Themidor - Godard D'Aucourt - E-Book

Themidor E-Book

Godard D'Aucourt

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Beschreibung

Nun aber bekommen wir von einem kleinen, wenig bekannten Roman der damaligen Zeit unschätzbar köstliche Berichte. Er heißt Themidor und hat den Untertitel: Meine Geschichte und die meiner Geliebten. O, er ist recht unartig, unmoralisch, gepfeffert – für unsere Sittenprediger, die voller Gedanken und Schamhaftigkeitsrezepte selbst gegen den Rundtanz wüten! – aber hübsch, überaus hübsch. Ein wahrhafter Spiegel der geistigen, eleganten, wohlgeborenen und wohlerzogenen Ausschweifung vom Ausgang dieses galanten Jahrhunderts!

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Godard D’Aucourt

Themidor

oder

Meine Geschichte und die meiner Geliebten

(1795)

Erotische Erzählungen 5

Godard D’Aucourt - Themidor

e-book 154

Erscheinungstermin: 01.07.2023

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Übersetzung: Heinrich Töpfer

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Geleitwort von Guy de Maupassant

Wir kennen nur zwei Romane des achtzehnten Jahrhunderts: „Gil Blas“ und „Manon Lescaut“. Beide sind zu Meisterwerken gestempelt worden, obwohl „Manon Lescaut“ dem anderen Werke überlegen ist, und zwar, weil es uns aufklärt über Sitten, Gebräuche, Moral und Liebe dieser anmutigen und ausschweifenden Zeit. Es ist der naturalistische Roman der Zeit. „Gil Blas“ dagegen ist trotz großen Wertes gar nicht dokumentarisch. Man spürt überall die Konventionen des Schriftstellers; die Fabel spielt übrigens über den Bergen – von der damaligen Menschheit bekommt man nicht viel zu sehen. Selbst die wunderbaren Geschichten Voltaires lassen uns darüber im Dunkeln.

Die wenig literarischen Unarten von Crebillon fils und anderen können uns ebenfalls nicht beunruhigen, und hauptsächlich dank der Überlieferung der Memoiren und der Geschichte konnten wir uns ein Bild von dieser auserlesenen und verdorbenen, dieser raffinierten, ausschweifenden, bis in die Fingerspitzen künstlerischen Gesellschaft machen, von dieser vor allem anmutigen und geistreichen Gesellschaft, für die das Vergnügen das einzige Gesetz und die Liebe die einzige Religion war.

Nun aber bekommen wir von einem kleinen, wenig bekannten Roman der damaligen Zeit unschätzbar köstliche Berichte. Er heißt Themidor und hat den Untertitel: Meine Geschichte und die meiner Geliebten.

O, er ist recht unartig, unmoralisch, gepfeffert – für unsere Sittenprediger, die voller Gedanken und Schamhaftigkeitsrezepte selbst gegen den Rundtanz wüten! – aber hübsch, überaus hübsch. Ein wahrhafter Spiegel der geistigen, eleganten, wohlgeborenen und wohlerzogenen Ausschweifung vom Ausgang dieses galanten Jahrhunderts!

Ein Meisterwerk! Und deren gibt es wenige. Alles ist verführerisch in dieser wundervollen entblößten Anmut; ein wundersam reicher Geist durchströmt es. Es stammt aus jenem guten französischen Geist, der so hell strahlt, aus diesem Geist, der natürlich, tanzend, schwirrend, frech, angenehm, skeptisch und tapfer ist; und er sprüht hervor, erlesen und einfach in einer erquickend koketten und geschmeidigen Geste feiner Bosheit. Das ist gute Prosa unseres alten Landes, überaus durchsichtige Prosa, die man trinkt wie unsern Wein, die funkelt wie er, und in den Kopf steigt und fröhlich macht. Es ist Glück, das zu lesen, ein höchst schmackhaftes Glück, eine geradezu sinnliche Lust für den Verstand.

