The Irish Rogues Mafia Family Teil 1: Poison & Wine - Katie Ashley - E-Book
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The Irish Rogues Mafia Family Teil 1: Poison & Wine E-Book

Katie Ashley

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Beschreibung

CATERINA Geboren als einzige Tochter eines mächtigen Mafia-Capos, lebte ich in einem goldenen Käfig. Mein Leben wurde von Geburt an festgelegt und im Alter von achtzehn Jahren war ich dazu bestimmt, mit einem hochrangigen Mitglied verheiratet zu werden. In einem verzweifelten Akt der Selbstbestimmung floh ich in ein abgelegenes Nonnenkloster auf Sizilien – der einzige Ort, an dem ich der Schattenwelt meiner Familie entkommen konnte. Doch kurz, bevor ich mein endgültiges Gelübde als Nonne ablegen kann, steht eines Nachts der Teufel höchstpersönlich vor meiner Tür – ein umwerfend gutaussehender, dunkelhaariger Mann mit stechend blauen Augen und einem irischen Akzent, der mir einen Schauer über den Rücken jagt. Er entführt mich aus dem Kloster und erklärt mich zu seiner zukünftigen Frau. Obwohl ich mich gegen diese Zwangsehe sträube, spüre ich die Verführungskraft des Teufels, denn er ist ein Mann, der weiß, was er will. Doch während er mich fordert, verlangt er auch meine Hingabe – denn mein Entführer ist tödliches Gift und köstlicher Wein zugleich. CALLUM Als ich sie aus dem Kloster entführe, wird mir schnell klar: Caterina ist alles andere als die willige, unterwürfige Mafia-Prinzessin, die ich erwartet hatte. Sie ist stark und stolz – doch das macht sie nur noch reizvoller. Meine Aufgabe ist klar: Sie soll Teil eines strategischen Bündnisses mit einer verfeindeten Mafia-Familie werden, ein Instrument, um unsere Macht in der Unterwelt zu festigen. Doch ich spüre schnell, dass sie mehr für mich ist. Denn in der Welt, in der wir leben, ist es nicht nur das Gesetz der Mafia, das zählt, sondern auch die prickelnde Anziehungskraft zwischen uns. Niemand wird sie mir je entreißen. Ich habe versprochen, dass sie mich anflehen wird, sie zu nehmen, und dass jeder, der es wagt, sie zu berühren, sterben wird. Denn Caterina gehört mir - mir allein. Bereite dich auf eine stürmische Reise vor, in der Leidenschaft, Macht und Gefahr miteinander kollidieren. Denn in dieser neuen Reihe der New York Times-Bestsellerautorin Katie Ashley gibt es nur einen Weg: den Weg der Eroberung – sowohl des Herzens als auch des Feindes.

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EPUB

Seitenzahl: 506

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Katie Ashley

The Irish Rogues Mafia Family Teil 1: Poison & Wine

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Sandra Martin

© 2024 by Katie Ashley unter dem Originaltitel „Poison and Wine: A Dark Mafia, Arranged Marriage Romance (The Irish Rogues Book 1)“

© 2025 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-772-7

ISBN eBook: 978-3-86495-773-4

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Glossar

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Epilog 1

Epilog 2

Autorin

Glossar

Gemachter Mann – vollwertiges Mitglied der italienischen Mafia in den Vereinigten Staaten

Soldato –bezeichnet in Mafia-Gruppen die erste Stufe innerhalb der Hierarchie der Organisation

aye – Zustimmung ausdrückende Interjektion, ursprünglich aus der Seemannssprache

Bratva – russische Mafia, auch Russenmafia genannt. Ursprünglich aus der ehemaligen Sowjetunion stammend, hat sich die Bratva inzwischen auch international ausgebreitet.

Pakhan – Gangsterboss in der russischen Mafia

Mam – irische Bezeichnung für Mutter, vergleichbar mit dem Wort Mom im Amerikanischen

Snuff-Film – bezeichnet ein Filmgenre, in dem reale Morde, hauptsächlich im Kontext sexueller Gewalt, gezeigt werden.

Gälisches Schutzgebet:

A Thighearna, cuir dochas dlùth, 's olc fad air falbh. Cuairtich orm a Thighearna, cum solas am fagus, agus dorchadas fad air falbh

Umkreise mich, Herr, halte die Hoffnung nah und das Böse fern. Umkreise mich, Herr, halte das Licht nah und die Dunkelheit fern.

Die ersten Zeilen des Ave-Maria:

Sé do bheatha, a Mhuire, atá lán de ghrásta – Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade

Is beannaithe thú idir mná, agus is beannaithe toradh do bhroinne, Íosa – Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

Italienische Sätze & Wörter:

Prometto che non ti farò del male. – Ich verspreche, dass ich dir nicht wehtun werde.

Buonasera, fidanzata. – Guten Abend, Verlobte.

Signorina, è Nera. Sono qui per aiutarla. – Fräulein, hier ist Nera. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.

cara – Liebes

uomo pazzo – verrückter Mann

piccola stellina – Sternchen

Gälische Wörter:

maidin mhaith – guten Morgen

mo slut salach – meine schmutzige Schlampe

Cailín álainn – schönes Mädchen

mo stoirín – mein Liebling

Kapitel 1

Callum

Markerschütternde, qualvolle Schreie hallten durch die leere Lagerhalle. Ich kniete mich auf den blutbespritzten Boden und musterte den Mann, der an den Stuhl gefesselt war. Meine Hände waren gerötet, nachdem ich ihm mehrfach meine Faust ins Gesicht gerammt hatte. „Ich will einen Namen, Bobby. Wir können das hier beenden, du musst mir nur einen Namen geben.“

Ein Ausdruck von Abscheu spiegelte sich in Bobbys braunen Augen wider, als er Blut auf meine Schuhe spuckte. „Niemals.“

Ich schüttelte missbilligend den Kopf. „Du enttäuschst mich.“

„Fick dich, Kavanaugh.“

„Nein danke. Du bist nicht mein Typ. Ich stehe eher auf Blondinen mit großen Titten“, erwiderte ich. Dann erhob ich mich und nickte meinen Brüdern Quinn und Dare zu.

„Vielleicht schafft ihr es ja, unseren Freund zum Reden zu bringen.“

Als sie begannen, auf Bobbys Brust und Bauch einzuschlagen, trat ich zurück und bewunderte ihr Handwerk. Während andere ein Familienunternehmen in der Finanz- oder Medizinbranche erbten, waren meine Brüder und ich in die irische Mafia hineingeboren worden.

Mein Großvater hatte sich zum Clanchef in Belfast hochgearbeitet. Er hatte das Glück, seine Macht tatsächlich weitergeben zu können, statt sie sich durch Mord oder Meuterei entreißen zu lassen. Als der sture Bastard schließlich starb, übergab er die Herrschaft an seinen erstgeborenen Sohn, meinen Vater. Und der erfüllte sich seinen Traum und expandierte mit dem Kavanaugh-Imperium in die Vereinigten Staaten.

Vor zehn Jahren hatte mein Vater Hugh Kavanaugh mich, Quinn und Dare nach Boston gebracht, während der Rest unserer Familie in Belfast geblieben war, wo sie in Sicherheit waren. Mit knapp zwanzig Jahren war es mir schwergefallen, alles zurückzulassen, was ich kannte, vor allem meine Mutter. Aber die Tränen, die ich über ihren Verlust vergießen wollte, wurden mir von meinem Vater aus dem Leib geprügelt.

Ich konnte seinen rauen, nach Whiskey riechenden Atem noch immer wahrnehmen. „Ein irisches Clanmitglied darf niemals Schwäche zeigen, und die Liebe zu deiner Mam ist eine verdammte Schwäche.“

Er hatte mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen, woraufhin mir Blut aus Mund und Nase lief. „Die Liebe zu einer Frau ist eine verdammte Schwäche!“

Als ich mich daran erinnerte, verzog ich die Lippen zu einem höhnischen Lächeln. Es war Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet seine Abscheu vor der Liebe zu den Frauen zu seinem Tod geführt hatte. Wenn ich lange genug auf meine Hände starrte, konnte ich manchmal seine Hirnmasse und sein Blut auf meine Haut spritzen sehen. Ich war dreißig gewesen, als ich abdrückte. Aber als ich an jenem Tag vor ihm gestanden, war ich wieder der todunglückliche Zwanzigjährige.

Das war nun über ein Jahr her, aber sein Geist verfolgte uns noch immer. Sein Tod ist der Grund, warum wir jetzt um die Macht kämpften. Durch den Vatermord, den ich begangen hatte, waren alte Bündnisse zerbrochen. Aber trotz der Verluste, die wir dadurch erlitten hatten, würde ich es wieder tun. Aus Liebe zu einer Frau.

Wenn es jemanden gab, der den Namen Kavanaugh reinwaschen und unseren guten Ruf sogar noch verbessern konnte, dann waren das meine Brüder und ich. Als ältester Sohn war es nur natürlich, dass ich die Nachfolge meines Vaters antrat. Mein ganzes Leben lang hatte ich mich darauf vorbereitet. Dank unseres beträchtlichen Vermögens hatte ich die besten Schulen in Belfast besucht und am Trinity College einen Abschluss in Betriebswirtschaft gemacht.

Aber trotz all meiner Talente war ich nichts ohne meine Brüder.

Mit seiner rohen Kraft und seiner großen Statur war Quinn der geborene Vollstrecker. Seine rechte Gesichtshälfte war mit Narben übersät, die ihm eine bedrohliche Ausstrahlung verliehen. Wie ein Phönix aus der Asche hatte Quinn die Explosion einer Autobombe überlebt, die eigentlich meinem Vater gegolten hatte.

