er wusste, dass ich nicht Nein sagen konnte, und er wusste auch, weshalb.

Er faltet seine riesigen Hände und sieht uns über seine schwarzen Krallen hinweg an. »Ich habe Vorbehalte gegen diese Paarung. Ich möchte jedem von euch die Möglichkeit geben, seine Meinung zu ändern. Doch ihr solltet euch vor Augen halten: Wenn keiner von euch seine Meinung ändert, unterschreibt ihr einen Vertrag, der euch beide für die nächsten sieben Jahre aneinanderbindet.« Bevor ich einwerfen kann, dass alles in Ordnung ist, fixiert Azazel sie mit einem strengen Blick. »Es gibt keinen Platz für Spielraum. Du wirst vor Schaden geschützt, aber diese Klausel gilt auch im umgekehrten Fall, also für den Schaden, den du anderen zufügst. Ich werde nicht zulassen, dass du in meinem Reich randalierst.«

Meine Neugier ist geweckt, doch ich kann diese Bemerkung nicht auf sich beruhen lassen. »Es ist nicht dein Reich, Azazel.«

»Nein«, stimmt er leichthin zu. Zu leicht. »Aber wenn einer der Anführer mein Geschenk missbraucht, könnte sich das schnell ändern. Was mich zu meinem nächsten Punkt führt.« Er mustert mich eine Spur zu aufmerksam. Feilscherdämonen halten ihre Kräfte geheim, aber ich bin mir fast zu einhundert Prozent sicher, dass sie nicht über die gleiche Magie verfügen wie mein Volk. Was bedeutet, dass er die Emotionen, die mich umgeben, nicht sehen kann. Nicht so, wie ich seine beobachten kann.

Das ist genau der Moment, in dem ich merke, dass er … aufrichtig ist? Da ist kein Kalkül im Spiel. Nur das neutrale Grau der Sorge.

»Ich höre.«

»Ich bin mir deiner Geschichte bewusst und der Komplikationen, die derlei Umstände mit sich bringen. Ich habe dir dieses Angebot aus Höflichkeit unterbreitet, damit du nicht der Einzige bist, der von den Verhandlungen ausgeschlossen wird. Ich möchte allerdings dein Wort, dass deine Vergangenheit keinen Einfluss darauf haben wird, wie du meinen Menschen behandelst.«

»Ach, verpiss dich mit diesem Scheiß.« Der fragliche Mensch stemmt die Hände in die Hüften und starrt ihn finster an. Es ist ehrlich gesagt beeindruckend, dass sie nicht einmal ansatzweise Angst vor ihm zu haben scheint. Vor allem, wenn er dreimal so breit ist wie sie und sie ihm kaum bis zur Schulter reicht. »Du weißt verdammt gut, dass ich bestens auf mich selbst aufpassen kann.«

»Das ist nicht der Punkt.« Er wirft ihr diesen ernsten Blick zu, und es zeugt von ihrer Stärke, dass sie nicht im Geringsten nachgibt. Ein Hauch von Verärgerung durchströmt ihn, und es scheint so, als könne sie es auch sehen, denn ihre Lippen zucken ein wenig.

Ich weiß nicht, ob ich mich einmischen oder einfach nur zusehen soll. Hier geht etwas vor sich, was ich nicht erwartet habe. Feilscherdämonen sind dafür bekannt, dass sie ihre Menschen beschützen, weshalb ich davon ausgegangen bin, dass Azazel mir droht, um ordentliches Verhalten meinerseits sicherzustellen. Aber das ist nicht nötig. Ich brauche diesen Menschen, unerwartet oder nicht.

Ihr Lächeln, wenn man es so nennen mag, verschwindet. »Ich habe dir mein Wort gegeben, Azazel. Mehr noch, ich habe diesen verdammten Vertrag unterschrieben. Wenn er so gut ist, wie du behauptest, hast du nichts zu befürchten.«

Ich bin mir nicht sicher, ob sie es sagt, um ihn zu beruhigen … oder um ihm zu drohen. Der Sorge nach zu urteilen, die sich in der Luft um ihn herum ausbreitet, ist er sich auch nicht sicher. Unter anderen Umständen wäre es mir ein Vergnügen zu sehen, wie dieser Dämon, der mir jahrzehntelang auf die Nerven gegangen ist, so wirkungsvoll in die Schranken verwiesen wird. Aber dies ist kein anderer Umstand. Ich will nicht, dass er diese Abmachung rückgängig macht.