Der Verfasser, der seinen Namen verheimlichte, war ein Generalpächter, Godard d’Aucourt. Wahrhaftig, man hätte gern mit ihm an der Tafel gesessen.

Und der Stoff? Fast ein Nichts: Die Geschichte eines jungen Elegants, dem sein Vater die Geliebte, Rosette, einsperren lässt, und dem es gelingt, sie zu befreien. Und er hatte recht, der glückliche Schelm!

Dieses Buch vermittelt auf eine seltsame Weise die Eindrücke jener schon so entlegenen Zeit, ihrer Menschen und Gewohnheiten: eine vollkommene Wiederauferstehung.

Guy de Maupassant

Notiz

Wenn man bei einem Sammler eintritt, betrachtet man nicht nur mit Entzücken seine Sammlungen, sondern es schmeichelt einen auch noch zu erfahren, in welchem Geist sie angelegt wurden. Die Geschichte des Kabinetts interessiert wegen der Stücke, die es einschließt. In der gleichen Lage sind diejenigen, in deren Hände diese Memoiren gelangen. Es ist gerecht, ihre Wünsche zu befriedigen.

Der Verfasser der Abenteuer, die hier mitgeteilt werden, ist ein Parlamentsrat; es ist unnötig, ihn zu nennen. Da sein Werk ohne seine Einwilligung herauskommt, möchte es ihm nur missfallen, als Verfasser mit aufgeführt zu werden.

Themidor ist ein junger, schöner, wohlgestalteter reicher Mann, von einem ausgezeichneten Charakter und höchst geistvoll, der rasend aufs Vergnügen versessen ist. Bei diesen Eigenschaften ist es nicht verwunderlich, dass er die Gelegenheiten, sich zu amüsieren, gesucht und gefunden hat. Wie es seinem Alter geziemt, ist er von Eitelkeit nicht frei, und es wäre daher sehr sonderbar, wenn er sich nur darum bemüht hätte, sein Glück mit lebhafter Stimme in Paris zu erzählen, und es unterlassen, seinen Freunden davon zu schreiben, die durch ihre Abwesenheit anders keine Kenntnis davon bekommen konnten. Man hat also die in diesen Memoiren enthaltenen Schilderungen teilweise seiner Eigenliebe zu verdanken. Herr Marquis de D’Aucourt, an den sie gerichtet sind, hat sie mit Vergnügen gelesen und sie mir geschickt, damit ich mich daran ergötze. Sie haben auf mich denselben Eindruck gemacht, wie auf ihn; sie sind es wert, jedermann zu gefallen.

Es handelt sich hier keineswegs um einen imaginären Grafen, der, indem er seine angeblichen Konfessionen gibt, bei der Beichte nach Kräften lügt; sondern es ist ein kaum erst in die Gesellschaft eingetretener junger Mann, der sich oft einbildet, das Vergnügen sei seine Entdeckung und seine Erfindung, und der infolgedessen die andern mit Entzücken davon unterhält. Er ist ein junger Mann, der sorgfältig schreibt, entsprechend seiner Gewohnheit zu reden, der manchmal nachdenkt und seinen Gedanken eine ihm eigentümliche Wendung gibt; kurz, ein etwas stürmischer Geist, der noch keine Zeit gehabt, weise zu werden, und mit Feuer das Lob der Zerstreuung singt und die Gelegenheiten, bei denen er sich der Lust hingeben konnte, mit Nachdruck schildert. Seine Porträts sind nach der Natur und verdienten einen Platz in einer Sammlung galanter Miniaturen.