Darragh, genannt Dare, war sowohl äußerlich als auch charakterlich das genaue Gegenteil von Quinn. Er war kleiner, schlanker und anders als Quinn, der schon vor der Bombe eher introvertiert gewesen war, stand er auf jeder Party im Mittelpunkt. Selbst jetzt hatte der Mistkerl seinen Mund zu einem grausamen Lächeln verzogen, während das Blut seines Opfers über seine Hände und Arme spritzte.

Ich warf einen Blick über die Schulter zum Ausgang, wo mein Bruder Kellan Wache stand. Im Gegensatz zu den dunklen Haaren und blauen Augen, mit denen Quinn, Dare und ich gesegnet waren, hatte Kellan das rotblonde Haar und die grünen Augen unserer Mutter geerbt.

Ich nickte ihm zu. „Soll ich Wache halten, damit du auch an die Reihe kommst, Junge?“

Er räusperte sich und rief: „Nicht nötig.“

Mit seinen zwanzig Jahren war Kellan noch grün hinter den Ohren, was die kaltblütige Seite unserer Arbeit betraf. Dad hatte ihn vor drei Jahren aus Belfast in die Staaten geholt, während unsere jüngeren Geschwister Maeve und Eamon weiterhin bei unserer Mutter lebten. Ich nahm an, dass Kellan sich nie an die Grausamkeit unseres Geschäfts gewöhnen würde, aber er war ein Ass im Umgang mit Zahlen und erfüllte seinen Zweck in der Organisation.

Das Handy in meiner Tasche vibrierte, aber ich ignorierte es. Als das Klingeln nach einer Weile immer noch nicht aufhörte, fischte ich es mit einem Brummen heraus. „Wir sind gerade dabei, jemandem ordentlich einzuheizen. Ich hoffe, es ist wichtig.“

Seamus, der jüngste Bruder meines Vaters, lachte leise. „Das ist es. Ich muss mit dir und deinen Brüdern reden.“

„Wann?“

„Sobald du mit dem armen Mistkerl fertig bist, den du wahrscheinlich in die Mangel nimmst.“

„Wir treffen uns in einer Stunde zu Hause.“

„Bis dann.“

Als meine Brüder mich erwartungsvoll ansahen, steckte ich mein Handy zurück in die Tasche. „Wir sollten hier langsam fertig werden. Seamus muss mit uns reden.“

Ich kniete mich erneut vor Bobby auf den Boden. Sein Kopf war nach vorn gefallen und aus seinem Mund tropfte Blut. „Letzte Chance“, sagte ich.

„Gib mir den Rest.“ Ein Schauer durchfuhr seinen Körper. „Wenn du es nicht tust, werden sie es tun.“

„Normalerweise nehme ich keine Befehle von Verrätern entgegen, aber dieses eine Mal werde ich dir den Gefallen tun.“

Ich griff nach meinem Messer im Holster und zog es aus der Scheide. Mit einer schnellen Bewegung schnitt ich Bobbys Kehle von Ohr zu Ohr durch. Ich zeigte mit dem Messer auf Quinn und befahl ihm: „Kümmere dich um die Aufräumarbeiten und triff uns dann im Haus.“

Er nickte und ich ging zum Ausgang, dicht gefolgt von Dare. Als wir die Tür erreichten, wurde Kellan beim Anblick unserer blutverschmierten Kleidung und Hände etwas blass. Er fing sich aber schnell wieder und reichte uns eine Tasche mit Ersatzkleidung.

Nachdem er sich bis auf die Unterhose ausgezogen hatte, stöhnte Dare. „Mann, ich bin am Verhungern.“

Kellan warf ihm einen angewiderten Blick zu. „Wie kannst du nach allem, was du gerade getan hast, überhaupt ans Essen denken?“

Dare schenkte ihm ein Lächeln. „Was soll ich sagen? Bei der Anstrengung bekommt man eben Appetit.“

Ich lachte. „Ich schreibe Lorna eine Nachricht und bitte sie, uns etwas zu essen zu machen.“

„Ich will auch einen Nachtisch“, erwiderte Dare und leckte sich über die Lippen.

Ich verdrehte die Augen. „Was auch immer.“

Nachdem wir uns mit einem Schlauch das Blut von Armen und Beinen gespült und uns so gut wie möglich geschrubbt hatten, trockneten wir uns ab, zogen frische Anzughosen und leicht geknitterte Hemden an. Um wirklich sauber zu werden, würden wir uns minutenlang unter einen glühend heißen Wasserstrahl stellen müssen, doch im Moment musste die Katzenwäsche reichen, um kein Aufsehen zu erregen.

Wir folgten Kellan durch die Tür zu einem Geländewagen. Nachdem wir alle eingestiegen waren, nickte ich dem Fahrer zu und wir verließen die Southside, um uns auf den Weg in das vornehme Viertel von Beacon Hill zu machen. Bis auf den Bass von Dares Rapmusik herrschte eine bedrückende Stille im Wagen.

Nach all den Jahren und unzähligen Morden könnte man meinen, dass wir gegen die Gewalt abgestumpft waren. Aber jeder von uns zahlte immer noch einen Preis für seine Taten.

Kellan saß auf dem Beifahrersitz und murmelte leise: „Sé do bheatha, a Mhuire, atá lán de ghrásta.“

Es wunderte mich nicht, dass er das Ave-Maria auf Gälisch betete, um Absolution für unsere Sünden zu erlangen. Obwohl ich nicht viel für Gottesdienste und Gebete übrighatte, ertappte ich mich dabei, wie ich den nächsten Vers in Gedanken aufsagte.

Is beannaithe thú idir mná, agus is beannaithe toradh do bhroinne, Íosa.

Mit all dem Blut, das an meinen Händen klebte, glaubte ich nicht, dass ich jemals Erlösung finden würde, aber tief in mir hatte ein winziger Samen, den meine Mutter einst gesät hatte, einen Funken Gottvertrauen hinterlassen.

Während der Fahrt dachte ich an die bevorstehende Begegnung mit Seamus und wurde von Grauen erfüllt. Seamus war hier in den Staaten die rechte Hand meines Vaters gewesen. Nachdem ich seinen Bruder ermordet hatte, hätte mein Onkel gegen meine Ernennung zum Oberhaupt des Clans rebellieren können. Aber Seamus wusste genauso gut wie meine Brüder und ich, zu welch grausamer Brutalität mein Vater fähig gewesen war. Wie meine Onkel in Belfast waren auch sie dankbar, dass ich den Platz meines Vaters eingenommen hatte. Seamus war nun zu meinem wichtigsten Berater geworden.

Als wir zu Hause ankamen, stapfte ich durch die Hintertür in die Küche.

„Hallo, Lorna“, grüßte ich freundlich. Sie hielt kurz inne und sah von ihrer Arbeit auf. „Ich hoffe, ich habe dir nicht zu viele Umstände gemacht, weil ich dich gebeten habe, uns etwas zum Mittagessen zu kochen.“

Für meine Brüder und mich war Lorna mehr als nur eine Köchin und Haushälterin. Solang ich denken konnte, war sie ein Teil unserer Familie gewesen. Sie war die einzige Frau, der unsere Mutter je ihren Nachwuchs anvertraut hatte.

Da ihre eigenen Kinder inzwischen erwachsen waren und ihr eigenes Leben führten, hatte Lorna der Bitte meines Vaters zugestimmt, uns nach Boston zu begleiten. Ich wusste, dass die Umstellung für sie nicht leicht gewesen war, und so sorgte ich dafür, dass sie jederzeit nach Belfast zurückkehren konnte, wenn sie Heimweh zu haben schien.

Lorna lächelte und strich sich eine silberne Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ganz und gar nicht.“

Ich grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist eine schlechte Lügnerin, Lorna.“

Sie lachte. „Nach all den Jahren sollte man meinen, ich hätte mich an euren unregelmäßigen Tagesablauf gewöhnt.“

Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und sagte: „Tu einfach, was du kannst.“

Dann verließ ich die Küche und ging den langen Flur entlang. Als ich das Wohnzimmer betrat, hatte Seamus es sich bereits auf dem Sofa bequem gemacht. Er begegnete meinem Blick. In seinen grünen Augen lag wie immer ein trauriger Schimmer.

Die letzten Jahre waren nicht gut zu ihm gewesen. Zuerst hatte er seinen einzigen Sohn und Erben, Rian, bei der Explosion der Autobombe verloren, die Quinn entstellt hatte. Und sechs Monate später hatte seine Frau sich von ihrer Trauer überwältigt das Leben genommen.

Ich hatte nie die Liebe einer Frau oder eines Kindes erfahren, daher konnte ich seinen Kummer nicht nachvollziehen. Aber der gequälte Ausdruck in seinen Augen verriet mir, dass ich diesen Schmerz nie am eigenen Leib erleben wollte.

„Hast du Hunger?“, fragte ich, ohne ihn zu begrüßen.

