The Irish Rogues Mafia Family Teil 3: Fix You - Katie Ashley - E-Book

The Irish Rogues Mafia Family Teil 3: Fix You E-Book

Katie Ashley

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Beschreibung

Raphael Seit dem Tag, an dem ich mit blutigen Händen das Erbe meines Vaters annahm und zum Oberhaupt der Neretti-Familie wurde, war mein Schicksal besiegelt – eine Ehe ohne Liebe, nur ein Spielzug auf dem Schachbrett der Macht. Doch dann kam sie. Maeve Kavanaugh. Ein einziger Blick, ein einziger Moment – und mein kaltes, kalkuliertes Leben geriet ins Wanken. Sie ist alles, was ich nie begehren durfte. Alles, was ich nie hätte lieben sollen. Doch ich will sie – mehr, als ich jemals etwas wollte. In ihrer Nähe vergesse ich Pflichten, Ehre, Blut. Aber in unserer Welt hat Leidenschaft einen Preis. Und wer der Versuchung nachgibt, zahlt oft mit dem Leben. Maeve Raphael Neretti war nie für mein Herz bestimmt. Er sollte ein Geheimnis bleiben, ein gefährlicher Rausch inmitten des Chaos, das uns umgibt. Er sieht mich. Nicht meine Maske, nicht meine Angst – mich. Gebrochen. Misstrauisch. Und dennoch bereit, für ihn zu brennen. Ich wollte die Mafia hinter mir lassen. Ich weiß von seiner Verlobten. Ich weiß, dass unsere Liebe keine Zukunft hat. Und trotzdem kann ich ihn nicht loslassen. Jetzt hat uns unsere Leidenschaft in ein tödliches Netz aus Lügen, Loyalität und Verrat verstrickt – und es gibt kein Zurück mehr. In einer Welt, in der Macht über Moral herrscht und jede Berührung tödlich sein kann, ist die Liebe zwischen Raphael und Maeve nicht nur verboten – sie ist eine Kriegserklärung. Teil 3 der packenden Mafia Romance-Reihe von New York Times-Bestsellerautorin Katie Ashley.

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Seitenzahl: 505

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Katie Ashley

The Irish Rogues Mafia Family Teil 3: Fix You

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Sandra Martin

© 2024 by Katie Ashley unter dem Originaltitel „Fix You (The Irish Rogues Book 3)“

© 2025 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, Im Großfeld 18, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-780-2

ISBN eBook: 978-3-86495-781-9

Glossar

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog I

Epilog II

Autorin

Glossar

Aye – Zustimmung ausdrückende Interjektion, ursprünglich aus der Seemannssprache

Bratva – russische Mafia, auch „Russenmafia“ genannt, ursprünglich aus der ehemaligen Sowjetunion stammend hat sich die Bratva inzwischen auch international ausgebreitet

Mam – irische Bezeichnung für Mutter, vergleichbar mit dem Wort „Mom“ im Amerikanischen

Jig – lebhafter irischer Volkstanz

Brioche col tuppo – sizilianisches Frühstücksgebäck

Pork Pies – Schweinefleischpasteten

Famiglia – in der italienischen Mafia bezeichnet „Famiglia“ eine Einheit eines organisierten Verbrechersyndikats.

Gälische Wörter

Comhghairdeas! – Glückwunsch! 

Craiceáilte – verrückt

Is breá liom tú. – Ich liebe dich.

Is breá liom tú freisin. – Ich liebe dich auch.

Comhghairdeachas agus le deaghui – die besten Wünsche 

Wain – Kind

Italienische Wörter

Stupido cazzo – verdammter Mist

Vaffanculo! – Fick dich!

Stronzo – Arschloch

Coretto – korrekt 

Bastardo – Mistkerl

Fanculo a me! – Da hol mich doch der Teufel!

Maledetto bastardo – verdammter Mistkerl 

Figlio di puttana – Hurensohn

Marone – Idiot

Coglione (plural: coglioni) – Arschloch

Donna coraggiosa – mutige Frau

Testa di cazzo – Arschloch

Prolog

Maeve

Belfast, ein Jahr zuvor

In der Ferne vernahm ich Donnergrollen und erschauderte. Ich hatte Gewitter schon immer gehasst. Als Kind war ich beim ersten Blitz oder Donnerschlag sofort aus dem Bett gesprungen, war den mit Teppich ausgelegten Flur entlanggelaufen und hatte mich in das Zimmer eines meiner älteren Brüder geflüchtet.

Obwohl sie sich stets über mein Eindringen beschwert hatten, hatten sie sich dennoch immer auf die Seite gerollt, um mir Platz zu machen. Wenn der Sturm besonders heftig war, schlichen sich meist auch meine beiden jüngeren Brüder in ihr Zimmer. Irgendwie hatten Kellan und Eamon immer ein Gespür dafür, wo ich war.

Bei dem Gedanken daran, wie sehr ich meine Brüder liebte, durchzuckte ein schmerzhaftes Ziehen meine Brust. Nach dieser Nacht würden sie nicht mehr die stillen Helden in meinem Leben sein, die mich jederzeit trösteten und beschützten. Ich wollte nicht aus ihrem Leben verschwinden, aber das Schicksal ließ mir keine Wahl.

Entweder ließ ich mich wie eine Zuchtstute in eine Ehe mit einem Mann zwingen, der dafür bekannt war, seine Freundinnen grün und blau zu schlagen.

Oder ich konnte mich für die Freiheit entscheiden und in ein neues Leben verschwinden.

Auf den ersten Blick schien die Entscheidung nicht schwer zu sein, aber sie war dennoch herzzerreißend.

Andere junge Frauen in meiner Lage hätten einfach ihre Sachen gepackt und wären gegangen.

Aber ich war nicht wie andere Mädchen.

Ich war die Tochter eines irischen Clanführers, dessen Mitglieder bei ihrer Aufnahme einen Blutschwur geleistet hatten.

Niemand verließ den Clan, und jeder, der es wagte, sich dem Wort meines Vaters zu widersetzen, wurde getötet.

Als er vor zwei Wochen unerwartet mit meinen älteren Brüdern aus Boston aufgetaucht war, hätte ich misstrauisch werden sollen. Vor zehn Jahren hatte er meine ältesten Brüder Callum, Quinn und Darragh, genannt Dare, in die USA mitgenommen, um das Familienunternehmen auszubauen. Meiner Mutter hatte er befohlen, mit mir, Kellan und Eamon in Belfast zu bleiben.

Da mein Vater durch und durch ein Arschloch war, hatte meine Mutter bereitwillig auf seine Anwesenheit verzichtet. Aber wir flogen dennoch einmal im Monat in unserem Privatjet nach Boston, weil Mam es kaum ertragen konnte, dass ihre Familie auf zwei Kontinente verteilt war. Obwohl Callum zwanzig, Quinn achtzehn und Dare sechzehn waren, trauerte Mam jeden Tag um sie. Während sie versuchten, nach außen hin den Eindruck starker Clanmänner zu erwecken, liebten sie unsere Mutter und vermissten sie schrecklich. Kellan, Eamon und ich waren genauso untröstlich, von unseren älteren Brüdern getrennt zu sein.

Für gewöhnlich besuchte Dad uns nie unangekündigt in Belfast, aber ich hatte angenommen, dass er wegen unvorhergesehener Geschäfte angereist war. Dann war ich nach unten gekommen und hatte gesehen, wie das Personal mit den Vorbereitungen für eine Party beschäftigt war. Mein schlimmster Albtraum wurde wahr, als ich den Anlass für die Feier erfuhr.

Beim Anblick eines Banners mit der Aufschrift Comhghairdeas Oisin and Maeve war mir die Galle in die Kehle gestiegen. Das durfte nicht wahr sein. Im vergangenen Jahr hatte ich Gerüchte gehört, dass Oisin O’Toole mich zur Frau haben wollte. Abgesehen davon, dass er ziemlich unattraktiv war, hatte er den Ruf eines grausamen Clanführers. Ich hatte zwar immer gewusst, dass ich eines Tages eine Zwangsehe würde eingehen müssen, aber Oisin wollte ich auf keinen Fall heiraten.

Also hatte ich meinen Vater in seinem Büro aufgesucht, um Antworten von ihm zu bekommen. Er hatte von seinen Unterlagen aufgeblickt und mich angestarrt.

Da mir bewusst gewesen war, dass meine Bitten auf taube Ohren stoßen würden, hatte ich das Kinn in die Höhe gereckt. „Ich werde Oisin O’Toole niemals heiraten!“

„Ach wirklich?“, knurrte er.

Ich nickte nachdrücklich. „Bevor ich zulasse, dass er mich anfasst, werde ich weglaufen!“

Ohne ein Wort zu sagen, stand Dad von seinem Stuhl auf und schritt langsam auf mich zu, wie ein Raubtier, das sich seiner Beute nähert. Er packte mich am Arm und zog mich aus seinem Büro. Ich schrie vor Schmerz auf, als er seine Finger in meinem Oberarm vergrub.

Er zerrte mich ins Wohnzimmer, in dem meine Brüder einen Boxkampf im Fernsehen schauten, und schubste mich vor ihre Füße. „Ihr werdet ihr die Frechheit aus dem Leib prügeln!“

Ein Schrei entrang sich meiner Kehle, als ich mit den Knien am Boden aufschlug. Im nächsten Moment stand Quinn neben mir und half mir auf.