Wir haben es für ratsam gehalten, die Namen derer, die erwähnt werden, zu umschreiben. Alle verständigen Menschen werden diese Vorsicht billigen. Ängstlichen Seelen raten wir nicht, sich mit diesen Abenteuern zu befassen. Sie sind manchmal heikel und können höchst aufreizende Gedanken wecken. Zur Lektüre geeignet sind sie nur für Gemüter, die schon über Liebesgeschichten erhaben sind oder die noch damit leben. Wie man die Geschichte eines Schiffbruches nur denen erzählen soll, die ihn glücklich überstanden oder die im Begriff sind, sich ihm auszusetzen. Übrigens sind diese Memoiren mit Zurückhaltung geschrieben. Sie enthalten kein Wort, das die Sittsamkeit verletzen könnte; doch trägt man keine Verantwortung für die Gedanken, die durch sie entstehen mögen. Von weisesten und leicht eingänglichen Sentenzen sind sie durchsetzt und wirksam für den Geschmack des Publikums, da sie nur liebenswürdige hübsch erzählte Spielereien enthalten, die mehr die Gedanken belustigen, als das Herz bilden.

I.

Was ich schon so lange wünschte, lieber Marquis, es hat sich von selbst gegeben, und ich habe nicht einmal die Vorteile des Zufalls genützt. Endlich habe ich die schöne Rosette besessen. Hier haben Sie ihr Porträt; urteilen Sie, ob ich es ähnlich treffen kann.

Sie hat Geist, Urteil, Einbildungskraft; und es freut sie, ihre Talente zu üben. Alles, was sie tut, atmet Ungezwungenheit, und so erreicht sie auch bei den andern, was sie will. Mit ihrem heitern Äußern, ihrem schwebenden Schritt, dem kleinen Mund, den großen Augen, den schönen Zähnen, dem ganzen Antlitz von Anmut strahlend, ist sie es, die mein Glück ausmacht. Sie ist spröde, wenn es ihr beikommt, von Charakter zärtlich, und ihre Laune kann euch in einem Augenblick zur Verzweiflung bringen; im andern macht ihre Leidenschaft euch trunken von den entzückendsten Ideen. Rosette versteht am besten den Wink der Augen; sie eilt schon, wenn man ruft, und erwidert auch sogleich eure Erklärung. Mit dem Vergnügen treibt sie ihren Mutwillen; doch hält sie es, so sehr sie nur kann, von seinem wirklichen Ziel fern. Sonderbarer Geschmack, eine gute Frucht lieber zu liebkosen, als aus ihr den Saft herauszudrücken!

Seit Ihren Mitteilungen über die Einnahme von Menin waren drei Tage verstrichen, als ich ganz in Gedanken an Sie, lieber Marquis, und beunruhigt über Ihre Gesundheit, wieder Nachrichten von Ihnen erhielt. Ich war im Palais-Royal, um es unsern Freunden zu erzählen, und dann ging ich in einer etwas entfernten Allee spazieren. Ich sah den Präsidenten de Mondorville kommen. Er war geputzt wie gewöhnlich, trug den Kopf hoch und sah zufrieden aus; er applaudierte sich aus Zerstreutheit und fand sich charmant aus Gewohnheit. Er spielte mit einer goldenen Dose, neu nach dem neuesten Geschmack, und entnahm ihr einige leichte Prisen Tabak, mit einer gewissen Ziererei und beschmutzte sich damit das Gesicht. Ihr Diener, sagte er im Vorübergehen, ich eile zur Sonnenuhr. Er tat es. Während ich ihn erwartete, machte ich ein paar Gänge allein und betrachtete mit kritischem Vergnügen eine originelle Gruppe von Novellisten, die abgründlich über Dinge politisierten, die sich nie ereignen werden. Ich näherte mich einem alten Militär, der sehr laut und sehr gut sprach, was immerhin bei seinesgleichen eine Seltenheit ist. Er sang einen würdevollen Panegyrikus auf unsern Monarchen; und es war vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, dass sich niemand fand, der ihm widersprach.

Der Präsident kam von der Sonnenuhr zurück, scheltend, dass seine Uhr ein paar Minuten zu spät ging; er verschwor sich, dass Julien le Roi niemals mehr für ihn arbeiten sollte, und dass er sich direkt von London ein Dutzend Repetieruhren kommen lassen wollte. Wer nicht will, dass einmal seine Uhr um eine Sekunde falsch geht, ist ewig in Widerspruch mit sich selbst.