„Ich könnte durchaus bald essen.“

„Lorna zaubert uns etwas“, erklärte ich und winkte ihn zu mir. „Setz dich mit mir ins Esszimmer, während wir warten.“

Seamus erhob sich von der Couch und folgte mir. Nachdem er und meine Brüder am Tisch Platz genommen hatten, ging ich zur Bar und schenkte mir ein Glas Whiskey ein. „Also, was verschafft uns die Ehre deines Besuchs?“

„Glaubt mir, wenn es nicht wirklich wichtig wäre, hätte ich das Treffen nicht einberufen.“

„Aye, das haben wir uns schon gedacht.“

Ich schenkte auch Seamus ein, schnappte mir beide Gläser und ging zum Tisch. „Wer bedroht uns diesmal? Die Bratva oder die Triade? Auf jeden Fall wäre es besser, wenn nicht noch eine irische Familie mitmischt.“

„Sie alle sind eine Bedrohung für uns, denn unsere Lage ist nach wie vor prekär. Wir müssen dringend einen Weg finden, die Position unserer Familie zu stärken.“

Dare lehnte sich in seinem Stuhl vor. „Du willst also, dass wir weitere Familien ausschalten?“ Bei diesen Worten verzog Kellan das Gesicht zu einer Grimasse.

„Ich habe eher an etwas gedacht, das weniger Blutvergießen mit sich bringt“, antwortete Seamus.

Quinn erschien in der Tür. „Wie kann man seine Position stärken oder sein Territorium erweitern, ohne Blut zu vergießen?“, entgegnete er.

„Durch ein Bündnis.“

Mit einem Brummen fragte Dare: „Glaubst du wirklich, dass jetzt noch irgendjemand freiwillig mit uns zusammenarbeiten will?“

Mit jetzt meinte er die Zeit nach dem Tod meines Vaters.

„Allianzen können auch unfreiwillig geschlossen werden.“ Seamus griff nach seinem Whiskeyglas, kippte sich die Flüssigkeit in den Rachen und fuhr fort. „Ich sollte enttäuscht sein, weil keiner von euch erraten hat, wovon ich spreche. Aber andererseits schert sich auch keiner von euch geilen Bastarden um Verpflichtungen.“

Er zeigte mit seinem Glas auf Kellan. „Außer vielleicht du.“

Während ich die Stirn runzelte, sog Quinn hörbar die Luft ein. „Du sprichst von einem Ehebündnis.“

„Aye, mein Junge, das tue ich.“

Ich versteifte mich. „Ein Ehebündnis zwischen uns und wem?“

„Den Italienern.“

Ich stöhnte. „Eine Allianz mit einer anderen irischen Familie wäre schon schwer zu ertragen, aber bei dem Gedanken an ein Bündnis mit den Italienern wird mir schlecht.“

„Es könnte schlimmer sein“, bemerkte Quinn.

„Inwiefern?“

„Wir könnten uns mit der Bratva zusammentun.“

„Da hast du recht“, lachte ich freudlos. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass unsere Familie ein Bündnis mit diesen Leuten eingehen könnte. „An welche Italiener hast du denn gedacht?“

„An die Nerettis.“

Ein Knurren entfuhr meiner Kehle, während Quinn und Dare leise fluchten. „Das kann nicht dein Ernst sein“, blaffte ich.

Seamus verengte die Augen und sah mich finster an. „Wenn du glaubst, dass du bessere Entscheidungen zum Wohle dieser Familie treffen kannst als ich, dann solltest du mich vielleicht unter die Erde bringen und sehen, was du davon hast.“

Ich hob abwehrend die Hände. „Ich stelle dein Urteilsvermögen nicht infrage, Seamus. Aber von sämtlichen italienischen Sippen sind die Nerettis die letzte, mit der ich eine Allianz eingehen würde.“

Die ersten Mitglieder der Familie Neretti waren um die Jahrhundertwende aus Sizilien nach New York gekommen und beherrschten seitdem sämtliche Stadtteile. Während die Kavanaughs mit Alkohol und Glücksspiel reich geworden waren, hatten sich die Nerettis mit Prostitution und Pornografie die Hände schmutzig gemacht. Einige der ersten Snuff-Filme waren von den Nerettis finanziert worden.

Später hatten sie ein Niveau erreicht, das es ihnen erlaubte, mit Politikern und der Elite zu verkehren, aber ihre Geschäfte blieben zwielichtig.

Seamus schüttelte den Kopf. „Das beweist wieder einmal, dass dir der nötige Scharfblick fehlt. Wenn wir uns mit den Nerettis zusammenschließen, können wir unsere Stellung festigen und zudem Territorien dazugewinnen.“

„Und was haben sie von diesem Zusammenschluss?“

„Sie sind eine Familie mit einem altehrwürdigen Namen, aber sie haben in den letzten Jahrzehnten zu viele Männer verloren. Wir und unsere Verbündeten könnten die zusätzlichen Arbeitskräfte bereitstellen, die die Nerettis brauchen, um ihr Territorium zu schützen.“

Dare blickte zwischen unseren Brüdern und mir hin und her. „Und wen von uns willst du verheiraten?“

Seamus öffnete den Mund, um zu antworten, aber ich kam ihm zuvor. „Mich.“

In dem Moment, in dem mir das Wort über die Lippen kam, durchlief mich ein Schauer des Grauens, der sofort in Wut umschlug. Nach allem, was ich gesehen und getan hatte, tadelte ich mich selbst dafür, dass ich bei dem Gedanken an eine Heirat Angst verspürte.

Mit einunddreißig hätte eine arrangierte Ehe mich nicht überraschen dürfen. Mit fünfundzwanzig hätte ich bereits zweimal ein Mädchen aus einer anderen irischen Familie heiraten sollen, doch die Eheverträge waren aufgelöst worden. Beide Male war Verrat vonseiten der anderen Familie an dem Zerwürfnis schuld gewesen.

Wie viele andere Mitglieder der Mafia war auch mein Vater überzeugt gewesen, dass ein Mann nicht zu früh heiraten sollte. Seiner Meinung nach sollte er zuerst die Grundlagen des Geschäfts erlernen und sich gleichzeitig mit so vielen verschiedenen Frauen wie möglich vergnügen.

„Warum du?“, konterte Dare.

„Sag bloß nicht, dass du dich freiwillig meldest“, bemerkte Seamus.

„Auf keinen Fall“, antwortete Dare mit einem Grinsen.

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. „Es ist nur logisch, dass die Wahl auf mich fällt. Ich bin der erstgeborene Sohn und das Familienoberhaupt.“

„Der vermeintlich Beste von allen, nicht wahr?“, fragte Dare spöttisch.

„Fick dich, du Drittgeborener“, entgegnete ich lächelnd.

Er grinste mich verschlagen an. „Ich mag zwar der Drittgeborene sein, aber ich bin auch mit einem Schwanz gesegnet, der so lang ist wie ein drittes Bein. Um mich musst du dir keine Gedanken machen.“

Während Quinn und ich leise lachten, schüttelte Seamus den Kopf. „Auch ihr solltet euch mit dem Gedanken anfreunden, irgendwann ein Bündnis durch eine Heirat zu schließen. Je mehr Allianzen wir eingehen, desto besser.“

„Nur nicht mit der Bratva“, murmelte Dare gedämpft.

Seamus bedachte Dare mit einem finsteren Blick. „Wie schnell du doch vergessen hast, dass meine liebe verstorbene Frau zur Bratva gehörte.“

„Sie war nur zur Hälfte Russin.“

„Nichtsdestotrotz war sie eine Bratva und sie war mir eine wunderbare Ehefrau.“

Dares Miene erweichte sich. „Aye, Seamus, Elena war die Beste. Bitte entschuldige.“

Kellan räusperte sich, um das Thema zu wechseln und die gespannte Stimmung etwas aufzulockern. „Ich wusste gar nicht, dass Alessio Neretti Töchter hat?“

„Caterina ist seine einzige Tochter.“

„Was hat sie zu unserer bevorstehenden Hochzeit zu sagen?“, fragte ich.

Seamus stieß den Atem aus. „Hier kommt der unfreiwillige Teil der Allianz ins Spiel.“

„Das gefällt mir ganz und gar nicht.“

„Alessio Neretti würde nicht im Traum daran denken, sich mit unserer Familie zu verbünden. Seine Söhne sehen das anders, aber er selbst ist Traditionalist und wird sich nicht von seinen sizilianischen Wurzeln entfernen.“ Seamus atmete tief durch. „Aber selbst wenn er es wollte, Caterina wäre es in den vergangenen zwei Jahren nicht möglich gewesen, zu heiraten.“

„Die Sache gefällt mir immer weniger.“

Seamus antwortete nicht, also zog ich ungeduldig die Augenbrauen in die Höhe. „Lass mich nicht so zappeln. Diese Frau ist die Tochter eines hochrangigen Mitglieds der Famiglia und kann sich vor Anträgen wahrscheinlich kaum retten. Also, warum ist meine zukünftige Braut noch ledig?“

„Weil sie in einem religiösen Orden lebt.“

Heilige Scheiße. Quinn riss die Augen auf und Dare brach in schallendes Gelächter aus. Ich warf Seamus einen finsteren Blick zu. „Wie zum Teufel willst du mich mit einer Nonne verheiraten? Sie ist mit Gott vermählt!“, knurrte ich.

Belustigung blitzte in Seamus’ blauen Augen auf. „Sie ist nur eine Novizin.“

„Sie ist eine Nonne.“

Seamus schüttelte den Kopf. „Sie hat noch nicht das Gelübde abgelegt, also ist sie nur eine Novizin.“

„Macht das denn einen Unterschied?“

„Für unsere schwarzen Seelen durchaus. Du willst sicher nicht die Entführung einer Nonne auf die Liste deiner Sünden hinzufügen.“

Kellan brummte angewidert. „Man sollte meinen, dass die Entführung und Zwangsverheiratung einer Frau an sich schon schlimm genug ist, unabhängig von ihrem religiösen Status.“

Seamus lachte düster. „Ich weiß, dass ich ein verdammter Heuchler bin, weil ich ein praktizierender Katholik bleibe. Aber es gibt Dinge, die mir heilig sind. Die Tatsache, dass Caterina sich nicht ganz der Kirche verschrieben hat, macht die Sache erträglicher.“

„Für mich ist es alles andere als erträglich.“ Ich kippte den Rest meines Whiskeys hinunter. „Meine zukünftige Frau ist eine verdammte Nonne!“

Im vergangenen Jahr hatte ich kaum ans Heiraten gedacht. Nach der Ermordung meines Vaters hatte ein ziemliches Chaos geherrscht, und so war das Thema in den Hintergrund gerückt. Aber wenn ich je einen Gedanken daran verschwendet hatte, dann war meine Braut in meiner Vorstellung stets eine irische Jungfrau aus einer mit uns verbündeten Familie gewesen. Eine Frau, mit der ich zumindest etwas gemeinsam hatte.