Callum sprang ebenfalls vom Sofa und baute sich vor meinem Vater auf. „Du craiceáilte Mistkerl! Wie kannst du es wagen, Hand an sie zu legen, geschweige denn, so etwas von uns zu verlangen?“

„Diese undankbare Schlampe weigert sich, Oisin zu heiraten. Sie muss Gehorsam lernen.“

„Wir werden uns ganz sicher nicht an deinen sadistischen Spielchen beteiligen“, entgegnete Quinn und zog mich in seine Arme.

„Maeve wird diesen Psychopathen nur über meine Leiche heiraten!“, brüllte Callum.

Vater starrte uns finster an. „Solange ich atme, bin ich das Oberhaupt dieses Clans, und mein Wort ist Gesetz.“

„Wenn du weiterhin versuchst, Maeve zu einer Ehe mit diesem Arschloch zu zwingen, wirst du überhaupt nicht mehr atmen.“ Callum trat noch einen Schritt vor, bis er dicht vor Dad stand. „Du wirst in der Kavanaugh-Gruft verrotten.“

Die blauen Augen meines Vaters verdunkelten sich, bis sie fast schwarz wurden. „Wenn du mir noch einmal drohst, wirst du in der Gruft landen.“

„Entweder du suchst dir jemand anderen, mit dem du dich verbünden kannst, oder du bist auf dich allein gestellt. Dare, Quinn und ich werden uns von diesem Clan lossagen. Du glaubst vielleicht, dass du die O’Tooles hier in Belfast brauchst, aber wir werden ja sehen, wie gut du einen zerbrochenen Clan führen kannst.“

Seine Drohung schien meinen Vater beeindruckt zu haben, denn meine „Verlobungsfeier“ war kurzerhand abgesagt worden. Meine Brüder waren scheinbar zufrieden mit dem Gesinnungswandel unseres Vaters, aber ich hatte gewusst, dass ich dem Frieden nicht trauen konnte. Mir war klar, dass er mich heimlich mit Oisin verheiraten würde, sobald Callum, Dare und Quinn wieder in Boston waren.

Aber das würde ich nicht zulassen, solange ich atmete.

Ich würde auch nicht einfach weglaufen.

Stattdessen würde ich aufhören zu existieren.

Maeve Kavanaugh würde von der Bildfläche verschwinden, und ich würde mit einer neuen Identität wiedergeboren werden.

Diese Wiedergeburt bedeutete den Tod – den Tod meines bisherigen Lebens.

Als einzige Tochter eines irischen Clanchefs wurde ich von meiner Mutter und meinen Brüdern stets verhätschelt. Wenn mir jemand Kummer bereitete, konnte ich mich darauf verlassen, dass meine Brüder sich seiner annahmen. Aus diesem Grund war es für mich schwer vorstellbar, ohne sie in der Welt zurechtzukommen.

Neben meinen Brüdern war mir auch die Liebe und Unterstützung der wunderbarsten Mutter gewiss, die man sich nur wünschen konnte. Sie hatte mich gepflegt, wenn ich krank war, mich in den Schlaf gesungen und jeden Geburtstag und jeden Feiertag zu etwas Besonderem gemacht. Sie war nicht nur meine Mutter, sondern auch meine beste Freundin.

Insgeheim sagte ich mir, dass mein Verschwinden nicht für immer sein würde. Ich würde untertauchen, bis mein Vater starb. Obwohl er erst Mitte sechzig war, wurde er aufgrund seiner Position als Clanführer täglich mit seiner Sterblichkeit konfrontiert. Ständig war er in Konflikte mit den Italienern, der Bratva, der Triade und manchmal auch mit anderen irischen Familien verwickelt.

Trotz alledem lauerte die größte Gefahr für ihn in seinem Haus, denn sie ging von seinen eigenen Söhnen aus.

Am Tag meiner „Verlobungsfeier“ hatte Callum meinem Vater nicht zum ersten Mal gedroht, ihn umzubringen, wenn er Hand an mich legte. Nicht nur Callum, sondern alle meine Brüder hätten alles getan, um mich zu beschützen, sogar ihr Leben hätten sie für mich geopfert. Jedes Mal, wenn mein Vater mich schlagen wollte, stellten sie sich schützend vor mich. Im Laufe der Jahre hatten sie sich daran gewöhnt, die Hauptlast der psychopathischen, gewalttätigen Ausbrüche meines Vaters zu tragen.

Insgeheim wusste ich, dass sie meinen Vater beseitigen würden, damit ich zu meiner Familie zurückkehren konnte.

Schaudernd ließ ich den Blick durch die düstere Gruft schweifen. Ich weiß auch nicht, warum ich mich von Kellan hatte überreden lassen, mich vor meiner Flucht in der Kavanaugh-Gruft zu verstecken. Umgeben von den Särgen meiner Vorfahren konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie mich für meine bevorstehende Tat verurteilten. Indem ich mich dem Willen meines Vaters widersetzte, stellte ich mich gegen meine Familie – und in der Welt der irischen Clans war die Familie das höchste Gut.

Als ich ein Geräusch hinter mir hörte, wirbelte ich herum. „W-wer ist da?“

Ein leises Lachen hallte von den Wänden der Gruft wider. „Ich bin es nur, Schwesterherz.“

Ein erleichterter Seufzer entfuhr mir, als mein jüngster Bruder Eamon ins trübe Licht der Fackeln trat. Er hatte ein für ihn typisches Grinsen im Gesicht, mit dem er Dare zum Verwechseln ähnlichsah. Alle meine Brüder hatten das dunkle Haar und die blauen Augen meines Vaters, außer Kellan. Sein Haar war rotbraun wie das unserer Mutter, aber von blonden Strähnen durchzogen. So wie die beiden hatte auch ich grünlich-golden schimmernde Augen.

Eamon zog eine Reisetasche von seiner Schulter und reichte sie mir. Ich betrachtete die Tasche und begegnete dann seinem Blick. „Ist das alles?“

Er nickte. „Reisepass, Kreditkarten und Bargeld.“

Ich öffnete die Tasche und holte den Reisepass heraus. Im Halbdunkel starrte ich auf das Foto von mir, neben dem mein neuer Name prangte. Ich verdrehte die Augen. „Marcella Donnelli?“

„Was ist so schlimm daran?“

Ich deutete auf meine gefärbten Haare und antwortete: „Sobald die Farbe sich auswäscht, wird mir niemand glauben, dass ich Italienerin bin.“

„In Italien gibt es auch rothaarige Menschen.“

„Nicht so wie hier“, entgegnete ich.

Bevor Eamon etwas erwidern konnte, trat Kellan ins Licht. Von den beiden war er normalerweise der Vernünftigere. „Du bist Marcella Donnelli. Deine Familie stammt aus Bellagio in Norditalien, wo rote Haare keine Seltenheit sind.“ Er deutete auf mein Gesicht und fügte hinzu: „Dein heller Teint lässt sich außerdem damit erklären, dass du aus Norditalien stammst und dein Vater eine Schweizerin geheiratet hat.“

Überrascht zog ich die Augenbrauen in die Höhe. „Du hast eine Hintergrundgeschichte für mich geschaffen?“

„Nur den Anfang.“ Er zwinkerte mir zu. „Der Rest liegt bei dir, Bella.“

„Mein Italienisch ist miserabel“, protestierte ich.

„Deshalb habe ich dir eine Schweizer Mutter gegeben. Bei ihr musstest du nicht so häufig deine Fremdsprachen üben.“

„Du hast wirklich an alles gedacht“, murmelte ich.

Er schenkte mir ein knappes Lächeln. „Wenn man bedenkt, wer unsere Feinde sind, ist Italien der letzte Ort, an dem sie nach dir suchen werden.“

„Das sollte mich wohl beruhigen.“

„Keiner unserer Feinde sucht nach Marcella Donnelli.“

„Gutes Argument.“ Bei dem Gedanken, mein Heimatland verlassen zu müssen, warf ich einen Blick auf den Pass in meiner Hand. Ich hielt ihn hoch und fragte Eamon: „Und du bist sicher, dass er echt ist?“

Eamon verdrehte die Augen. „Nur weil ich fünfzehn bin, bedeutet das nicht, dass ich nicht imstande bin, erstklassige gefälschte Dokumente zu liefern.“ Er deutete mit dem Kinn auf die Tasche und fügte hinzu: „Ich mache das schon seit meinem zwölften Lebensjahr.“

Ich streckte die Hand aus und wollte ihm das Haar zerzausen. „Es tut mir leid, dass ich an deiner Kompetenz gezweifelt habe.“

Er wich zurück. „Ich werde ein Auge zudrücken. Aber nur dieses eine Mal.“

Kellan räusperte sich. „Unten entlang der Straße wartet ein Mietwagen auf dich. Damit kommst du zum Bahnhof. Dads Männer werden ihre Suche auf die Flughäfen konzentrieren.“

Ich nickte, als hörte ich unseren Plan soeben zum ersten Mal. Seit der Nacht meiner Verlobungsfeier hatten wir fieberhaft an meiner Flucht gearbeitet. Kellan und Eamon waren sogar so weit gegangen, ein Postfach in New York einzurichten, damit ich mit ihnen kommunizieren konnte, falls unsere Wegwerfhandys abgehört wurden.

