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Hältst du dein Versprechen, auch wenn dein Herz daran zerbricht? Von Geistern, Portalen und dem Wunsch nach göttlichem Beistand In den dunkelsten Nächten des Jahres stehen die Hexenschwestern vor ihrer bisher größten Herausforderung: Der Schleier, der die Welten trennt und Midgard schützt, ist zerstört. Hel, die Göttin der Unterwelt, bereitet sich auf die Wilde Jagd vor, während die Hexen nach einem Weg suchen, die Seelen der Menschen zu beschützen. Auch Marianne und Elisa kämpfen nun an ihrer Seite, hadern aber mit ihrem schlechten Gewissen, Gabriele blind vertraut zu haben. Für Marietta wird es höchste Zeit, den anderen Juliana und ihre Tochter vorzustellen, deren Existenz sie ihnen verschwiegen hat. Bei Katrin, die alles daransetzt, der Gruppe mit ihrer zurückerlangten Gabe zu helfen, löst das Unmut aus. Angrboda und Balder ahnen, dass die Hexen eigene Pläne verfolgen, da beschließt die Riesin selbst aktiv zu werden. Als Marietta einen Hilferuf ihrer Ahnen erhält und erfährt, dass Rosa und Sara in Gefahr sind, trifft sie eine Entscheidung, die sie vor eine unmögliche Wahl stellt. Marietta und Balou im Wettlauf gegen die Wilde Jagd – Band 7 der Harz-Fantasy-Saga.
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Seitenzahl: 232
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Über dieses Buch:
Teaser:Hältst du dein Versprechen, auch wenn dein Herz daran zerbricht?
KlappentextVon Geistern, Portalen und dem Wunsch nach göttlichem Beistand
In den dunkelsten Nächten des Jahres stehen die Hexenschwestern vor ihrer bisher größten Herausforderung: Der Schleier, der die Welten trennt und Midgard schützt, ist zerstört. Hel, die Göttin der Unterwelt, bereitet sich auf die Wilde Jagd vor, während die Hexen nach einem Weg suchen, die Seelen der Menschen zu beschützen.
Auch Marianne und Elisa kämpfen nun an ihrer Seite, hadern aber mit ihrem schlechten Gewissen, Gabriele blind vertraut zu haben. Für Marietta wird es höchste Zeit, den anderen Juliana und ihre Tochter vorzustellen, deren Existenz sie ihnen verschwiegen hat. Bei Katrin, die alles daransetzt, der Gruppe mit ihrer zurückerlangten Gabe zu helfen, löst das Unmut aus.
Angrboda und Balder ahnen, dass die Hexen eigene Pläne verfolgen, da beschließt die Riesin selbst aktiv zu werden. Als Marietta einen Hilferuf ihrer Ahnen erhält und erfährt, dass Rosa und Sara in Gefahr sind, trifft sie eine Entscheidung, die sie vor eine unmögliche Wahl stellt.
Marietta und Balou im Wettlauf gegen die Wilde Jagd – Band 7 der Harz-Fantasy-Saga.
Autorenbeschreibung:
Linda Bier wuchs im schönen Harzvorland auf und kannte bereits im Grundschulalter alle Sagen, Märchen und Legenden der Region auswendig. Nach dem Abitur folgten Ausbildung und Studium im Tourismusbereich, bis sie aus beruflichen Gründen den Harz gegen den Schwarzwald tauschte. Seit ein paar Jahren lebt sie mit ihrem Mann und ihren Katzen im Ländle. Bis heute verschlingt sie einen Fantasyroman nach dem anderen und nutzt jede freie Minute zum Schreiben eigener Geschichten. Schon während ihres Lehrgangs zur Romanautorin an der „Schule des Schreibens“ veröffentlichte sie 2022 den ersten Teil der Harz-Fantasy-Serie „Töchter des Harzes” im Selbstverlag.
Bisher erschienen:
E-Book
Töchter des Harzes – Hexenblut (ISBN 978-3-347-68613-7)
Töchter des Harzes – Hexenfluch (ISBN 978-3-347-80319-0)
Töchter des Harzes – Hexenschwestern (ISBN 978-3-347-95827-2)
Töchter des Harzes – Hexenthing (ISBN 978-3-384-14637-3)
Töchter des Harzes – Hexenseele (ISBN 978-3-384-36368-8)
Töchter des Harzes – Hexentod (ISBN 978-3-384-52922-0)
Taschenbuch
Töchter des Harzes – Sammelband 1 (ISBN 978-3-347-95828-9)
Töchter des Harzes – Sammelband 2 (ISBN 978-3-347-52932-9)
Linda Bier
Töchter des Harzes
Band 7 – Hexennächte
Impressum: © 2025 Linda Bier E-Mail: [email protected] www.lindabier.de Coverdesign von: Lea Böttcher (www.lab-design-boettcher.com) Korrektorat: Annika Schuster (www.lektoratwortwind.com) E-Book-Formatierung: Stefanie Scheurich (www.stefaniescheurich.de) Illustration „Katze“: Serena Merian (www.serenamerian.com) Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Linda Bier c/o Fakriro GmbH / Impressumsservice Bodenfeldstr. 9 91438 Bad Windsheim Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin Kontaktadresse nach EU Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Für alle, die den Winter dem Sommer vorziehen
Liebe Leser*innen,
wie immer zu Beginn des neuen Bandes:
Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten, von mir genannten Personen, Geschäften oder Institutionen sind rein zufällig und nicht gewollt. Produktplatzierungen und werbende Erwähnungen zu Attraktionen oder Sehenswürdigkeiten im Harz sind beabsichtigt.