Ich bewege mich und breite meine Flügel ein bisschen aus, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. »So unterhaltsam das auch ist – wenn wir eine Vereinbarung treffen wollen, sollten wir den Vertrag unterschreiben und es hinter uns bringen.«

Einen Moment lang denke ich, Azazel könnte die ganze Sache abblasen. Stattdessen schüttelt er nachdenklich den Kopf. »Nun gut. Wie besprochen, wird es regelmäßige Kontrollen mit einem Dämon meiner Wahl geben. Sollte der Vertrag zu irgendeinem Zeitpunkt gebrochen werden, geht das Territorium der Gargoyles in meinen Besitz über. Es gibt zahlreiche Klauseln, die ein angemessenes Verhalten aller Parteien sicherstellen sollen.«

»Ja, ja, das sind wir ja alles schon durchgegangen.« Sie macht eine ungeduldige Bewegung. »Ich bin hungrig und müde, und das Letzte, was ich tun möchte, ist, über dieses Thema mit euch beiden weiter zu diskutieren. Gebt mir den Stift und ich werde unterschreiben.«

»Du solltest den Vertrag durchlesen.«

Das tut sie nicht. Sie nimmt dem Dämon einfach den Stift aus der Hand und kritzelt ihren Namen in die entsprechende Zeile. Grace. Ein hübscher Name, leicht und engelhaft … und ganz anders als die Frau, die neben mir steht.

Ihre Ungeduld macht mir zu schaffen, aber ich habe zu viel Erfahrung mit Feilscherdämonen, um einen Vertrag zu unterschreiben, ohne ihn ein letztes Mal durchzulesen. Azazel hat uns eine Kopie geschickt, die wir vor der Auktion prüfen sollten, aber ich wäre ein Narr, wenn ich annehmen würde, dass zwischenzeitlich keine Änderungen vorgenommen wurden.

Natürlich gibt es eine Klausel, die mittendrin eingefügt wurde. Ich lese sie und lese sie dann noch einmal. Ich sehe Azazel mit hochgezogenen Augenbrauen an. Seine einzige Antwort auf meine unausgesprochene Frage ist ein knappes Nicken. Trotzdem kann ich nicht umhin zu fragen: »Wurden an allen Verträgen die gleichen Änderungen vorgenommen?«

»Nein.«

Wer ist diese Frau? Oder wurde diese Klausel, dass sie niemandem in meinem Territorium schaden kann, wegen der Sache mit meinem Vater hinzugefügt? Eine furchtbare kleine Stimme flüstert in meinem Hinterkopf: Wenn sie mich tötet, dann muss ich mir wenigstens keine Sorgen mehr machen. Es wird endlich vorbei sein. Ich zucke mit den Schultern und unterschreibe an der entsprechenden Stelle.

»Dann lasse ich euch jetzt allein. Eure erste Überprüfung wird irgendwann im Laufe dieser Woche sein. Ich erwarte, dass du Ramanu die gleiche Höflichkeit entgegenbringst, die du auch jedem Mitglied deines Hofes entbieten würdest.«

Ich habe mir sozusagen den Flügel ausgerissen, um es meinem Hofstaat recht zu machen, habe alles gegeben, um ihr Wohlwollen und ihr Vertrauen zu gewinnen, wollte die Spuren ausmerzen, die die jahrelange Herrschaft meines Vaters hinterlassen hatte – und bin letztlich gescheitert. Es ist gar kein kleines Wunder, dass ich überhaupt regieren kann – obwohl das weniger ein Beweis für mein Können ist als vielmehr dafür, dass mein Volk genug Angst vor dem Fluch hat, um sich von mir fernzuhalten. Für den Moment zumindest.