Kellan warf einen Blick auf seine Uhr und zuckte zusammen. „Es ist Zeit.“

Oh Gott. Der Moment war gekommen. Es war eine Sache, herumzusitzen und meine Flucht zu planen. Es war etwas ganz anderes, den Plan in die Tat umzusetzen. „Werdet ihr es Callum, Dare und Quinn erklären?“

Eamon nickte, während Kellan antwortete: „Sie werden es verstehen.“

Mein Kinn begann zu beben. „Ich fühle mich, als würde ich sie verraten.“

Kellan schüttelte den Kopf. „Vertrau mir. Sie würden dasselbe tun, um dich aus Oisins Klauen zu befreien.“

Ich betrachtete meine beiden Brüder, die seit Kindertagen meine engsten Freunde waren, und mir entrang sich ein Schluchzen. „Ich werde euch so sehr vermissen.“

Tränen glitzerten in Eamons Augen, in denen sonst ein so gleichmütiger Ausdruck lag. „Wir werden dich auch vermissen.“

Kellan kämpfte sichtlich darum, seine Emotionen zu unterdrücken. „Es ist nicht für immer. Dafür werden unsere Brüder sorgen.“

Ich wollte ihm glauben. Mein Herz vertraute darauf. Aber mein Verstand sagte mir etwas anderes. Als ich endlich meine Stimme wiederfand, krächzte ich: „Passt auf Mam auf.“

„Das werden wir“, antwortete Eamon.

Kellan warf erneut einen Blick auf seine Uhr. „Noch eine Umarmung, dann musst du los.“

Endlich verlieh ich der Befürchtung Ausdruck, die mich seit vierzehn Tagen quälte. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, schluchzte ich.

Kellan legte seine Hände auf meine tränenüberströmten Wangen und sah mir durchdringend in die Augen. „Du bist stärker, als du denkst.“

„Ich musste mich noch nie um mich selbst kümmern.“

„Dann wirst du es lernen.“

Eamon zwinkerte mir zu. „Oder du nimmst das Geld von dem Offshore-Konto und stellst eine Haushälterin ein.“

Schluchzend blickte ich zwischen den beiden hin und her und versuchte, aus ihrer Stärke Kraft zu schöpfen. Ich dachte an Mam und den Widerstand, den sie über die Jahre geleistet hatte.

Als könne er meine innere Zerrissenheit hören, sagte Kellan: „Ich glaube an dich.“

„Ich auch“, bestätigte Eamon.

Ich nickte nachdrücklich. Jetzt musste ich an mich selbst glauben. „Also schön. Keine Tränen mehr. Es wird Zeit, dass ich mir ein paar Eier wachsen lasse.“

Eamon rümpfte die Nase und stöhnte. „Ach herrje, das will ich mir lieber nicht vorstellen.“

Kellan und ich lachten, und er schüttelte den Kopf. „Komm schon. Umarme uns noch einmal, dann musst du dich auf den Weg machen.“

In dem Moment, in dem ich einen Schritt auf ihn zutrat, wurde die Tür zur Gruft aufgestoßen. Sie schlug gegen die Marmorwand und zerbrach die bunten Glasfenster, woraufhin die Scherben sich über den Boden verteilten. Mein Herz setzte einen Schlag aus, und vor Angst gefror mir das Blut in den Adern. Mir war sofort klar, wer gekommen war.

Lieber wäre ich dem Teufel persönlich gegenübergetreten als diesem Mann, der jetzt ins Fackellicht trat.

Kellan schob mich hinter sich, während er und Eamon nach ihren Pistolen griffen. Mein Vater blaffte: „Lasst die Waffen fallen, Jungs.“

„Auf keinen Fall!“, fauchte Eamon.

Dad kniff die Augen zusammen. „Du und dein vorlautes Mundwerk.“

„Lass sie einfach gehen, dann wird niemand verletzt“, erklärte Kellan.

Ein grausames Grinsen huschte über die Lippen meines Vaters. „Ihr alle werdet nur lebend hier rauskommen, wenn sie bereit ist, Oisins Ring zu tragen. Und zwar hier und jetzt.“

Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um. Obwohl Kellan und Eamon ihre Waffen auf meinen Vater gerichtet hielten, schlenderte er völlig unbekümmert noch tiefer in die Gruft. Drei seiner Handlanger tauchten hinter ihm auf und blieben stehen, um auf seine Anweisungen zu warten.

Als er vor mir zum Stehen kam, zitterte ich so sehr, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Wortlos riss er mir die Tasche aus den Händen und starrte mich durchdringend an, während er den Reißverschluss aufzog.

Dann fiel sein Blick auf den Inhalt. „Sieht ganz so aus, als wollte jemand sich aus dem Staub machen.“

„Du hast ihr keine Wahl gelassen, nachdem du sie an diesen Dreckskerl verkauft hast“, entgegnete Eamon.

Dad ignorierte ihn und fragte: „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Maeve?“

Auch wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihm nicht antworten können, denn meine Stimme versagte. Ich konnte nichts weiter tun, als meinen Vater hilflos anzustarren.

„Du wirst es nie lernen, oder?“, schnaubte Dad höhnisch. „Niemand hintergeht mich. Vor allem nicht meine eigenen verdammten Kinder.“

Bei dem Gedanken, dass Kellan und Eamon meinetwegen bestraft werden würden, schüttelte ich heftig den Kopf. „Tu ihnen nichts. Es war alles meine Idee. Ich habe sie dazu gebracht, mir zu helfen.“

„Wenn das die Wahrheit wäre, dann wäre ihr Verrat noch schlimmer. Allein der Gedanke, dass meine Söhne ihren Vater wegen der Laune einer Frau hintergangen haben.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, sie werden dafür bezahlen.“

Mit einem höhnischen Grinsen entgegnete Eamon: „Du scheinst zu vergessen, dass wir bewaffnet sind.“

Ein finsteres Lachen drang aus der Kehle meines Vaters. „Meine Männer würden euch ausschalten.“

Sowohl zu meiner Überraschung als auch zu meinem Entsetzen antwortete Kellan: „Es wäre das Opfer wert, wenn wir dich dafür vom Angesicht dieser Erde tilgen könnten.“

Für einen Moment schien Dad von Kellans Entschlossenheit beeindruckt zu sein. Aber die Illusion, die Oberhand zu haben, war nur von kurzer Dauer. Dad zog sein Handy aus der Tasche seines Jacketts, führte es an sein Ohr und sagte: „Wie ich vermutet habe, brauchen meine Kinder ein wenig Motivation. Seid ihr in Position?“

Dann nickte er und blickte zu uns auf. „Zwei meiner Männer haben ihre Waffen auf eure Mutter gerichtet. Wenn ihr euch weiterhin widersetzt, werde ich ihnen den Befehl geben, sie zu töten.“

Als Kellan gequält nach Luft schnappte, entfuhr Eamon ein Knurren. „Du Scheißkerl!“, schrie er. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass unsere liebevolle Mutter meinetwegen ihr Leben verlieren könnte. Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, würde ich durch die Hölle gehen und Oisin heiraten.

Kapitulierend hob ich die Hände und befahl mit zittriger Stimme: „Legt die Waffen nieder.“

Das mussten meine Brüder sich nicht zweimal sagen lassen. „Es tut mir so leid, Mae“, flüsterte Kellan, als er die Waffe vor Dads Füße warf.

Ich schüttelte den Kopf. „Du hast dir nichts vorzuwerfen. Wir haben keine andere Wahl.“

Eamon war so wütend, dass er seine Waffe gegen Dad schleuderte und ihn am Schienbein traf. Das Gesicht meines Vaters färbte sich purpurrot. Er stürmte auf Eamon zu, packte ihn am Hals und drückte ihn gegen die Wand der Gruft. „Das wirst du mir büßen, Junge. Verlass dich darauf.“

Eamon rang nach Luft, und ich zerrte am Arm meines Vaters. „Bitte, Dad. Zwing mich nicht, Oisin zu heiraten. Ich schwöre bei meinem Leben und bei allen Heiligen, dass ich gehorsam sein werde, wenn du eine andere Verbindung für mich findest.“

Ich überlegte verzweifelt, wie ich ihn besänftigen könnte. „Ich werde mein Studium abbrechen und auf all deinen Partys Klavier spielen. Nur zwing mich bitte nicht, ihn zu heiraten.“

Dad lockerte seinen Griff um Eamons Hals und beantwortete mein Flehen, indem er mir eine schallende Ohrfeige verpasste. Ich wimmerte, und Kellan trat einen Schritt vor, während Eamon auf uns zu taumelte. Zu meinem Entsetzen zog mein Vater seine Waffe aus seinem Jackett und richtete sie auf meine Brüder.

„Ich habe es euch wiederholt erklärt. Wir brauchen die Unterstützung der Familie O’Toole hier in Belfast. Und um diese Unterstützung zu bekommen, gebe ich Oisin das, was er sich mehr als alles andere auf der Welt wünscht.“ Er richtete die Waffe auf mich. „Eine Ehe mit dir.“

Bei seinen Worten gaben meine Knie nach, und ich sank zu Boden. Ein heftiges Schluchzen entrang sich meiner Kehle, sodass ich kaum noch atmen konnte.

„Trockne deine Tränen, du undankbare Schlampe. Du wirst eine der reichsten Frauen Irlands sein. Deine Söhne werden den zweitmächtigsten Clan des Landes anführen.“

Bei dem Gedanken, Oisins Söhne zu gebären, drehte sich mir der Magen um, und ich übergab mich auf den Boden der Gruft. Immer wieder würgte ich, während die schwere Last, die Dad mir auferlegte, mich zu erdrücken drohte.

Mein Vater richtete weiter seine Waffe auf mich und griff mit der anderen Hand nach dem Taschentuch in seiner Brusttasche. Er warf es mir zu. „Wisch dir den Mund ab. Du solltest für deinen zukünftigen Ehemann präsentabel sein.“

Vor Entsetzen riss ich die Augen auf. Oisin war hier? Wollte Vater mich noch an diesem Abend mit ihm vermählen?