Mein lieber Rat, sagte er zu mir, eine Prise Spanischen; er ist von diesem armenischen Händler da unten unter den Bäumen, der mir ihn verkauft hat. Er ist ein neuer Konvertit; er soll ein guter Christ sein, aber, meiner Treu, vor den Neugierigen spielt er den Araber. Wie ich Sie da sehe, sind Sie schön, wie die Liebe; man meinte, Sie verkörperten sie, wenn Sie ebenso flatterhaft wären; doch weiß man, dass die junge Baronin Sie in ihren Ketten hält. Ihr Vater ist auf dem Lande. Wenn wir uns in der Stadt vergnügt machen wollen, was für eine Einöde ist Paris! Keine zehn Frauen sind da, und jene, die sich genauer ansehen lassen wollen, haben Augen, denen gegenüber man wählerisch sein muss.

Ich will Sie mit drei jungen Mädchen zu Mittag speisen lassen; wir werden fünf sein, das Vergnügen macht den Sechsten; es wird die Partie mitmachen, denn Sie sind ja dabei. Ich habe meinen Wagen weggeschickt, und Laverdure soll mir einen Fiaker besorgen.

Argentine wird beim Diner mit sein; es ist ein anbetungswürdiges Mädchen, recht ungebunden dazu, und zur Ausschweifung hat sie die besten Neigungen von der Welt.

Erkennen Sie darin nicht den Präsidenten, lieber Marquis? Er hat Genie, Ehre; aber er hängt schrecklich am Vergnügen. Die Nacht auf dem Ball, um sieben Uhr morgens im Palais; in Gesellschaft ist er weder pedantisch, noch zerstreut in der Kammer. Bezaubernd bei der Toilette, unantastbar im Amt, spielt seine Hand mit den Rosen der Venus und hält die Waage der Gerechtigkeit stets im Gleichgewicht.

Unbemerkt verließen wir den Garten. Laverdure war noch nicht da. Einige Zeitlang hörten wir die Gespräche von zwei jungen Leuten an, die einander ihr Glück berichteten, die aber, nach ihrer Miene zu schließen, recht so aussahen, als ob sie vor dem Richter lügen könnten.

Wir entdeckten in ihren Fenstern mehrere Vestalinnen, deren Ruf im Stadtviertel ausgezeichnet ist und die ganze Nachbarschaft durchdringt; sie waren geschmückt wie für Mysterien; wir nahmen an, dass sie nur Feuerwerke anzünden könnten.

Wir bemerkten auf der einen Seite des Platzes das früher so glänzende Café de la Régence und bedauerten die Dame dieses Lokals, gezwungen, einem Gatten davonzugehen, den man nie dazu erlesen wird, an der Tafel der Götter den Nektar zu servieren.

Auf der andern Seite sahen wir das Café des Beaux-Arts, ein neues, recht hübsch ausgestattetes und sehr besuchtes Café, das, wenn es so fortfährt, ehestens das Café der verbotenen Künste sein wird.

Die Herrin dieses Kabinetts stand im Negligé an der Tür. Häufig ist mehr Kunst in dieser Einfachheit, als im kostbaren Putz. Sie ist zuvorkommend und anmutig. Zwar nicht schön, aber man gefällt, wenn man ihr ähnlich sieht. Sie ist wohlgebaut, hat eine sehr weiße Haut, redet ungezwungen, und ihre Antworten haben Geist. Bei der ihr eigenen Art sich zu geben, kann man sich denken, wie sinnlich sie im engeren Umgang sein muss. Ihre Beine sind, wie es scheint, zart und schlank. Ich kenne einen andern Sinn, als das Gesicht, der mit mehr Befriedigung darüber entscheiden würde.