Den letzten Tagen des Jahres haftete schon immer eine eigene Mystik an. Begleitet Marietta und Balou durch die Raunächte und nehmt euch in Acht vor der Wilden Jagd.
Eure Linda
Personenregister
1 Julnacht
2 Alte und neue Magie
3 Im Eisenwald
4 Raunacht
5 Gemeinschaft
6 Schnee und Schutzamulette
7 Skalde Nora
8 Frau Holle
9 Waghalsige Pläne
10 Gegen die Vernunft
11 Auf der Flucht
12 Ruf des Bären
13 Der Wächter
14 Zorn
15 Nachwirkungen
Danksagung
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Cover
Vom Blut der Riesen (Angrboda)
Familie „von Mayerhofer”
Marietta von Mayerhofer
Der Harz wird von einer Seuche heimgesucht. Auch ihre Freundin Caroline und deren Familie erkranken. Mariettas Versuche, sie mit ihren Kräutern zu heilen, scheitern. Zum ersten Mal sind die Hexen auf Angrbodas Hilfe angewiesen. Balder und die Riesin nutzen die Gelegenheit, ihr erneut zu drohen, und bestrafen Rosalind für ihren Verrat an Hel. Rosa flüstert Marietta beim Abschied zu, dass Noras Blut die Kraft hat, Angrbodas Magie zu brechen und damit auch die Seuche zu stoppen. Mit dem Albtraumpulver der Riesin soll sie die Seuche aus dem Gedächtnis der Menschen löschen.
Rosalind von Mayerhofer
Rosalind ist Hels Gefangene. Sie versucht der Totengöttin behilflich zu sein, da sie sich im Gegenzug frei im Palast bewegen kann. Zum Dank für die Linderung ihrer körperlichen Leiden führt Hel sie mit ihrer alten Freundin Sara zusammen, die ebenfalls eine Gefangene ist. Rosalind ist geschockt, denn Sara, Elisas leibliche Mutter, hätte in Asgard unter Freyas Schutz leben sollen. Stattdessen verwandelt Hel sie in eine Banshee. Rosa riskiert alles und bittet Marietta im Traum um Hilfe.
Rieke von Mayerhofer
Rieke ist froh über die Versöhnung mit ihrer Tochter und möchte Marietta beistehen. Doch die Sorge um ihre ungeborene Tochter zwingt sie aus Angst vor der seltsamen Krankheitswelle auf Abstand.
Familie „Fischer”
Gabriele Fischer
Elisa taucht heulend vor ihrer Tür auf und erzählt ihr von Mariettas Traumreise und ihrem Aufenthalt in Hels Palast. Das ist die Gelegenheit, Balder von ihrem Versagen bei Marianne abzulenken und Elisa endgültig für sich zu gewinnen. Nach dem Besuch bei Angrboda ist Gabriele stinksauer. Ihre Tochter hat sich von Marianne heilen lassen und soll ihren Platz im Zirkel einnehmen. Sie zwingt Marianne zur Seelenjagd, um Hel zu besänftigen, doch wieder gelingt es Marietta auf unerklärliche Weise, Midgard zu retten. Gabrieles einziger Erfolg ist Elisa, die endlich der Hexenweihe zustimmt. Sie bereitet alles vor und setzt zu einem letzten finalen Schlag an, um sich an Marietta zu rächen und ihre Treue den Göttern gegenüber wiederherzustellen. Mit tödlichem Ausgang.
Katrin Fischer
Katrin muss mit ansehen, wie sie Elisa immer mehr an ihre Mutter Gabriele verliert. Alle Versuche, sie davon abzuhalten der Hexenweihe zuzustimmen, scheitern. Katrin will bei der Weihe dabei sein und lässt Elisa nicht mehr aus den Augen. An Jul ist es so weit, doch ihre Mutter verfolgt weit finsterere Pläne. Bei einem Ritual zerstört Gabriele den schützenden Schleier, der die Welten trennt. Im Kampf gegen Gabriele stirbt ihre Mutter. Als Katrin alle Spuren des Ereignisses vernichten will, trifft sie auf Balder, der für Elisas Hexenweihe gekommen ist. Um das Mädchen zu schützen, nimmt Katrin Gabrieles Platz ein und schwört Angrboda erneut die Treue.
Jonas Fischer
Als Marietta endlich aus der Unterwelt zurückkehrt, haben sich zwei Geister an ihre Seele geheftet und drohen ihr. Machtlos muss Jonas mit ansehen, wie sie von ihrem Exfreund entführt wird. Marietta kehrt unbeschadet zurück, doch kurz darauf verlässt sie erneut Midgard, weil die Hexen von Angrboda einberufen werden, um die Seuche zu stoppen. Jonas verliert in diesen Momenten zunehmend die Kontrolle über den Werbären in ihm. Nora und Balou bemerken es und lassen ihn nicht mehr aus den Augen.