Aber mit einer italienischen Nonne konnte ich mir beim besten Willen keine Gemeinsamkeiten vorstellen. Ihre ganze Welt drehte sich um ihren Glauben, während meiner oft nur ein nachträglicher Einfall war, um meine Seele vor der ewigen Verdammnis zu retten.

Als Italienerin kannte sie weder meine irische Geschichte noch mein Lieblingsessen oder den Unterschied zwischen gutem und beschissenem Whiskey. Sie wusste nichts über unsere Folklore, unseren Aberglauben oder unsere wichtigsten Feiertage.

Als ich mir schließlich vorstellte, wie meine zukünftige Braut wohl aussehen würde, überkam mich der Ekel. Bilder von Nonnen aus den katholischen Schulen, die ich besucht hatte, schossen mir durch den Kopf. Es war müßig, auch nur daran zu denken, ob ich bei einer von ihnen je einen Ständer kriegen könnte.

„Darf ich das Mädchen, das du für mich vorgesehen hast, vor der Zeremonie sehen, oder versteckst du sie vor mir, weil sie so abstoßend ist?“

Seamus griff in seine Jackentasche und holte einige Fotos heraus. Er legte sie auf den Tisch und schob sie mir zu. „Ich glaube, selbst ein Blinder würde bei so einem Körper eine Latte bekommen.“

Neugierig griff ich nach den Bildern, um meine zukünftige Frau zu begutachten. Ein flüchtiger Blick genügte und ich wusste, dass er recht hatte. Verdammt, die Frau konnte selbst den Schwanz eines halb toten Mannes wieder zum Leben erwecken.

Auf dem ersten Bild trug Caterina ein enges schwarzes Cocktailkleid, das sich perfekt an ihre üppigen Kurven schmiegte. Ihr langes, dunkles Haar fiel ihr in Wellen über die Schultern und reichte ihr fast bis zur Taille.

Das nächste Foto zeigte sie am Strand in einem roten Bikini, der ihre fantastischen Brüste hervorragend zur Geltung brachte. Niemand, der diese Bilder betrachtete, wäre auf die Idee gekommen, dass die junge Frau im Begriff war, Nonne zu werden.

Ich verzog die Lippen zu einem Grinsen. „Ich nehme an, ich kann mich dazu durchringen, sie hin und wieder zu ficken.“

Seamus schnaubte. „Du kannst von Glück reden, dass ich sie nicht für mich selbst beanspruche.“

„Du bist ein alter Lustmolch. Sie kann kaum älter als achtzehn sein.“

„Sie ist fast einundzwanzig.“

„Und du bist fünfzig“, gab ich zu bedenken.

„Fünfundvierzig“, konterte er.

„Du bist mehr als alt genug, um ihr Vater zu sein, du Perversling.“

Seamus schmunzelte. „Ich habe sie ja dir zugedacht, nicht wahr?“ Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Ich bin zwar durchaus noch in der Lage, eine so junge Frau zu befriedigen, aber ich bin zu alt, um eine großzuziehen.“

Ich lachte leise. „Was du nicht sagst.“

„Aye, ich brauche eine Frau, die bereits eingeritten ist. Eine reizende Witwe, die ihre Kinder großgezogen hat und sich ganz darauf konzentrieren will, mich zu verwöhnen.“

„Viel Glück bei der Suche“, schnaubte ich.

Dare klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. Mit einem Nicken deutete er auf die Fotos. „Komm. Wir wollen unsere zukünftige Schwägerin auch mal sehen.“

Ich warf ihm die Fotos zu. Kellan und Quinn beugten sich vor, um ebenfalls einen Blick darauf zu erhaschen.

„Verdammte Scheiße“, murmelte Dare beim Anblick des Bikinifotos. „Du bist ein Glückspilz, Callum.“

„Wie du meinst“, lachte ich.

„Sie ist eine Wucht“, brummte Quinn. Kopfschüttelnd fügte er hinzu: „Was für eine Verschwendung, mit so einem Körper ins Kloster zu gehen.“

„Sie ist sehr schön“, warf Kellan mit einem schüchternen Lächeln ein. Es wunderte mich nicht, dass ausgerechnet er meine zukünftige Frau nicht sexualisierte, sondern sich auf ihre Schönheit konzentrierte.

Ich wandte mich wieder Seamus zu. „Die Bilder werfen weitere Fragen auf.“

„Zum Beispiel?“

„Warum zum Teufel sollte eine so schöne und sinnliche, junge Frau Nonne werden wollen?“

„Laut den Informationen, die ich gesammelt habe, wollte sie einer arrangierten Ehe mit einem sadistischen Pädophilen entkommen.“

Die Stimmung im Raum änderte sich schlagartig. Ich wusste, was in diesem Moment in meinen Brüdern vorging, aber einer von ihnen war mehr betroffen als die anderen. Ich wandte mich Kellan zu, der die Zähne fest zusammengebissen hatte.

Unter der Herrschaft meines Vaters hatte die Maxime gegolten, dass ein Ehemann das Recht hatte, mit seiner Frau und seinen Töchtern zu tun und zu lassen, was er wollte, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Sie waren sein Eigentum. Zweifellos hatten die Nerettis ähnliche Ansichten.

Diese archaische und idiotische Regel war eine der ersten, die ich abgeschafft hatte, als ich die Führung des Clans übernommen hatte. Ich mochte ein kaltblütiger Killer sein, aber ich würde niemals eine Frau schlagen oder sexuell missbrauchen. Meine Brüder genauso wenig.

Jeder Mann, der glaubte, seine Hand gegen eine Frau erheben zu können, wurde bestraft. Schmerzhaft.

Ich räusperte mich, um die Spannung im Raum zu lockern. „Ich bin mir verdammt sicher, dass ich nicht wie ihr ehemaliger Verlobter bin, aber glaubst du wirklich, dass diese flüchtige Braut eine Beziehung mit mir eingehen und meine Frau werden will?“

Er verzog das Gesicht. „Nicht wirklich.“

Mit einem Knurren sprang ich von meinem Stuhl auf. „Verdammt, Seamus. Das wird in einer Katastrophe enden!“

„Das muss es nicht. Im Gegensatz zu ihrem Verlobten bist du jung und siehst gut aus. Du magst manchmal ein sturer Mistkerl sein, aber du bist kein Sadist.“

„Ein großes Lob“, murmelte ich.

„Letztendlich kannst du ihr die weltlichen Dinge bieten, die sie innerhalb des religiösen Ordens möglicherweise vermisst.“

„Es wäre auch gut möglich, dass sie mich bis in alle Ewigkeit hassen wird, weil ich sie einem Leben entreiße, das sie Gott gewidmet hat, nicht wahr?“

„Du kannst mit ihr verhandeln, um dafür zu sorgen, dass es sich für sie lohnt. Vielleicht kann sie in fünf oder zehn Jahren, wenn wir unsere Stellung gefestigt haben, zum Orden zurückkehren.“

„Wenn sie eine Weile mit mir verheiratet ist, wird sie keine Jungfrau mehr sein“, konterte ich.

„Keine Sorge. Der Orden erlaubt es einer Frau, ihr Leben wieder der Keuschheit zu widmen.“

Überrascht zog ich die Augenbrauen in die Höhe. „Du hast deine Hausaufgaben offenbar gemacht.“

„Ich musste mich doch vergewissern, dass es keine Probleme gibt.“

Im Gegensatz zu ihm war ich zwar der Meinung, dass die Sache sogar eine Menge unvorhersehbarer Probleme mit sich bringen könnte, doch das behielt ich für mich. Stattdessen musste ich mich an den Gedanken gewöhnen, dass ich bald ein verheirateter Mann sein würde. In guten wie in schlechten Zeiten, Caterina Neretti würde meine Frau und die Mutter meiner Kinder werden.

Nachdem ich mir noch einen Whiskey genehmigt hatte, fragte ich: „Also, wie sieht der Plan aus?“

„In zwei Tagen fliegen wir nach Palermo.“

Wieder zog ich die Augenbrauen in die Höhe. „Sie ist auf Sizilien?“

„Ist das etwa ein Problem?“

„Nein. Ich hatte nur angenommen, sie sei in einer Kirche irgendwo in New York.“

„Caterina ist dem Orden der Herz-Jesu-Schwestern beigetreten, einem Missionsorden. Sie arbeitet derzeit in einer Klinik, die sowohl medizinische Hilfe als auch eine Tafel in einem abgelegenen Dorf außerhalb von Palermo anbietet.“

„Offenbar ist sie innerlich genauso schön wie äußerlich“, bemerkte Kellan.

Dare legte einen Arm um Kellans Schultern. „Klingt, als wärst du verknallt.“

Kellans Wagen liefen rot an. „Bin ich nicht.“

„Es ist eine Sünde, die Frau deines Bruders zu begehren“, neckte Dare ihn.