Inzwischen kam Laverdure; er sprang vom Bock, wir stiegen ein. Es ist alles bereit, sagte er; Fräulein Laurette und Fräulein Argentine erwarten Sie; aber Fräulein Rosette ist unpässlich und lässt sich entschuldigen. Diese Neuigkeit, dass Rosette bei der Gesellschaft sein sollte und es nicht sein würde, machte mich traurig. Ich wusste nichts von der Überraschung, die sie uns aufsparte. Man ist oft über etwas betrübt, was einem in der Folge zur größten Annehmlichkeit werden soll.

Der Präsident sprach unaufhörlich bis zur Wohnung unserer Damen. Wenn man sich so abwechslungsreich ausdrückt wie er, ist es erlaubt, Schweigen nicht zu bewahren. Es gibt keinen Stutzer und keine elegante Dame, die er nicht mit ihren Namen, Beinamen, Intrigen, Eigenschaften, Sitten und Abenteuern kennt: Er weiß die Lästerchronik von ganz Paris.

Sehen Sie hier, sagte er, diesen großen Flämen mit dem blassen Teint, der sich so plump gebärdet? Er steht über und unter uns mit all seinem Verstand. Sehn Sie den weißen Damis mit dem scharfsinnigen und geistreichen Blick? Man glaubt, er denkt; so lang er nichts sagt, erweckt er eine gute Meinung von sich; seine Physiognomie lügt aber, dieser Mensch trägt nur seine Maske vor sich her. Sie sehn den kleinen Herzog in seinem Wagen; er spielt den Galanten und den Leidenschaftlichen bei den Damen; aber man kennt seinen Geschmack und ist überzeugt, dass er in solchen Rollen immer pfuscht.

Haben Sie nicht die Gräfin de Dorigny gesehn? Immer sitzt sie allein in ihrer Sänfte, fährt von einem Haus zum andern und zeigt das Stück an, das am Abend bei den Italienern zum ersten Mal aufgeführt wird; aller Welt sagt sie, sie sei überaus zufrieden damit und hat es nicht gelesen. Der Sekretär ihres Bruders ist der Verfasser; mit einer Filetarbeit in der Hand wird sie darüber urteilen. Da sehn Sie den jungen Poliphonte. Er führt mit verhängtem Zügel seinen himmelblauen Phaeton; Sohn eines reichen Weinhändlers, hält er sich für einen Adonis. Der Favorit des Bacchus ist er wohl, aber niemals wird er der des Amor sein.

Die Türe Héberts , fuhr er fort, wage ich gar nicht anzusehn, er verkauft mir immer tausenderlei Dinge gegen meinen Willen; viele andere ruiniert er so durch Kleinigkeiten. Er macht in Frankreich, was die Franzosen in Amerika tun, er gibt Kinkerlitzchen für Goldbarren.

Wir kamen vor der Türe unserer Fräulein an, und nachdem wir ziemlich lange gewartet hatten, kam Laverdure mit ihnen herunter.

Denken Sie wie ich, Marquis? Ich liebe es nicht, dass ein Bedienter mit meinen Geheimnissen oder meinen Vergnügungen so überaus vertraut ist.

Wenn man ein Kleinod hütet, betrachtet man es; wenn man es zu nahe ansieht, wird man davon in Versuchung gebracht, und zuweilen wird der Wächter der Dieb; übrigens kann ein Mädchen, das sich euch aus Interesse verkauft, aus Neigung eurem Vertrauten sich ergeben.

Laurette und Argentine stiegen zu uns ein; wir ziehen die Vorhänge zu und fahren ab. Der Präsident fasste nach den Händen unserer Gefährtinnen; sie empfehlen ihm, weise zu sein; er will sie umarmen; sie verteidigen sich oder geben sich wenigstens den Anschein. Bald hatte ich nach dem Muster meines Freundes Bekanntschaft gemacht: wir schäkern; die Zeit verstreicht und wir befinden uns in La Glaciere.