Familie „Voigt“
Elisa Voigt
Marietta unternimmt mit ihr eine Traumreise, um ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Als sie Sara sieht, steht sie unter Schock: Ihre Mutter ist eine Banshee. Elisa gibt Rosalind und Marietta die Schuld daran. Danach ist ihr klar, dass nicht alles, was Gabriele ihr erzählt hat, gelogen ist. Sie nimmt Gabrieles Angebot an, um von ihr zu lernen.
Bei einem Besuch in Leipzig hofft sie mit Theresa über ihr Kennenlernen mit ihrer leiblichen Mutter reden zu können und Trost in den Armen ihrer Freundin zu finden. Doch es kommt zum Streit, weil Theresa ihren Mitbewohnerinnen immer noch nicht erzählt hat, dass sie beide ein Paar sind. An Jul ist es so weit, die Hexenweihe steht an. Als Elisa aufbrechen will, verschwinden die Jungen von Mariettas Freundin auf dem Weihnachtsmarkt. Vergeblich versucht sie die Kinder mit Krabats Hilfe zu finden, als sie einen panischen Anruf von Marianne erhält. Sie bittet sie zu kommen, denn Gabriele hat zwei Kinder in ihrer Gewalt und plant ein Ritual. Elisa erkennt, was Gabrieles wahre Absichten sind, und fühlt sich schuldig.
Familie „Neugebauer“
Marianne Neugebauer
Marianne muss mit ansehen, wie immer mehr Menschen in ihrem Umfeld an der Lungenpest erkranken, die sie ausgelöst hat. Als auch ihre Freundin und Angestellte Hannelore erkrankt, bittet sie Gabriele um Hilfe. Zusammen gehen sie ins Krankenhaus und versuchen ihre Freundin zu retten. Vergeblich. Gabriele bittet Balder um Hilfe und der beruft alle Hexen zu Angrboda ein. In ihrer Angst gesteht Marianne der Riesin alles und nimmt die Schuld auf sich. Statt einer Strafe erwartet sie das Lob Angrbodas, die überzeugt ist, dass sie die Seuche auch wieder rückgängig machen kann. Für ihre Einmischung in das natürliche Gleichgewicht verlangt sie ihrer Tochter Hel tausend Seelen zu überlassen. Gabriele zwingt sie dazu, mit ihr diese Seelen zu sammeln, während Marianne versucht die Seuche mit ihrer Gabe rückgängig zu machen.
Vom Blut der Asen (Freya)
Nora Heddasdóttir
Nora erfährt von Marietta, dass ihr Blut vielleicht der Schlüssel ist, um die verheerende Seuche aufzuhalten. Sie willigt sofort ein zu helfen und braut mit Marietta ein Heilmittel. Es wirkt und die beiden fahren zum Brocken, um Angrbodas Albtraumpulver mit ihrer Gabe zu verteilen. Es soll die Menschen vergessen lassen, was passiert ist. Da stürzt sich Krabat, Elisas Rabe, auf den Beutel, um ihn Marietta abzunehmen. Dennoch gelingt ihr Plan. Im Anschluss werden sie von zwei fremden Frauen angesprochen, die sie mit Hilfe einer Illusion von den Schaulustigen abschirmen. Sie sind ebenfalls Hexen und stellen sie zur Rede. Sie beobachten Marietta schon eine Weile und Wissen von Rosalind. Sie fürchten, Marietta arbeite nun für Angrboda, doch Nora setzt sich für Marietta ein.
Vom Blut der Zwerge
Familie „Baumann“
Pamela Baumann
Pamela hadert mit ihrer neuen Identität und den Ereignissen im Stollen. Bei ihrem Pfarrer sucht sie vergeblich Trost und Antworten auf ihre Fragen. Ihre kranke Stiefmutter Sandra merkt, dass mit ihr etwas nicht stimmt, und stellt sie zur Rede. Pamela erzählt ihr, was passiert ist. Von ihrer Gabe, dem Bergmönch und von Gabriele. Sandra glaubt ihr und ahnte selbst bereits, dass Pamela etwas Besonderes ist. Sie stimmt einem Treffen mit den Frauen zu, die auch ihren Sohn gerettet haben. Gabriele und Marianne besuchen Pamela und ihre Stiefmutter. Marianne nutzt ihre Gabe, um Sandra zu helfen. Sie kann den Krebs nicht heilen, doch sie erlöst sie von den Schmerzen und schenkt ihr etwas mehr Zeit. Pamela beschließt den Frauen eine Chance zu geben und ihr neues Schicksal anzunehmen.
Wir sind hier zusammengekommen,im schützenden Schein der Kerzen, und beten zu dir, Freya. Kehre ein in unser Heim, segne diese Kinder und schenke uns die Erinnerung an das, was war. Lenke unseren Blick auf das, was kommen mag, und erfülle uns mit der Liebe, die die dunkle Zeit überdauert.
Katrin
Sirenen schallten durch das Tal und füllten die Nacht mit Lärm. Die Luft schmeckte nach dem Rauch der goldroten Flammen, die bis in den Himmel loderten. Katrin bog in einen Forstweg ab, um anzuhalten. Sie schaltete den Motor ab und atmete ein.