Kellan schob Dare von sich und konterte: „Ich begehre sie nicht. Ich habe nur gesagt, dass sie fürsorglich zu sein scheint.“

Ich verzog die Lippen zu einem Grinsen. „Offenbar muss ich dich im Auge behalten, aber ich weiß, dass du viel zu ehrenhaft bist, um dich an meine Frau ranzumachen.“

Kellan starrte mich finster an. „Jesus, Maria und Josef, ich habe nur gesagt, dass sie nett klingt.“

„Und wunderschön“, erwiderte ich.

„Fick dich“, murmelte er.

Seamus lachte leise. „Alles klar, Jungs. Zurück zu unserem Plan. Ich habe uns ein Haus außerhalb von Catania besorgt. Es liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Insel und weit genug entfernt von dem Ort, an dem Caterina sich derzeit befindet. Wir sollten uns gut versteckt halten, da jeder, der nach uns sucht, davon ausgehen wird, dass wir zurück in die Staaten fliehen. Ihr werdet noch auf Sizilien heiraten.“

„Warum können wir nicht einfach hier in Boston heiraten?“, fragte ich.

„Es ist wichtig, dass wir die Insel nicht verlassen, bevor ihr sowohl auf dem Papier verheiratet seid, als auch von einem Priester vermählt wurdet.“ Seamus rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und senkte den Blick. „Idealerweise würdet ihr die Ehe vollziehen, bevor wir Sizilien verlassen.“

Schlagartig herrschte erneut eine angespannte Stimmung im Raum. Während sich ein stechender Schmerz in meiner Brust ausbreitete, wusste ich, dass jeder meiner Brüder das schöne Gesicht unserer Schwester vor seinem inneren Auge sah. Einer von uns litt jedoch mehr als die anderen. Kellan wollte gerade aus dem Zimmer stürmen, aber ich eilte ihm hinterher und packte ihn an der Schulter.

Ich begegnete seinem gequälten Blick und versprach: „Ich werde mich meiner Braut nicht aufdrängen. Du hast mein Wort, dass sie niemals das erleiden wird müssen, was Maeve durchgemacht hat.“

Obwohl ich wusste, dass er sich dafür hasste, liefen ihm Tränen über die Wangen. „Danke, Bruder“, flüsterte er und wischte sich mit einer Hand übers Gesicht.

Ich drückte seine Schulter und wandte mich wieder Seamus zu. „Wenn ihre Familie an diesen Unsinn mit dem befleckten Laken glaubt, werden wir es vortäuschen.“

Seamus verzog angewidert das Gesicht. „Ich glaube nicht, dass sie so streng sind, aber ich schätze, es kann nicht schaden, ihnen die Rechtmäßigkeit eurer Ehe noch einmal vor Augen zu führen.“

„Das ist selbst für meine Begriffe verdammt barbarisch“, brummte Quinn und kippte sich einen Schluck Whiskey in den Rachen.

Dare nickte. „Da hast du recht.“

Obwohl mir nicht nach Feiern zumute war, erhob ich mein Glas. „Lasst uns nachschenken und auf meine zukünftige Braut anstoßen.“

„Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag noch erleben würde“, lachte Quinn.

„Vor allem nicht mit einer Italienerin“, sinnierte ich.

Mit einem Augenzwinkern hob Dare sein Glas. „Auf meinen Bruder und die sexy Schwester.“

Kapitel 2

Caterina

Ein qualvoller Schrei drang an mein Ohr. Ich kniete mich auf den Boden der Klinik und starrte in die verängstigten Augen eines vierjährigen Mädchens. „Prometto che non ti farò del male“, flüsterte ich.

Offenbar stieß mein Versprechen, ihr nicht wehzutun, auf taube Ohren. Die Kleine war untröstlich und schüttelte schluchzend den Kopf. Ich wusste, dass sie mich verstanden hatte, da ich sowohl die italienische als auch die englische Sprache fließend beherrschte. Genauer gesagt war ich mit demselben sizilianischen Dialekt aufgewachsen, den die Menschen in den umliegenden Dörfern hier sprachen.

Ich wandte mich der Mutter zu, die mir ein entschuldigendes Lächeln schenkte. „Ich habe alles versucht, um sie zu beruhigen“, erklärte sie.

„Schon in Ordnung“, versicherte ich. „Wie heißt du, meine Kleine?“

„Flavia“, antwortete das Kind und schniefte.

„Das ist ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen.“

Als Flavias Schluchzen langsam verebbte, nahm ich die Spritze vom Tisch neben mir und zeigte sie ihr. „Da drin ist ein Medikament, das dir helfen wird. Du wirst nur kurz ein Pieksen spüren. Ich wette, du wirst es nicht einmal merken.“

Als sie erneut zu weinen begann, fügte ich hinzu: „Sobald du fertig bist, bekommst du ein Eis.“

Plötzlich versiegten ihre Tränen und ich wusste, dass ich das Zauberwort gefunden hatte. Für einige Kinder war es Eiscreme, für andere Süßigkeiten oder vielleicht ein Spielzeug. Fast alle von ihnen waren irgendwie bestechlich.

„Was für ein Eis möchtest du denn?“, fragte ich, während ich ihren Arm mit einem Alkoholtupfer desinfizierte.

„Schokolade“, antwortete Flavia.

„Mhmm, Schokolade mag ich auch am liebsten.“ Als ich die Nadel an ihren Arm führte, fragte ich: „Und was hättest du gern auf deinem Eis?“

„Streusel.“

Ich injizierte den Impfstoff und hakte nach: „Regenbogenstreusel?“

„Ja.“

Mit einem Nicken zog ich die Nadel aus ihrem Arm und lächelte. Wie ich vorausgesagt hatte, hatte Flavia die Spritze kaum gespürt.

„Das hast du gut gemacht“, lobte ich und klebte ein Pflaster auf die Einstichstelle.

Sie riss die Augen auf. „Schon fertig?“

„Siehst du, war doch gar nicht so schlimm, oder?“

Statt mir zuzustimmen, fragte sie fordernd: „Wo ist mein Eis?“

Ich musste lachen und ihre Mutter stimmte ein. „Du hast recht. Versprochen ist versprochen. Ich hole dir gleich eins.“

Als ich den Untersuchungsraum verließ und durch den Flur zur Küche ging, winkte ich den Kindern im Wartebereich lächelnd zu. Viele erwiderten die Geste, während andere mich misstrauisch beäugten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Obwohl es sicher nicht meine Absicht war, war ich die Frau, die Kinder zum Weinen brachte.

Als Kind hatte ich Spritzen auch nicht besonders gemocht. Ich erinnerte mich, wie mein Kindermädchen Talia meine Brüder und mich zum Arzt gebracht hatte. Natürlich in einem kugelsicheren Geländewagen und begleitet von zwei Leibwächtern.

Wie Flavia hatte ich die ganze Fahrt über geweint. Nichts, was Talia oder meine Brüder gesagt hatten, hatte mich beruhigen können. Erst als wir durch die Tür meiner Lieblingseisdiele getreten waren, versiegten meine Tränen endlich. Auch ich liebte Schokoladeneis mit Regenbogenstreuseln.

Wie jedes Mal, wenn mir meine Brüder oder Talia in den Sinn kamen und ich an mein früheres Leben dachte, spürte ich einen schmerzhaften Stich in der Brust. Natürlich war ich glücklich, dem Orden der Herz-Jesu-Schwestern anzugehören. Aber meine Zukunft hatte ich mir anders vorgestellt. Nie hätte ich gedacht, dass ich mit einundzwanzig Jahren als Novizin in einem Orden enden würde.

Meine Schritte hallten auf dem alten Fliesenboden wider. Unsere Einrichtung war weder von innen noch von außen sonderlich schön, aber sie tat so viel für die Armen in der Umgebung. Ich war sehr stolz auf die Arbeit meiner Mitschwestern und fühlte mich gesegnet, ein Teil davon zu sein.

Als ich die Küche betrat, standen zwei Schwestern am Herd und rührten in zwei brodelnden großen Töpfen. „Kommst du, um uns mit der Suppe zu helfen?“, fragte Schwester Lucia mit einem Lächeln.

„Das würde ich liebend gern tun, aber ich bin eigentlich auf der Suche nach etwas Süßem“, antwortete ich und ging zum Gefrierschrank.

„Lass mich raten. Du willst nicht selbst etwas naschen, sondern hast ein Kind bestochen, um ihm eine Spritze verabreichen zu können“, vermutete sie.

Lachend holte ich eine kleine Packung Schokoladeneis hervor. „Wie kommt es, dass du mich so gut kennst?“

Schwester Lucia zwinkerte mir zu. „Es war nur so eine Vermutung.“

„Haben wir noch irgendwo Regenbogenstreusel?“

„Ich glaube, in der Speisekammer steht noch ein Glas“, antwortete Schwester Maria.

„Danke.“

Ich warf einen Blick in die Speisekammer und durchforstete die Regale. Scheinbar war heute mein Glückstag, denn ich fand ein halb gefülltes Glas mit bunten Streuseln. Eigentlich hatten wir kein Geld für Süßigkeiten.

Mit unseren Mitteln konnten wir lediglich die Grundbedürfnisse decken. Doch ich stockte unser Budget mit dem Taschengeld aus meinem Treuhandfonds auf, um dafür zu sorgen, dass wir den Kindern und sogar den Eltern ein paar Leckereien bieten konnten.

Ich steckte die Streusel in meine Rocktasche und verließ die Küche. Als ich an einem Spiegel vorbeikam, hielt ich kurz inne, um mir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatte. Um ihn neu zu binden, blieb keine Zeit.