Eine unmögliche Situation. Aber das ist nichts Neues. Seit Jahren kämpfe ich mich Stück für Stück bergauf. Ich werde keine weiteren Fortschritte machen können, bis ich einen Erben habe, der seine Volljährigkeit erlebt und mein Volk davon überzeugt, dass der Fluch gebrochen ist, aber zumindest habe ich einen Weg zu diesem Ziel.

Ich muss nur diesen seltsamen, potenziell gefährlichen Menschen davon überzeugen, mein Kind zu gebären. Irgendwie glaube ich, dass all die scheinbar unüberwindbaren Hürden, die ich bisher genommen habe, nichts im Vergleich zu dieser Herausforderung sind.

3

Grace

Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht. Meine Nerven liegen blank, und der Hauch von Trauer, der Azazel jedes Mal durchfährt, wenn er mich ansieht, macht es fast unerträglich, mich in seiner Gegenwart aufzuhalten. Ich will das einfach nur hinter mich bringen. Der Gargoyle – Bram – ist eine unbekannte Größe, aber wenn ich nicht gerade ungeheuer Pech habe, wird er kein magisches Schloss besitzen, in das er mich einsperren kann. Und ich sollte in der Lage sein, jedes normale Türschloss zu knacken.

Nicht, dass ich vorhabe, mein Wort zu brechen. Ich biege es nur ein wenig zurecht.

Ich will erfahren, was mit meiner Mutter passiert ist. Wenn sie tot ist – und alles deutet darauf hin –, dann ist sie hier im Dämonenreich gestorben, obwohl Azazel ihr Sicherheit zugesagt hatte. Im Idealfall hätte ich das gesamte Territorium der Feilscherdämonen auf der Suche nach all den Antworten abgesucht, die Azazel mir vorenthält. Aber so wie es jetzt aussieht, muss ich meinem Gargoyle-Entführer entkommen und mich auf eigene Faust auf den Weg hierher machen.

Ich habe natürlich nicht vor, für immer wegzubleiben. Sobald ich meine Antworten habe, werde ich zu meinem Wort stehen und dem Fledermausmann Gesellschaft leisten.

Diese Situation ist nicht ideal, aber ich habe schon seit Jahren mit aussichtslosen Situationen zu tun. Da ich die letzte Monsterjägerin aus einer der berühmtesten Monsterjäger-Familien im Menschenreich bin, rufen die Leute mich an, wenn ihnen sonst niemand helfen kann.

Zum ersten Mal flackern Schuldgefühle in mir auf. Ich habe auch an mich selbst gedacht, als ich einwilligte, den Preis für Minas Handel zu zahlen. Ich brauchte Antworten, und das Dämonenreich ist der Ort, an dem ich sie finden kann.

Ich denke erst jetzt darüber nach, was es für Folgen haben könnte, wenn ich sieben Jahre fort bin. Es existieren noch andere Monsterjäger. Aber nur wenige von ihnen gibt es schon so lange wie die Jaegers. Die anderen können weder eine entsprechende Erfolgsbilanz vorweisen, noch gibt es so etwas wie Vertrauen oder eine Mundpropaganda, die den Leuten eine Anlaufstelle bietet.

Das hätte ich mir überlegen sollen, bevor ich Ja sagte. Oder zumindest hätte ich eine gewisse Flexibilität bei der Rückkehr in die Menschenwelt aushandeln sollen, um mich um eventuelle Notfälle zu kümmern. Ich drücke mein Rückgrat durch. Es ist zu spät für Reue. Ich muss mit der Situation fertigwerden, auf die ich mich eingelassen habe. Außerdem habe ich den Vertrag gerade erst unterschrieben, und da spricht ja wohl nichts dagegen, eine Ergänzung zu beantragen.

Nur … tue ich es nicht.

Azazel rollt den Vertrag zusammen, und ich mache keine Änderungsvorschläge mehr, als Bram sich zur Tür dreht und mir zu verstehen gibt, dass ich ihm folgen soll. Ich rede kein einziges Wort, während wir den Flur hinuntergehen, der vorher sicher nicht da war, bis wir zu einer großen Bogentür gelangen, durch die Brams Flügel passen.

Bram schaut mich von der Seite an. »Hast du Höhenangst?«