Ihr Herz galoppierte. Energie jagte durch ihre Adern. Sie hielt es nicht länger aus und stieg aus dem Wagen. Eiskalter Wind erfasste ihr Haar und kühlte ihre glühende Haut. Sie atmete aus. Katrin nahm ihren Rucksack vom Beifahrersitz, schloss ab und betrat den kahlen Wald.
Stell dir den Ort vor, an den du reisen möchtest. Je mehr Details du kennst, umso leichter ist der Übergang. Öffne kein Portal, ohne zu wissen, wohin es führt!
Die Worte ihrer Mutter füllten die Stille in ihrem Kopf. Ihr Ziel war ihr so vertraut wie ihr eigenes Zuhause. Sie liebte die grünen Fensterläden des Hauses, die dem Efeu, der sie umrahmte und sich bis zum Dach hinaufzog, trotzten. Hörte das Quietschen der Scharniere, wenn sich die alte Holztür öffnete. Folgte dem einladenden Licht hinter den Fenstern, das sie willkommen hieß. Mehr brauchte ihre Magie nicht. Sie strömte aus ihrer Brust in ihre linke Hand, brennend wie Feuer, das seinen Hunger stillte. Katrin streckte den Arm zur Seite aus und schrieb mit ihrem Finger einen glühenden Kreis in die Luft vor ihr. Ein Schnippen genügte und mit einem zischenden Laut öffnete sich das Portal. Blaue Blitze jagten über die wabernde Oberfläche. Der Wald vor ihr verschwand. Stattdessen zeigte der Durchgang ihr Mariettas hell erleuchtetes Haus. Davor stand eine schlanke Gestalt, die sich in ihre Richtung drehte. Goldene Augen fanden ihre.
Katrin trat in das Portal, konzentrierte sich auf das Gesicht ihres Sohnes. Sie ging einen weiteren Schritt und der grobe Kies der Einfahrt knirschte unter ihren Stiefeln. Sie schnippte erneut mit den Fingern, woraufhin das Portal hinter ihr in sich zusammenfiel. Der Druck in ihren Adern verschwand. Ihre Knie gaben nach, die Welt drehte sich, und ein hysterisches Glucksen kam aus ihrem Mund. Bevor sie auf dem Boden landete, fingen sie zwei starke Arme auf.
„Nein, nein, nein“, raunte Jonas dicht an ihrem Ohr und half ihr zurück in den Stand.
Katrin sank gegen seine Brust, sog seinen herben Duft ein. Das Kichern verwandelte sich in ein Schluchzen.
„Was ist passiert?“, fragte er und schloss sie fester in seine Arme.
„Ich … Balder ließ mir keine Wahl“, flüsterte Katrin. Sie krallte die Finger in den Pullover ihres Sohnes. „Er kam, um sich Elisa zu holen. Das habe ich nicht zugelassen. Ich ersetze Gabriele.“
„Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen. Es tut mir leid.“
Katrin schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin eine Hexe, es ist mein Schicksal. Alles andere war nur ein Traum.“
„Aber …“ Jonas löste sich von ihr und sah ihr in die Augen.
Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Sie haben einen Fehler gemacht, mir meine Magie zurückzugeben. Ich werde dafür sorgen, dass die Kummerbringerin in ihrem Knochenpalast verrottet.“
Jonas wischte Katrin die Tränen von der Wange. „Das war ein Portal, oder? Hast du sie so … entsorgt?“
Kurz blitzte das Bild ihrer toten Mutter in ihrem Kopf auf. Ein Schaudern erfasste sie. Katrin atmete gegen die aufsteigende Übelkeit an. „Nein. Gabriele brennt und dieser verfluchte Turm gleich mit.“
Jonas nickte. „Komm rein. Die Mädchen brauchen dich.“
Angrboda
Ein Beben wie von hundert Riesen im Gleichschritt erfasste den Eisenwald und erschütterte die Mauern ihres Knochenpalastes. Angrboda schreckte auf und trat auf die Terrasse, die ihr ein Panorama auf den toten Wald zu ihren Füßen bot. Zeitgleich erhob sich das Heulen ihrer Armee aus Werwölfen und Werbären wie nie zuvor. Es kroch ihr über den sehnigen Körper und versetzte ihr schwarzes Herz in Rage. Die Riesin sandte ihre Magie aus, um ihre Kinder zu beruhigen, und bemerkte eine Unregelmäßigkeit. Ihre Macht überwand den Schleier. Ein Flimmern unterbrach die ewige Nacht und ein warmer Wind brachte fremde Gerüche. Angrboda blinzelte einmal, zweimal, dann drang ein ungläubiges Lachen aus ihrer Kehle.
Menschen! Der Schleier nach Midgard ist offen! Wie kann das sein?
Die Riesin stürmte aus dem Palast, lief durch den Wald und näherte sich dem Übergang. Glühend aktivierten sich die Fesseln, die sie in ihrer Welt hielten. Sie war noch immer eine Gefangene, ihr Körper an den Eisenwald gebunden. Angrboda legte zwei Finger an den Mund und pfiff. Schwere Schritte ertönten hinter ihr. Einer der Werwölfe trat an sie heran und beugte das Knie vor seiner Herrin.