Das Diner war gerüstet. Gebt einem geschickten Bedienten eure Befehle, macht ihn zum Herrn eurer Börse, und er macht damit die Honneurs weit über eure Wünsche; je zufriedener ihr seid, desto mehr wird er seinen Vorteil gefunden haben. Wer sollte auch nicht in Bezug auf Vergnügen erfinderisch sein, wenn die Kosten von einem andern getragen werden. Das Haus, in dem wir uns befanden, war vom Präsidenten gemietet; man findet da alle wünschenswerten Bequemlichkeiten. Das Äußere ist ja nicht glänzend, aber das Innere entschädigt einen dafür. Von außen ist es die Schmiede Vulkans, im Innern der Palast der Venus.

Diese kleinen Häuser sind einem entzückenden Gedanken entsprungen; das Geheimnis hat sie erfunden, der Geschmack sie gebaut, die Bequemlichkeit sie geordnet und die Eleganz ihre Kabinette ausgestattet. Man begegnet hier nur den schlichten Gebrauchsdingen, aber es ist das Notwendige, das hundertmal entzückender ist als alles Überflüssige. Man findet hier niemals Zierate, die über das Erlaubte hinausgehen; niemals Unruhe. Sittsamkeit wird an der Tür abgewiesen und Verschwiegenheit, die als Schildwache dasteht, lässt nur Lust und liebenswürdige Ausschweifung passieren.

Das Diner war aufgetragen und wir genossen es; erlassen Sie mir die Beschreibung. Denken Sie sich aus, was sich an Genuss bieten kann, wenn jedes einzelne Gericht mit Finesse gereicht wird. Ich setzte mich neben Laurette, und der Präsident wählte Argentine. Laverdure ließ uns nach der Krebssuppe warten; diese Pause füllten wir mit einem Disput aus über die gelehrte und langweilige Oper „Dardanus“. Schon waren wir im Feuer, als uns zwei Vorspeisen präsentiert wurden, denen Mariolo die appetitreizendsten Namen verliehen hätte. Dieser Gang dämpfte unsere Hitze und brachte uns wieder ins Gleichgewicht und zu unseren Tellern.

Sie kennen unsere zwei Tischgenossinnen nicht recht: Hier haben Sie eine Skizze von ihnen.

Laurette ist noch jung, aber nicht so sehr, wie sie sagt, und auch weniger, als sie denkt. Die Gutgläubigkeit der Weiber in diesem Punkte ist bewundernswert. Sie ist eines jener großen, festen und kräftigen Mädchen, deren Hüften und Beine auf ausgezeichnete Befähigung für mehr als einen Tanz hindeuten. Sie ist braun und höchst mutwillig und setzt ihren Stolz darein, Begierden zu wecken.

Argentine ist eine dicke appetitliche Dame, mit etwas aufgestülpter Nase, hübschem Mund, rundlichen Händen und einem Busen, zu dessen Gunsten die Natur nicht sparsam gewesen ist. Das Vergnügen ist ihre angebetete Gottheit; sie opfert ihr daher so häufig, als es nur möglich ist. Ihre Unterhaltung bleibt sich ziemlich gleich: Sie ist glänzend, wenn sie sich über Nichtigkeiten ergeht. Diese Mädchen beherrschen ihren Stoff.

Das Diner verlief ziemlich ruhig; ich war überrascht davon, da ich das stürmische Gemüt des Präsidenten kannte. Ich wurde den Verdacht nicht los, dass er in einem Augenblick der Abwesenheit mit Argentine, unter dem Vorwand, ein ganz neu persisch eingerichtetes Kabinett zu besichtigen, seine Maßregeln gegen die Wirkungen des Champagners getroffen habe. Übrigens bedaure ich ihn, wenn er so lange ohne Vorbereitung keusch geblieben ist. Was mich anlangt, so bemerkte ich sehr wohl, dass man nicht zurückhaltend sein kann, wenn man es will. Bedeutet es ein so großes Unglück, keine unbedingte Herrschaft über die Natur zu besitzen! Man sagt, dass es ruhmvoll sei, sie zu überwinden; ich finde, dass es vergnüglicher ist, sich von ihr besiegen zu lassen.