Wie aufs Stichwort stürmte Oisin durch die Tür der Gruft. Als er mich erblickte, huschte ein grausames Grinsen über seine Lippen. „Hallo, meine brídeach.“

Als ich hörte, wie er mich seine Braut nannte, schoss mir erneut die Galle in die Kehle, und ich begann zu würgen. Bevor ich wieder zu Atem kommen konnte, packte mein Vater mich am Arm und riss mich auf die Beine. Ich stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus.

Dad packte mich an den Schultern und drehte mich um, sodass ich ihm gegenüberstand. „Ich habe genug von deiner Respektlosigkeit, Maeve. Nachdem ich durchschaut hatte, was du und deine Brüder geplant hatten, sind mir einige Möglichkeiten durch den Kopf gegangen, wie ich dich für deine Unverschämtheit bestrafen und dir Gehorsamkeit einbläuen kann.“

Ein sadistischer Ausdruck huschte über sein Gesicht, und ich schauderte bei dem Gedanken an die Folter, die mir bevorstand. „Aber dann wurde mir klar, dass du Oisins zukünftige Frau bist und die Bestrafung ihm überlassen bleiben sollte.“

Das durfte nicht wahr sein. Ich sah Oisin an, der mich mit einem teuflischen Grinsen bedachte. „Ich habe lange und intensiv darüber nachgedacht, wie ich beweisen könnte, dass du mir gehörst. Zuerst wollte ich dich verprügeln und brandmarken, doch dann fiel mir die perfekte Strafe ein.“ Oisin nickte Dad zu und sagte: „Überraschenderweise hat dein Vater zugestimmt.“

„Um zu beweisen, dass du Oisin gehörst, wird er dich zu seiner Frau machen. Hier und jetzt“, erklärte Dad.

Ich starrte meinen Vater verwirrt an. Da kein Priester anwesend war, verstand ich nicht, was er meinte. Er hatte mich bereits gezwungen, einen Ehevertrag zu unterschreiben. Das Einzige, was mich davon abhielt, rechtmäßig Oisins Frau zu sein, war eine Zeremonie.

Oisin betrachtete mich mit einem lüsternen Blick und trat einen Schritt auf mich zu. „Ich hätte mir unsere erste Nacht sicherlich nicht in einer Gruft vorgestellt, schon gar nicht mit Publikum, aber ich bin sicher, dass ich mich der Situation gewachsen zeigen werde“, sinnierte er mit einem leisen Lachen.

Als ich mir der Bedeutung seiner Worte bewusst wurde, packte mich eine noch nie dagewesene Angst. „Das kannst du nicht ernst meinen“, brachte ich hervor.

„Eine Ehe ist erst dann rechtsgültig, wenn sie vollzogen wurde. In diesem Fall besagt das Gesetz des Clans, dass ich deinen Körper besitze. Du gehörst mir.“

Als Kellan mich erneut hinter sich zog, zeigte Eamon mit dem Finger auf Oisin. „Wenn du glaubst, wir werden zulassen, dass du Maeve auch nur ein Haar krümmst, hast du den Verstand verloren.“

Grinsend richtete Oisin seine Waffe auf Eamon. „Du wirst hier stehen und deine verdammte Klappe halten, oder ich blase dir das Gehirn aus dem Schädel und verteile es über deiner Schwester. So oder so, ich werde sie ficken.“

„Sie werden nicht einfach dastehen“, warf Dad ein, und ein bedrohlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht.

„Verdammt richtig, das werden wir nicht tun“, entgegnete Kellan herausfordernd.

Dad spannte den Abzug seiner Pistole. „Als Teil eurer Strafe dafür, dass ihr Maeve geholfen habt, werdet ihr sie für Oisin festhalten.“

Die Farbe wich aus Kellans Gesicht, während Eamon vor Wut blaffte: „Nur über meine Leiche!“

„Ich habe noch weitere Söhne“, bemerkte Dad gelassen. Die tiefere Bedeutung seiner Worte ließ mich erschaudern. In dem Moment, in dem er den Abzug betätigte, stürzte ich mich auf ihn und brachte ihn aus dem Gleichgewicht, sodass die Kugel Eamon nur knapp verfehlte und eine Vase mit Lilien zerschmetterte.

Für meine Tat erntete ich eine weitere schallende Ohrfeige. Ich bedachte Eamon und Kellan mit einem flehenden Blick. Obwohl ich wollte, dass sie mich vor der bevorstehenden Tortur retteten, stand zu viel auf dem Spiel. „Tut einfach, was er verlangt.“

Kellan schüttelte energisch den Kopf. „Wir würden dich niemals verraten.“

„Denkt an Mam. Sie darf euch nicht verlieren.“ Wenn Kellan und Eamon ihr Leben ließen, wäre Mam völlig am Boden zerstört. Solange ich atmete, würde ich das nicht zulassen. Ich wischte mir die Tränen von der Wange und flehte: „Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihr getötet werden würdet.“

In diesem Moment hatte ich noch nicht ahnen können, wie sehr meine Bitte sie später emotional quälen würde. Nur die Zeit konnte zeigen, wie sehr sie darunter leiden würden, gezwungenermaßen an der Schändung ihrer Schwester beteiligt gewesen zu sein. Ich wusste nur, dass ich nicht in einer Welt leben könnte, in der ich zu ihrem Tod beigetragen hätte.

Ein gequälter, reuevoller Ausdruck trat in ihre Gesichter, bevor sie schließlich nickten. Niedergeschlagen ließen sie die Fäuste sinken und die Arme schlaff an ihren Seiten hängen.

Oisin kam auf mich zu und packte mein Kinn mit einer Hand. „Von diesem Augenblick an gehörst du mir, Maeve. Du bist meine Frau, auch wenn du noch nicht meinen Namen angenommen hast. Aber keine Sorge, wir werden noch heute heiraten.“

Bevor ich protestieren konnte, presste er seine Lippen auf meine. Ekel durchfuhr mich, und ich kämpfte erneut gegen die Übelkeit an. Zumindest konnte ich mich damit trösten, dass dies nicht mein erster Kuss war. Diesen hatte ich dem Sohn eines Clanmitglieds meines Vaters an meinem achtzehnten Geburtstag gegeben. Er war sanft und zärtlich gewesen – alles, was sich eine junge Frau wünschen konnte.

Oisin zog den Kopf zurück und fixierte mich mit einem lüsternen Blick. „Dein Geschmack macht mich rasend.“

Ich wandte das Gesicht ab, damit ich ihn nicht ansehen musste. Dann spürte ich, wie er meine Taille packte, und schrie auf. Er hob mich hoch und setzte mich auf den breiten Marmorsarkophag meines Urgroßvaters, der den Kavanaugh-Clan gegründet hatte.

Als ich versuchte, von ihm wegzurutschen, schüttelte er grinsend den Kopf. „Je mehr du dich wehrst, desto härter wird mein Schwanz.“

Seine Worte ließen mich mitten in meiner Bewegung erstarren. Auf keinen Fall wollte ich ihm Lust bereiten. Er leckte sich die Lippen, packte meine Schienbeine und zog mich zurück an den Rand des Sarkophags. „Schon seit Jahren hole ich mir bei dem Gedanken an deine Muschi einen runter.“ Er streckte die Zunge heraus und leckte über meine Wange. „Jetzt werde ich herausfinden, ob die Realität so gut ist wie meine Fantasie.“

Mir kamen die Tränen, als ich seine derben Worte hörte. Ich hatte mir immer ausgemalt, wie mir ein Mann beim ersten Mal liebevolle Zärtlichkeiten ins Ohr flüsterte. Vielleicht sogar sinnliche Worte, die mich vor Verlangen entflammen ließen.

Aber jetzt fühlte ich mich wie Alice, die hinter die Spiegel trat.

Oisin schob den Saum meines Rocks über meine Taille. Er packte meine Oberschenkel mit festem Griff, sodass ich vor Schmerz zusammenzuckte. Mein Schluchzen wurde lauter, als er mir das Höschen vom Leib riss. Ich wartete darauf, dass meine älteren Brüder hereinstürmten und diesem Albtraum ein Ende bereiteten.

Aber sie kamen nicht.

Oisin presste eine Hand an meinen Brustkorb und drückte mich mit dem Rücken auf den kühlen Marmor. Als er anfing, seine Hose aufzuknöpfen, drehte ich den Kopf und sah, wie Vater Eamon an meine rechte Seite drängte, während Kellan links von mir stand. Sie hatten das Kinn an die Brust gelegt und den Blick zu Boden gesenkt.

Ich streckte die Arme zu beiden Seiten des Sarkophags aus und tastete verzweifelt nach ihnen. Sie ergriffen meine Hände, und ich klammerte mich an sie wie an einen Rettungsring in stürmischer See. Als ich Oisins harte Eichel an meiner Öffnung spürte, kniff ich die Augen zusammen und festigte den Griff um Kellans und Eamons Finger.

Dann drang Oisin mit Wucht in mich ein. Ich riss den Mund auf, um zu schreien, doch ich brachte keinen Ton heraus. Es war, als hätte mir jemand die Luft aus den Lungen gepresst. Als ich endlich wieder Atem schöpfte, registrierte mein Verstand den Schmerz zwischen meinen Schenkeln.

Das Ziehen.

Das Reißen.

Das Brennen.

Dem physischen Trauma konnte ich nicht entkommen. In meiner ohnehin angeschlagenen Psyche entstand ein Riss. Mit jedem gewaltsamen Stoß von Oisin wurde dieser größer. Um mich selbst zu schützen, warf mein Verstand die weiße Flagge der Kapitulation und floh aus der qualvollen Gegenwart in eine kostbare Erinnerung aus meiner Kindheit.