„Durchquere den Schleier für mich und bring mir etwas aus Midgard“, befahl sie ihrem Diener. „Berichte mir, was du dort siehst, und kehre zu mir zurück. Halte dich von den Menschen fern.“
Sie alle gehörten ihr. Sie zwang ihre Geschöpfe, in der Mischform zu leben, und nahm ihnen damit ihren freien Willen. War die Bestie entfesselt, kam der Mensch nicht dagegen an. Der Werwolf knurrte, trat an ihr vorbei und schritt auf den Schleier zu. Das Flimmern verschluckte ihn ohne Widerstand.
Zurück im Palast bemerkte sie Balders Anwesenheit, noch bevor sie sein samtenes Timbre aus dem Thronsaal vernahm. Der gefallene Sohn Odins brachte ihr die Seele einer ihrer Töchter. Jene, die ihr mit ihrer Unfähigkeit den letzten Nerv raubte.
„Was bei allen neun Welten geht da draußen vor sich? Der Schleier ist gerissen. Wer ist dafür verantwortlich?“ Angrboda durchquerte den Saal, setzte sich auf ihren Thron und musterte ihre Tochter.
„Ich habe den Schleier zerrissen, heilige Mutter“, kam Gabriele Balder zuvor.
„Sie wollte ihre Seele im Anschluss Eurer Tochter schenken, um ihrem Dienst für Euch zu entkommen. Sie vergoss das Blut zweier unschuldiger Kinder. Ihre Seelen weisen der Wilden Jagd den Weg.“ Der gefallene Gott trat einen Schritt vor und verbeugte sich.
Angrboda verabscheute es, wie er sich ihr anbiederte. Mehr noch hasste sie es, auf seine Dienste angewiesen zu sein.
„Hel? Hast du endgültig vergessen, wem deine Treue gilt?“ Ihre langen Finger krampften um die schlangenköpfigen Enden ihrer Armlehnen.
Gabriele kniete sich hin, bis ihre Stirn den Boden berührte. „Nein, heilige Mutter. Ich wäre Euch in Helheim von größerem Nutzen. Ich wollte die Seelen meiner verräterischen Schwestern im Auge behalten und Rosalinds Pläne durchkreuzen.“
„Und du dachtest, was du im Leben nicht schaffst, erreichst du im Tod?“ Angrboda klatsche in die Hände und spendete Applaus. „Gratuliere, Gabriele, wenigstens deine Inkompetenz überwindet immer wieder neue Grenzen. Aber ich gebe zu, du hast das Unmögliche geschafft. Wie?“
Balder grinste und legte seine spitzen Zähne frei. Die Riesin unterdrückte den aufkommenden Würgereiz.
Dieser Nichtsnutz! Er wagt es, solch einen Zauber vor mir zu verbergen?
„Die Macht Eurer Töchter auf Midgard wächst. Es ist eine Frage der Zeit, bis es sich auf Euren Bann auswirkt. Ihr müsst es bemerken, Gnädigste.“
„Sie agieren wie ein Zirkel, das nährt die dunkle Magie und stärkt meine Verbindung zu Midgard. Marietta dient mir, ohne es zu wollen. Die Verräterin ist nützlicher als du, Gabriele. War die Weihe der Kleinen der Grund für dein vorzeitiges Ableben? Oder ist deine Tochter auf mein Angebot eingegangen?“
Gabriele knirschte mit den Zähnen.
„Elisa kam nicht zur Weihe“, erzählte Balder. „Gabriele richtete eine furchtbare Sauerei an und suchte die falschen Kinder für das Opfer aus. Ihre Rachsucht stand ihr erneut im Weg.“
„Deine Blutlinie ist nicht erloschen. Katrin nimmt den Platz ein?“
Balder verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Es war leicht, Katrin zu überzeugen. Ihr Mutterinstinkt ist trotz des Bastards ungebrochen. Sie tat es, um Elisa zu beschützen. Ihre Gabe wird uns nützlich sein.“
„Dennoch sind wir keinen Schritt weiter. Sei so freundlich und erkläre mir, was mir der zerstörte Schleier für einen Nutzen bringt? Wozu geht meine Tochter nach den tausend Seelen selbst auf die Jagd?“ Angrboda lehnte sich im Thron zurück und massierte sich die Stirn. Die Überraschung verwandelte sich in Kopfschmerzen.
„Die Raunächte stehen bevor und der Schleier ist durchlässiger. Meine Geschwister werden den Riss nicht bemerken. Verschafft Euch mit dem Albtraumpulver Zugang zu den Träumen der Menschen. Erscheint ihnen als Frau Holle. Erinnert sie an die alten Geschichten, weckt das verlorene Wissen und stärkt damit den alten Glauben. Sorgt dafür, dass sie Euch anbeten. Die erste Hexe braucht keinen Zirkel, um zu bekommen, was sie will.“
Angrboda verharrte reglos. Balders Worte arbeiteten in ihr. Sie gab es nicht gern zu, aber es stimmte. Ihre Magie überwand den Schleier problemlos. Seit Jahrtausenden war ihr das nicht mehr gelungen. Konnte sie sich so von der Abhängigkeit zu ihren Töchtern lösen?