Schon die heiteren Gespräche hatten unser Mahl belebt; ein paar ziemlich freie Lieder hatten angenehme Begierden erweckt; verschiedentliche Küsse ferner hatten die Reize unserer Tischgenossinnen zum Erblühen gebracht, und sie widerstanden nur so viel, als nötig war, um den Anschein zu erwecken, sie verteidigten sich. Wir dachten an niemand, als Laverdure uns meldete, dass man sehr stark an uns dächte, und uns einen Brief von Seiten Rosettes überreichte.

Der Präsident entsiegelte ihn voll Eifer; er war scherzhaft und beglückwünschte uns zu der liebenswürdigen Unordnung, in der wir vermutlich sein würden, und kündigte uns an, dass sie binnen einer Viertelstunde an unseren Vergnügungen teilnehmen würde. Man trank auf ihre Gesundheit; ich tat es auf eine zu deutliche Weise. Das Herz verrät sich leicht; bei jeder Begegnung ertappt man es auf der Tat. Dies Benehmen enthüllte Argentine und Laurette, dass ich sie bevorzugte. Jedes Weib ist eifersüchtig; die Mädchen vom Genre dieser Fräulein sind es nicht bestimmt und ausgesprochen, aber sie sind nicht unempfindlich. Haben sie anmutvolle Reize, warum sollte nicht auch der Stolz ihr Teil sein? Ohne ein Wort verschworen sie sich zu verhindern, dass Rosette bei ihrem Kommen das genösse, was sie als die ersten Besitzergreifenden verdient hatten. Und der Plan schlug auch nicht fehl. Durch die Bestrafung meiner Liebe zu Rosette hatten sie zweifache Genugtuung: die Erste, sich ein Vergnügen zu bereiten, und die andere, es einer Rivalin zu stehlen. Dies letzte Motiv genügte. Die Frauen tun zuweilen das Böse um des Bösen willen; aber ihre Bosheit ist sehr erfinderisch, wenn sie von einer Lust belohnt werden soll. Man verschob den Nachtisch bis zum Erscheinen Rosettes. Ich vergaß, Ihnen zu sagen, lieber Marquis, dass sie selbst den Brief hergebracht hatte, und dass sie sich im Einverständnis mit Laverdure in einem benachbarten Zimmer versteckt hatte, von dem aus sie allen Vorgängen in dem unsrigen als Zeuge beiwohnte. Warum wusste ich nichts davon! Ich hätte das Geheimnis ihres Verstecks mit in Betracht gezogen. Zum Unterschied von euch Soldaten heben wir nur in den Ländern aus, die uns die liebsten sind.

Als irgendwelche Gründe Argentine veranlassten, hinauszugehen, reichte ihr der Präsident die Hand, und Laurette und ich blieben allein.

Argentine hatte ein hochgeschürztes Kleid aus zitronengelbem Moiré an, mit einem Haarputz, der zerknittert werden wollte. Laurette war in Rot geputzt und trug ein ganz leichtes Gewand. Die Einfachheit verschönte Argentine, und Laurette zog tausend Vorteile aus ihrem Schmuck. Nichts vermag ein hübsches Weib hässlich zu machen; und man kann sich schmeicheln, annehmbar zu sein, wenn man durch die Ziererei des Anzugs gar nicht verändert ist.

Der Präsident ließ etwas auf sich warten. Wir scherzten und lachten miteinander darüber, was sie vermutlich nicht gerade in Verzweiflung brachte. Dem Charakter der Abwesenden nach, nahmen wir an, die Verwendung ihrer Zeit würde ihre wichtigste Angelegenheit sein, und wenn sie über etwas Rechenschaft abzulegen hätten, wäre es nicht, weil sie eine große noch auszufüllende Lücke ließen.