Als ich die Augen öffnete, starrte ich an Oisin vorbei auf die Wellen, die hinter ihm ans Ufer brandeten. Kellan und ich hielten Eamon jeweils an einem Arm und schwangen seinen kleinen Körper zwischen uns vor und zurück. Seine fröhlichen Rufe und unser Lachen überlagerten das Grunzen von Oisin an meinem Ohr.

Die salzigen Tränen, die von Kellans Wangen auf meine tropften, wurden zu der erfrischenden Gischt der Wellen. Wir warfen Eamon spielerisch ins seichte Wasser. Da er erst drei Jahre alt war, wagten wir uns nicht weiter ins Meer hinaus.

Als er wieder auftauchte, kicherte er und prustete Wasser. Dann spritzte er uns beide nass. Kellan und ich lachten und spritzten zurück. „Tauch sie unter, K!“, kreischte Eamon.

Mit einem verschmitzten Grinsen versuchte Kellan, mich weiter ins Wasser zu ziehen. Normalerweise liebte ich es, in die salzigen Tiefen zu tauchen. Dann ließ ich mich treiben und vergaß alles um mich herum, während ich entspannt in den kornblumenblauen Himmel starrte.

Aber heute packte mich die Angst. Ich wollte nicht untergehen. Es fühlte sich an, als würde ich in ein nasses Grab sinken. Ich stieß ihn von mir und kämpfte mich zurück ans sichere Ufer.

Ich kam jedoch nur wenige Schritte weit, bevor ein brennender Schmerz zwischen meinen Schenkeln aufflammte. Er war so stark, dass ich mich krümmte. Als meine Sicht sich klärte, sah ich das Blut, das an meinen Beinen hinunterrann und schrie auf. Mit zitternden Fingern fuhr ich über die feuchte Haut entlang der Innenseite meiner Oberschenkel. Ich starrte auf meine Finger und bemerkte neben dem Blut noch etwas anderes.

Dann war jemand neben mir im Wasser und zog mich in seine Arme. Zuerst erkannte ich nicht, dass es Kellan war. Seine Stimme klang viel tiefer und er sah viel älter aus als zu dem Zeitpunkt, an dem wir ins Wasser gesprungen waren. „Alles wird gut, Maeve“, sagte er schluchzend, während seine Brust sich heftig hob und senkte.

„Es tut weh“, schluchzte ich, während wir durch das Wasser wateten.

„Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid“, flüsterte er mir ins Ohr.

Eamon kam zu uns. Auch er war kein kleiner Junge mehr. Als ich seine tiefe Stimme hörte, zuckte ich erschrocken in Kellans Armen zusammen. „Wir bringen das in Ordnung. Ich schwöre bei Gott, wir bringen das in Ordnung.“

Als wir das Ufer erreichten, hatte eine pechschwarze Dunkelheit den hellen Tag ausgelöscht. Aus den Schatten tauchten Callum, Quinn und Dare neben uns auf. Wütende Rufe hallten durch die Luft. Mams verzweifelte Schreie. Ihre Hände an meinem Gesicht. Ihre Tränen an meinen Wangen.

Mit einem lauten Knall überrollten mich die Wellen und ich versank.

Kapitel 1

Raphael

Gegenwart

„Das ist die reinste Folter“, stöhnte ich in das Ohr der langbeinigen Blondine, die ihren prallen Hintern an meinen Lenden kreisen ließ.

Seit zehn Minuten rieb sie in ihren aufreizenden roten Louboutins und einem Fetzen von einem Kleid im Gästebereich meines Klubs Inferno ihren Körper an mir. Die Luft war aufgeheizt von der sexuellen Spannung und der Menschenmenge im Raum, sodass mir der Schweiß in Strömen über den Rücken lief und mein schwarzes Hemd an meiner Haut klebte. Mein Schwanz drückte gegen meine Boxershorts und verlangte nach mehr als nur Reibung.

Blondie warf mir einen erotischen Blick über die Schulter zu, der meinen Penis noch mehr schmerzen ließ. „Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Nein, lamiapiccolatenatrice“, schnurrte ich ihr ins Ohr.

Sie stöhnte und rieb ihren Hintern noch fester an meinem Schritt. Dann beugte sie sich vor, und ich konnte die sengende Hitze ihres Unterleibs in meiner Hose spüren. Als sie sich wieder aufrichtete, wandte sie mir ihr Gesicht zu. „Du weißt gar nicht, wie sehr es mich antörnt, wenn du Italienisch sprichst.“

„Voglioscoparticonforza,vogliofartivenire.“

„Was bedeutet das?“

„Zuerst habe ich dich meine kleine Verführerin genannt.“

Sie verzog ihre rubinroten Lippen zu einem katzenhaften Lächeln. „Bin ich denn verführerisch?“

„Du könntest einen Toten verführen.“

Sie lachte. „Und was hast du noch gesagt?“

„Ich will dich hart ficken und dich zum Höhepunkt bringen.“

Ihre Belustigung verebbte und wich einem Ausdruck heiß glühender Lust. „Versprichst du mir, mich hart zu ficken und zum Höhepunkt zu bringen?“

„Ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht.“

„Dann lass uns von hier verschwinden.“

„Ich dachte schon, du würdest nie fragen.“

Statt den Klub durch den Haupteingang zu verlassen, ergriff ich ihre Hand und führte sie durch den Flur im Personalbereich. Ich musste ihr zugutehalten, dass sie nicht die Ahnungslose spielte. Viele meiner Eroberungen warfen sich mir an den Hals, weil sie von meiner Macht und meinem Reichtum wussten, nur um dann überrascht zu tun, wenn sie von meinem Penthouse oder meiner Teilhaberschaft am Klub erfuhren.

Das Gebäude war bereits seit fast hundert Jahren im Besitz der Familie Neretti. Ursprünglich war während der Prohibition eine Flüsterkneipe darin untergebracht gewesen. Nachdem Alkohol wieder legalisiert worden war, hatte mein Urgroßvater Adriano daraus einen Jazzklub gemacht.

Im Laufe der Jahrzehnte hatte es sich verändert und war mehrfach umgestaltet worden. Unter meiner Leitung wurde es in Inferno umbenannt und war heute eines der dekadentesten Etablissements in New York. Wie in anderen Klubs befanden sich im Erdgeschoss die Bar und die Tanzfläche. In Anlehnung an die verschiedenen Ebenen in DantesInferno sorgten ein Stockwerk tiefer Stripperinnen und Stripper für Unterhaltung.

Im Kellerbereich mit dem Namen Lust erwartete die Besucherinnen und Besucher ein wahrhaft hedonistisches Erlebnis voller Voyeurismus, BDSM und anderen ausgefallenen Spielarten. Es entsprach zwar weniger meiner eigenen sexuellen Neigung, aber ich bot damit etwas, woran andere Klubs sich nicht heranwagten. Sowohl der Name als auch die Stellung meiner Familie sorgten dafür, dass die Polizei und die Stadtverwaltung ein Auge zudrückten.

Wir gingen den Flur entlang, an dessen Ende ein Türsteher die Hintertür aufstieß. Als wir in die Gasse hinaustraten, wartete bereits ein Geländewagen auf uns, neben dem mein Leibwächter Milos bereitstand. „Beeindruckend“, sagte die Blondine.

Ich nickte Milos zu, woraufhin dieser die hintere Wagentür öffnete. Kaum waren wir eingestiegen, verriegelte er die Tür. Die Blondine fuhr mit den Fingerspitzen über die doppelt verglaste Scheibe und fragte: „Ist das so ein Wagen der Regierung?“

Milos trat aufs Gas und lenkte den Wagen aus der Gasse. „Ich bin Klubbesitzer und Geschäftsmann. Wie könnte ich obendrein für die Regierung arbeiten?“, entgegnete ich.

Sie grinste. „Du hast so eine Aura an dir, die mich an einen Spion erinnert.“

„Men in Black, was?“, fragte ich lachend. Dann packte ich sie am Nacken, zog sie zu mir und presste meine Lippen auf ihre. Für einige Minuten lenkte ich sie so von den Fragen ab, die sie mir vielleicht noch über meine wahre Identität stellen könnte.

Als ich schließlich den Kopf zurückzog, keuchten wir beide heftig. „Wie war noch mal dein Name, bella?“

„Alyssa“, hauchte sie.

„Hm, bist du Griechin?“

Sie riss ihre blauen Augen auf. „Woher weißt du das?“

„Wegen deines Namens.“

Sie schenkte mir ein träges Grinsen. „Ist dein Schwanz genauso groß wie dein Verstand?“

Mit einem Lachen antwortete ich: „Möglicherweise. Meine Kenntnis rührt eher daher, dass ich aus Sizilien stamme, das stark von einem griechischen Einfluss geprägt ist.“

„Aus Sizilien?“ Sie blinzelte mich an. „Oh, dann sind die Gerüchte also wahr?“

Statt ihre Frage zu beantworten, lenkte ich sie ab, indem ich ihre Brust durch ihr Kleid umfasste. Ich musste sie nur kurz drücken, und schon konzentrierte sie sich wieder auf unser lustvolles Spiel, statt über meine mögliche Verbindung zur Unterwelt zu spekulieren.

Ich wollte mich wahrlich nicht mit ihren Fragen herumschlagen, mit denen ich leider immer wieder konfrontiert wurde, wenn ich mich mit Außenstehenden vergnügte. Frauen innerhalb der Famiglia wurden von klein auf dazu erzogen, keine Fragen zu geschäftlichen Angelegenheiten zu stellen.