Ich hasse es, jemanden zu unterschätzen. Balder ist listig. Ich frage mich, welche Ziele er verfolgt. Gabriele diente ihm. Wer wird die Nächste sein?
Sie ertrug den Anblick ihrer Tochter nicht länger.
Wie viel Zeit habe ich mit ihr verschwendet?
„Ich stimme dir zu. Dadurch ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Balder, bring Gabriele zu den Zwingern. Ich versprach ihr nach dem Tod eine Aufgabe, bei der sie beweisen kann, wie treu sie mir, in Erfüllung ihres Schwurs, dienen wird. Im Anschluss kehre nach Midgard zurück. Finde heraus, was meine Töchter unternehmen.“
Der Gott verbeugte sich und zerrte Gabriele an den Haaren hoch. Die Alte ächzte. Ihre Augen spien pures Gift. Auch im Eisenwald nahmen die Seelen wieder einen Körper an. Amüsiert stellte Angrboda sich vor, wie ihre Tochter Tag für Tag die Hinterlassenschaften der Werwölfe beseitigte. Dabei machte sie wenigstens nichts falsch.
Die Riesin wartete, bis die beiden ihren Palast verließen, und zog sich in ihre Gemächer zurück. Vorfreude pulsierte in ihren Adern. Wie lange labte sie sich schon nicht mehr an den Ängsten der Menschen? Dank Balders Initiative und ihrem Eingreifen bei Mariannes Missgeschick standen ihr alle Türen offen. Buchstäblich.
Marietta
Marietta strich der bewusstlosen Marianne eine ergraute Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie lag auf der Couch vor ihrem Kamin und war trotz des goldenen Scheins des Feuers leichenblass.
Was ist mit ihr passiert?
Balou hatte bei ihrer Ankunft miauend vor dem Haus gestanden. Ihn zurückzulassen war ein Fehler gewesen. Marietta hatte ihn in ihre Arme geschlossen und ihm versichert, dass sie in Ordnung war. Nie hatte sie ihren Beschützer aufgebrachter erlebt.
Gabriele hat Caros Jungs entführt. Sie zerstörte den Schleier mit einem Ritual, für das sie das Blut der Kinder brauchte. Marianne musste Teo, Lukas und Jonas heilen, nachdem Gabriele ihn mit ihrer Athame verletzt hatte. Der Fluch hat ihn nicht beschützt.
Marianne hat sich übernommen. Heilen kostet sie Lebenszeit, denn die dunkle Magie rettet keine Leben. Was ist mit Gabriele?
Caroline hat sie erstochen.
„Miau?“, entfuhr es dem Kater, der ihr stummes Gespräch unterbrach und damit die Stille in ihrem Wohnzimmer.
Elisa, die die Arme um die Knie geschlungen hatte und auf dem Boden saß, schaute aus rot verquollenen Augen auf. Nora kam aus der Küche und reichte Marietta einen Becher mit dem Rest von Rosalinds Heiltrank. Dankbar nahm sie ihn ihr ab. Marietta beugte sich über Marianne, hob ihr Kinn an und flößte ihr ein paar Tropfen des Tranks ein.
„Wacht sie wieder auf?“, fragte Nora. Sie legte Marianne die Hand auf die Stirn und kniete sich auf den Boden vor der Couch.
Ja. Lasst sie schlafen.
„Sie braucht Ruhe“, wiederholte Marietta Balous Antwort.
Ich habe dich allein gelassen. Ich habe versagt.
Mir ist nichts passiert. Du wärst uns zwischen all den Menschen auf dem Weihnachtsmarkt keine Hilfe gewesen. Selbst aus der Luft fand Krabat sie nicht.
Der Rabe saß wie ausgestopft auf Mariettas Bücherregal und ließ Elisa nicht aus den Augen. Die Haustür ging auf und wie jedes Mal, wenn eine ihrer Schwestern eintraf, verstärkte sich das Summen in ihrer Brust. Katrin kam hinter Jonas herein. Die Luft in ihrem Wohnzimmer knisterte durch die Macht, die ihre Freundin ausströmte.
„Was ist passiert?“, keuchte Marietta und stand auf.
Balou schnüffelte an Katrin. Sein Fell stellte sich auf.
„Balder kam, um Gabrieles Seele zu holen. Er forderte die Hexenweihe ein, die sie ihm versprochen hatte.“
„Was? Aber …“, krächzte Elisa, die bisher kein einziges Wort gesagt hatte.
„Ich werde nicht zulassen, dass du diesen Schwur leistest. Ich hoffe, du hast begriffen, wer meine Mutter wirklich war“, fuhr Katrin Elisa an. „Wie geht es Marianne? Ist sie in Ordnung?“
„Balou meint, es kostete sie Lebensenergie, die Kinder und Jonas zu heilen. Aber sie wird sich erholen.“ Marietta trat zur Seite und ließ Katrin vorbei.