Ich war unendlich dankbar, dass die modernen Regeln der Herz-Jesu-Schwestern das Tragen der Ordenstracht oder des Habits nicht vorschrieben. Stattdessen trugen wir wadenlange schwarze oder dunkelblaue Röcke und weiße oder graue Blusen.

Als ich wieder im Untersuchungsraum ankam, reichte ich Flavia ihr Eis. Dann zog ich die Streusel aus meiner Tasche. Aufgeregt riss sie die Augen auf. „Danke, Schwester.“

„Gern geschehen“, antwortete ich. Ich verteilte die Streusel auf dem Eis und verabschiedete das Mädchen mit einem Lächeln. „Pass auf dich auf.“

Nachdem Flavia und ihre Mutter den Raum verlassen hatten, ging ich zu meinem nächsten Patienten. Alle, die ernsthaft krank waren, wurden vom Arzt untersucht. Aber dank eines kurzen medizinischen Lehrgangs war ich immerhin in der Lage, den Blutdruck zu messen, Impfungen zu verabreichen und Wunden zu reinigen. Zu Hause wäre ich kaum als Pflegekraft qualifiziert gewesen, aber hier wurden meine Fähigkeiten dringend gebraucht.

Als ich die letzten Patienten versorgt hatte, war es fast Feierabend. Ich verließ gerade den großen Behandlungsraum, als Amara, ein blondes Mädchen mit Zöpfen, auf mich zukam. „Schwester Cat, liest du uns eine Geschichte vor?“

Obwohl ich noch eine Million Dinge zu erledigen hatte, bevor ich die Klinik für heute schloss, konnte ich den Kindern nie etwas abschlagen. Sie waren meine Schwäche. Neben meinen Brüdern waren sie das, was ich von der Welt draußen am meisten vermisste. Oder besser gesagt, von der Welt außerhalb des Ordens. Da ich in einer großen Familie aufgewachsen war, hatte ich immer unzählige Cousins und Cousinen um mich gehabt. Schon vor meinem zehnten Lebensjahr hatte ich den Spitznamen „Babyflüsterin“ gehabt.

Ich schenkte Amara ein Lächeln. „Sehr gern.“

Sie drückte mir ein Buch in die Hand. „Lies das hier bitte.“

„Natürlich“, antwortete ich und ließ mich auf einem Stuhl nieder.

Amara winkte noch weitere Kinder zu sich, die alle warteten, während ihre Mütter die Tafel besuchten.

„Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin in einem fernen Land, die in einem Schloss eingesperrt war …“

Während ich weiterlas, wanderte ich in Gedanken an einen anderen Ort zu einer anderen Zeit. Es war einmal eine Prinzessin, die in einem Schloss gefangen gehalten wurde. Statt in einem weit entfernten Land wurde ich in Manhattan geboren und war dort aufgewachsen. Mein Schloss bestand aus einem Penthouse an der Upper East Side sowie einer Villa in den Hamptons.

Ein gut aussehender Prinz war nie gekommen, um mich aus meinem Gefängnis zu befreien und mit mir bis ans Ende unserer Tage ein glückliches Leben zu führen.

Stattdessen wurde ein halbes Jahr nach meinem achtzehnten Geburtstag ein Ehevertrag mit einem Mann ausgehandelt, der fünfundzwanzig Jahre älter war als ich. Einem Mann, den ich noch nie gesehen, geschweige denn gesprochen hatte. Bei unserer ersten Begegnung war ich ihm im Büro meines Vaters vorgestellt worden. Allein der Gedanke an jenen Tag ließ mich schaudern.

Ohne mich zu begrüßen oder mir die Hand zu geben, hatte Carmine Lucero mich nur anzüglich angestarrt. Sein lüsterner Blick war zuerst auf meine Brüste gefallen und dann weiter nach unten gewandert. Beim Anblick meiner Beine hatte er sich die Lippen geleckt. Dann hatte er meinem Vater auf die Schulter geklopft und lauthals erklärt: „Da hast du aber ein Prachtexemplar gezeugt, Alessio. Mit diesen gebärfreudigen Hüften wird sie mir sicher viele Söhne schenken“.

Carmine hatte seine erste Frau unerwartet und unter dubiosen Umständen verloren und musste nun drei Töchter allein großziehen. Diese hätten mich sofort nach unserer Heirat zwangsläufig zur Mutter gemacht. Die älteste Tochter war nur vier Jahre jünger als ich.

Nachdem er mir einen riesigen Diamanten an den linken Finger gesteckt hatte, bat Carmine darum, mit mir allein zu sein. Obwohl ich gewusst hatte, dass ich meinem Vater gegenüber keine Angst zeigen durfte, hatte ich versucht, ihm meine Furcht mit einem Blick zu vermitteln. Doch er hatte nur missbilligend den Kopf geschüttelt und sein Büro verlassen.

Carmine war auf mich zugekommen und ich war immer weiter zurückgewichen, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand geprallt war. „Ich werde es genießen, dich einzureiten.“

Als er sich vorgebeugt hatte, um mich zu küssen, hatte ich versucht, ihm zu entkommen, aber er hatte mich an den Armen gepackt und wieder gegen die Wand gedrückt. „Du wirst dich von mir küssen lassen.“

„Ich darf dich erst küssen, wenn wir legal verheiratet sind“, hatte ich protestiert.

„Der Vertrag ist ausreichend.“

Ich hatte mich gewunden und geschrien: „Du wirst mich nicht auf diese Weise missachten!“

„Hör mir zu, du kleine Fotze. Wenn wir verheiratet sind, werde ich dich so viel missachten, wie es mir passt. Ich werde dich auf jede erdenkliche Weise ficken, und du wirst es hinnehmen, weil du meine Frau sein wirst.“

In diesem Moment hatten Ekel und Hass meine Angst in den Schatten gestellt. Alle Lektionen in Gehorsam, die mir meine Mutter erteilt hatte, waren vergessen. Eine Wut, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte, war durch meine Adern geschossen, und ich hatte nicht innegehalten, um mein Handeln zu hinterfragen.

Ich reagierte.

Ich hatte mich aufgebäumt und ihm ins Gesicht gespuckt.

Carmine war vor Zorn hochrot angelaufen und hatte mir mit seiner fleischigen Hand ins Gesicht geschlagen. „Wenn du noch einmal auf die Idee kommst, so etwas zu tun, lasse ich dich von jedem meiner Soldaten ficken, bevor ich dich irgendwohin bringe, wo dein Vater und deine Brüder dich nie finden werden.“

Seine Drohung, mich zu vergewaltigen und zu verschleppen, hatte wieder die Angst in mir geweckt, und meine Knie hatten nachgegeben. Ich war an der Wand hinuntergerutscht, hatte mir meine brennende Wange gehalten und schwach protestiert: „Das werde ich meinem Vater erzählen. Er wird den Vertrag sofort auflösen.“

Carmine hatte die Lippen zu einem höhnischen Grinsen verzogen. „Wem wird er wohl eher glauben? Einem gemachten Mann wie mir, der ihm viele Vorteile bringt, oder seiner Tochter, die diese Hochzeit um jeden Preis verhindern will und in ihrer Verzweiflung alles sagen würde?“

Und während ich auf dem Boden gekauert war, hatte ich gewusst, dass er recht hatte. In diesem Moment war die alte Caterina in tausend Stücke zerbrochen. Und ohne einen schönen Prinzen, der zu meiner Rettung herbeieilte, war ich gezwungen gewesen, mich aus eigener Kraft wieder zusammenzusetzen.

Ich hatte mich selbst retten müssen.

Auf keinen Fall wollte ich ein Leben fristen müssen, in dem ich nicht mehr als die Frau eines mächtigen Mannes oder die Gebärmaschine für seine Erben war. Ich weigerte mich, mit blauen Flecken übersät zu sein, weil mein Mann mich geschlagen und vergewaltigt hatte. Niemals wollte ich mich von einem Mann kontrollieren lassen.

Also hatte ich Schutz bei dem Orden gesucht.

Obwohl ich früher regelmäßig den Gottesdienst besucht hatte, hätte niemand, der mich kannte, vermutet, dass ich jemals einem Kloster beitreten würde. Da ich laute Musik und Designerkleidung liebte und auch einem alkoholischen Getränk hier und da nicht abgeneigt war, hatte ich nicht gerade der Vorstellung einer Nonne entsprochen.

Im Laufe ihrer Karriere brachten manche Menschen persönliche Opfer, um den Erwartungen eines Unternehmens oder ihres Chefs gerecht zu werden. Das Gleiche hatte ich getan, als ich mich den Herz-Jesu-Schwestern angeschlossen hatte.

Obwohl ich aus einem sehr wohlhabenden Elternhaus stammte, war ich nicht zu verwöhnt, um das Armutsgelübde abzulegen. Mit einem kontrollsüchtigen Vater und einer emotional abwesenden Mutter hatte ich aus erster Hand erfahren, dass man Glück mit Geld nicht kaufen konnte.Da von mir erwartet worden war, mich immer an die Regeln zu halten, hatte ich nie rebelliert, bis ich Carmine heiraten hätte sollen. Insofern war es mir nicht schwergefallen, das Gehorsamsgelübde abzulegen.

Und was den Aspekt der Keuschheit betraf, den man vor allem mit einer Nonne in Verbindung brachte, so war ich so rein, wie ich nur sein konnte. Wie alles in meinem Leben gehörte auch meine Jungfräulichkeit nicht mir, sondern meinem zukünftigen Ehemann. Um sicherzugehen, dass ich meine Unschuld bewahrte, war mir nie erlaubt gewesen, mich unbeaufsichtigt mit einem Mann zu treffen. In der Schule hatte mich einmal ein Junge flüchtig geküsst, aber das war alles.