Als der Geländewagen zum Stehen kam, löste Alyssa sich von mir und beäugte das Haus, in dem ich wohnte. „Wo sind wir?“

„Vor meinem Penthouse.“

Überrascht zog sie die Augenbrauen in die Höhe. „Du hast mich zu dir nach Hause gebracht?“

„Hast du etwas dagegen?“

„Nein. Da ich zwei Mitbewohner habe, wären wir bei mir nicht ungestört.“

„Gesellschaft könnte Spaß machen.“

„Du bist wohl ein ungezogener Junge, nicht wahr?“

„Hin und wieder schon.“

„Ich kann es kaum erwarten.“

In diesem Moment öffnete Milos die Tür. Ich kletterte aus dem Wagen und half Alyssa beim Aussteigen. Dann ergriff ich ihre Hand und führte sie in die Eingangshalle des Wohngebäudes. Auf dem Weg zu den Aufzügen machte sie große Augen, doch wenig später richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich.

Oder besser gesagt, auf meinen Schwanz.

Kaum hatte ich meine Schlüsselkarte durch das Lesegerät gezogen, stürzte sie sich schon auf mich. Mit einer Hand packte sie meinen Oberarm, während sie die andere an meiner Brust hinabgleiten ließ, um schließlich meinen pochenden Schwanz zu umfassen. Ich stöhnte, als sie begann, mich durch meine Hose zu massieren.

Die Aufzugtüren glitten auf, und wir stolperten eng umschlungen in den Flur hinaus. Ich hatte soeben die Lippen auf ihren Hals gepresst und leckte mit der Zunge über ihre Haut, als sich ihr lustvolles Stöhnen in ein erschrockenes Quietschen verwandelte, und ihre Hand an meinem Schwanz erstarrte. „Was ist los?“, wollte ich wissen.

„Äh, da steht ein Mann in deinem Foyer.“

Da ich an die Anwesenheit von Leibwächtern und Butlern gewöhnt war, verschwendete ich keinen weiteren Gedanken daran. Ich knabberte an ihrem Ohrläppchen und stieß mein Becken vor, um meinen Schwanz an ihrer Hand zu reiben. „Ignoriere ihn einfach. Und falls du nichts gegen Publikum einzuwenden hast, genieße es.“

„Raphael“, hallte eine erboste Stimme durch den Flur.

„Scheiße“, murmelte ich und löste mich von Alyssa. Kein anderer Mann hätte mich in diesem Moment von dieser Muschi wegreißen können.

Aber Alessio Neretti war nicht irgendwer. Er war ein skrupelloser Geschäftsmann und einer der Könige der Unterwelt.

Und er war mein Vater.

Als ich mich zu ihm umdrehte, knöpfte ich mein Jackett zu und bemühte mich, meine Erektion so gut wie möglich zu verbergen. Ich zwang mich zu einem Lächeln und fuhr mir mit der Hand durch die Haare, die Alyssa zerzaust hatte.

„Vater, welchen Umständen verdanke ich diese unerwartete Ehre?“

Mein Vater ließ seinen unterkühlten Blick von mir zu Alyssa wandern. „Schick sie weg.“

Alyssa traten fast die Augen aus dem Kopf, doch ich schnaubte nur. Es ärgerte meinen Vater, wenn ich mich mit einer Frau abgab, die für eine eheliche Allianz nicht infrage kam. Er zog es vor, wenn ich ausschließlich italienische Mädchen fickte, obwohl er nichts gegen eine Irin, Russin oder Griechin einzuwenden hatte, solange sie die richtigen Verbindungen zur Unterwelt aufwies. Besagte Frauen wurden allerdings gut von ihren Familien behütet, damit sie bis zu ihrer Hochzeit rein blieben. Und ich war lediglich an bedeutungslosem Sex interessiert.

Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ich glaube, du vergisst, wo du bist. Das ist mein Zuhause, daher wähle ich meine Gäste selbst aus.“

Vater verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. „Sonoquiperdiscuterediaffari, nonperfareunachiamatasociale.“

Scheiße. Dies war kein privater Besuch. Er war geschäftlich hier. Ich wusste, dass ich weder ihn noch die Angelegenheit warten lassen durfte, die ihn zu so später Stunde hierhergeführt hatte. Also ergriff ich Alyssas Hand und führte sie zurück zum Aufzug.

„Du schickst mich weg?“, fragte sie.

Ich führte ihre Hand an meine Lippen und schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. „Sowohl mein Schwanz als auch ich bedauern es sehr, den Abend so früh beenden zu müssen, aber wir müssen unsere Verabredung leider verschieben.“

Alyssa beäugte mich argwöhnisch. „Was könntest du nach Mitternacht noch zu erledigen haben?“

Mein Lächeln erstarb. „Das ist privat.“

An der Angst in ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie nun keine Zweifel mehr hatte und den Gerüchten Glauben schenkte, die sie über mich und meine Familie gehört hatte. Wahrscheinlich dachte sie an meinen Leibwächter, die Doppelverglasung des Geländewagens und meine schwarze Kleidung.

Sie schauderte sichtlich und war zweifellos dankbar, unser Schäferstündchen verfrüht zu beenden. Mit einem Mann wie mir wollte sie nichts zu tun haben. Sie mied meinen Blick, als sie mit zitternden Fingern immer wieder auf den Knopf in der Fahrstuhlkabine drückte, bis die Türen sich endlich schlossen.

Sobald der Aufzug wieder nach unten fuhr, wandte ich mich meinem Vater zu. „Ich hoffe, es ist wichtig.“

„Vor zehn Minuten erhielt ich einen Anruf von Tazio aus Palermo.“

Tazio war einer unserer vielen Cousins. Er überwachte unsere Geschäfte auf Sizilien und pflegte unsere Verbindungen. Als Sohn des jüngeren Bruders meines Vaters war er seit dem Tod meines Onkels das ranghöchste Mitglied der dortigen Familie.

Ich zog die Augenbrauen zusammen und fragte: „Wurde eine unserer Lieferungen angegriffen oder ist eines unserer anderen geschäftlichen Interessen gefährdet?“

Mein Vater schüttelte den Kopf. „Es geht um Caterina.“

Bei der Erwähnung meiner kleinen Schwester zog sich mein Herz zusammen. Sie war die einzige Frau auf der Welt, die ich liebte. Sofort schossen mir die unterschiedlichsten schrecklichen Szenarien durch den Kopf, und ich rang nach Luft. Vor drei Jahren war sie dem Orden der Herz-Jesu-Schwestern beigetreten – einem Missionsorden von Nonnen. Ihre Entscheidung hatte nichts mit übertriebener Frömmigkeit zu tun, sondern war der einzige Ausweg gewesen, um einer von unserem Vater arrangierten Ehe zu entgehen.

Als Kinder eines Capos waren wir in unserer Welt gefangen und konnten sie nur in einem Leichensack verlassen. Caterina hatte jedoch einen Ausweg gefunden, denn wenn mein Vater eines fürchtete, dann war es Gott. Er folterte seine Feinde bis spät in die Nacht oder vögelte eine seiner Geliebten, aber am nächsten Morgen saß er in der Kirche und wohnte der Messe bei.

„Was ist mit ihr?“, fragte ich.

„Eine Gruppe von Männern ist in das Ordenshaus eingebrochen und hat sie entführt.“

Caterinas lächelndes Gesicht blitzte vor meinen Augen auf, und ich taumelte einige Schritte zurück. Scheiße. Das durfte nicht wahr sein. „Aber ich habe doch erst heute mit ihr gesprochen, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren.“

Während des Mittagessens hatte ich meine jüngeren Brüder Leandro und Gianni in mein Büro gebeten, und wir hatten sie via FaceTime angerufen. Meine Geschwister und ich hatten kein sonderlich liebevolles Verhältnis zu unseren Eltern, aber unsere Bindung untereinander war mehr als eng. Ich würde alles für sie tun, und sie würden alles für mich tun. Sie war das Nesthäkchen und einzige Mädchen, also hatten meine Brüder und ich Caterina immer verhätschelt. Obwohl sie eigentlich eine verwöhnte Göre hätte sein müssen, hatte sie das gütigste und reinste Herz, das ich je bei einem Menschen erlebt hatte.

Für mich war es nach wie vor unfassbar, dass sie ihren einundzwanzigsten Geburtstag in einem Orden verbrachte. In wenigen Jahren würde sie ihr endgültiges Gelübde ablegen und offiziell Nonne werden. Ich sträubte mich, es zuzugeben, aber ich hoffte trotzdem, dass unser Vater bald das Zeitliche segnete, damit Caterina frei sein konnte. Solange ich atmete, würde ich meine Schwester niemals zu einer Ehe zwingen.