Sie strich Marianne sanft über das Haar. „Angrbodas dunkle Magie fließt wieder durch meine Adern. Ich bin stärker als Gabriele. Ich nehme ihren Platz im Zirkel ein. Gut, dass meine Mutter uns nicht mehr an Balder verraten kann.“
Nora und Elisa starrten sie mit großen Augen an. Katrin zuckte mit den Schultern, doch Marietta sah ihr an, dass sie mit sich kämpfte.
„Was ist mit …?“, fragte Marietta.
„Ich habe Feuer gelegt. Niemand kann nachvollziehen, was heute passiert ist. Aber das ist unser geringstes Problem.“ Katrin ließ sich auf den freien Sessel fallen und fuhr sich mit den Händen durch das Haar.
Jonas trat hinter sie und stütze sich auf der Rückenlehne ab. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Die letzten Stunden hatten ihre Spuren hinterlassen.
„Die Raunächte stehen bevor und Gabriele hat ein Tor in die Unterwelt aufgerissen. Sie hat allem anderen dort unten den Schleier geöffnet. Wir versuchen das rückgängig zu machen“, fasste Katrin die Situation zusammen.
„Die Wilde Jagd. Gabriele sagte, die Jagd würde kommen“, ergänzte Marietta.
Hoffentlich ist Caroline auf dem Weg raus aus dem Harz.
Nora keuchte auf und schlug die Hände vor dem Mund.
„Die Wilde Jagd?“, fragte Elisa mit gerunzelter Stirn.
Marietta gähnte, statt zu antworten. „Im Haus seid ihr sicher. Es ist viel passiert in den letzten Stunden. Lasst uns schlafen. Morgen früh besprechen wir, was das alles bedeutet. Vielleicht kann Marianne uns berichten, was im Turm geschehen ist.“
Katrin stimmte ihr zu. „Ich passe auf Marianne auf.“
„Du kannst bei mir übernachten“, schlug Nora Elisa vor und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
Jonas griff sich die Decke von der Sessellehne, um sie über Marianne auszubreiten.
Ich gehe raus und sehe mir das an.
Marietta musterte Balou.
Schaffst du das allein?
Ich bin ein Grim, schon vergessen?
Sie streckte ihm die Zunge raus und folgte den Mädchen die Treppe nach oben.
Marietta lauschte den regelmäßigen Atemzügen von Jonas. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und die gedämpfte Geschäftigkeit im Erdgeschoss hatten sie geweckt. Jonas schlief noch tief und fest. Sie hob ihre Hand und strich ihm sanft eine Locke aus dem Gesicht.
Ich dachte für einen unendlich langen Moment, ich hätte dich verloren.
Der Gedanke reichte aus, dass ihr Schweiß auf die Stirn trat. Marietta atmete gegen die Panik an. Jonas drehte sich auf den Rücken. Seine Augenlider flatterten, doch seine Atmung ging weiterhin gleichmäßig. Sie beugte sich über ihren Freund und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Schlaf weiter, ruh wenigstens du dich aus“, flüsterte sie an seinem Ohr und schob sich aus dem Bett. In der Nacht hatte sie kaum geschlafen. Ihre Vorfahrinnen hatten ihr finstere Bilder aus der Vergangenheit von eisigen Wintern und schaurigen Wesen geschickt, die über den Himmel zogen. Sie hatten sie ermahnt und angeschrien, den Schleier zu versiegeln. Auf ihre Frage, wie, bekam sie keine Antwort.
Rosa, ich brauche dich. Ich weiß nicht, wie ich Carolines Jungs beschützen soll. Oder wie wir die Wilde Jagd aufhalten.
Marietta schlüpfte in ihren Bademantel, fuhr sich grob mit den Fingern durch die Haare und schlurfte die Treppe nach unten. Aus der Küche hörte sie Katrin und Nora leise miteinandersprechen. Geschirr klapperte.
Balou? Bist du zurück?
Der Kater hatte nicht wie gewohnt auf ihrem Fußende im Bett geschlafen. Unschlüssig stand sie im Flur und sah aus dem Fenster. Schnee bedeckte die Welt. Graue Wolken erschwerten der Sonne den Aufgang. Aus dem Wohnzimmer erklang ein Schluchzen. Marietta trat ein und atmete erleichtert aus. Marianne umklammerte eine Tasse mit dampfendem Lavendeltee.
„Hey“, sagte Marietta und setzte sich zu der Heilerin auf die Couch.
Ihr Gesicht besaß nach wie vor die Farbe von Kalk. Die Decke lag um ihre Schultern. Ihre Wangen schimmerten feucht. „Es tut mir schrecklich leid“, krächzte sie.
„Du hast die Jungs und Jonas gerettet, nur durch deine Magie sind sie am Leben. Ich danke dir, Marianne.“
„Ich habe mich blenden lassen. Ich habe Gabriele blind vertraut und alles getan, was sie von mir verlangte. Habe nicht auf mein Gewissen gehört. Kinder sind zu Schaden gekommen. Ich bin schuld am Tod vieler Menschen.“ Sie zitterte so stark, dass der Tee über den Rand schwappte.