Ich war also völlig unberührt.

Zweieinhalb Jahre waren vergangen, seit ich bei den Schwestern Zuflucht gefunden hatte. An manchen Tagen kam es mir wie gestern vor, an anderen wie Jahrzehnte. Meine Entscheidung erzürnte sowohl meinen Vater als auch meinen ehemaligen Verlobten.

Da mein Vater im Leben nur Gott fürchtete, hatte er es nicht gewagt, mich zum Verlassen des Ordens zu zwingen. Stattdessen versicherte er mir, dass ich für ihn gestorben sei, aber dieses Opfer nahm ich nur zu gern auf mich, um meine Freiheit zu erlangen.

Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen hatte und von den Kindern umarmt worden war, führte ich ihre Mütter hinaus und schloss die Türen für heute. Bevor ich mit dem Aufräumen beginnen konnte, vibrierte mein Handy in meiner Tasche. Aufgrund der abgelegenen Lage der Klinik war ein Telefon für uns vier Schwestern unerlässlich.

Als ich einen Blick auf das Display warf, strahlte ich vor Glück.

Kaum hatte ich den Anruf angenommen, lächelten mich die Gesichter meiner drei Brüder an. Sie waren alle groß, unglaublich gut gebaut und sehr attraktiv. Zumindest wurden sie so in den New Yorker Zeitungen und sozialen Medien beschrieben. Aber für mich waren sie die nettesten und wunderbarsten großen Brüder, die man sich als Mädchen nur wünschen konnte.

Mit achtundzwanzig Jahren war Raphael, oder Rafe, der Älteste, gefolgt von Leandro, oder Leo, mit sechsundzwanzig, und Gianni mit fünfundzwanzig. Alle drei hatten pechschwarzes Haar, dunkle Augen und stahlharte Muskeln, die sie sich nicht nur durch das Training im Fitnessstudio angeeignet hatten.

Sie alle waren gemachte Männer und jeder von ihnen hatte einen wichtigen Rang innerhalb der Famiglia inne.

„Hey Jungs!“

„Alles Gute zum Geburtstag!“, riefen sie im Chor.

Ich musste unwillkürlich grinsen. „Danke. Ihr wisst ja gar nicht, wie viel es mir bedeutet, heute von meiner Familie zu hören.“

Obwohl dies mein dritter Geburtstag war, seit ich im Ordenshaus lebte, war ich es immer noch nicht gewohnt, ihn fernab der Außenwelt zu feiern. Als wir noch klein gewesen waren, hatten meine Eltern an unseren Ehrentagen aufwendige Mottopartys mit Hunderten von Gästen und Tischen voller Essen veranstaltet und einen Vergnügungspark in unserem Garten aufgebaut. Aber ihre Bemühungen hatten wohl eher der Zurschaustellung unseres Reichtums gedient, statt als Beweis der Liebe zu ihren Kindern.

„Ich kann nicht glauben, dass unsere kleine Schwester schon einundzwanzig ist“, bemerkte Raphael.

Gianni nickte. „Ich fühle mich so alt.“

Ich lachte schallend. „So viel älter als ich bist du nun auch nicht, G.“

„Aber nun bist du einundzwanzig und das bedeutet, dass du kein Baby mehr bist, Kitty Cat“, erwiderte Gianni.

„Ach du meine Güte, nenn mich nicht so. Der Spitzname ist so alt.“

Die Jungs lachten über meine Empörung. Solange ich denken konnte, hatten sie mich mit diesem Spitznamen gequält. Als Kind hatte er nur ein wenig an meinen Nerven gezerrt, aber als Teenager hatte ich ihn als wahren Fluch empfunden.

Ich wollte das Thema wechseln und fragte: „Wie geht es Mom?“

Leo verdrehte die Augen. „Sie sorgt mit ihren exzessiven Einkaufstouren und Geschäftsessen dafür, dass die Boutiquen und edlen Restaurants ein gutes Geschäft machen.“

Ich lachte. „Das sollte mich wohl nicht überraschen.“

Als ich noch ein Kind gewesen war, hatte mich meine Mutter immer an eine Eisprinzessin erinnert. Sie war der Inbegriff einer Mafia-Ehefrau. Die Jungs und ich hatten unserem Kindermädchen Talia immer nähergestanden. Sie hatte uns aufgezogen, als wären wir ihre eigenen Kinder. Seit ich in den Orden eingetreten war, hatte meine Mutter kein einziges Mal den Kontakt zu mir gesucht, aber mit Talia telefonierte ich mindestens ein- oder zweimal im Monat.

„Wir haben große Neuigkeiten“, verkündete Rafe.

Ich zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. „Wird einer von euch heiraten?“

Als sie mit Raunen und Stöhnen reagierten, legte ich fragend den Kopf schief. „Im Ernst? Ich kann nicht glauben, dass Vater euch erlaubt, so lange Junggesellen zu bleiben. Das gilt besonders für dich, Rafe.“

Rafe verdrehte die Augen. „Du weißt doch, dass Vater immer gesagt hat, ein Mann sollte sich nicht binden, bevor er dreißig ist. Er sollte sich ausschließlich auf die Famiglia konzentrieren.“

Leo bedachte Rafe mit einem Grinsen. „Aber es geht das Gerücht um, dass er bereits wegen deiner zukünftigen Braut verhandelt.“

„Zum Glück kann ich noch mindestens zwei Jahre in Freiheit verbringen.“

„Also schön. Wenn es keine bevorstehende Hochzeit ist, warum seid ihr dann so aufgeregt?“, wollte ich wissen.

„Wir kommen dich besuchen“, antwortete Gianni grinsend.

„Wirklich?“

Rafe nickte. „Wir sind nächste Woche geschäftlich in Mailand und dachten, wir machen auf dem Heimweg einen Abstecher nach Sizilien.“

„Oh mein Gott, Leute! Damit machte ihr mir eine riesige Freude zu meinem Geburtstag.“

Rafe zwinkerte mir zu. „Wir wussten, dass du ganz aus dem Häuschen sein würdest, Kleine.“

Ich verdrehte die Augen. „Ihr seid ja so bescheiden.“

„Was machst du heute Abend? Hast du große Pläne?“, neckte Leo mich.

„Auf jeden Fall. Die Schwestern führen mich auf einen Drink und zum Tanzen aus“, antwortete ich mit einem Kichern. „Gerüchten zufolge werden Schwester Lucia und Schwester Antonia sogar ihre Ordenstracht ablegen.“

Meine Brüder lachten schallend. „Wie ich sehe, bist du immer noch unsere vorlaute kleine Schwester“, erwiderte Gianni.

„Ja, in mehr als einer Hinsicht, denn jetzt bin ich Schwester Caterina.“

Ihr Lächeln erstarb. Selbst nach zweieinhalb Jahren konnten sie meine Entscheidung immer noch nicht verstehen. Vor allem behagte es ihnen nicht, dass ich Tausende von Kilometern weit weg war.

„Erklär mir das noch mal. Wie lange dauert es noch, bis du dein ewiges Gelübde ablegst und eine vollwertige Nonne wirst?“, fragte Leo.

Die Jungs hofften immer noch, dass ich den Orden verlassen und zu ihnen zurückkehren würde, da ich Gott bisher noch nicht die ewige Treue geschworen hatte. Ich wusste nicht, wie ich ihnen verständlich machen sollte, dass ich nie wieder nach Hause kommen würde. Nicht, solange mein Vater mich noch zwangsverheiraten wollte.

„Drei Jahre.“

„So bald?“ Gianni zuckte sichtlich zusammen.

„Ja.“

Rafe biss die Zähne zusammen. „Du müsstest das Gelübde nicht ablegen, wenn Vater tot wäre.“

„Da er erst fünfundsechzig ist und bei relativ guter Gesundheit, glaube ich nicht, dass er bald das Zeitliche segnen wird“, antwortete ich.

Ein bösartiger Schimmer trat in Leos dunkle Augen. „Unfälle passieren jeden Tag, vor allem widerfahren sie Männern in unserem Metier.“

Rafe nickte zustimmend, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht zulassen, dass ihr euer Gewissen damit belastet.“

„Lass das unsere Sorge sein“, sagte Gianni.

Während ich in ihre ernsten Gesichter blickte, wollte ein kleiner Teil von mir ihr Angebot annehmen. Ich war mit dem Leben im Orden zufrieden, aber es war nicht das, was ich mir für meine Zukunft vorgestellt hatte. Nichtsdestotrotz hatte ich meine Wahl getroffen und konnte nicht zulassen, dass meine Brüder unseren Vater töteten, nur damit ich meinen Willen bekam.

„Nur darüber zu reden, ist schon eine Todsünde“, flüsterte ich.

Rafe seufzte. „Wir würden alles für dich tun, Kitty Cat.“

Tränen stiegen mir in die Augen. „Das weiß ich, und dafür liebe ich euch alle so sehr.“

„Und wir lieben dich“, erwiderte Gianni.

Leo schenkte mir ein Lächeln. „Trockne deine Tränen, Kitty Cat. Wir wollen doch nicht, dass du an deinem Geburtstag weinst.“

Ich lachte und wischte mir über die Wangen. „Keine Sorge. Das sind Freudentränen, versprochen. Vor allem, da ich euch in ein paar Wochen wiedersehen werde.“

„Du kannst dir schon mal überlegen, wohin du gern reisen oder was du gern sehen möchtest“, schlug Rafe vor.