„Laut Tazio war es in Palermo Mitternacht, als es passierte.“

„Und er ist sich absolut sicher?“

„Ja. Nachdem die Mutter Oberin die Behörden in Palermo alarmiert hatte, riefen diese natürlich Tazio an.“

Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. „Wer würde so etwas tun? Es kann sich dabei doch nicht einfach um eine Vergeltungsmaßnahme gegen uns handeln, immerhin ist sie eine Zivilistin in einem Orden.“

„Auf eine gewisse Art ist es eine Vergeltung, aber nicht so, wie du denkst. Caterina ist eine junge Frau im heiratsfähigen Alter aus einer mächtigen Familie.“

Meine Brust verengte sich noch mehr. Caterina hatte versucht, dem Schicksal als Spielball unserer Welt zu entkommen, doch nun war ihre Flucht vergeblich gewesen. „Du glaubst, jemand hat sie entführt, um sie zu verheiraten?“

„Das ist die einzige logische Erklärung.“

„Haben wir eine Ahnung, wer es sein könnte?“

„Eine der Schwestern meinte, die Männer hätten mit einem irischen Akzent gesprochen.“

„Scheiße!“, knurrte ich und begann, im Eingangsbereich auf und ab zu gehen. Meine Wut und Verzweiflung richteten sich gegen den Blumenstrauß auf dem Tisch. Ich schnappte mir die Glasvase, schleuderte sie gegen die Wand und sah zu, wie sie zerbrach und die Scherben auf den Boden regneten.

„Stupidocazzo! Reiß dich zusammen!“, schrie mein Vater.

„Ich kann nichts dafür. Wenn ich daran denke, was sie durchmachen muss … Sie hat sicher schreckliche Angst …“ Wütend schüttelte ich den Kopf. „Ich könnte diese ganze Wohnung auseinandernehmen.“

„Was bist du nur für ein Versager von einem Capo“, murmelte Vater.

„Vaffanculo“, fauchte ich.

Die Glasscherben knirschten unter seinen Schuhen, als er auf mich zukam. Er stieß mir seinen Finger in die Brust und sagte: „Wir haben keine Zeit für verdammte Theatralik. Wir müssen einen klaren Kopf bewahren und uns überlegen, was wir als Nächstes tun sollen.“

Zwischen zusammengebissenen Zähnen presste ich hervor: „Also schön. Wie lautet dein Plan?“

„Am Flughafen wird gerade mein Jet vorbereitet. Ich fliege nach Palermo.“

Ich nickte. „Ich packe meine Sachen.“

Mein Vater schüttelte den Kopf. „Du kommst nicht mit.“

Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Warum nicht, verdammt noch mal?“

„Weil du hier gebraucht wirst.“

„Scheiß drauf. Ich will auf Sizilien nach Caterina suchen.“

„Ich bin dein Capo und du tust, was ich dir sage“, entgegnete mein Vater.

„Das ist keine geschäftliche Angelegenheit. Hier geht es um meine Schwester!“, knurrte ich.

„Alles ist ein Geschäft.“

„In allen anderen Dingen füge ich mich deinen Anweisungen, aber in diesem Punkt werde ich mich dir widersetzen.“

Mein Vater packte mich am Revers meines Jacketts. „Hör mir jetzt gut zu. Die irischen Scheißkerle, die Caterina entführt haben, haben es auf eine Allianz abgesehen. Entweder wollen sie die Macht, die mit unserem Namen verbunden ist, oder sie wollen uns schwächen. Deshalb wirst du, solange ich auf Sizilien bin, durch ein Ehebündnis für unsere Stabilität sorgen.“

Ich schnappte nach Luft. Erst heute hatte Caterina mich damit aufgezogen, dass ich mit achtundzwanzig noch Junggeselle war. In unserer Welt wurden die ältesten Söhne für gewöhnlich spätestens mit Mitte zwanzig verheiratet. Mein Vater war jedoch der Meinung, dass ein Capo erst eine gewisse Reife als Geschäftsmann erlangen musste, bevor er sich eine Frau zulegte. Deshalb hatte er mir bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr Freiheit gelassen.

Scheinbar waren die Gerüchte jedoch wahr, laut denen mein Vater nach potenziellen Bräuten für mich Ausschau hielt. „Du hast eine Frau für mich gefunden?“

Er nickte. „Eigentlich hatte ich nicht vor, das Thema schon so bald anzusprechen, weil das Mädchen bald zwanzig wird.“

Früher wurden Mädchen bereits mit achtzehn Jahren verheiratet, doch heutzutage lag das heiratsfähige Alter bei einundzwanzig. Einigen Männer gefiel der Gedanke an eine kindliche Braut, doch für mich barg das keinen Reiz. In meinem Alter wurde von mir erwartet, dass ich so schnell wie möglich für Nachkommen sorgte, doch derart junge Mädchen waren oft noch nicht bereit für die Mutterschaft. Und ich hatte wahrlich keine Lust, mir eine Frau ans Bein zu binden und ein Kind großzuziehen.

„Wer ist sie?“

„Andrea Caruso, auch Drea genannt.“

Obwohl ich Drea nicht kannte, war mir ihr Nachname sofort ein Begriff. Die Carusos waren eine einflussreiche Familie in Philadelphia, ebenso mit sizilianischen Wurzeln. Wir machten schon seit Jahren Geschäfte mit ihnen. Es war eine kluge Entscheidung, uns mit ihnen zu verbünden, denn damit würden wir zwei der größten aus Sizilien stammenden Familien an der Ostküste vereinen.

„Lass mich raten. Du willst, dass ich nach Philly fliege und einen Ehevertrag unterschreibe?“

„Ganz genau. Sobald wir diesen Entführungsquatsch geklärt haben, beginnen wir mit der Planung deiner Hochzeit im kommenden Jahr.“

Ich ballte die Hände zu Fäusten. „Caterinas Entführung ist kein Quatsch. Wenn ich erfahre, dass du nicht alles in deiner Macht Stehende tust, um sie sicher zurückzuholen, dann werde ich dir den Garaus machen, das schwöre ich bei Gott.“

Mein Vater hatte tatsächlich die Frechheit, mich anzulächeln. „Du würdest eine unsterbliche Seele mit dieser Sünde belasten?“

Ich grinste ihn an. „Du bist derjenige mit dem Glauben, nicht ich.“

Die Belustigung wich aus seinem Gesicht, und er setzte wieder seine übliche distanzierte Miene auf. „Um uns von unserer besten Seite zu zeigen, wird dich Leandro als dein Stellvertreter begleiten, zusammen mit Milos.“

„Was ist mit Gianni?“

„Er kommt mit mir nach Palermo.“

Obwohl ich es nicht zugeben wollte, hatte mein Vater recht damit, Gianni mitzunehmen. Er war ein erfahrener Hacker. Falls es eine Möglichkeit gab, Caterina mit technischen Mitteln aufzuspüren, dann war er dazu in der Lage.

Mein Vater warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich muss los. Pack deine Sachen für mindestens eine Woche.“

Alarmiert zog ich die Augenbrauen in die Höhe. „Eine Woche?“

„Ich weiß nicht, was Edoardo von dir erwartet. Vielleicht bestehen sie auf eine Party.“ Er verengte die Augen. „Was auch immer von dir verlangt wird, tu es. Das beinhaltet auch das Werben um deine zukünftige Braut. Solange du sie bei Laune hältst, ist das Bündnis gesichert.“

Ich schüttelte den Kopf und entgegnete: „Blödsinn.“

„Wie bitte?“

„Edoardo schert sich einen Dreck um Dreas Glück. Genauso wenig kümmert es dich, ob Caterina glücklich ist oder nicht. Du wusstest, was ihr widerfahren wäre, wenn sie Carmine geheiratet hätte, aber du hast dich nur für deine verdammte Allianz interessiert. Caterina war nichts weiter als eine Schachfigur in deinem Spiel.“ Ich trat dicht an ihn heran und fügte hinzu: „Nur deinetwegen und wegen deiner verdammten Entscheidungen wurde sie entführt.“

Vater presste die Zähne zusammen. „Erfülle deine Pflicht, Raphael, oder du wirst die Konsequenzen zu spüren bekommen.“

Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt, stapfte zum Aufzug und drückte auf den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen. Die Türen öffneten sich und gaben den Blick auf Leandro frei, der mit einem verschlafenen Ausdruck im Gesicht und zerzaustem Haar in der Kabine stand. Er blickte zwischen Vater und mir hin und her. „Was zum Teufel ist hier los?“

„Raphael wird dir alles erzählen“, antwortete mein Vater, bevor er sich an Leo vorbei in die Kabine drängte.

Gähnend fuhr sich Leandro mit der Hand durch sein pechschwarzes Haar und trat zu mir in den Eingangsbereich. Sobald die Türen sich hinter meinem Vater schlossen, verdrehte Leo die Augen. „Spann mich nicht auf die Folter. Was war so wichtig, dass Giulio mich aus dem Bett holen musste?“

So wie Milos mein Leibwächter war, war Giulio für Leos Schutz zuständig. „Hat er denn gar nichts gesagt?“

Leo schüttelte den Kopf. „Er hat nur erwähnt, dass Vater mich hierherbestellt hat.“

Da er nur eine Etage unter mir wohnte, hatte er keine allzu großen Mühen auf sich genommen. Ich deutete mit dem Kinn auf den Getränkewagen. „Du wirst einen Drink brauchen.“

Leos gebräuntes Gesicht erbleichte. „Gianni oder Caterina?“, fragte er mit heiserer Stimme.

„Caterina.“

Vor Entsetzen riss er die Augen auf und geriet ins Schwanken. „Nicht Kitty Cat“, murmelte er.

Bei der Erwähnung des Spitznamens, den wir Caterina als Kinder gegeben hatten, verspürte ich einen schmerzhaften Stich im Herzen. Zu ihrem Leidwesen nannten wir sie immer noch so. Heute hatten wir sie sogar damit aufgezogen.

Nachdem ich ihm berichtet hatte, was passiert war, folgte ich meinem eigenen Rat und ging zum Getränkewagen, um mir einen Disaronno einzuschenken.

„Vater ist ein stronzo, weil er uns wegen dieser Allianz nach Philly schickt. Für ihn sind wir doch nichts weiter als bessere Laufburschen“, knurrte Leo.