Marietta legte ihre Hände um Mariannes und hielt sie fest. „Gabriele brachte mich dazu, einen Unschuldigen zu verfluchen. Ich habe zwei Menschen in den Tod geschickt und ihre Seelen verdammt. Ein Junge wächst wegen mir als Weise auf. Meine Familie hat Blut vergossen, da war ich noch nicht geboren. Alles, was wir tun, geschieht, weil die Götter uns manipulieren und uns ihren Willen aufzwingen.“
Marianne hob abwehrend die Hände. „Nein, ich habe dieses Virus erschaffen. Ich habe meine Gabe genutzt, um jemandem bewusst zu schaden. Ich …“ Ihre Stimme brach.
Marietta legte ihre Arme um die ältere Frau und zog sie an sich. „Gestern hast du angefangen, es wiedergutzumachen. Ich teile die Schuld mit dir und gemeinsam werden wir versuchen alles in Ordnung zu bringen. Niemand von uns verurteilt dich. Wir sind eine Familie. Wir sind Schwestern. Halbschwestern, wenn man es genau nimmt.“
Marianne guckte stirnrunzelnd hoch. Marietta gab sie mit einem Lächeln frei.
„Oh, guten Morgen“, begrüßte Nora sie, die mit einem Tablett in den Händen im Wohnzimmer stand.
„Guten Morgen, Nora.“
Das Mädchen schritt durch den Raum und stellte das Tablett auf dem Esstisch ab. Mit flinken Handgriffen deckte sie ein und huschte zurück in die Küche.
Bist du endlich wach, Dornröschen? Lass mich rein, ich habe einen Bärenhunger!
Irritiert fuhr Marietta herum und entdeckte zwei leuchtende Augen im Schnee vor den Fenstern des Wintergartens. Weiße Flocken bedeckten das schwarze Fell des Katers. Sie sprang auf und öffnete die Glastür. Balou spazierte ins Esszimmer und schüttelte sich. Er tapste in die Küche und zog eine Spur aus Katzenpfoten durch den ganzen Raum.
„Guten Morgen, Balou“, begrüßte ihn Katrin, die ebenfalls mit einem vollen Tablett das Wohnzimmer betrat.
„Hallo, Katrin.“ Marietta berührte sie sanft am Arm und folgte dem Kater. „Ich füttere ihn, dann frühstücken wir.“ Sie holte einen Teller aus dem Schrank und leerte eine Dose Thunfisch darauf aus. Balous Diät gab sie auf.
Schnurrend fiel er über das Futter her.
Was hast du die ganze Nacht gemacht?
Zwischen zwei Happen blickte er genervt zu ihr auf.
Ich spreche nicht gern mit vollem Maul.
Marietta verdrehte die Augen.
Du denkst doch nur.
Sein Schwanz zuckte und der Kater verschlang den Fisch auf seinem Teller. Zufrieden leckte er sich den restlichen Saft von der Schnauze.
Der Riss ist gewaltig. Der Schleier ist nach Helheim und zum Eisenwald hin offen. Alles kann problemlos hindurchspazieren.
Zum Eisenwald? Alles?
Marietta schauderte.
Komm, Hexchen, das ist ernst. Weck die anderen. Wir holen am besten Pamela und Juliana dazu. Gabriele ist Geschichte, also Schluss mit den Geheimnissen.
Elisa
Tack, tack, tack, tack …
Schwarze Schwingen flatterten vor dem Fenster. Krabat bat um Einlass.
Elisa zog sich die Decke über den Kopf.
Flieg weg. Lass mich in Ruhe. Du bist frei.
Krah. Krah. Der Rabe verschwand nicht. Stattdessen schickte er ihr Bilder von Vogelschwärmen, die den Harz in Richtung Süden verließen. Damwild, das sich tief in die Wälder zurückzog. Die Unruhe des Tieres mischte sich unter ihre Schuldgefühle. Riss sie aus ihrem Selbstmitleid. Ihr Hals schmerzte und ihre Augen brannten. Nora hatte sie die ganze Nacht gehalten, bis sie eingeschlafen war. Ausgeruht fühlte sie sich nicht. Immer und immer wieder fragte sie sich, was von all dem, das Gabriele ihr erzählt hatte, eine Lüge war. Ob sie Marietta und ihrer Großmutter trauen konnte. Warum Katrin sie nach allem, was sie ihr in den letzten Wochen vorgeworfen hatte, vor den Göttern beschützte.
„Elisa?“ Nora betrat das Zimmer und öffnete das Fenster.
Flatternd kam Krabat herein und setzte sich auf den Nachtschrank. Seine Krallen klackerten auf dem glatten Holz.
Krah. Krah.
Elisa schlug die Decke zurück.
„Guten Morgen. Das Frühstück ist fertig. Marietta hat alle zusammengerufen.“ Nora schenkte ihr ein sanftes Lächeln.
Elisa nickte und ihre Hexenschwester verließ den Raum. Sie setzte sich auf, rieb sich mit den Händen über das Gesicht und spürte einen Luftzug und gleich darauf Krallen, die sich in ihre Schultern gruben. Krabat nestelte mit seinem Schnabel durch ihre zerzausten Haare und gluckste. In ihrer Nähe entspannte er sich. Ihr Handy vibrierte, auf dem Display erschien eine Nachricht von Theresa:
Guten Morgen, Süße, sehen wir uns an Weihnachten? Ich vermisse dich.