Leo nickte. „Wir fliegen dich überallhin, wohin du willst.“

„Ich denke, die Frage wird eher sein, wohin ich gehen darf.“

„Schwestern bekommen doch sicher auch mal Urlaub, nicht wahr?“

„Ja. Aber ich bezweifle, dass ihr allzu viel jugendfreien Spaß vertragen werdet.“

Mit einem Schnauben antwortete Leo: „Als würden wir mit unserer kleinen Schwester einen Klub besuchen. Selbst wenn du nicht in einem religiösen Orden wärst, käme das gar nicht infrage.“

„Ihr seid langweilig“, zog ich sie auf.

„Bis bald, Kitty Cat“, sagte Rafe, während Leo und Gianni winkten.

Nachdem ich ihnen einen Luftkuss zugehaucht hatte, legte ich auf. Ich drückte das Telefon an meine Brust und machte mir gar nicht erst die Mühe, gegen die Tränen anzukämpfen. Ich ließ sie ungehindert über meine Wangen strömen. Meine Schultern hoben und senkten sich, während ich heftig schluchzte.

In diesem Moment scherte ich mich nicht um all das Gute, das ich mit meiner Arbeit im Orden vollbrachte, oder um die Tatsache, dass ich einen Sieg über meinen Vater errungen hatte. Ich wollte nur wieder zu Hause in New York sein, umgeben von meinen Brüdern, während ich ein Stück von Talias berühmtem Kuchen aß.

„Caterina?“, fragte Schwester Lucia.

Schniefend wischte ich mir über die Augen. „Ja?“

„Du wirst in der Küche gebraucht.“

„Natürlich.“ Ich senkte den Kopf, damit sie meine Tränen nicht sehen konnte, erhob mich von meinem Stuhl und folgte ihr den Flur entlang.

Ich betrat die Küche und runzelte die Stirn. Der Raum lag völlig im Dunkeln. „Oh nein. Sag mir nicht, dass der Strom wieder ausgefallen ist“, stöhnte ich.

Das Licht wurde angeschaltet und jemand rief: „Überraschung!“ Beim Anblick meiner drei Mitschwestern, die einen kleinen Kuchen mit einer brennenden Kerze in der Hand hielten, kamen mir erneut die Tränen.

„Alles Gute zum Geburtstag, Caterina“, sagte Schwester Lucia mit einem Lächeln.

Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. „Ich kann nicht glauben, dass ihr das getan habt.“

„Man wird nicht jeden Tag einundzwanzig“, antwortete Schwester Antonia in ihrer diplomatischen Art.

Seit dem Tag, an dem ich im Dorf angekommen war, hatte ich in ihr meine vor langer Zeit verschiedene Großmutter gesehen. Vor allem, weil sie genauso streng und unnachgiebig war wie meine Nonna. Mit einer ihrer vom Alter gezeichneten Hände bedeutete sie mir, die Kerze auszublasen. „Wünsch dir was.“

Eine egoistische Stimme in mir flüsterte mir zu, dass ich mir ohnehin nichts wünschen konnte, solange ich dem Orden angehörte. Mein Leben lag nicht mehr wirklich in meiner Hand. Natürlich gab es auch eine rationale Stimme, die mir zurief, ich dürfe mir Gesundheit und Glück auf meinem Weg wünschen.

Aber zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, dass etwas fehlte.

Eine seltsame Leere breitete sich in mir aus.  Ich versuchte, mir einzureden, dass ich nur so empfand, weil ich einundzwanzig wurde und dies ein bedeutender Meilenstein war. In den USA hätte ich eine Party gefeiert, bei der Alkohol in Strömen geflossen wäre. In einem anderen Leben hätte ich mich auf das letzte Semester meines Studiums gefreut.

Als Schwester Antonia mich stirnrunzelnd ansah, weil ich zögerte, zwang ich mich zu einem Lächeln. „Tut mir leid. Ich habe nur überlegt, was ich mir wünschen soll.“

„Mein Kind, das ist ganz einfach. Du musst nur darum bitten, dass der Wille des Herrn geschehe.“

Ich beugte mich über den Kuchen und schloss die Augen. Aber als ich die Kerze ausblies, folgte ich nicht Schwester Antonias Rat, sondern wünschte mir, dass ich meine wahre Bestimmung finden würde.

Kapitel 3

Caterina

Es war zwar nicht ganz die Party, über die ich mit meinen Brüdern gescherzt hatte, aber ich verbrachte einen wunderschönen Abend mit den Schwestern. Wir aßen die Reste der Suppe und tranken gereiften Wein, während wir uns den Kuchen schmecken ließen. Sie unterhielten mich mit Geschichten über ihre einundzwanzigsten Geburtstage, die sie alle im Orden gefeiert hatten. Für gewöhnlich gingen wir um einundzwanzig Uhr zu Bett, doch heute wurde es später.

Als ich schließlich gegen zweiundzwanzig Uhr in mein Schlafzimmer trottete, fiel mein Blick auf den Mopp und den Eimer neben meinem Nachttisch. Ich hatte zwei Tage lang den Boden nicht geputzt und mir fest vorgenommen, mich noch darum zu kümmern. Aber ich war viel zu müde, außerdem war heute mein Geburtstag.

Nachdem ich mir ein Nachthemd aus der Schublade geholt hatte, ging ich ins Bad und duschte. Dann schlüpfte ich ins Bett und fiel in einen tiefen Schlaf. Das Läuten der Kirchenglocken um Mitternacht schreckte mich auf.

Ich lag in der Dunkelheit, als mich plötzlich ein warnender Schauer durchfuhr. Außer den Glocken war nichts zu hören, aber ein unbestimmtes Gefühl beschlich mich und jagte mir eine Heidenangst ein. Ich kämpfte dagegen an und versuchte, meine Atmung zu beruhigen.

Jemand war in meinem Zimmer.

Mit zitternder Hand streckte ich meinen Arm unter der Bettdecke hervor. Ich tastete nach dem Kabel auf dem Nachttisch und schaltete die Lampe ein. Es dauerte einen Moment, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten. Ich ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Glücklicherweise war es leer.

Ich atmete erleichtert auf, doch ich konnte kaum schlucken, da mein Mund wie ausgetrocknet war. Also schlug ich die Bettdecke zurück und stapfte ins Bad. Statt mir ein Glas zu holen, drehte ich den Hahn auf und beugte mich über das Waschbecken. Mit beiden Händen schöpfte ich das Wasser und führte die kühle Flüssigkeit an meine Lippen. Als ich genug getrunken hatte, spritzte ich mir noch etwas Wasser ins Gesicht.

Dann hob ich den Kopf und blickte in den Spiegel. Die blauen Augen eines Mannes starrten mir entgegen. Ich schrie auf und versteifte mich. Entsetzen durchflutete mich.

Bevor ich reagieren konnte, packte der Mann meine Taille und drehte mich zu sich um. Er presste eine tätowierte Hand auf meinen Mund, während er mit der anderen meine Kehle zudrückte.

„Keinen verdammten Mucks, Schwester“, warnte er mich.

Sofort erkannte ich den irischen Akzent. Er kam definitiv nicht aus der Gegend. Vielmehr erinnerte er mich an New York, vor allem an die irischen Familien, die gegen unsere Krieg führten. War dieser Mann einer der Feinde meines Vaters? Hatte er es irgendwie geschafft, mich hier aufzuspüren, um sich an der Familie Neretti zu rächen? Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte ich ihn attraktiv gefunden. Tiefschwarzes Haar, ozeanblaue Augen und gemeißelte Gesichtszüge. Trotz seiner Schönheit strahlte er Grausamkeit aus. Sein unnachgiebiger Blick wanderte von meinem Gesicht zu meinen Brüsten, wo er einen Moment verweilte, bevor er tiefer zu meinen Hüften glitt.

„Verdammt, Schwester. Die Bilder werden dir nicht gerecht.“ Er leckte sich die Lippen. „Du hast einen Körper für die Sünde“, bemerkte er, während er mich fest an seinen muskulösen Körper drückte.

In diesem Moment wurde mir klar, dass er die Absicht hatte, mich zu vergewaltigen. Trotz meiner Angst wusste ich, dass ich es nicht dazu kommen lassen konnte. Seit ich laufen konnte, hatten mir meine Brüder beigebracht, mich selbst zu verteidigen. Alle Töchter der Famiglia wurden unterrichtet, wie sie sich wehren konnten, falls jemand versuchen sollte, sie zu entführen.

Mit aller Kraft rammte ich ihm mein Knie zwischen die Beine. Als er seine Hand von meinem Mund zog, packte ich sie und biss hinein. Mit meinen Zähnen durchbohrte ich seine Haut, bis ein metallischer Geschmack auf meine Zunge traf.

„Verdammte Scheiße!“, schrie er und ließ mich los.

Ich sprintete ins Zimmer und lief zu meinem Nachttisch. Mit zitternden Fingern öffnete ich die Schublade und suchte nach der Glock, die mir meine Brüder zu meinem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatten. Viele würden sich wundern, dass eine Schwester bewaffnet war, aber es war ein notwendiges Übel, da wir uns außerhalb der Klostermauern aufhielten.

Mit der Waffe in der Hand wirbelte ich herum, als der Mann gerade durch die Badezimmertür trat. Draußen auf dem Flur hörte ich Schritte. Als der Kerl sich auf mich stürzte, drückte ich den Abzug. Statt wie beabsichtigt seinen Bauch zu treffen, streifte die Kugel nur seinen Oberschenkel.

„Fuck!“, brüllte er und verzerrte vor Schmerz das Gesicht.