„Bis wir herausgefunden haben, wer Caterina entführt hat, werden wir noch einige Ärsche küssen müssen.“

„Was weißt du über deine zukünftige Frau?“

„Ist das wirklich wichtig?“, brummte ich.

Leo schnaubte. „Ich würde sagen ja, wenn man bedenkt, dass du sie irgendwann vögeln musst, um Nachkommen mit ihr zu zeugen.“

Ich verdrehte die Augen. „Es gibt Wichtigeres als das Aussehen meiner zukünftigen Frau.“

Bei meinen Worten wurde Leo sofort ernst. „Ich gehe nach unten und packe.“

„Wir brechen in ein paar Stunden auf.“

„Einverstanden“, erwiderte Leo niedergeschlagen.

Er wollte zum Aufzug gehen, doch ich packte ihn am Arm. „Wir werden sie zurückholen.“ Obwohl meine Stimme selbstsicher klang, war ich innerlich aufgewühlt. Doch als zukünftiger Capo musste ich Führungsstärke beweisen und an die Fähigkeit meines Vaters und meiner Familie glauben.

Leo runzelte die Stirn und entgegnete: „Hör auf mit dem Quatsch. Du redest hier mit mir.“

Ein willkommenes Lachen kam mir über die Lippen. „Du kennst mich zu gut.“

„Und ob.“ Er klopfte mir auf den Rücken. „Meinetwegen musst du nicht stark sein. Wir stehen das gemeinsam durch.“

Er hatte keine Ahnung, wie dankbar ich für seine Worte war. „Du wirst doch nicht etwa weich werden?“, erwiderte ich mit einem Grinsen.

Leo zwinkerte mir zu. „Niemals, wenn es darauf ankommt.“

„Arschloch“, murmelte ich lachend.

Kapitel 2

Raphael

Obwohl ich viel lieber Tausende Kilometer entfernt nach Caterina suchen wollte, landete ich in einem gecharterten Jet in Philadelphia. Mein Vater und Gianni waren noch in der Nacht im Privatjet unserer Familie nach Sizilien geflogen. Die Carusos hatten für uns einen Geländewagen auf dem Rollfeld bereitgestellt. Während sich Milos und Giulio um unser Gepäck kümmerten, nahmen Leandro und ich auf dem Rücksitz Platz. Ich fühlte mich, als sei ich von einem Sattelschlepper überfahren worden. Nach Leos Rückkehr in seine Wohnung hatte ich kaum ein Auge zugetan.

Jedes Mal, wenn ich die Lider geschlossen hatte, war Caterinas verängstigtes Gesicht vor meinem inneren Auge aufgetaucht. Und als ich endlich eingeschlafen war, hatten mich Albträume geplagt, in denen sie meinen Namen geschrien und mich angefleht hatte, sie vor Folter oder Vergewaltigung zu bewahren.

Nachdem ich zum zweiten Mal schweißgebadet aufgewacht war, hatte ich den Gedanken an Schlaf aus Angst vor weiteren Albträumen gänzlich verworfen.

Ich hasste dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Natürlich hatte mein Vater sich nicht die Mühe gemacht, sich nach seiner Ankunft auf Sizilien zu melden, doch Gianni hatte mir eine Nachricht geschrieben. In unserer WhatsApp-Gruppe hielt er uns ständig auf dem Laufenden.

Ich blickte aus dem Fenster und hing meinen Gedanken nach, als Leo mich fragte: „Hast du dich gestern Nacht im Internet über deine Braut schlaugemacht?“

„Nein.“

„Dann wirst du sie also treffen, ohne sie zuvor gesehen zu haben?“

Ich drehte mich zu ihm um. „Ja. Warum?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, du bist ein besserer Schauspieler als ich. Ich wäre nicht in der Lage, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, würde sich herausstellen, dass meine zukünftige Frau wie Quasimodo aussieht.“

Ich musste lachen. „Quasimodo?“

Er schauderte. „Ja, eine hässliche weibliche Version.“

„So oberflächlich wie unser Vater ist, würde er mir sicher keine unattraktive Braut vermitteln. Meinst du nicht auch?“

Leo dachte kurz nach und antwortete: „Da hast du wohl recht.“

„Ganz zu schweigen davon, dass unsere Mutter einer Heirat niemals zustimmen würde, wenn er tatsächlich eine hässliche Frau für mich ausgesucht hätte“, sinnierte ich.

Auch wenn mein Vater eitel war, übertrumpfte meine Mutter ihn bei Weitem. Sie war eine schöne Frau, doch sie hatte bereits in ihren Zwanzigern begonnen, sich Botox spritzen zu lassen und sich regelmäßig Schönheitsoperationen zu unterziehen. Ohne Make-up und Designerkleidung verließ sie nie das Haus.

In einer übertrieben dramatischen Geste legte sich Leo eine Hand aufs Herz. „Nicht auszudenken, dass du dich mit einer Frau fortpflanzen müsstest, die nicht perfekt ist.“

Ich schnaubte. „Ganz genau. Ich wette darauf, dass Andrea Caruso genauso schön wie reich ist und gute Verbindungen hat.“

Er zog die Augenbrauen in die Höhe. „Du Glückspilz.“

Ich verdrehte die Augen. „Ja, ich Glückspilz.“

„Tu nicht so, als wäre das ein Todesurteil.“

„Ist es das etwa nicht?“

Denn für mich kam der Gedanke, für den Rest meines Lebens an eine Frau gebunden zu sein, einer Folter gleich. Ich hatte mich noch nie nach einer festen Partnerin gesehnt. Die längste Beziehung, die ich je hatte, dauerte einige Monate. Ich liebte die Jagd und die Spontaneität, nicht zu wissen, neben wem ich am nächsten Morgen aufwachen würde.

Ja, wenn es um Frauen ging, war ich ein Mistkerl.

Ich musste lächeln, als ich an eine der wenigen Gelegenheiten dachte, bei denen Caterina fast so etwas wie einen Fluch ausgestoßen hatte. Kurz bevor sie ins Kloster gegangen war, hatte sie bezeugt, wie eine Frau hysterisch zusammengebrochen war, nachdem ich mit ihr Schluss gemacht hatte. Meine Schwester hatte angewidert den Kopf geschüttelt und mich einen puttaniere genannt.

Obwohl ich es hasste, in Caterinas Augen nicht der perfekte Bruder zu sein, würde ich mich niemals ändern, nicht einmal als verheirateter Mann. Sie mochte mich als männliche Schlampe beschimpfen, doch ich werde einer Frau niemals treu sein. Ich wollte zwar nie wie mein Vater sein, aber in einem Punkt waren wir uns ähnlich: Auch ich würde mein Ehegelübde missachten. Er hatte im Laufe der Jahre zahlreiche Geliebte gehabt, und meine Mutter hatte die Augen davor verschlossen.

Der Wagen hielt vor den Toren einer riesigen Villa. Es war offensichtlich, dass diese Ehe für die Carusos kein sonderlich vorteilhafter Bund war. Finanziell schienen sie mit uns auf Augenhöhe zu sein. Ich konnte verstehen, warum mein Vater ausgerechnet Andrea unter all den potenziellen Bräuten ausgewählt hatte.

Ein Summer ertönte, dann wurde das Tor geöffnet und wir fuhren hindurch. Über meinen zukünftigen Schwiegervater wusste ich nicht viel. Edoardo Caruso war Anfang fünfzig. Wie die meisten sizilianischen Capos war er seit zwanzig Jahren mit derselben Frau verheiratet und hatte fünf Kinder. Andrea war die Älteste, gefolgt von drei Söhnen und einer weiteren Tochter.

Wie mein Vater führte er nach außen hin ein legales Geschäft. In seinem Fall war es eine Reihe von Autohäusern, die er in ganz Pennsylvania verteilt hatte. Durch die Verbindung mit den Carusos würden wir Zugang zum Hafen von Philadelphia und zu anderen kleineren Häfen entlang der Küste erhalten.

Der Geländewagen hielt vor dem weitläufigen Gebäude, und Giulio sprang eilig hinaus, um uns die Tür zu öffnen. Als wir die Marmortreppe zur Veranda hinaufgingen, kam Edoardo uns entgegen.

Mit einem verschlagenen Lächeln reichte er mir die Hand. Obwohl ich keinen Grund hatte, ihm zu misstrauen, war ich sofort in höchster Alarmbereitschaft. „Raphael, ich bin so froh, dass du kommen konntest.“

Ich schüttelte ihm die Hand. „Danke. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für uns genommen haben.“

„Zweifellos kamen die Neuigkeiten für dich ziemlich unerwartet, aber dein Vater und ich haben bereits ausführlich darüber gesprochen.“

Es war geradezu erschreckend, als achtundzwanzigjähriger Mann von bedeutenden Entscheidungen ausgeschlossen zu werden, die das eigene Leben betrafen. „Das glaube ich gern.“

„Ich habe das Gefühl, dich bereits zu kennen. Dein Vater hat mir so viel von dir erzählt.“

Innerlich verdrehte ich die Augen, während ich mir vorstellte, was für einen Unsinn mein Vater über mich zum Besten gegeben hatte. „Ich fühle mich geehrt, dass Sie beschlossen haben, ein Bündnis mit unserer Familie einzugehen.“

Leandro warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich konnte sehen, dass er sich auf die Zunge beißen musste, um nicht über mein hochtrabendes Gehabe zu lachen. Ich deutete auf ihn und sagte: „Darf ich Ihnen meinen jüngeren Bruder Leandro vorstellen?“